Friedrich von Hagedorn
Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen
Friedrich von Hagedorn

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Der Hirsch, der Hund und der Wolf.

        Ein ieder Frommer thut was man in Hamburg thut:
Das Gute glaubt er oft, allein das Böse selten.
Ihn lehrt der Lauf der Welt, daß Neid und Frevelmuth
Der Tugend Henker sind und auch die Frömmsten schelten.
Sonst ists ein bloßes Glück, wenn einen Bösewicht
Die Unschuld und das Recht, trotz seiner Kunst! beschämen.

    Ein Wolf jagt' einen Hund. Der bat, aus Zuversicht,
Den Hirsch, ihn ungesäumt in seinen Schutz zu nehmen.
Der Flüchtling wird erhört; doch ihn verfolgt sein Feind
Und spricht: Ich komm, o Hirsch, dein einzig Kalb zu rächen.
Der Schnaphan hats erwürgt; ich sah' es, ich, dein Freund,
Und den verwürkten Hals soll ihm kein andrer brechen.
Der Hund verneint die That. Er steht und schwört dabey:
Es sey ihm, von Natur, das Wildpret recht zuwider.
Ihm zeigt der strenge Hirsch sein fürchterlich Geweih.
Beklagter seufzt und heult und wirft sich vor ihm nieder.
Als drauf sein Kläger ihm mit neuen Zeugen droht,
Kömmt, gleich zu rechter Zeit, das Hirschkalb hergesprungen.
Den frechen Lügner trifft Verwirrung, Furcht und Tod;
Doch dieses Beispiel schreckt nur wenig Lästerzungen.


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