Friedrich von Hagedorn
Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen
Friedrich von Hagedorn

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Ruffin.

        Ein schöner Herr, der Pflastertreter Krone,
Und, um fünf Uhr, der Oper edle Zier,
Mit einem Wort': Ruffin, das Wunderthier,
Glaubt, daß in ihm die Weisheit sichtbar wohne.
Was macht ihn stolz? Der Thoren Alles: Geld.
Ein frommer Greis, den schon, seit vielen Jahren,
Müh' und Verdienst und Mässigkeit erhält,
Ward jüngst von ihm sehr höhnisch angefahren.

    Der Alte sprach: Du machst mir nicht Verdruß:
Du bist nur reich und trotzest mich vergebens:
Dir fröhnet nur ein eitler Ueberfluß,
Der Freund, doch nein! der Erbfeind deines Lebens.
Es ist dein Haus ein fürstlicher Pallast:
Man sorgt, daß dir kein Leckerbissen fehle;
Du opferst oft so manches deiner Kehle,
Daß kaum dein Tisch der Trachten Menge fasst.

    Mir aber ist ein andres Loß verliehen:
Wann kehrt bey mir der Schmeichler lächelnd ein?
Wann darf der Dunst von gar zu vielem Wein
Den Morgenschlaf zu zeitig mir entziehen?
Ich lebe nur in stiller Niedrigkeit.
Nichts waget sich zu meinen schlechten Hütten,
Als Wahrheit, Recht, Unsträflichkeit der Sitten,
Gesunder Witz und Selbstzufriedenheit.

    Wie thöricht ist dein Hochmuth in Geberden?
O Jüngling, Jüngling, stell' ihn ein:
Was ich bin, kannst du nimmer seyn;
Was du bist, kann ein ieder werden.

Hoc ego, tuque sumus. Sed quod sum, non potes esse:
  Tu quod es, e populo quilibet esse potest.
Martialis, L. V. Ep. 13.


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