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15

»Ich werde erzählen«, sagte Steegen, »und meine Erzählung wird manches aufklären, vielleicht sogar in dem von Ihnen angedeuteten Sinne. In vielem mögen Sie recht haben. Dorette und ich haben Blankenhorn jedenfalls gehaßt.

Sie kennen, Herr Rechtsanwalt, das Schloß und das Gut. Das Inspektorhaus, in dem ich untergebracht war, liegt ein wenig abseits, vor dem Obst- und Gemüsegarten. Die Familie Blankenhorn erging sich gewöhnlich im Park, und wenn einige von ihr größere Spaziergänge unternahmen, benutzten sie eine kleine Pforte, die hinten aus dem Park direkt aufs Feld führte. Ich begegnete wochenlang niemandem, außer bei den Mahlzeiten. Aber Sie wissen, wie Mahlzeiten auf dem Lande sind. Der Inspektor darf nicht den Mund auftun. Die Hausfrau schöpft auf, und ein Mädchen reicht die Teller herum. In diesem Fall nahm Blankenhorns Mutter die Stelle der Hausfrau ein. Auch die Unterhaltung unter den Familienmitgliedern floß spärlich. Es herrschte eine gedrückte und fast verängstigte Stimmung.

Zwischen Dorette und mir fiel kein Wort und kein Blick. Sie reichte mir nicht einmal die Hand, als ich ihr vorgestellt wurde, und lange Wochen hindurch haben wir uns nicht die Hand gegeben. Dadurch mußte die Spannung zwischen uns zunehmen. Der Händedruck, zu dem wir doch bei irgendeiner Gelegenheit einmal gezwungen werden würden, erschien uns schon im voraus wie ein Meilenstein am Wege. Wir dachten beide darüber nach, wie es sein würde, wenn wir uns doch einmal die Hand reichten. Es kam dann ganz plötzlich einmal, und es war dann auch gleich wie ein besiegelter Bund zwischen uns. Natürlich war es ein Affront gegen ihren Mann, als sie mir nach einem Mittagessen die Hand gab. Blankenhorn hatte mich bei Tisch vor allen andern heruntergekanzelt, wozu ich ihm übrigens nicht den mindesten Anlaß gab. Ich hatte eine Maßnahme getroffen, die sich sofort als sehr glücklich herausstellte. Natürlich sagte ich kein Wort, sondern ließ sein Schimpfen ruhig über mich ergehen. Ich sah auch mit keinem Blick zu Dorette hinüber, trotzdem sollte mein Schweigen ihr sagen: Das ertrage ich für dich! Und sie verstand mich.

Dorettes und meine Stellung an diesem Tisch waren überhaupt einander ähnlich, denn wir wurden von allen mißachtet. Die beiden Mädels und ihre Großmutter hielten fest zusammen. Dorette war ihnen wie auch den Dienstboten ein verhaßter Eindringling. Ich kann mir sogar denken, daß Blankenhorn unter dieser Haltung gelitten hat. Wahrscheinlich hatte er sich die Stellung der jungen Frau in seinem Hause anders vorgestellt. Aber die Abneigung einer Sippe kann stärker sein als der Wille des heftigsten Tyrannen. Ich nehme an, daß Dorette mit den besten Vorsätzen nach Swantemühl gekommen war. Aber die Abneigung, die ihr sofort entgegenschlug, nahm ihr die Kraft und vielleicht auch den Willen. Sie hatte damals noch nicht die Erfahrung, um solche Widerstände allmählich brechen zu können. Meistens saß sie still und undurchdringlich da, aber manchmal trug ihr Gesicht einen Ausdruck wie damals, als ich sie in der Münchener Hoteldiele sitzen sah, und im Grunde war ihre jetzige Lage der damaligen nicht unähnlich. Es war etwas an ihr, das mich rührte und erschütterte. Sie hatte den Sprung in die große Welt machen wollen, und sie war in ein Zuchthaus geraten. Wenn ich sie nie vorher gesehen hätte, würde ich mir damals vorgenommen haben, sie zu unterstützen. Man mußte ihr vor allem das Selbstvertrauen wiedergeben, das ihr, wie mir damals schien, abhanden gekommen war.

Diese gemeinsamen Mahlzeiten waren furchtbar, wenn keine Gäste da waren, was Gott sei Dank nicht oft vorkam. Weder Herr Blankenhorn noch sonst jemand konnte eine Ahnung von unsrer früheren Verbindung haben, und doch war es, als ob im Unterbewußtsein alle von unsrer Zusammengehörigkeit wußten. Es war genau der gleiche Tonfall, in dem Dorette und ich von den andern angesprochen wurden. Wir beide, die nicht zu der Sippe gehörten und die dennoch an diesem Tisch zu sitzen ein Recht oder sogar eine Verpflichtung hatten, wir wurden durch die stummen und unbewußten Ahnungen der andern zusammengedrängt.

Ich wußte nicht, was sich sonst innerhalb der Familie zutrug, nicht einmal, welcher Art das Verhältnis zwischen Dorette und ihrem Mann war. Was mochten die beiden miteinander sprechen, wenn sie sich in ihre gemeinsamen Zimmer zurückzogen? Gab es zwischen ihnen überhaupt eine Gemeinsamkeit, oder hatte sie sich längst unter dem Druck der allgemeinen Unstimmigkeit verflüchtigt? Wenn man die beiden zusammensah, konnte man sich keine Vorstellung davon machen, daß es zwischen ihnen überhaupt eine Gemeinsamkeit gab, und doch glaubte ich später dahinterzukommen, daß eine gewisse Vertrautheit zwischen diesen beiden so verschiedenen Menschen bestand. Ich habe mich oft darüber gewundert, wie gut informiert Dorette über alle Vorgänge auf dem Gut war. Das konnte nur auf Grund täglicher ausführlicher Gespräche mit Blankenborn sein.«

Der Rechtsanwalt lächelte. »Sie wundern sich darüber!« unterbrach er. »Während Frau Blankenhorn Ihnen etwas über die unerträgliche Tyrannei ihres Gatten vorklagte, stand sie auf der andern Seite mit diesem Mann höchst intim. Vielleicht hat Herr Blankenhorn es gar nicht gewußt, daß er unglücklich verheiratet war! Vielleicht gab seine Frau ihm sogar Anlaß, zu glauben, daß sie sich an seiner Seite sehr glücklich fühlte!«

Steegen sah erstaunt auf. »Es ist etwas Richtiges daran«, sagte er nach einer Pause. »Die Situation zwang Dorette wahrscheinlich zu einer weitgehenden Verstellung. Ohne daß sie sich verstellte, wäre sie von Blankenhorn einfach hinausgeworfen worden.«

»Und auf die andere Art wurde Blankenhorn ermordet!« sagte van Holten ernst.

Rolf Steegen suchte diesen Satz mit einer Handbewegung fortzuwischen. »Ich erzähle weiter: Man kann sich kein freudloseres Dasein denken, als ich es in Swantemühl führte. Auch meine Tätigkeit machte mir keine Freude. Man konnte nicht durchgreifen, es fehlte an Geld. Manchmal richtete ich es von langer Hand mit großer Umsicht ein, daß eine größere Summe zur Verfügung stand. Dann nahm mir Blankenhorn das Geld einfach fort, fuhr nach Berlin, brachte Hunderte an einem Abend durch und mußte oft noch in einem zweifelhaften Lokal ausgelöst werden. Es war, als ob ein Dämon diesen Menschen zwang, gegen das Seinige zu wüten. Als ob er an etwas Rache nehmen müßte. Dabei waren die Frauen die Bescheidenheit selbst. Sie arbeiteten mit allen Kräften. Die Innenwirtschaft, die Hühnerzucht, der Milchbetrieb, das alles funktionierte mustergültig. Gemüse und Obst wurde auf den Markt gebracht. Von der alten Frau Blankenhorn war immer noch etwas Geld herauszukriegen, wenn die Not am größten war. Dafür wurde den Frauen jede Freude beschnitten. Nein, Herr Rechtsanwalt, es gehörte schon eine Portion Gemeinheit dazu, sich so aufzuführen, wie es Blankenhorn getan hat. Als dann eines Tages von der Lebensversicherung die Rede war, haben sicher alle den einen Wunsch gehabt, daß sie bald in Wirkung treten möchte, auch wenn niemand es aussprach. Die alte Frau Blankenhorn, Dorette, ich, die Töchter, wir wußten alle, daß diese Wirtschaft keine drei Jahre mehr aufrechtzuerhalten war. Nur wenn das Wunder geschah, daß Blankenhorn plötzlich starb, konnte die Situation gerettet werden.«

»Und wie erklären Sie sich dieses Verhalten Blankenhorns?«

»Manchmal glaubte ich, daß es politische Gründe hatte. Vielleicht lehnte er die neue Zeit mit ihren Anforderungen ab. Jedenfalls äußerte er sich oft im Kreise seiner Berufsgenossen in diesem Sinne, und der Beifall, der solchen Reden stets folgte, mochte ihn darin bestärken. Aber ich glaube doch, daß da noch tiefere Antriebe vorlagen. Vielleicht litt er darunter, daß er keinen Sohn hatte. Im Grunde war er ein Frauenverächter. Oder er fühlte, daß ihn niemand leiden konnte. Solange seine erste Frau lebte, soll es anders mit ihm gewesen sein.«

»Ja«, bestätigte van Holten, »damals soll es ganz anders gewesen sein.«

»Jetzt jedenfalls stand es schlimm mit ihm.«

»Seit seiner Heirat mit Dorette!«

Steegen sah den Rechtsanwalt unwillig an. »Haben Sie Anlaß, Blankenhorns wirtschaftliches Verhalten immer mit dieser Heirat in Zusammenhang zu setzen?«

»Ich kann es mir wenigstens vorstellen. An der Milch- und Innenwirtschaft und an der Hühnerzucht und dem Gemüsebau hatte Dorette wahrscheinlich wenig Anteil. Was tat sie aber sonst? Können Sie es sich vorstellen, was sie tat? Sie saß da und lächelte, nicht wahr? Sie war wie ein Göttergeschenk, wie eine Krone des Lebens. Aber sie schenkte und krönte nicht. Die Wirkung blieb aus. Sie war wie ein Versprechen unendlicher Lebenserfüllung, das niemals gehalten wurde. An ihren Bewegungen, an ihrem Lächeln, an ihrem Gesicht zerschellte der Lebenswille Blankenhorns. Kann es nicht so gewesen sein?«

»Nein«, sagte Steegen scharf. »Dorette kann schenken und krönen, aber nur den einen, den sie liebt. Alles andre war Vorbereitung in ihrem Leben. Auch diese Heirat mit Abercron ist noch nicht das Richtige. Aber dann wird es vielleicht kommen! Ich glaube, daß es kommen wird!«

»Sie wollten erzählen, Herr von Scheeven!«

Steegen biß sich auf die Lippen und fuhr fort:

»Ein volles Vierteljahr lang bestand zwischen Dorette und mir keinerlei Verbindung. Bis wir uns einmal – nach aufgehobener Tafel, ich sprach bereits von dem Anlaß – die Hand reichten. Es war nur ein Augenblick, daß unsre Hände ineinander lagen, aber dieser Augenblick entschied über alles. Seitdem wurden wir wie um einen imaginären Mittelpunkt herumgerissen. Wir sprachen uns noch lange nicht, aber manchmal sahen wir uns von fern und sandten uns unsre Gedanken zu. Dann wurde mir befohlen, mit ihr auszureiten. Sie ritt gut, verheimlichte es aber, um von mir Unterricht bekommen zu müssen. Mit diesen gemeinsamen Ritten begann es. Ich war auch lange im Zweifel, ob sie überhaupt noch ein Gefühl für mich hatte. Wir ritten wochenlang miteinander, ohne daß wir mehr als das Nötigste gesprochen hätten.

Stellen Sie sich meine Lage vor: Ich war nur ein kleiner Inspektor und sie die Frau meines Chefs. Ich wußte, daß Dorette nicht ungefährlich ist. Wie leicht konnte sie eine Unvorsichtigkeit meinerseits ausnutzen, um ihre Stellung bei ihrem Mann oder bei den Blankenhorns im allgemeinen zu festigen! Ich wußte nicht einmal, ob sie mich nicht wegen der Art haßte und verachtete, wie wir damals auseinandergekommen waren. Sie konnte einen Anlaß suchen, mich zu demütigen. Überdies war ich gezwungen, täglich in ihrer Gegenwart die Haltung eines landwirtschaftlichen Beamten einzuhalten. Und diese Haltung entsprach ja in der Tat völlig meiner sozialen Stellung. Ich mußte mit äußerster Vorsicht vorgehen. Wenn wir allein waren, begann ich langsam aufzuleben. Aus dem besseren Reitknecht wurde ich allmählich wieder der begleitende Kavalier. Ich drang Schritt für Schritt vor. Ich merkte, daß ich das verlorene Gebiet von neuem erobern mußte. Aber auch sie lebte auf. Ihr Körper wurde elastischer, gespannter. Sie gab nach, Schritt für Schritt, genau wie ich vordrang. Und dann, als wir einen Jagen entlang ritten, rief ich sie bei ihrem Namen an: Dorette!

Wir sprachen sehr sachlich miteinander, aber wir nannten uns doch wieder bei Vornamen. Ich konnte in ihrer Gegenwart die lästige Maske abwerfen. Ich war wieder Rolf von Scheeven, die Verkleidung war wieder Verkleidung, obwohl sie es ja im Grunde nicht war, und nur, wenn wir durch das Dorf trabten, wurde ich wieder zum Inspektor Steegen. Wir lachten über die Veränderung, die mit mir vorging. Es gibt eine Art, als Inspektor, und eine andre Art, als Herr zu reiten, nicht wahr? Es liegt an Kleinigkeiten des Sitzes und der Zügelführung.

Eine Gefahr für mich lag darin, daß sich eine Art zwangloser Kameradschaft zwischen uns entwickelte. Ich mußte über diese geschwisterliche Vertrautheit hinauskommen. Noch hatten wir uns nicht ein einziges Mal geküßt. Ich wurde kühner, und es war ein eigenes Gefühl, zu erleben, wie Dorette auch jetzt immer weiter und weiter nachgab. Ich fühlte, daß ich bis an die äußerste Grenze gehen konnte. Sie liebte mich.«

Der Rechtsanwalt unterbrach: »Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, daß Frau Blankenhorn Sie ausnutzen wollte? Haben Sie sich nie überlegt, ob sie Sie nicht mit allen Mitteln dahin bringen wollte, ihren Mann umzubringen?«

»Oh, das habe ich mir bald überlegt, als die Zeit der schärfsten Zusammenstöße mit Blankenhorn kam. Ich hatte nicht den mindesten Zweifel daran, daß Dorette den Tod ihres Mannes wünschte. Eigentlich mußten ihn ja alle wünschen! Aber es war nicht so, daß Dorette mich dazu zu bringen suchte, Blankenhorn zu ermorden. Ich selbst hatte von mir aus diesen Plan.«

Der Rechtsanwalt sah ihn ernst an. »Sie wollten also Blankenhorn ermorden? Was versprachen Sie sich davon? Dachten Sie, daß Dorette dann zu Ihnen zurückkehren würde?«

»Ja, das dachte ich. Ich habe sogar an die Lebensversicherung gedacht. Dorette hatte dann genügend Geld, daß wir dann etwas beginnen konnten. Ich sage Ihnen ganz offen, daß ich mir meinen Plan bis in diese materiellen Einzelheiten hinein überlegt hatte.«

»Und Sie haben mit ihr darüber gesprochen?«

»Erst spät, als alles schon fertig war. Es kam ja dann zu offenen Feindseligkeiten zwischen Blankenhorn und mir, und auch zwischen Blankenhorn und Dorette. Erst als es soweit war, habe ich Dorette in meine Pläne eingeweiht.«

»Und was hat sie dazu gesagt?«

»Wenig. Eigentlich nichts. Sie hat mir nicht geglaubt, daß ich es tun würde. Ich machte ihr klar, daß es die Rettung für sie wäre. Ich beschwor sie, mir jetzt schon völlig anzugehören. Aber sie wies mich ab. Sie lachte über meinen Plan.«

»Das braucht noch nicht zu bedeuten, daß sie ihn nicht billigte. Wahrscheinlich wollte sie Sie durch ihre Weigerung nur tiefer hineintreiben.«

»Ich habe das ebenfalls angenommen, aber sie hätte das nicht nötig gehabt. Ich war fest entschlossen. Ich fand ein Gefühl höchsten Glücks darin, mit ihr in tiefster Übereinstimmung zu handeln.«

»Aber«, ergänzte der Rechtsanwalt, »Sie hatten sich darin getäuscht, nicht wahr? Dorette wollte gar nicht den Tod ihres Gatten!«

»Ich weiß es nicht, Dorette hat mir noch vor wenigen Tagen versichert, daß sie sich einer Ermordung Blankenhorns, wenn sie ernstlich daran geglaubt hätte, mit allen Kräften widersetzt haben würde. Aber ich glaube ihr nicht. Ihr Haß gegen diesen Mann war zu stark. Sie muß seinen Tod mit aller Inbrunst gewünscht haben. Das kam vielleicht bei ihr erst ganz allmählich. Ich glaube, daß ich die Entwicklung rascher vorwärtsgetrieben habe als sie. Immerhin dauerte es eine gewisse Zeit. Wir waren zwei Liebende, die sich über Hindernisse hinweg finden mußten.«

»Verzeihen Sie die Frage«, unterbrach der Rechtsanwalt noch einmal. »Haben Sie sich dann wirklich gefunden? Ich meine: wie weit sind Sie mit Frau Blankenhorn gekommen?«

»Sie werden erstaunt sein, wenn ich Ihnen sage, daß wir, was die äußerliche Form anbetrifft, nicht sehr weit miteinander gekommen sind. Dorette war noch immer die Frau ihres Mannes. Er bediente sich ihrer rücksichtslos und ohne Hemmungen. Sie hat ja auch noch aus der allerletzten Zeit ein Kind von ihm. Es mußte ihr widerstreben, sich zu verschenken, solange sie einem andern Mann hörig war. Ich durfte sie küssen. Wenn wir zusammen ritten, stellte sie ihren Fuß in meinen Steigbügel. Wir mußten ja immer gewärtig sein, daß uns jemand begegnete. Wir hatten sogar Blankenhorn in Verdacht, daß er uns beobachtete oder beobachten ließ. Schon aus diesem Grunde konnte es keine allzu auffälligen Liebesbezeugungen zwischen uns geben. Aber hinter unsern Zärtlichkeiten stand der Wille, uns ganz anzugehören. Wenigstens habe ich das damals geglaubt.«

»Das klingt etwas resigniert«, warf van Holten ein.

»Ich weiß nicht, ob es resigniert klingt. Ich habe keinen Grund, an der Wahrheit meiner Überzeugung zu zweifeln. Die bestehende Gefahr der Entdeckung mußte uns naturgemäß vorsichtig machen. Wir durften auch nicht bestimmte Gewohnheiten eintreten lassen. Liebende in unsrer Lage werden sich gewöhnlich irgendeine hübsche Stelle in einem Gehölz zu einem richtigen Liebesnest ausbauen. Das war uns versagt. Wir hatten nur einen uralten Ahornbaum mit niederhängenden Zweigen, unter denen wir manchmal saßen. Die Pferde banden wir dann in einer Schonung an, in der sie kaum bemerkt werden konnten. Unter dem Baum war es wunderbar kühl. Weit und breit ging kein Weg an dieser Stelle vorbei, nur die Landstraße lag etwa fünfzig Meter weiter. Aber daß wir dort manchmal saßen und uns küßten, war auch schon zu unvorsichtig. Jedenfalls glaube ich, daß diese Stelle uns in gewissem Sinne zum Verhängnis geworden ist. Ich fürchte nämlich, daß uns Blankenhorn hier einmal beobachtet hat. Wenige Stunden darauf war er tot.

Doch um Ihnen das zu erklären, muß ich weiter ausholen.«


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