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Zehntes Kapitel

Wann und wo er den Namen Thalberg zum ersten Male gehört hatte, konnte er sich auch später nicht mehr erinnern. Vielleicht hatte jemand diesen Namen einmal erwähnt, vielleicht hatte er ihn irgendwann und irgendwo einmal gelesen, – er wußte es nicht. Das war ja auch ganz gleichgültig, jedenfalls war dieser Name in seiner ganzen mahnenden Kraft plötzlich da: Sigismund Thalberg, Wiener Pianist, außerordentliche Begabung, die alle bisherigen Meister des Klaviers in Schatten stellt … Im Bewußtsein seiner Titanenkraft lächelte Franzi zuerst: wer könnte schon denselben, schweren Weg in die kosmischen Geheimnisse des Klavierspieles zurücklegen wie er? Aber dann häuften sich die Nachrichten. Thalberg tauchte einmal in dieser, einmal in jener Stadt Europas auf, die Zeitungen schrieben ausführlich über seine Person und schlugen einen Ton an, wie bei der Erscheinung eines Kometen. Franzi zog aber noch immer die Schultern hoch. Genau so schrieben sie seinerzeit, als Ole Bull, das norwegische Violinwunder, an die Öffentlichkeit trat. Eilends trug man Paganini zu Grabe. Aber bald flaute die Sensation ab. Ole Bull war zwar ein guter Geiger, tatsächlich ein sehr guter, aber Paganini schwebte nach wie vor über ihm in unerreichbaren, metaphysischen Höhen …

Dann tauchte Thalberg aber in Paris auf. Und der bisherige Weltbeherrscher des Klaviers, Liszt, las in Genf die Pariser Zeitungen. Als ob sie jemand mit einem aufputschenden Zaubertrank getränkt hätte! Man schrieb im berauschten Tone des Entzückens von dem neuen Stern, und unter den Schreibern befand sich kaum einer, der es nicht entweder durch die Blume oder gar ganz eindeutig gesagt hätte, daß der Thron des bisherigen Klavierkönigs wanke. Alle jene namenlosen, unbedeutenden, kleinen Leute, die die Feder führten, ließen mit einem Male erleichtert ihren Gefühlen freien Lauf. Eine ganze Reihe von Jahren hatte in Paris ein mit allen Gaben gesegneter junger Mann gelebt: Ruhm, Ehrungen, Liebe wurden ihm in Hülle und Fülle zuteil, die Damen der Aristokratie verwöhnten ihn, er schwamm in Glanz und Herrlichkeit. Die im Schatten Lebenden, die Erfolglosen, die Krummbeinigen und die Steckengebliebenen mußten von ganz unten zusehen, wie er auf dem Gipfel des Erfolges verherrlicht wurde. Sie konnten ihn aber nicht antasten, denn seine unerhörte Kunst war unbestritten. Jetzt endlich war eine Gelegenheit da, ihn zu strafen. Der bisherige Halbgott hörte betroffen, welch ein Massenchor der Feindseligkeit plötzlich gegen ihn ertönte. Das erfüllte ihn mit wildem Trotz und Zorn. Mit einem Male war die Frage seiner Alleinherrschaft wichtiger geworden als alles andere. Bis jetzt hatte er die Krone des ersten Klavierspielers der ganzen Welt mit selbstverständlichem Recht getragen, und jetzt tauchte unerwartet jemand auf, der sie ihm entreißen wollte …

Da ward er sich einer ganz neuen Regung bewußt: daß er nämlich als Künstler der Feind eines anderen Künstlers sein könne. Dieses Gefühl war ihm bisher unbekannt. Als damals Chopin auftrat, war er über die selbstlose Anerkennung, deren er fähig sein konnte, so stolz gewesen! Jetzt zeigte sich, was diese Selbstlosigkeit wert war. Ja, damals hatte er leicht selbstlos sein können … Chopin hatte ja seine Weltherrschaft auf dem Klavier nicht bedroht. Allem Anschein nach aber bedrohte sie jetzt dieser Thalberg. Umsonst. Franzi konnte seine Gefühle nicht länger beschönigen, er mußte zugeben, daß ihn das Auftauchen dieses Thalberg brennend schmerzte, daß er sein erbitterter Feind war. Von früh bis spät beschäftigte ihn Thalberg. Was mochte dieser Mensch können? Er versuchte, unauffällig Auskunft einzuholen. Berlioz oder Chopin offen auszufragen, scheute er sich. In einem Briefe an Graf Apponyi, den Gesandten, stellte er lediglich eine lässig hingeworfene Frage, aus deren Beantwortung er dann auch nicht klug werden konnte. Der Graf berichtete ausführlich über Thalberg: er sei der natürliche Sohn des Herzogs von Dietrichstein und einer Aristokratin, er verfüge über hervorragende Verbindungen und habe tatsächlich in Paris großes Aufsehen erregt. Da Graf Apponyi jedoch kein Sachverständiger war, konnte er auch nicht mitteilen, worin das Geheimnis des neuen Phänomens bestand.

Nachdem Franzi diese quälende Ungewißheit lange genug ertragen hatte, schlug er eines Tages mit der Faust auf den Tisch.

»Ich fahre nach Paris! Wenn ich in Lyon fertig bin, fahre ich nach Paris!«

Marie hob den Kopf und schwieg. Was sie dachte, stand aber auf ihrem Gesicht geschrieben. Als Heldin einer Skandalgeschichte konnte sie nicht mit nach Paris fahren. Auch ihrer Familie wegen kam ein Aufenthalt in Paris nicht in Frage. Hier in Genf hatte sie niemanden, aber auch gar niemanden, nur Franzi. Und dieser einzige Gefährte wollte sie in ihrer einsamen Verbannung allein lassen? Franzi las seiner Geliebten diese Gedanken vom Gesicht ab. Sein fester Entschluß geriet sofort wieder ins Wanken. Marie war schon traurig gewesen, daß er ein Konzert in Lyon geben mußte. Damit hatte sie sich schließlich aber abgefunden. In Lyon stand viel Geld auf dem Spiele, und das Geld konnte man gut brauchen. Aber nun auch noch nach Paris, wohin man nicht gehen mußte …

»Ich dachte nur so«, beschwichtigte Franzi feige, »ich möchte diesem Thalberg gern in die Augen sehen … im ganzen wären es nur vier bis fünf Tage geworden … aber es ist ja nicht unbedingt erforderlich …«

Dieser schnelle Rückzug ließ ihm aber doch keine Ruhe. Am nächsten Tage spielte er vorsichtig darauf an, daß es unter Umständen gut wäre, das Verhältnis Maries zu ihrer Familie zu ordnen und aus diesem Grunde zum Beispiel den Bruder Maries, den jetzt in Paris stationierten Diplomaten, aufzusuchen. Marie ging diesen Anregungen aus dem Wege. Franzi wartete vergeblich darauf, daß sie seine Absicht erraten und ihn selbst nach Paris schicken würde. Zu guter Letzt war er doch gezwungen, den Gedanken an die Pariser Reise aufzugeben.

Aus Lyon schrieb er Marie in zahlreichen Briefen, daß er Paris hasse, daß ihn nichts mehr dorthin ziehe und daß es überhaupt nicht mehr in seiner Absicht liege, dorthin zu fahren. Er könne es kaum erwarten, wieder in Genf zu sein. Aber auch während der sehr ertragreichen Erfolge der Lyoner Konzerte ließ ihn der Gedanke au Thalberg nicht los. Die Musikverständigen in Lyon sprachen auch andauernd von ihm. Eine oder zwei Kompositionen Thalbergs gerieten in Franzis Hände, er fand sie mittelmäßig. Gleichzeitig las er in den Zeitungen, daß Thalberg Paris verlassen habe.

Und da fuhr er doch nach Paris. In seinen Briefen an Marie führte er hunderterlei Gründe an und suchte durch seitenlange leidenschaftliche Liebesbeteuerungen die Vergebung der sicherlich verletzten Marie zu erkaufen. Nichts konnte ihn zurückhalten. Wenn er den gejagten Gegner schon nicht mehr fassen konnte, wollte er wenigstens seine Spuren finden, den Eindruck feststellen, den er hinterlassen hatte, nachforschen, vergleichen … Ursprünglich war vereinbart gewesen, daß seine Mutter für einige Wochen nach Genf kommen sollte, sobald er aus Lyon zurück war. Nun schrieb er der Mutter, sie solle ihn in Paris erwarten. Und an einem Maientage kam er nach einem Jahre des Fernseins wieder in Paris an. Sein altes Zimmer erwartete ihn fast unberührt und darin die freudestrahlende Mutter.

Sein erster Weg führte ihn zu Chopin. Der Amico empfing ihn mit überströmender Herzlichkeit. In seinem Benehmen war nicht der geringste Nachgeschmack des einstigen Zerwürfnisses mehr zu spüren. Sie waren wieder Freunde mit Leib und Seele. Nach kurzen Worten der Begrüßung kam Franzi gleich zur Sache.

»Also jetzt lassen Sie mich mal hören, wer und was dieser Thalberg ist?«

»Ein ausgezeichneter Klavierspieler. Ich habe ihn öfters gehört. Ganz erstklassig. Ich habe ihn auch kennengelernt. Er ist ein ziemlich zurückhaltender, salzloser, höflicher Mensch mit sehr guter Kinderstube.«

»Sprechen wir doch nicht von ihm persönlich. Ist er ein besserer Klavierspieler als ich?«

»Aber nein! Davon kann gar keine Rede sein. Er spielt alles genau und gemessen, aber in Ihren Sphären schwebt er nicht. Er spielt eben nur Klavier. Sie sind hundertmal mehr als er, Franzi! Aber was ist denn mit Ihnen? Sind Sie verrückt geworden?«

Die Spannung, unter der er so lange gestanden hatte, löste sich nun in Lachen und Weinen zugleich auf. Es sah wirklich so aus, als hätte er den Verstand verloren. Wenn jemand eine Begabung abzuschätzen und die Wahrheit ehrlich zu sagen vermochte, so war es Chopin. Seine Antwort entschied alle quälenden Fragen.

»Aber die Kritiker haben doch von einem neuen Stil des Vortrages geschrieben. Was macht er also? Was kann er Neues?«

»Er kann alles, was sich erlernen läßt. Sein Vortrag ist ziemlich naiv. Er untermalt mit der einen Hand in dichten Passagen, mit der anderen hebt er die Melodie stark hervor. Warten Sie, ich zeige es Ihnen gleich.«

Chopin setzte sich ans Klavier und führte es vor. Franzi hörte aufmerksam zu. Dann sagte er nachdenklich:

»So etwas ist geeignet, sehr beliebt zu werden.«

»Richtig. Und das ist auch bereits der Fall. Es gibt schon eine begeisterte Thalberg-Partei, der das außerordentlich zusagt und für die wir zu gut sind. Wenn wir uns also mit ihm messen wollen, müssen wir uns sehr dranhalten. Im Herbst ist er vielleicht schon wieder hier, nächstes Frühjahr bestimmt. Ich hoffe, Franzi, Sie lassen sich nicht unterkriegen.«

Franzi, erleichtert, versprach es schon jetzt. Er würde diesen Thalberg schon erledigen, er sollte nur erst mit ihm zusammentreffen!

Dann unterhielten sie sich noch lange über Franzis neues Leben. Er spielte auch seine neuesten Tondichtungen vor und Chopin die seinen. Erholt und erquickt trennte Franzi sich von dem Freund. Als er zu Hause war, brachte man ihm einen Brief:

 

»Mein Herr, – meine Schwester schreibt, eine Aussprache zwischen uns sei ihr wie Ihnen gleich erwünscht. Jedes andere Gefühl außer der großen Besorgnis um meine Schwester unterdrückend, gedenke ich morgen abend zwischen acht und neun bei Ihnen vorzusprechen. Sollte Ihnen diese Zeit nicht zusagen, so geben Sie mir Bescheid.

Maurice de Flavigny.«

 

Sehr schön. Franzi erwartete diese Zusammenkunft in Seelenruhe. Er sah den nervösen, aufgeregten und befangenen Bruder schon in Gedanken vor sich und zugleich sich selbst als würdevollen, in sich gefestigten Mann … Als er aber dem sehr steifen und trotzdem höflichen Diplomaten Platz anbot, kam ihm zu Bewußtsein, daß er diesen Herrn in eine höchst peinliche gesellschaftliche Situation gebracht hatte und daß er mit dessen Schwester in einer skandalösen, wilden Ehe lebte, aus der auch schon ein Kind hervorgegangen war. Seine ganze Festigkeit verflog mit einem Male bei diesen Erwägungen. Maurice de Flavigny aber blieb unerschütterlich kalt und ruhig.

»Die Gräfin möchte gern, wenn sie dessen gewiß sein könnte … wenn sie unter Umständen nach Paris kommt … seitens ihrer Familie wird nicht … wird nicht …«

»Bitte, meine Schwester soll jetzt nicht nach Paris kommen. Das liegt weder in ihrem Interesse, noch im Interesse der Familie.«

»Ach nein, nicht jetzt … aber wenn einmal … sie würde gern eine diesbezügliche Zusicherung erhalten, daß man sie nicht hindern würde, die kleine Komtesse Claire zu besuchen.«

»Bitte, in Anbetracht der vornehmen Gesinnung des Grafen D'Agoult kann ich das ohne weiteres versprechen. Ich werde gern vermitteln. Kanu ich noch irgend etwas tun?«

Marie wollte noch eine ganze Reihe von Gegenständen aus ihrem alten Heim haben: aufbewahrte Briefe, Lieblingsbücher, kleine Erinnerungen. Gewissenhaft schrieb Maurice de Flavigny diese Wünsche auf und sicherte deren Erfüllung zu.

»Bitte«, sagte endlich Franzi, »ich möchte gerne noch ein paar erklärende Worte vorbringen … was meine Verantwortung anbelangt, die ich mein ganzes Leben lang gerne trage …«

»Pardon«, fiel ihm der Bruder ins Wort, »ich habe Sie nicht zur Verantwortung zu ziehen, das wäre Sache meines Schwagers. Er wünscht aber gleichfalls nicht, Sie zur Verantwortung zu ziehen. Sprechen wir also nicht davon. Mich interessiert das Wohlbefinden meiner Schwester und ihre finanzielle Lage.«

Franzi beantwortete ausführlich und bereitwillig jede Frage. Dann stand de Flavigny auf, verbeugte sich höflich und verabschiedete sich:

»Ich danke. Adieu, mein Herr.«

»Adieu, mein Herr.«

Das hatte er also überstanden. Aber noch tagelang machte er sich Vorwürfe, daß er so linkisch und verstört gewesen war. Die zahlreichen alten Bekannten halfen ihm wiederum, seine Gedanken abzulenken. All die ausgiebigen Klatschgeschichten sammelte er gierig, um Marie recht viel erzählen zu können. Er erkundigte sich nach alten Liebschaften und stöberte nach neuen herum. Bei Erards begrüßte man ihn mit stürmischer Freude. Er mußte spielen. Sie sprachen über Thalberg. Jeder seiner Tage war von früh bis abends eine einzige, aufregende Neuigkeit.

Er hatte die Absicht, nicht länger als vier bis fünf Tage zu bleiben. Diese Zeit müßte ausreichen, seine Verlagsangelegenheiten zu besprechen, das für seine Zwecke notwendige Orchestermaterial zu sammeln und einige Bekannte aufzusuchen: Berlioz, die Herzogin von Belgiojoso und Musset. Auf der Straße traf er aber Meyerbeer, der sich außerordentlich über das Wiedersehen freute und ihm das Versprechen abnahm, sich unter allen Umständen seine »Hugenotten« anzusehen. Leichtsinnig gab Franzi ihm die Hand darauf. Da mußte die Oper die bereits angekündigte Aufführung verschieben, weil die Primadonna erkrankt war. Er schrieb also an Marie, daß er noch ein bis zwei Tage länger in Paris bleiben müsse. Die auf einen neuen Termin angesetzten »Hugenotten« wurden jedoch nochmals verschoben. Wieder schrieb er an Marie. Dann vereinbarte er brieflich mit dem Abbé Lamennais eine Zusammenkunft in Paris. Sie hatten auch bereits den Tag bestimmt, aber statt des Abbé kam ein Brief: infolge eingetretener Hindernisse könne er erst in einer Woche kommen … Franzi teilte Marie also mit, daß er gezwungen sei, noch eine Woche länger in Paris zu bleiben.

Ausreden erfand er hunderte, nur die Wahrheit schrieb er nicht. Und die Wahrheit war, daß ihn die Herzogin Belgiojoso zurückhielt. Nicht die Genfer, sondern die Pariser Herzogin. Als er sie in ihrem sternenbestickten, altbekannten Salon zum ersten Male wieder aufsuchte, leuchtete etwas im Gesicht der schönen Fran auf, was nicht mißzuverstehen war. Und nach einer Unterhaltung von zehn Minuten waren sie auch schon bei diesem »etwas« angelangt.

»Wissen Sie«, sagte die Herzogin, »daß ich seit Jahren jetzt das erstemal mit Ihnen allein bin?«

»Wieso?«

»So oft Sie zu mir kamen, war immer jemand da, entweder: Adèle, Marie oder sonst jemand. Heute sitzen Sie zum ersten Male ohne weibliche Kontrolle vor mir. Sehen Sie, dazu mußten Sie für ein Jahr nach Genf übersiedeln. Wann sind Sie von Genf weggefahren?«

»Mein Gott, schon vor Wochen. Ich muß mich auch sehr beeilen, wieder zurückzukehren.«

»Was? Sie haben Marie wochenlang entbehren können? Im übrigen habe ich keine Angst um Sie. Auch Sie sind nur ein Mann wie alle anderen. Ich verurteile Sie nicht etwa. Ich habe nur meine eigene Auffassung. Kleine Abenteuer, in die man sich ohne Seele begibt, zählen nicht. Die seelische Treue ist die Hauptsache.«

Franzi sah die Herzogin verwundert an. Er kannte sie schon seit langem. Er hatte sich schon viel mit ihr unterhalten, so aber hatte er sie noch nie sprechen gehört. Was wollte diese Frau?

»Ihrer Meinung nach, Herzogin, soll man also, so verliebt man auch sonst sein mag, schweigend von anderen sich anbietenden schönen Lippen Gebrauch machen?«

»Warum nicht? Wenn diese Lippen es wollen …«

»Sonderbar. Das habe ich noch nicht versucht. Ich liebe Marie, und seit wir zusammen sind, habe ich sie noch nicht betrogen. Ich kenne den Geschmack dieser Sünde nicht …«

Er sah der Herzogin in die Augen, die ihn seltsam anblitzten. Da wiederholte er:

»Ich kenne den Geschmack dieser Sünde nicht … ich muß ihn erst kennenlernen …«

Ruhig griff er nach dem Kopf der Herzogin, die sich nicht einen Augenblick lang sträubte. Der Kuß war heiß und erregend. Sein Gewissen mahnte ihn zwar mit wildem Herzklopfen. Er wußte, daß er niederträchtig handelte. Aber er war vierundzwanzig Jahre alt … Plötzlich faßte er die Wangen der Herzogin in seine beiden Hände und wendete den interessanten italienischen Kopf zu sich, damit er ihr in die Augen sehen konnte.

»Daß Sie mich nicht mißverstehen: ich bin nicht verliebt in Sie.«

»Ich auch nicht in Sie«, entgegnete die Herzogin mit einem gurrenden Lachen.

Sie küßten sich. Er konnte nicht widerstehen, er betrog Marie. Er schämte sich furchtbar, aber er wartete doch ab, bis die Aufführung der »Hugenotten« endgültig festgesetzt war. Dann wartete er noch länger auf den Besuch des Abbé. So jagte eine Verzögerung die andere. Sein Gewissen suchte in langen, von Zärtlichkeit überfließenden Briefen Erleichterung, und während er die leidenschaftlichen Zeilen an Marie schrieb, fühlte er, daß er Marie aufrichtig liebte … und versprach der Herzogin für den anderen Tag, bei ihr zu Abend zu essen. Er war zu schwach, sich von diesem sündhaften Versprechen loszureißen. Wieder vergingen Tage und Wochen. Der Abbé Lamennais schrieb abermals, daß er nicht früher als am ersten Juni nach Paris kommen könne. Franzi redete sich ein, daß er unter allen Umständen den Abbé abwarten müsse. Und er wartete ihn auch ab. Die »Hugenotten« hatte er schon längst gesehen, ursprünglich wollte er vier Tage in Paris bleiben und blieb drei Wochen lang.

Um so hingebungsvoller und mit um so größerer Zärtlichkeit war er bestrebt, sein Vergehen wieder gutzumachen. Er bat Marie, seine Ankunft vor den Genfer Bekannten zu verheimlichen, damit sie zwei Tage ganz allein miteinander verbringen und das Wiedersehen feiern könnten. So geschah es auch. Franzi kam im geheimen an und, nachdem er sich über das prächtige Gedeihen des Töchterchens gebührend gefreut hatte, zog er sich mit Marie zurück. Zwei Tage lang setzte er seinen Fuß nicht aus der Wohnung. Das war die innigste und glühendste Zeit ihrer Liebe. Sie sprachen von der Unendlichkeit, vom Tode und von der vollkommenen Vereinigung. Und daß sie sich jemals wieder für eine so lange Zeit voneinander trennen könnten, hielten beide für unmöglich.

»Nie wieder, nie!« seufzte Marie, der die fürchterliche Langeweile der sechswöchigen Einsamkeit eine entsetzliche Qual bedeutet hatte.

»Nie wieder«, versicherte Franzi, der nunmehr wußte, daß er sündhaft schwach war, wenn sich eine Gelegenheit bot …

Die wichtigste Nachricht, die er aus Paris mitbrachte, war eher ein Eindruck als eine Nachricht, aber ein gut begründeter Eindruck. Aus den Gesprächen mit seinen Bekannten aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten glaubte er schließen zu können, daß der Skandal der Entführung Maries die Gemüter kaum noch erregte. Seit diesem Ereignis war ein Jahr vergangen, und inzwischen war in der Pariser Gesellschaft viel Neues und Nennenswertes vorgefallen. Marie konnte sicherlich, ohne einen neuen Skandal heraufzubeschwören, nach Paris zurückkehren, wenn sie nur noch einen oder zwei Monate wartete. Die Salons ihrer früheren Bekannten würde sie zwar nicht aufsuchen können, aber ohne Zweifel würde es auch solche geben, die sich über die Vorurteile hinwegsetzten und sie besuchten, wenn sich erst die Nachricht verbreitet hätte, daß sie wieder da wäre. So beschloß sie, im Herbst oder spätestens im Anfang des Winters nach Paris zurückzukehren.

Vorerst war jedoch Sommer. Sie vertrauten die kleine Blandine der sorgsamen Pflege einer zuverlässigen Amme an und reisten umher. Marie wählte sich Monnetier als Aufenthaltsort. Von dort aus gab Franzi zwar einige Konzerte, aber diesmal war er eifrigst bemüht, unverzüglich wieder heimzukehren. Als Krönung des Sommers beschlossen sie, im September nach Chamonix zu gehen. Ein Brief George Sands, die mit ihren beiden Kindern einige Wochen in der Schweiz verbringen wollte, kam ihnen dazu gerade recht. Sie vereinbarten brieflich, den Ausflug nach Chamonix gemeinsam zu unternehmen. Adolphe Pictet, der Schriftsteller, Sprachgelehrte und Major der Schweizer Armee, schloß sich ihnen mit großer Freude an.

George Sand verspätete sich jedoch, so daß sich Franzi und Marie vorläufig mit dem unvermeidlichen Putzi allein auf den Weg machten. Sie ließen Pictet zurück, damit er der Schriftstellerin den Weg weisen könne.

Bei wundervollem Wetter kamen sie in der Welt des glitzernden Schnees an. Die unwahrscheinliche Schönheit der Gegend wirkte geradezu erschütternd auf sie. In einem idyllischen kleinen Hotel, »Union« genannt, bekamen sie Wohnung, und als der korpulente Besitzer das Zimmer Nummer dreizehn für sie bestimmte, lachten sie herzlich über die abergläubische Ziffer. Sie lachten überhaupt über alles. Sie waren ausgelassen guter Laune, die Langeweile Genfs und die Sorgen des Alltages blieben weit, weit hinter ihnen zurück, und in ihrer Gelöstheit hätten sie am liebsten fliegen wollen.

»Wir sind die Familie Piffoel, benehmen wir uns danach!« rief Marie.

Den Namen »Piffoel« gebrauchten sie als Spottnamen für alle Spießbürger. Und in ihrem Übermut schrieben sie diesen Namen auch auf die Anmeldezettel. Der Hotelbesitzer machte runde Augen, als er die beiden Anmeldezettel zurückerhielt. Franzis sah folgendermaßen aus:

 

Beruf: Musikweiser.
Geburtsort: Paruaß.
Woher gekommen: aus Zweifel.
Reiseziel: die Wahrheit.

 

Marie übertrieb noch mehr:

 

Ständiger Wohnsitz: die Natur.
Woher gekommen: von Gott.
Reiseziel: das Himmelreich.
Geburtsort: Europa.
Beruf: Müßiggänger.
Zeit der etwa erhaltenen Auszeichnungen: immer.
Von wem verliehen: von der öffentlichen Meinung.

 

Die Mehrzahl der Gäste des »Union« bestand aus englischen Familien und amerikanischen Damen, die sich nicht genug über die neuangekommene sonderbare Familie wundern konnten. Marie begann damit, daß sie am ersten Tage Putzi vormittags als Jungen, nachmittags als Mädchen ankleiden ließ. Die ehrbaren Ausländer schüttelten erstaunt die Köpfe. Sie wußten nicht, woran sie mit dieser Familie waren: kamen nun zwei Kinder mit oder, wenn nur eins, war es ein Junge oder ein Mädchen?

Die wahre Verblüffung der Hotelgäste trat aber erst ein, als die noch sonderbarere Ergänzung der sonderbaren Familie ankam: ein erwachsenes Wesen, von dem man nicht wissen konnte, ob es der Vater oder die Mutter der beiden mitgebrachten Kinder war. Die Kinder, ein Junge von etwa zehn Jahren und ein etwas kleineres Mädchen, trugen beide bis zu den Schultern reichendes langes Haar. Die Hotelgäste bestaunten befremdet diese rätselhafte und unerforschliche Gesellschaft. Marie hörte zufällig, wie eine der englischen Damen die andere fragte:

»Haben Sie schon die Kunstreitergesellschaft gesehen?«

Eine alte Dame, offensichtlich eine Katholikin, bekreuzigte sich, als George Sand in Hosen, in ihrem Munde eine angerauchte Zigarre, das Gesellschaftszimmer überquerte. Die Ausflügler fanden eine erquickliche Freude an der allgemeinen Verblüffung und Empörung, die sie hervorriefen. Epatez le Bourgeois! Erschreckte den Spießbürger! Sie genossen diesen revolutionären Satz, und wenn Franzi Lust bekam, in der Nacht um halb zwei Uhr Klavier zu spielen, dann setzte er sich eben ans Klavier und stürmte darauf herum wie das heilige Donnerwetter selber. Die Hotelgäste beschwerten sich natürlich beim Inhaber, der aber behandelte die eigenartigen Gäste außerordentlich behutsam, weil sie das Geld mit vollen Händen ausstreuten und nach dem Abendessen eine Flasche Champagner nach der anderen bestellten. Maurice und Solange, Georges Kinder, legten sich beizeiten zur Ruhe, Putzi aber war nicht zu bewegen, ins Bett zu gehen. Mit seinen sechzehn Jahren rechnete er sich schon zu den Erwachsenen, bettelte um Sekt und lernte mit großem Eifer Zigarren rauchen. Die Sektgelage waren ausgefüllt mit endlosen literarischen und metaphysischen Debatten. Pictet wurde, sobald er ein wenig getrunken hatte, außerordentlich gesprächig und beweislustig, mit einem Worte, ein würdiger Partner für Marie, die sich für alle Widersprüche und nicht beweisbaren Behauptungen, ganz gleich worum es ging, begeisterte. Der Gedankenaustausch verlor sich in die Welt des Phantastischen und wurde ebenso nebelig wie der dichte Zigarrenrauch, der sie umgab, je weiter die Stunden verrückten und je mehr Sektflaschen leer wurden. Verwundert erinnerten sie sich am nächsten Tage an die Unmöglichkeiten, die sie in der vergangenen Nacht so leidenschaftlich behauptet und widerrufen hatten …

Die Tage verbrachten sie mit Ausflügen. Sie mieteten sich einen Wagen und nahmen für den ganzen Tag ausreichende Lebensmittel mit. Jubelnd, lachend und mit unbändigem Lärm machten sich die vier Erwachsenen und die drei Kinder auf den Weg. Eine unwahrscheinlich anmutende Gesellschaft, in der die Männer bis zu den Schultern reichendes, George Sand aber kurzes Haar trug; es war schwer zu sagen, wer die Frau und wer der Manu war. Eine Gesellschaft, die jede Disziplin sprengte und jeder Moral ins Gesicht schlug.

Eine Woche lang dauerte dieses lustige, mutwillige Treiben, das alle so wohltuend erfrischt hatte und allen einen tiefen Seufzer entlockte, als es zu Ende war. Zurück in die Tretmühle des Alltags … Dieser Zwang stimmte sie allesamt traurig, Marie erbitterte er geradezu. Sie fing an zu weinen, als sie sich Genf näherten. Franzi warf ihr einen besorgten, fragenden Blick zu.

»Ich vertrage dieses Genf nicht«, schluchzte sie, »es ist schlimmer als jede ländliche Kleinstadt.«

»Wir werden schon einen Ausweg finden«, besänftigte sie Franzi nach kurzer Überlegung leise.

George Sand und ihre Kinder hielten sich noch eine Weile bei ihnen in Genf auf, dann reisten auch sie ab, und Franzi und Marie blieben allein. Als sie langsam in die alltägliche Ordnung ihres Genfer Lebens zurückgefunden hatten, kam Franzi von selbst auf das alte Thema zurück. Auch er sehnte sich weg von Genf. Finanziell standen sie nicht schlecht da. Die Einnahmen von den Konzerten und dem Verkauf seiner Kompositionen reichten aus, ein Reiseleben zu führen. Seine Mutter war versorgt, ihr hatte er aus den ihm zustehenden Geldern eine kleine Rente gesichert.

»Wir gehen auf Reisen, Mouzy«, mit diesem Kosenamen verwöhnte er Marie als seine Muse, »wir machen eine große Reise! Zuerst fahren wir über das herrliche Tirol nach Wien. In Wien zeige ich Ihnen die Erinnerungsplätze meiner Kindheit, von dort fahren wir in mein Geburtsdorf, dann nach Budapest und weiter nach dem Orient, wohin ich mich am meisten sehne. Unser guter orientalischer Freund Denis hat mir von der Türkei und dem heiligen Land soviel erzählt, daß ich unbedingt dorthin reisen muß.«

»Nein, nein«, fiel ihm Marie ins Wort, »ich flehe Sie an, Franzi, lasten Sie uns nach Italien reisen. Als mir George von den italienischen Städten, den Seen und Venedig erzählte, ist mein Herz vor Sehnsucht fast zersprungen. Reisen wir nach Italien! Wenn Sie mich lieben, fahren wir nach Italien …«

»Dann gibt es auch schon keine Debatte mehr«, lächelte Franzi, »wir fahren also zunächst nach Italien und dann erst nach dem Orient.«

»Wunderbar! Wunderbar! Wann reisen wir? Gleich morgen!«

»Das dürfte wohl ein bißchen zu früh sein. Ich habe zuvor noch allerlei zu tun. Ich muß mein Versprechen einlösen, in Berlioz' Konzert aufzutreten. Das soll im Dezember stattfinden, jetzt haben wir Oktober. Hat es für diese kurze Zeit irgendwelchen Zweck, nach Italien zu reisen? Erst nach Paris! Und da müssen wir auch noch abwarten, wann Thalberg wieder in Paris ist.«

Marie konnte sich damit nicht abfinden. Die Aussicht, von Genf wegzukommen, hatte sie erregt wie glühender Zunder. Nur einen Tag lang sann sie nach, dann fragte sie:

»Warum müssen wir Thalberg und Berlioz' Konzert in Genf abwarten? Ausgerechnet hier an diesem langweiligen Ort?«

»Wo sollten wir es denn sonst abwarten?«

»In Paris.«

Franzi sah sie überrascht an, dachte einen Augenblick lang nach und zuckte dann mit den Schultern.

»Sie haben recht. Gehen wir nach Paris.«

Jauchzend fiel Marie ihrem Geliebten um den Hals. Dann zögerte sie keine Minute lang und begann die Reise vorzubereiten. Vor allem wollte sie für die kleine Blandine eine geeignete Unterkunft suchen, denn das neun Monate alte Kind konnte man noch nicht mit auf die Reise nehmen. Eine ganze Reihe von Empfehlungen machten sie auf eine Frau Churdet aufmerksam. Marie suchte sie auf und fand ihre Wohnung makellos sauber, die Frau selber vertrauenswürdig. Über die monatlichen Unterhaltungskosten für das Baby wurden sie schnell einig. Franzi meinte aber, daß die Verantwortung der Frau Churdet allein doch nicht ausreiche, man müsse noch irgendeine achtungsvolle Persönlichkeit ausfindig machen, die sich aus Gefälligkeit als eine Art freiwilliger Vormund der Kleinen annehmen und zeitweise die Eltern benachrichtigen würde.

»Eine der Kirche nahestehende Person wäre das richtige«, meinte Marie.

»Eine heikle Frage. Das Kind ist unehelich geboren. Ich möchte keine bösen Anspielungen hören.«

Pictet schaffte Rat. Er führte ihnen den hochwürdigen calvinistischen Seelsorger Demelleyer zu, den er flüchtig kannte. Das liebende Paar war über den Einfall Pictets zunächst außerordentlich überrascht. Der protestantische Pfarrer war jedoch ein so vertrauenerweckender Mensch, man sah ihm auf den ersten Blick soviel Güte an, soviel selbstlose Hilfsbereitschaft, daß es eine Beleidigung gewesen wäre, wenn man ihn zurückgewiesen hätte. So vertraute man ihm die Vormundschaft an und besuchte ihn sogar in seiner Wohnung in der Rue Taconnerie. Zu gleicher Zeit fand sich auch Frau Churdet bei ihm ein, damit sie zur Kenntnis nehme, daß im Auftrage der Eltern der hochwürdige Herr Demelleyer über das Kind zu verfügen habe. Als sie von dort weggingen, schlug Franzi die Hände über dem Kopf zusammen:

»Ich, der große Katholik, habe das Schicksal meines Kindes einem protestantischen Pfarrer anvertraut. Wenn ich beichten würde, müßte ich das jetzt beichten. Ich glaube kaum, daß man mich freisprechen würde.«

Obwohl der Tag der Abreise noch nicht unmittelbar bevorstand, gab Marie das Kind doch schon aus dem Hause. Sie meinte, daß es beim Packen und Fertigmachen nur im Wege sei. Franzi wunderte sich zwar, daß Marie sich so leicht von dem Kinde trennte, widersprach aber nicht. Während sie Käufer für die einzelnen Stücke der Genfer Einrichtung suchte, beschäftigte er sich damit, seine Genfer Tondichtungen satzfertig zu machen.

Während dieser anderthalb Jahre hatte er unendlich viel gearbeitet. Aus kleineren lyrischen Tondichtungen konnte er drei Bände zusammenstellen. » Impressions et Poèsies« war der Titel des ersten Bandes, » Fleurs mèlodiques des Alpes« hieß der zweite, und im dritten vereinigte er drei umfangreichere Paraphrasen, die er auf volkstümlichen schweizerischen Motiven aufgebaut hatte. Außerdem waren zwei Rossini-Phantasien, eine Pacini-Phantasie und je eine Phantasie Über die »Jüdin«, »Lucia di Lammermoor« und die »Puritaner« fertig, die zum Teil auch schon erschienen waren. Endlich stolzierte noch unter den mit der Hand geschriebenen Noten das Manuskript des » Grande Valse di Bravura« einher.

Als er die zahlreichen Tondichtungen ordnete, der Zahl nach an die dreißig, zauberte ihm jeder Notenkopf die Stimmung der Entstehungszeit hervor. Er sah die Tell-Kapelle in den Bergen vor sich. Er erinnerte sich an einen sonnendurchfluteten Vormittag mit einer äsenden Ziegenherde. Die geheimnisvolle Stimmung des Wogenschlages des Vierwaldstätter Sees, an dessen Ufer er mit Marie gestanden hatte, brandete von neuem in ihm. Am lebhaftesten gedachte er aber jener nächtlichen Kahnfahrt, als er mit Marie weit über den Spiegel des Genfer Sees hinausruderte, die Ruder einzog und bewegungslos in die Nacht lauschte. Maries Kopf ruhte in seinem Schoß. Das ferne Geräusch der Stadt drang wie durch einen Schleier zu ihnen. Und dann ertönten mit einem Male die Genfer Glocken, die ganze Luft mit einem wunderbaren, unbeschreiblichen Klingen erfüllend … Dann verstummten die Glocken wieder, und nur die Erinnerung an ihren feierlichen, ehernen Klang schwamm noch lange mit ihnen über den See.

›Woran denken Sie, Marie?‹ hatte er gefragt.

›An das Kleine, das bald da sein wird‹, hatte Marie glücklich geflüstert.

›Ach, ich habe auch gerade daran gedacht …‹

Über dieser lieben Erinnerung lächelte Franzi an seinem Schreibtisch. Dann tauchte er die Feder ein und schrieb auf die erste Seite der »Genfer Glocken« die Widmung: »Für Blandine.«


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