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[Vorworte]

 

Vorwort

Das vorliegende Buch will literarisch interessierte Kreise in die dem Nichtfachmann teilweise schwer zugängliche Welt antiker volkstümlicher Erzählungen einführen. Es will Übersetzungen bieten, nicht Nachbildungen. Um dabei Wortlaut und Stilcharakter der verschiedenen Stücke möglichst genau zu treffen, ist nur da vom Text der Originale abgewichen, wo die Rücksicht auf die Verständlichkeit und auf ein gutes Deutsch das nötig machten. So ist z. B. die im Deutschen in längeren Partien schwerfällig wirkende abhängige Rede meist durch direkte Rede ersetzt. Größere Freiheit war natürlich bei den in Versen wiedergegebenen Stücken geboten. Die Texte sind gelegentlich gekürzt, aber sonst in keinem Zug geändert oder gemildert. »Märchen für Kinder« sind diese Proben antiker Fabulistik allerdings nicht.

Unsere Übersetzungen sind zunächst ohne Heranziehung der bereits existierenden Übertragungen geschaffen. Da es aber nicht im Interesse der Leser liegen konnte, wenn glückliche Funde anderer hier durch weniger treffende Wendungen gegeben wurden, so ist nachträglich die reiche Übersetzungsliteratur herangezogen und mit Dank benutzt worden. Die Nachdichtungen und Übersetzungen, denen wir uns in Einzelfällen verpflichtet fühlen, nennen wir in den Anmerkungen am Ende des Buches bei den einzelnen Abschnitten. Falls das Buch einem Fachmann in die Hände fallen sollte, so wird dieser bemerken, daß auch die Einzelliteratur in Zeitschriften usw. herangezogen und gelegentlich auch nach eigener Auffassung geändert ist.

Die Arbeit war so geteilt, daß Marx die Stücke aus Herodot, Chares und Aelian sowie Amor und Psyche übernahm, Hausrath das übrige. Dem entspricht auch der Anteil an der gemeinsamen Einleitung.

Die Anordnung ist nicht nach der Zeitfolge, sondern nach inneren Gesichtspunkten getroffen. Wo es für das Verständnis wünschenswert schien, sind am Schlusse Anmerkungen beigegeben, die übrigens ebensowenig wie die Einleitung irgendwelche wissenschaftlichen Ansprüche erheben. Die wichtigste Literatur ist auf der letzten Seite zusammengestellt.

Bei der Auswahl der Abbildungen hatten wir uns freundlicher Unterstützung durch die Heidelberger Archäologen zu erfreuen.

Heidelberg und Karlsruhe
Die Verfasser
Frühjahr 1913

 

Vorwort zur zweiten Auflage

Die zweite Auflage dieses Werks, das, wie wir dankbar anerkennen, bei der Kritik eine durchweg freundliche Aufnahme gefunden hat, erscheint hier in verbesserter und etwas erweiterter Gestalt. Hinzugekommen ist bei den Fabeln das Streitgespräch zwischen dem Lorbeer und dem Ölbaum von dem alexandrinischen Dichter und Gelehrten Kallimachus, das in einem ägyptischen Papyrus, leider in sehr lückenreicher Gestalt, zutage getreten ist. Die Übersetzung und Ergänzung stammt von Hausrath. Dieser hat auch aus Ovid die tragisch gefärbte Liebesgeschichte von Pyramus und Thisbe hinzugenommen, die ja aus Shakespeares »Sommernachtstraum« freilich in ganz anderer Auffassung bekannt ist, und die bisher ungenügend vertretenen keck-erotischen Novellen, die sog. milesischen Geschichten, durch zwei Stücke aus Aristaenet erweitert. Dem gelegentlich geäußerten Wunsch, hier zu streichen und auch sonst zu mildern, damit das Buch auch der Jugend in die Hand gegeben werden könne, vermochten wir nicht zu entsprechen. Wir wollten ein unverfälschtes Bild der antiken Fabulistik bieten, und in dieser ist nun einmal das erotische Element ebensowenig wegzudenken wie z. B. in der orientalischen oder altfranzösischen. Weiter ist jetzt auch das Gebiet der phantastischen Reiseerzählung vertreten durch die – stark verkürzte – Übersetzung von Lukians »Wahrer Geschichte«, die Marx gegeben hat. Von weitergehenden Änderungen des Texts im einzelnen sowie von vielfach gewünschten Ergänzungen – das Kirkemärchen der Odyssee, die Kyrosgeschichte bei Herodot, das antike Idyll im Jäger Dios von Prusa, die hellenistische Liebesgeschichte von Akontius und Cydippe nach Aristaenet (oder jetzt auch Kallimachus), um nur einiges zu nennen – mußte leider der Kosten wegen Abstand genommen werden. Dieselbe Rücksicht hat auch dazu geführt, daß der Bilderschmuck des Buchs nicht, wie wir selbst und die meisten Kritiker gewünscht hatten, erweitert, sondern vielmehr beschränkt werden mußte.

Aber wir haben das Zutrauen, daß das Buch auch so unsere Absicht, das Altertum von einer dem großen Publikum weniger bekannten, aber nicht minder reizvollen Seite zu zeigen, erfüllen wird.

Karlsruhe und Wertheim
Die Verfasser
Sommer 1921


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