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Der Freiheit unverfälschte Triebe
Erhöhn den Werth der Wahrheitliebe,
Die Deine Sele stark gemacht.
Dein glücklicher Verstand durchdringt in edler Eile
Den Nebel grauer Vorurtheile,
Des schulgelehrten Pöbels Nacht.
Was Haller und die Wahrheit preisen,
Mein Freund! das wagst Du zu beweisen:
»Wer frey darf denken, denket wol.«
Laß Deinen Ausspruch mich vertraulich überführen,
Ob ich die Urteilskraft in Thieren
Bejahen oder leugnen soll.
Zwo Ratzen, die der Mangel plagte,
Und hungrig aus den Löchern jagte,
Entdeckten unverhofft ein Ey.
Das Ey war ihnen gnug. Es wissen viele Weisen,
Ein Manzel selbst, daß, die zu speisen,
Kein grosses Mahl vonnöthen sey.
Sie wollen froh zum Essen schreiten;
Allein es läßt sich itzt von weiten
Der Erbfeind ihres Volkes sehn.
Es schleicht ein Fuchs heran; und guter Rath wird theuer,
Er frisst die Ratzen und säuft Eyer;
Wie läßt sichs unberaubt entgehn?
Die eine legt sich auf den Rücken
Und hält mit unverwandten Blicken
Das Ey mit ihren Pfoten fest.
Die andre weiß darauf, mit glücklichem Bemühen,
Sie bey dem Schwanze fortzuziehen;
Und so erreichen sie das Nest.
Wer lehret, aus gewissen Gründen,
Daß Thiere blosserdings empfinden?
Hat hier die Ratze nicht gedacht?
Verrieth die Rettungsart, die sie so wohl erlesen,
So schön vollführt, kein geistig Wesen,
Das zweifelt, forscht und Schlüsse macht?
Zeigt sich in keines Thieres Ränken
Die Kraft, was möglich ist, zu denken,
Des Menschen Leitstern, der Verstand?
Kennt man von ihrem Thun noch keine tiefre Quelle.
Als die Erwartung solcher Fälle,
Die iedes andern ähnlich fand?
Die besten Mittel weislich wählen,
Durch Klugheit nie den Zweck verfehlen;
Das kann der stolze Mensch allein.
Pflegt diese Fertigkeit nicht Thieren beyzuwohnen?
Warum denn müssen die Huronen
Durch Biberwitz beschämet seyn?
Wann fürchterliche Fluthen schwellen,
Wann die Gewalt vereinter Quellen
Um Quebec wühlt und Felder frißt;
So wird im Strom ein Haus durch Biber aufgeführt
An dem der Sturm die Kraft verlieret,
Das rund, umpfählt und sicher ist.
Die Vörderfüsse scheinen Hände
Und flechten aus den Binsen Wände,
Die auf sechs festen Stützen stehn.
Es kann ihr Wunderbau ein dreyfach Stockwerk zeigen,
Und jeder Biber höher steigen,
Wann Eis und Wellen weiter gehn.
Sie wählen nahe Pappelweiden,
Die sie mit scharfem Zahn durchschneiden;
Doch ihre Mühe wird verkürzt,
Und sie erwarten stets den Beystand starker Winde,
Der plötzlich in die Wasserschlünde
Die halb durchnagten Stämme stürzt.
Es werden die, so Arbeit hassen,
Der Schmach und Faulheit überlassen,
Und man verbannt sie aus dem Stat.
Ein echter Biber muß sein Amt getreu verwalten,
Bald bauen, und bald Wache halten
Und melden, wann ein Mensch sich naht.
Wer war der Plato dieser Thiere?
Wer lehrte sie, was ich hier spüre:
Kunst, Ordnung, Witz, Bedachtsamkeit?
Soll man die Fähigkeit, wodurch sie dieses können,
Gefügter Theile Würkung nennen?
Wo ist ein Uhrwerk so gescheidt?
Entdeckt man weiter nichts an ihnen,
Als die Bewegung der Maschinen,
Der Urtheil und Bewustseyn fehlt?
Cartesius bejahts; doch ist ihm Recht zu geben?
Die Wahrheit mag den Zweifel heben,
Die Frankreichs Phaedrus uns erzehlt.
Aurorens Feind, ein Freund der Nächte,
Ein Thier aus traurigem Geschlechte,
Ein Kauz, der schlauste Bösewicht,
Ward in dem Nest ertappt; das steckte voller Mäuse;
Die waren feist und hatten Speise;
Doch ihre Füsse fand man nicht.
Sie wurden hier vom Kauz ernährte,
Der ihre Brüder längst verzehret,
Und nun für sie den Weizen stahl.
Aus Vorsicht lähmt' er sie, weil, die er sonst gefangen,
Ihm wieder unverhoft entgangen:
Itzt fraß er sie, nach sichrer Wahl.
Hat dieser Schlecker nichts ermessen?
Auf einmal alles aufzufressen;
Das war zu ungesund, zu viel.
Er spart; er will die Maus, eh er sie mästet, lähmen
Und ihr zur Flucht die Mittel nehmen.
Wie kams, daß er darauf verfiel? |