Friedrich von Hagedorn
Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen
Friedrich von Hagedorn

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Das geraubte Schäfgen.

            Als Joabs Heldenheer die Kinder Ammon schreckte
Und schon ganz Israel das Land um Rabba deckte,
Wo der Gewaltigen und Hanons Unverstand
Die Boten schänden ließ, die David abgesandt;
Da raubte sein Befehl Uria Glück und Leben,
Um das geliebte Weib, das ihm der HErr gegeben,
Die Tochter Eliams, die Davids Freundinn war,
Und, als sie ausgetraurt, ihm einen Sohn gebahr.

    Dem HErrn mißfiel die That, und Nathan ward ersehen,
Mit Worten Seines Zorns zum Könige zu gehen.
Er sprach: In einer Stadt befanden sich zugleich
Zween Männer; einer arm, der andre groß und reich.
Der Reiche sahe stets in Tagen voller Freuden
Die Heerden seines Hofs auf grünen Hügeln weiden;
Die Rinder unzerstreut bey jungen Farren ruhn;
Der Geiß' und Widder Muth im Felde frölich thun;
Die Lämmer ohne Fehl um ihre Mütter springen;
Das Lastvieh durch den Klee mit reichen Bürden dringen;
Die Blüten dicker Saat sich an den Wassern blähn
Und seiner Schnitter Fleiß die schönsten Halmen mähn.
Dem Armen, ach! was war dem Armen doch beschehret?
Ein einzig kleines Schaf, das er gekauft, genähret.
Das wuchs und ward bey ihm und seinen Kindern groß
Und kannte seinen Ruf und schlief in seinem Schos
Und trank von seinem Kelch und aß von seinem Bissen
Und folgte seiner Hand und lief nach seinen Küssen:
Er hielte dieses Schaf, sein liebstes auf der Welt,
Wie in Jerusalem man eine Tochter hält.
Dem Reichen kam ein Gast; daß der bewirthet würde,
Nahm er kein Rind, kein Schaf aus seiner Weid' und Hürde.
Die räuberische Faust macht ihm ein Freudenmahl
Aus jenem weissen Schaf, das er dem Armen stahl.
Er schwieg, und David schwur: Der Frevler soll nicht leben!
Er soll nicht nur das Schaf vierfältig wiedergeben;
Wer solche Missethat in Israel beginnt,
So wahr der Höchste lebt! der ist des Todes Kind.

    Du, David, bist der Mann: erwiedert der Prophete;
Will deine Sele noch, daß man den Räuber tödte?
So spricht der HErr, dein GOtt: Ich habe dich gebaut;
Zum Könige gesalbt; das Reich dir anvertraut;
Den Händen Sauls gewehrt; itzt deines Volks verschonet;
Und dir das Haus verliehn, in dem dein Herr gewohnet;
Die Weiber deines Herrn gab ich in deinen Schos;
Du bist in Israel, du bist in Juda groß.
Du bist durch mich ein Herr, ein Sieger und ein König,
Du, des Isai Sohn. Ist dieses dir zuwenig;
So füg ich mehr hinzu. Wie aber kanst du nun
Vor meinem Angesicht ein solches Uebel thun?
Des HErrn Gebot verschmähn, ihn und sein Wort verachten,
Und den Hethiter dir mit trunknem Schwerte schlachten?
Durch dich frisst Ammons Schwert Uria, deinen Knecht.
Sein Blut zeugt wider dich, und schreyt zu mir um Recht.
Noch darfst du gar sein Weib itzt, als dein Weib, umfassen;
Drum soll das Rachschwert nie von deinem Hause lassen.
So spricht der HErr, dein GOtt: Zu desto größrer Pein
Soll dir dein eignes Haus des Unglücks Quelle seyn.
Die Weiber will ich dir vor deinen Augen rauben,
Und deinem Nächsten selbst der Strafe Lust erlauben:
An ihnen soll das Volk was insgeheim geschehn
Bey lichtem Sonnenschein mit Schmach gerochen sehn.


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