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2

Bereits am gleichen Abend traf Nagel mit Minute zusammen. Es kam zu einem langweiligen und endlosen Geschwätz zwischen den beiden, zu einem Gespräch, das wohl seine drei Stunden dauerte.

Das Ganze ging vom Anfang bis zum Ende folgendermaßen zu:

Johan Nagel hielt sich im Café des Hotels auf und hatte eine Zeitung in der Hand, als Minute hereinkam. Es saßen noch mehrere Leute an den Tischen ringsum, darunter eine dicke Bäuerin mit einem schwarz und rot gestrickten Tuch um die Schultern. Minute tat, als kenne er alle, er grüßte höflich nach rechts und links, wurde aber mit Gelächter und lauten Rufen empfangen. Selbst die Bäuerin stand auf und wollte mit ihm tanzen.

Nicht heute, nicht heute, sagt er ausweichend, und damit geht er zum Wirt hin und wendet sich, die Mütze in der Hand, an ihn:

Ich habe die Kohlen in die Küche hinaufgetragen, mehr ist für heute wohl nicht mehr zu tun?

Nein, antwortet der Wirt, was sollte sonst noch zu tun sein?

Nein, freilich, sagt Minute und tritt furchtsam zurück.

Er war ungewöhnlich häßlich, hatte zwar ruhige, blaue Augen, aber hervorstehende, unheimliche Schneidezähne und einen ganz verrenkten Gang, denn er litt an einem Gebrechen. Sein Haar war schon ziemlich grau. Der Bart war dunkler, doch so dünn, daß die Haut überall durchschimmerte. Dieser Mann war einmal Seemann gewesen, lebte jetzt aber bei einem Verwandten, der am Hafen unten einen Kohlenhandel hatte. Wenn er mit jemand sprach, sah er selten oder niemals vom Boden auf.

Man rief ihm von einem Tische zu. Ein Herr in grauen Sommerkleidern winkte eifrig und zeigte ihm eine Bierflasche:

Kommen Sie her und lassen Sie sich ein Glas Muttermilch geben. Auch möchte ich gerne sehen, wie Sie ohne Bart aussehen.

Ehrerbietig, die Mütze immer noch in der Hand, und mit gekrümmtem Rücken, näherte sich Minute dem Tisch. Als er an Nagel vorbeikam, grüßte er eigens zu ihm hin und bewegte ein ganz klein wenig die Lippen. Er bleibt vor dem grauen Herrn stehen und flüstert:

Nicht so laut, Herr Bevollmächtigter Jüngerer juristischer Beamter., ich bitte Sie. Sie sehen, es sind Fremde da.

Herrgott, sagt der Bevollmächtigte, ich wollte Ihnen doch nur ein Glas Bier anbieten. Und nun kommen Sie her und schimpfen, weil ich zu laut spreche.

Nein, Sie verstehen mich falsch, und ich bitte um Entschuldigung. Aber im Beisein Fremder möchte ich nicht gerne etwas von den alten Geschichten wissen. Ich kann jetzt auch kein Bier trinken.

Was können Sie nicht? Kein Bier trinken?

Nein, ich danke Ihnen, jetzt nicht.

Soso, Sie danken mir jetzt nicht? Wann danken Sie mir denn? Hahaha, sind Sie ein Pfarrerssohn! Sie sollen auf Ihre Ausdrucksweise besser achtgeben.

Oh, Sie verstehen mich falsch. Nun, das ist nicht zu ändern.

Soso, keinen Unsinn. Was ist denn eigentlich mit Ihnen los?

Der Bevollmächtigte zieht Minute auf einen Stuhl nieder, und dieser bleibt auch einen Augenblick sitzen, steht aber gleich wieder auf.

Nein, lassen Sie mich doch, sagt er, ich kann das Trinken nicht vertragen; in der letzten Zeit noch weniger als früher, Gott weiß, woher das kommt. Ehe ich mich besinne, bin ich betrunken und kenne mich nicht mehr aus.

Der Bevollmächtigte erhebt sich, sieht Minute fest an, drückt ihm ein Glas in die Hand und sagt:

Trinken Sie.

Pause. Minute sieht auf, streicht sich das Haar aus der Stirne und schweigt.

Gut, um Ihnen den Willen zu tun; aber nur einige Tropfen, erwidert er dann. Nur ein wenig, damit ich die Ehre habe, mit Ihnen anzustoßen.

Austrinken! ruft der Bevollmächtigte und muß sich abwenden, um nicht in Lachen auszubrechen.

Nein, nicht ganz, nicht ganz. Warum soll ich austrinken, wenn es mir widerstrebt? Seien Sie mir nicht böse, und runzeln Sie nicht die Stirne: für diesmal will ich es ja tun, wenn Sie durchaus wollen. Hoffentlich steigt es mir nicht in den Kopf. Es ist lächerlich, ich vertrage so wenig. – Auf Ihr Wohl!

Austrinken, austrinken! schreit der Bevollmächtigte wieder. Bis auf den Grund! So, ja, das war richtig. So. Jetzt setzen wir uns und schneiden Grimassen. Erst knirschen Sie einmal ein bißchen mit den Zähnen, dann schneide ich Ihnen den Bart ab und mache Sie um zehn Jahre jünger. Aber erst mit den Zähnen knirschen.

Nein, das tue ich nicht, nicht in Gegenwart aller dieser fremden Menschen. Das dürfen Sie nicht verlangen, ich tue es wirklich nicht, antwortet Minute und will gehen. Ich habe auch keine Zeit, fügt er hinzu.

Auch keine Zeit? Das ist schlimm. Haha, das ist wahrlich schlimm. Nicht einmal Zeit?

Nein, jetzt nicht.

Hören Sie: wenn ich Ihnen nun schon lange einen anderen Rock statt dieses alten hier zugedacht hätte … Lassen Sie mich übrigens sehen, doch, er ist schon ganz mürbe, ja, sehen Sie! Der verträgt keinen Fingerdruck mehr. Und der Bevollmächtigte bohrt den Finger in ein kleines Loch hinein. Es gibt nach, der Stoff hält gar nichts mehr aus, sehen Sie, nein, wollen Sie wohl hersehen!

Lassen Sie mich los! Um Gottes willen, was habe ich Ihnen denn getan? Und lassen Sie meinen Rock los!

Herrgott, ich verspreche Ihnen ja einen anderen Rock, gleich morgen, ich verspreche es im Beisein von – hören Sie: eins, zwei, vier, sieben – also im Beisein von sieben Leuten. Was ist denn heute mit Ihnen los? Sie blähen sich auf und sind böse und möchten am liebsten uns alle zusammen niedertrampeln. Doch, das möchten Sie. Nur weil ich Ihren Rock anfasse.

Ich bitte um Vergebung, es war nicht meine Absicht, böse zu sein; Sie wissen, daß ich Ihnen gerne jeden Gefallen tue, aber …

Na, dann tun Sie mir den Gefallen und setzen Sie sich.

Minute streicht sein graues Haar aus der Stirne und setzt sich.

Gut, tun Sie mir nun weiterhin den Gefallen und knirschen Sie ein wenig mit den Zähnen.

Nein, das tu' ich nicht.

So, das tun Sie nicht. Wie? Ja oder nein?

Guter Gott, was habe ich Ihnen denn getan? Können Sie mich nicht in Frieden lassen? Warum muß denn gerade ich den Narren für alle abgeben? Der Fremde dort sieht her, ich habe es bemerkt, er behält uns im Auge und lacht vermutlich auch. So ist es immer. Schon am ersten Tag, an dem Sie als Bevollmächtigter hierherkamen, hat Doktor Stenersen mich gepackt und Sie gleich angelernt, Ihren Spaß mit mir zu treiben, und nun lehren Sie den Herrn dort das gleiche. Einer nach dem andern lernt es der Reihe nach.

Soso. Ja oder nein?

Nein, hören Sie! schreit Minute und springt vom Stuhl auf. Aber als fürchte er, zu hochmütig gewesen zu sein, setzt er sich wieder und fügt hinzu: Ich kann auch gar nicht mit den Zähnen knirschen, wirklich nicht.

Was, das können Sie nicht? Haha, freilich können Sie es. Sie knirschen ganz ausgezeichnet mit den Zähnen.

Bei Gott, ich kann es nicht!

Hahaha! Aber Sie haben es doch schon früher einmal gekonnt?

Ja, aber da war ich betrunken. Ich erinnere mich auch gar nicht mehr daran, damals tanzte alles vor meinen Augen. Zwei Tage lang war ich krank danach.

Ganz richtig, sagte der Bevollmächtigte, damals waren Sie betrunken, das gebe ich zu. Warum plappern Sie das übrigens im Beisein aller dieser Leute aus? Das ist mehr, als ich gesagt haben würde.

In diesem Augenblick ging der Wirt hinaus. Minute schweigt; der Bevollmächtigte sieht ihn an und sagt:

Nun, wird's bald? Denken Sie an den Rock.

Ich denke daran, antwortet Minute, aber ich will und kann nun einmal nicht mehr trinken, jetzt wissen Sie es.

Sie wollen und können! Hören Sie, was ich sage? Wollen und können, sage ich. Und wenn ich es Ihnen hineinschütten muß … Mit diesen Worten steht der Bevollmächtigte auf, das Glas von Minute in der Hand. So, Mund auf!

Nein, bei Gott im Himmel, ich will kein Bier mehr! ruft Minute bleich vor Erregung. Und keine Macht der Erde kann mich dazu zwingen! Ja, Sie dürfen mir nicht böse sein, aber es wird mir übel davon, Sie wissen nicht, wie mir zumute ist. Tun Sie mir das nicht an, ich bitte Sie aufrichtig darum. Lieber will ich – ohne Bier ein wenig mit den Zähnen knirschen.

Nun, das ist etwas anderes, sehen Sie, das ist, zum Teufel, etwas ganz anderes. Wenn Sie es ohne Bier tun wollen –

Ja, lieber ohne Bier.

Unter lautem Gelächter der Umhersitzenden knirscht Minute endlich mit seinen fürchterlichen Zähnen. Nagel liest scheinbar immer noch in seiner Zeitung; er sitzt ganz still auf seinem Platz am Fenster.

Lauter! Lauter! ruft der Bevollmächtigte; knirschen Sie lauter, wir können es ja sonst nicht hören.

Minute sitzt steif und gerade auf seinem Stuhl. Mit beiden Händen hält er sich fest, als fürchte er umzufallen, und knirscht mit den Zähnen, daß ihm der Kopf zittert. Alle lachen. Auch die Bäuerin lacht. Sie muß sich die Augen trocknen, weiß sich nicht mehr zu helfen vor Lachen und spuckt aus lauter Verzückung sinnlos zweimal auf den Boden.

Gott steh mir bei! heult sie ganz hingerissen. Ach, dieser Bevollmächtigte!

So! Lauter kann ich nicht mehr knirschen! sagt Minute, wirklich nicht, Gott ist mein Zeuge, Sie dürfen es mir glauben, jetzt kann ich nicht mehr.

Nein, nein, ruhen Sie sich nur ein wenig aus und fangen Sie dann wieder an. Aber mit den Zähnen knirschen müssen Sie. Später schneiden wir Ihnen den Bart ab. Trinken Sie nun ein bißchen; doch, Sie müssen, sehen Sie, es steht schon da.

Minute schüttelt den Kopf und schweigt. Der Bevollmächtigte zieht seinen Geldbeutel heraus und legt ein Fünfundzwanzigörestück auf den Tisch. Dann sagt er:

Übrigens pflegen Sie es für zehn zu tun, aber ich gönne Ihnen auch fünfundzwanzig; ich erhöhe Ihr Honorar. So!

Ach, plagen Sie mich doch nicht, ich will nicht mehr.

Sie wollen nicht mehr? Sie weigern sich?

O du himmlischer Gott, hören Sie doch endlich einmal auf und lassen Sie mich in Frieden! Weiter treibe ich es nicht mehr diesem Rock zulieb, ich bin doch auch ein Mensch. Was wollen Sie eigentlich von mir?

Nun will ich Ihnen etwas sagen: Wie Sie sehen, streife ich dieses bißchen Zigarrenasche in Ihr Glas ab, sehen Sie es? Und dann nehme ich dieses unbedeutende Schwefelhölzchen hier und dieses winzige Schwefelhölzchen da und werfe diese beiden Schwefelhölzer in Ihr Glas, während Sie zusehen. So! Und jetzt bürge ich Ihnen dafür, daß Sie Ihr Glas bis zum Grund austrinken werden. Ja, das werden Sie.

Minute sprang auf. Er bebte sichtlich, sein graues Haar war wieder in die Stirne hereingefallen, und er starrte dem Bevollmächtigten gerade ins Gesicht. Dies währte einige Sekunden.

Nein, das geht zu weit, das geht zu weit! ruft sogar die Bäuerin. Das dürfen Sie nicht tun! Hahaha, Gott bewahre mich vor Euch!

Sie wollen also nicht? Sie weigern sich? fragt der Bevollmächtigte. Auch er erhebt sich und bleibt stehen.

Minute machte eine Anstrengung – wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort hervor. Alle sahen ihn an.

Da steht plötzlich Nagel von seinem Tisch am Fenster auf, legt die Zeitung hin und geht quer durch den Raum. Er übereilt sich nicht und macht keinen Lärm, dennoch zieht er die Aufmerksamkeit aller auf sich. Bei Minute bleibt er stehen, legt seine Hand auf dessen Schulter und sagt mit lauter, klarer Stimme:

Wenn Sie Ihr Glas nehmen und es diesem jungen Hund da auf den Kopf schlagen, dann gebe ich Ihnen zehn Kronen bar und nehme alle Folgen auf mich. Er deutete dem Bevollmächtigten gerade ins Gesicht und wiederholte: Ich meine diesen jungen Hund da.

Mit einem Schlag wurde alles still. Minute sah erschrocken von einem zum andern und sagte: Aber … Nein, aber … Weiter kam er nicht, doch dies wiederholte er mit zitternder Stimme immer wieder und in einem Ton, als sei es eine Frage. Niemand sagte etwas. Der Bevollmächtigte trat wie betäubt einen Schritt zurück und griff nach seinem Stuhl; er war ganz weiß geworden. Auch er sagte nichts. Sein Mund stand offen.

Ich wiederhole, sagte Nagel noch einmal laut und langsam, ich gebe Ihnen zehn Kronen, wenn Sie diesem jungen Hund Ihr Glas auf den Kopf schlagen. Das Geld habe ich hier in der Hand. Auch vor den Folgen brauchen Sie keine Angst zu haben. Wirklich zeigte Nagel einen Zehnkronenschein vor und hielt ihn Minute hin.

Minute aber betrug sich merkwürdig. Er strebte plötzlich in einen Winkel des Cafés, lief mit seinen verrenkten Schritten auf diesen Winkel zu, und ohne zu antworten, setzte er sich dort nieder. Da saß er mit geneigtem Kopf und schielte nach allen Seiten, während er mehrere Male wie in Angst die Knie emporzog.

Nun ging die Türe auf, und der Wirt kam zurück. Er begann in seinen eigenen Sachen zu kramen und achtete nicht auf das, was um ihn her vorging. Erst als der Bevollmächtigte plötzlich emporsprang und mit einem wütenden, beinah stimmlosen Ausruf beide Arme gegen Nagel aufhob, wurde der Wirt aufmerksam und fragte:

Was in aller Welt …

Aber niemand antwortete. Der Bevollmächtigte schlug zweimal wild zu, stieß aber jedesmal auf Nagels geballte Faust. Weiter kam er nicht. Sein Mißgeschick reizte ihn, und er schlug sinnlos in die Luft, als wolle er sich alles vom Leibe halten; endlich taumelte er seitlich gegen die Tische hin, dann gegen ein Taburett und fiel aufs Knie. Er schnaufte laut, die ganze Gestalt war vor Wut unkenntlich geworden. Überdies hatte er seine Arme an diesen beiden spitzen Fäusten zerstoßen, die ihm überall, wohin er auch geschlagen hatte, im Weg gewesen waren. Jetzt entstand ein allgemeiner Tumult im Café, die Bäuerin und ihr Begleiter flüchteten an die Türe, während die anderen einander irgend etwas zuriefen und dazwischentraten. Endlich erhebt sich der Bevollmächtigte wieder und geht auf Nagel zu, er bleibt stehen und schreit, die Hände vor sich hin haltend, in lächerlicher Verzweiflung, da er keine Worte findet:

Du verdammter … hol dich der Teufel, du Laffe!

Nagel sah ihn an und lächelte. Er ging zum Tisch, nahm den Hut des Bevollmächtigten und überreichte ihm diesen mit einer Verbeugung. Der Bevollmächtigte riß den Hut an sich und wollte ihn in seiner Wut zurückschleudern, bedachte sich jedoch und setzte ihn mit einem Knall auf den Kopf. Dann wandte er sich um und verließ das Café. Als er ging, zeigte der Hut zwei große Beulen, und er sah dadurch sehr komisch aus.

Jetzt drängte der Wirt sich vor und verlangte eine Erklärung. Er wandte sich an Nagel, ergriff ihn am Arm und sagte:

Was geht hier vor? Was soll das bedeuten?

Nagel antwortete:

Lassen Sie gefälligst meinen Arm los; ich laufe nicht davon. Im übrigen geht hier nichts vor, ich habe den Mann, der eben hinausging, beleidigt, und er wollte sich verteidigen, daran ist nichts auszusetzen; alles ist in Ordnung.

Der Wirt aber wurde zornig und stampfte auf den Boden.

Ich verbitte mir hier jeden Krach! rief er, das verbitte ich mir! Wollen Sie Lärm machen, dann gehen Sie auf die Straße, hier will ich nichts davon wissen. Die Leute sind ja verrückt!

Ja, schon recht! unterbrechen ihn einige Gäste, aber wir haben das Ganze mit angesehen! Und erfüllt vom Drang des Bürgers, es mit dem zu halten, der für den Augenblick Sieger ist, ergreifen sie für Nagel unbedingt Partei.

Sie erklären dem Wirt den ganzen Zusammenhang.

Nagel selbst zuckte mit den Schultern und ging zu Minute hin. Ohne jede Einleitung fragte er den kleinen grauhaarigen Narren:

In welchem Verhältnis stehen Sie eigentlich zu dem Bevollmächtigten, daß er Sie auf diese Weise behandeln darf?

Ach, Unsinn, antwortet Minute, ich stehe in gar keinem Verhältnis zu ihm, er ist mir fremd. Ich habe ihm nur einmal auf dem Marktplatz für zehn Öre etwas vorgetanzt. Er treibt im übrigen immer seinen Spaß mit mir.

Sie tanzen also den Leuten etwas vor und lassen sich dafür bezahlen?

Ja, ab und zu. Aber nicht oft, nur wenn ich zehn Öre haben muß und sie auf keine andere Weise auftreiben kann.

Wozu brauchen Sie denn das Geld?

Zu allerhand. Fürs erste bin ich ein dummer Mensch, ich bin wenig begabt, und das ist nicht gut für mich. Als ich noch Seemann war und mich selbst ernährte, ging es in jeder Beziehung besser. Dann aber erlitt ich einen Schaden, ich fiel aus der Takelage und bekam einen Bruch, und seitdem konnte ich mich nicht mehr gut allein durchbringen. Ich bekomme mein Essen und was ich sonst noch brauche, von meinem Onkel, wohne auch bei ihm und habe es gut dort, ja Überfluß an allem, denn mein Onkel hat eine Kohlenhandlung. Und ich selbst trage auch ein wenig zu meinem Unterhalt bei, besonders jetzt im Sommer, wenn wir fast keine Kohlen verkaufen können. Das ist so wahr, wie ich hier sitze und es Ihnen erzähle. In solchen Zeiten tun mir die zehn Öre wohl, ich kaufe immer etwas dafür und bringe es nach Hause. Was aber den Bevollmächtigten betrifft, so belustigt es ihn gerade, daß ich einen Bruch habe und nicht ordentlich tanzen kann.

Dann weiß also Ihr Onkel davon, daß Sie gegen Bezahlung auf dem Marktplatz tanzen?

Nein, nein, das weiß er nicht, so etwas dürfen Sie wirklich nicht glauben. Er sagt oft: Weg mit diesem Narrengeld! Ja, er nennt es oft Narrengeld, wenn ich mit meinen zehn Ören heimkomme, und er schilt mich aus, weil ich mich so zum besten halten lasse.

Dies also war das erste. Und das andere?

Wie bitte?

Jetzt das andere?

Ich verstehe nicht.

Sie sagten, daß Sie fürs erste ein dummer Mensch seien; nun, aber jetzt fürs zweite?

Ja, wenn ich das sagte, bitte ich um Entschuldigung.

Sie sind also nur dumm?

Ich bitte aufrichtig um Vergebung!

War Ihr Vater Pfarrer?

Ja, mein Vater war Pfarrer.

Pause.

Hören Sie, sagt Nagel, wenn Sie nichts zu versäumen haben, lassen Sie uns eine Weile zu mir heraufgehen, in mein Zimmer. Ist es Ihnen recht? Rauchen Sie? Gut! Ja, bitte, ich wohne hier oben. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie mit mir heraufkommen wollten.

Zur großen Verwunderung aller gingen Nagel und Minute in den ersten Stock hinauf, wo sie den ganzen Abend über zusammenblieben.


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