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Elftes Kapitel.

An der Tür der Kapelle reichte er ihr das Weihwasser, und sie dankte mit einem freundlichen Blick.

Aus Bescheidenheit und um sie nicht zu stören, wählte er den nächsten besten Betstuhl, aber statt weiter vor zu gehen, kniete sie in dem Betstuhl neben ihm nieder.

Die Craforder Kapelle ist ein düsterer, kleiner, brauner Raum – derselbe, wo zu der Zeit der Katholikenverfolgung Priester und Gemeinde unter Gefahr ihres Lebens das heilige Meßopfer dargebracht haben. Man betritt ihn von der Halle aus durch eine Tür, die einst aus einer verschiebbaren Wandfüllung bestanden hatte. In jenen alten Zeiten hatte das Gelaß kein Fenster gehabt, aber jetzt ist ein schmales, hohes, auf den Hof hinausgehendes Fenster mit bunten Scheiben angebracht. Trotz dem farbigen Lichte, das hineinfällt, und trotz den auf dem Altar brennenden Wachskerzen war die Kapelle ganz dunkel.

Die Messe wurde von Pater David, einem alten Kapuziner aus dem Kloster von Wetherleigh, gelesen, dem Adrian ministrierte.

Die »geheime, unaussprechliche Süßigkeit der Messe« ist jedem bekannt.

Für Anthony, der neben Susanna kniete, vertiefte sich diese Süßigkeit in wunderbarer Weise. Er blickte sie nicht an, sondern sah auf den Altar, ab und zu auch in sein Gebetbuch, aber das Gefühl ihrer Nähe durchdrang jedes Atom seines Bewußtseins. Er sah die knieende Gestalt, ihr blasses Profil, ihr Haar, ihren Hut, ihr Kleid – er sah sie, ohne nach ihr hinzuschauen. Und doch wurden seine Gedanken nicht abgelenkt, sondern folgten mit frommer Andacht der heiligen Handlung.

Das Gefühl ihrer Anwesenheit verschmolz sich für ihn mit dem Gottesdienst. Seite an Seite brachten sie das heilige Opfer dar, und es war ihm, als würden sie dadurch näher miteinander verbunden, als entstünde dadurch eine schöne, eigenartige Beziehung zwischen ihnen, die hoch über der oberflächlichen äußeren Bekanntschaft von gestern stand. Nebeneinanderstehend lauschten sie den Worten des Evangeliums; das Glöckchen erklang, und nebeneinander beugten sie das Haupt vor dem Allerheiligsten. Seite an Seite knieten sie körperlich, aber war es im Geist nicht viel mehr als dies? Waren sie in diesem Augenblick im Geist nicht eins, vereinigt in Anbetung und Liebe zu dem, dessen Gegenwart den dunklen kleinen Raum mit einem Licht erfüllte, das kein Auge sah, und mit einer Musik, die kein Ohr hörte, dessen Gegenwart den armen, kleinen Altar in einen schmerzlosen Kalvarienberg verwandelte, von dem aller Friede, alle Gnade, aller Segen ausging? Seite an Seite knieten sie, beteten an und atmeten die Luft ein, die nun wirklich zur Luft der Himmel geworden war. Und es war Anthony zu Mute, als lächelte der Allgegenwärtige auf sie herab und segnete und heiligte das, was in seinem Herzen lebendig zu werden begann.

» Domine, non sum dignus,« erklang feierlich die Stimme des Priesters, » Domine non sum dignus.«

Der feierliche Augenblick war gekommen. Sie schritten vor und knieten Seite an Seite an der Schwelle des Heiligtums.


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