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34. Kapitel

Von der behaglichen Schreibstube des Bombardiers Schmoller. Erich glaubt, Blanda zu sehen, und kommt ins Unglück, weil man ihn für betrunken hält.

An einem der nächsten Sonntage ging Erich nach dem Fort Maximilian, um den Bombardier Schmoller zu besuchen. Er hatte seinen Kameraden lange nicht gesehen, da vielerlei Beschäftigungen ihn in der Kaserne zurückhielten, und da Schmoller hauptsächlich durch das ganz ungünstige Wetter abgehalten worden war, von draußen hereinzukommen.

Der Winter, der zu Ende ging, schien seine noch im Vorrate habenden groben Schnee- und Regensorten toll durcheinander gemengt, verschwenderisch aufbrauchen zu wollen, wozu dann noch kam, daß der langsam heranrückende Frühling mit schweren, stürmischen und dunstigen Winden schon anfing, gegen seinen Freund kräftig zu plänkeln. Die Menschen sagten, es sei ein Hundewetter, was aber eigentlich eine falsche Benennung ist, da die klugen Geschöpfe, welche hierzu ihren Namen leihen müssen, klüger als manche Menschen, zu Hause bleiben und sich hinter dem warmen Ofen oder in ihren behaglichen, mit Stroh angefüllten Hütten verkriechen.

An dem Tage, wo Erich nach dem Fort Maximilian ging, war es indes etwas erträglicher geworden. Schnee und Regen hatten das Feld geräumt und der siegreiche Wind heulte nur noch grimmig hier und da um die Häuserecken herum wie ein böser Kettenhund, der dem vertriebenen Feinde seine Wachsamkeit zeigen will. Zwischen den weißen, zerrissenen, rasch dahinziehenden Wolken sah man wieder Stücke des blauen Himmels, ja, zuweilen blitzte sogar ein freundlicher Sonnenstrahl durch, wie mit einem zweifelhaften rasch wieder verschwindenden Lächeln die Landschaft erhellend, sowie plötzlich aufleuchten lassend die durchnäßten Straßen mit ihren großen Wasserpfützen, deren Oberflächen häufig von scharfen Windstößen bewegt und durchfurcht wurden.

Und doch lag schon eine Frühlingsahnung in der Luft und fand einen freudigen Widerhall in dem Herzen Erichs; mochte das nun daher kommen, daß er, langsam aufwärts steigend, seit einigen Tagen zum erstenmal wieder so recht mit Innigkeit an den Himmel hinaufschaute, wo ihm bei den vorüberziehenden Wolken die Gebilde jener Nacht wieder lebhaft vor die Seele traten mit Blandas Stern, oder gab ihm der Gedanke an sie selbst das Gefühl der Erinnerung an einen schönen, milden Frühlingstag? Aber auch die Erde duftete schon ganz eigentümlich ahnungsvoll; die dicken Knospen der Bäume schienen erwartungsvoll zu glänzen und die zarten, schlanken Knöspchen an den niedrigen Sträuchern fragten offenbar: »Nun, wird's bald?«

Rückwärts blickend, sah er die ganze, große Stadt ausgebreitet vor sich liegen, in ihrem Inneren für ihn fast eben noch so fremd und unbekannt wie vor Monaten, als er mit Schmoller von der gegenüberliegenden Höhe hinabgestiegen war dort hinten war ein kleiner, sehr beschränkter Kreis, die Artilleriekaserne, über welchen er noch so gut wie gar nicht hinausgekommen war, und in seiner Stellung auch wohl schwerlich hinauskommen würde. Das gab ihm zu denken, wenn er jenen kleinen Kreis in seinen Gedanken, ja, sogar mit seinen Augen gegen jene gewaltige Aussicht verglich, die sich seinem Blicke ringsumher öffnete; jene weite Gegend mit ihren Wäldern und Feldern, Hügeln und Thälern, lang gestreckten Hochebenen und tief eingerissenen Schluchten; wenn er dabei bedachte, wie ganz anders ein Leben für ihn sein würde, das ihm gestattete, frei durch jene Thäler, über jene Höhen zu ziehen, und wenn er also dachte, so schwangen sich seine Gedanken hoch in die Luft, um sich dort im stillen, anmutigen Mühlthale niederzulassen.

Doch riß er sich seufzend von der weiten Aussicht und jenen Bildern los und stieg die letzte Krümmung des Weges hinauf, welche ihn in kurzer Zeit vor das hohe und feste Thor der kleinen Festung führte.

Ein Artillerist, der auf der Brücke hin und her spazierte, zog den Säbel an, als er vorüberging, und ein anderer, der an der Brüstung lehnte und wahrscheinlich mit der Schildwache geplaudert hatte, sagte ihm, der Bombardier Schmoller würde sicher droben auf der Schreibstube anzutreffen sein.

Hier oben war alles so sonntäglich still und friedlich heiter; auf der Bank der Wachstube saßen die Kanoniere behaglich rauchend und dicht zusammengedrängt in einem schmalen Streifen Sonnenschein, und wenn man noch ein paar Schritte höher stieg, so sah man über den Wallgang hinaus in die entzückend schöne, jetzt durch Sonnenlicht und Wolkenschatten vielfach belebte Gegend, und verstand es vollkommen, warum die gewaltigen, schweren, ernsten Festungsgeschütze so unausgesetzt träumerisch in das Weite starrten.

Der Bombardier Schmoller befand sich in der That in der Schreibstube der Kommandantschaft des Forts. Es war das ein großes, geräumiges Gemach mit einem hohen Bogenfenster, durch welches man einen Teil der Stadt übersah; neben dem Ofen, in welchem, trotzdem es nicht sehr kalt war, ein tüchtiges Feuer brannte, saß der Bombardier, hatte aber, vielleicht wegen der angenehmen Luft draußen, einen Teil des Fensters geöffnet, an welchem man einen sehr langen Tubus stehen sah.

»Ah, grüß' dich Gott, leichtes Geschütz!« rief Schmoller dem eintretenden Freunde entgegen, »Sieht man dich endlich einmal? Ich hatte wahrhaftig heute morgen schon halb und halb Lust, meine behagliche Klause hier oben zu verlassen, um mich in den Dunst der Stadt und der Ställe zu begeben!«

»Daß hättest du schon längst thun können, da es dir wahrlich an Zeit nicht gefehlt hat.«

»Aber an Lust, mein Lieber, abgesehen von der Sehnsucht nach dir; es ist hier oben so behaglich, so still poetisch angenehm, daß man sich durchaus nicht nach den zweifelhaften Freuden eurer Stadt sehnt.«

»Gott sei Dank,« sagte Erich lachend, »daß du dich so mit deinem Schicksal ausgesöhnt hast! Ich weiß noch, mit welch trübem Gefühl du bei unserer Ankunft nach diesen Höhen hinschautest, seufzend über die Ungunst des Schicksals, die dich zu jener Einsamkeit verdammte!« »Ich wußte nicht, was mir gut war,« entgegnete Schmoller; »aber setze dich doch,« fuhr er fort, nachdem er einen Stuhl herbeigeholt und sich alsdann nach dem Bogenfenster begeben, um einen Blick auf die Stadt zu werfen »geniert dich das offene Fenster, so will ich es schließen.«

»Mich durchaus nicht, es ist ja ordentlich warm draußen. Also du bist noch immer zufrieden?«

»Ganz außerordentlich.«

»Und dein Chef?«

»O, ein liebenswürdiger alter Herr, freilich etwas mehr Professor als Artilleriekapitän, aber von einer Freundlichkeit, einer Güte und Milde, welche das Gemüt erhebt und das Herz veredelt! Ich habe darin schon große Fortschritte gemacht. Ueberhaupt ist es etwas Eigentümliches um dieses halb einsame Leben auf Bergeshöhen, in der schönen Natur; es hat das hier allerdings um so mehr etwas Klösterliches, als auf dem ganzen Fort kein einziger weiblicher Unterrock zu finden ist. Ich sage dir, auch das veredelt gewissermaßen und gibt unseren Gedanken einen höheren Schwung.«

Er war unter diesen Worten abermals an das Fenster getreten und blickte dort sogar durch den Tubus auf die Stadt hinab.

Erich sah ihm lächelnd zu, wie er durch das Zimmer schritt mit dem unverkennbaren Bemühen, seiner kleinen Figur sowie seinem unbedeutenden Gesichte würdevoll Haltung und Ausdruck zu verleihen.

»Um deinen Chef bist du nach dem, was ich über ihn gehört, allerdings zu beneiden, ebenfalls um deinen Premierlieutenant, den ich von früher her kenne.«

»Richtig Schramm; er sprach noch vor kurzem über dich. Schade, daß beide abwesend sind, sonst würde ich um die Erlaubnis gebeten haben, dich zu ihnen zu führen aber ein andermal,«

Schmoller sagte das, indem er wieder vor dem Tubus stand, hierauf einen Blick nach der Schwarzwälder Uhr warf, die neben einem hohen Aktenständer unermüdlich tickte, und dann mit einem mißmutigen Gesichtsausdrucke das Fenster schloß.

»Was den Dienst hier oben anbelangt,« sagte er an den Ofen tretend, »so wird derselbe auf die leichteste und angenehmste Art versehen: ich selbst habe nicht viel damit zu thun, da ich fast den ganzen Tag hier auf der Schreibstube beschäftigt bin, meistens in Privatangelegenheiten des Herrn Hauptmanns.«

»Ah, in Privatangelegenheiten!«

»Ja man kann es so nennen, obgleich es doch auch wieder zum allgemeinen Dienste gerechnet werden kann. Du wirst wissen, daß sich auf dem östlichen Turme eine astronomisch-meteorologische Station befindet, und zwar unter Oberaufsicht des Herrn Hauptmanns von Walter, der auf diesem Steckenpferd lieber herumreitet als auf den alten Wallgeschützen, und dabei muß ich ihm als Schreiber und in Besorgung mathematischer Berechnungen an die Hand gehen.«

»Ah, Schäker, und in deinen Freistunden treibst du, wie ich eben gesehen, auf eigene Faust astronomische und meteorologische Beobachtungen!«

Schmoller zuckte mit den Achseln, und nachdem er ein paarmal im Zimmer auf und ab gegangen war, blieb er vor Erich stehen und sagte mit einem leichten Seufzer: »Ich habe von jeher keine Geheimnisse vor dir gehabt.«

»Besonders nicht, wenn du mich gebrauchen konntest denk' an den Fleischhaken und deinen Säbel.«

»Pfui, über diese prosaischen Erinnerungen! Du bist bei dem Pferdsvolke da drunten gewaltig verwildert doch ganz anders fühlt mein Herz,« setzte er mit einem schwärmerischen Blicke hinzu.

»Ah, du hast wohl Fortschritte in jener höheren Telegraphie gemacht, in der du mir damals eine kleine Anleitung gabst ja richtig, bei solch einer Geschichte per Distance läutern sich die Gefühle und es kann kein unedler Gedanke aufkommen.«

»Sehr wahr,« seufzte Schmoller »ich habe auch schon Gedichte gemacht:

Hier oben steh' ich einsam
Auf meiner kahlen Höh,
Es schläfert mich, ich schlummer
Wohl unter Eis und Schnee;

Da denk' ich dein; o Palme,
So blühend und so schlank,
Die schweigend einsam trauert
Auf schneeigter Gartenbank!«

»Nicht so übel,« sagte Erich lachend; »doch erinnert dieses kühle Lied etwas an Heine.«

»Vielleicht ja, doch ohne mein Zuthun, denn was kann ich dafür, daß Heine vor mir schon Aehnliches gesagt hat!«

»Richtig, und da es manchem braven Manne nicht anders ergangen ist, so kannst du dich darüber trösten. Aber wie steht's mit den Geheimnissen, von welchen du vorhin sprachst? Das heißt, ich bin durchaus nicht neugierig, und wenn du darüber schweigen willst, so ist mir's auch recht.«

»Nein, es ist mir eine Erleichterung, darüber zu reden.«

»So ist also wirklich noch etwas geschehen, das wert ist, besprochen zu werden?« fragte Erich mit einigem Erstaunen.

Schmoller zuckte leicht mit den Achseln, dann warf er einen schwärmerisch kummervollen Blick, der aber in seinem affektierten Ernste etwas außerordentlich Komisches hatte, in die Höhe und sagte: »Kannst du das stürmische Bergwasser zurückhalten, wenn es einen Weg gefunden hat, um sich über blumenbedeckte Wiesen hinweg in die herrliche Ebene zu ergießen, sich dort vereinigend mit dem still fließenden, majestätischen Strome?«

»Sehr schön und poetisch gesagt, stürmisches Bergwasser; aber ich hoffe sehr, daß bis jetzt noch keine Vereinigung stattgefunden hat.«

»Bildlich allerdings, in Wort und Schrift, im Austausch schöner, edler Gedanken.«

»Wie versteh' ich das, bildlich?«

»Ich erhielt ihre Photographie, wir wechseln Briefe.«

»Wirklich, Schmoller? Du belügst mich nicht?« »Lächerlicher Gedanke sieh hier!« Er nahm aus der Brusttasche seiner Uniform ein schon etwas abgegriffenes und beschmutztes Briefcouvert und zog daraus die Photographie einer nicht mehr ganz jungen Dame hervor, die aber ein angenehmes Gesicht, mit mildem, etwas demütigem Ausdrucke hatte.

»Nicht so übel,« meinte Erich; »was schreibt sie dir dazu?«

»Einen wahren Mädchenbrief, etwas konfus, einigermaßen überspannt, aber mit deutlichen Anspielungen, daß ich einen tiefen Eindruck auf ihr Herz gemacht. Dabei spricht sie von dunklen Verhältnissen, die sich nach und nach aufklären müßten, und sagt, ich werde es später begreiflich finden, daß sie mir bis jetzt nur gewissermaßen verschleiert erschienen, unter einer notwendigen Maske, daß diese Maske aber fallen würde, sowie ich mich selbst entschleiert hätte.«

»Hm, das versteh' ich nicht recht.«

»Mit einiger Aufklärung wirst du dahinter kommen: wenn man das Glück hat, die Aufmerksamkeit einer jungen Dame aus einem adeligen Stifte auf sich zu ziehen, so stellt man sich doch nicht gern von vornherein als der ganz gewöhnliche Bombardier einer Festungscompagnie dar, sondern man spielt ebenfalls ein bißchen Versteckens und läßt es durchblicken, daß man wohl das Recht haben könne, unter einer siebenzackigen Krone zu schreiben, besonders wenn das Papier, das man erhalten hat, eine neunzackige Grafenkrone trägt.«

»Und ist unterschrieben?«

»Nur mit dem einfachen Namen Klothilde.«

»Du warst von jeher in solchen Dingen ein Glückspilz; aber auf welche Art besorgt ihr eure Korrespondenz?«

»Es ist das etwas schwierig; ich werfe meine Briefe, um einen Stein gewickelt, in einen bestimmten Winkel hinter die Gartenmauer, sie läßt die ihrigen in dunkler Nacht aus einem gewissen Fenster des Hauses fallen, wo ich sie alsdann aufhebe, dabei natürlich aber manchen vergeblichen Gang thue, wie besonders in den letzten acht bis zehn Tagen,« setzte er seufzend hinzu. »Ich weiß nicht, was da unten vorgefallen sein muß; aber es ist nicht alles in Ordnung, wie es sein sollte. Es finden die herkömmlichen Spaziergänge nicht mehr statt, selbst nicht mehr hinter der hohen Gartenmauer, und auch sonst ist da unten ein Gefahre von Equipagen, was mir durchaus nicht gefallen will.«

»Das siehst du alles von hier oben aufs deutlichste?«

»Durch meinen vortrefflichen Tubus; ja, ich bin imstande, bis in die Zimmer hineinzuschauen, wenn gerade nicht die Vorhänge herabgelassen sind.«

»Glücklicher Kerl! Du könntest mir deine Stelle am Tubus wohl hier und da überlassen! Laß mich doch einmal durchschauen!«

»Mit Vergnügen, aber du wirst jetzt nicht das Geringste entdecken; es ist die Zeit des Frühstückes, wo das Haus bis nach zwölf Uhr wie ausgestorben erscheint; dann kommen die Spaziergänge, und sehe ich alsdann in der Art, wie sie ihren Mantel trägt, besonders aber, wie sich ihr Sonnenschirm bewegt, was mir zu wissen notwendig ist.«

»In der That ein ganz ausgezeichnetes, vortreffliches Glas!« meinte Erich hindurchschauend. »Mit ihm kann man ja die Gesichter der unten Vorbeiwandelnden erkennen!«

»Du Glücklicher, mit deinen scharfen Augen allerdings; ich dagegen muß mich bis jetzt mit den allgemeinen Umrissen begnügen, ach, und deshalb würde es mich so außerordentlich glücklich machen, wenn ich endlich einmal so weit käme, mit ihr reden zu können!«

»Da bin ich glücklicher; es ist mir eine Kleinigkeit, die Hausnummer zu lesen. Welch reines, prächtiges Glas!«

»Allerdings einer der besten Fraunhofer, die es gibt; der Herr Hauptmann benutzt ihn zum Austausche der Zeichen mit der Sternwarte der Universität und mir dient er zum Betrachten anderer, schönerer Sterne aber, wie gesagt, es ist jetzt da unten bis nach zwölf Uhr nichts mehr zu sehen, und wenn es dir recht wäre, so führe ich dich in unserer kleinen Festung umher, um dir an manchem zu zeigen, welch angenehmes, ja mitunter idyllisches Leben wir hier oben genießen. Stelle dein Heldenschwert dort in die Ecke, wir halten hier oben nicht viel auf Säbelgerassel.«

Dann gingen sie miteinander fort, und Schmoller zeigte seinem Freunde die Schlafsäle der Mannschaft, vor allen sein eigenes, kleines, aber behagliches Zimmer in einem der runden Türme; dann den Speisesaal, einen großen, gewölbten Raum, daneben ein Zimmer zur Unterhaltung und Belehrung der Mannschaft, mit Büchern und Modellen von Geschützen der verschiedensten Arten, Artilleriefahrzeugen, aber auch von landwirtschaftlichen Maschinen, welch letztere Erich mit ganz besonderer Aufmerksamkeit betrachtete. Dabei hatte alles hier nichts von jenem oft unangenehmen, kasernenmäßigen Anstriche, von jener oft peinlichen Ordnung und gezwungenen Sauberkeit, so daß man an allem, besonders in den hochgewölbten, geräumigen Schlafsälen, namentlich aber in der mit den verschiedensten Bequemlichkeiten ausgerüsteten und sehr reinlich gehaltenen Küche, einen milden Geist erkannte, der hier wohlwollend und freundlich alles regiere, und diesem milden Geiste begegneten die Bombardiere in Gestalt des Hauptmanns von Walter, als sie das innere Fort verließen, um die Wälle und das Glacis in Augenschein zu nehmen.

Schmoller konnte sich auf den freundlich fragenden Blick des Kommandanten hin schon erlauben, seinen Freund durch Nennung von dessen Namen in Erinnerung zu bringen, worauf der wohlbeleibte Artilleriehauptmann mit freundlichem Lächeln sagte:

»Ich erinnere mich ganz genau, vergesse nicht leicht berühmte Persönlichkeiten, hatte auch in diesen Tagen Gelegenheit, einiges, durchaus nichts Schlimmes über den letzten Bombardier zu vernehmen. Der Premierlieutenant Schramm kennt Sie von früher und hat mir Freude gemacht mit der Versicherung, daß alles das, was mein Herr Kamerad, der Freiherr von Manderfeld, über Sie losgelassen, doch noch zu schanden werden wird.« Damit grüßte er freundlich, blieb aber nochmals stehen und rief dem Bombardier Schmoller nach: »Wenn Sie auf den Wall gehen, so schauen Sie nach unserer Veilchenplantage!« »Zu Befehl, Herr Hauptmann, ich war gerade auf dem Wege, das zu thun!« gab Schmoller zur Antwort und setzte, gegen Erich gewendet, hinzu: »Damit lüge ich nicht, denn ich kann dir in der That nichts Schöneres und Lieblicheres zeigen, als unsere Veilchenbeete allerdings eine seltsame Idee auf dem Walle einer Festung. Da sind wir schon. Sieh, wie der Platz zwischen diesen beiden Traversen vortrefflich gewählt ist! Durch sie geschützt gegen Nord- und Ostwind, der Sonne zugänglich und mit alten Magazinfenstern zugedeckt, die während der Nacht noch mit dicken Strohmatten versehen werden. Ist das nicht eine Pracht? Dieser Geruch schon von weitem! Ich finde das als eine ganz begreifliche Liebhaberei von dem Herrn Hauptmann, die auch unsereinem zu statten kommt, denn daß hier und da ein kleiner Veilchenstrauß mit zur Stadt hinab läuft, kannst du dir denken. Da, setz dich einmal auf die kleine Bank von Stein, blick in die sonnenbeglänzte, herrliche Landschaft hinaus, die allerdings noch etwas winterlich kahl aussieht, aber gerade dadurch einen so prächtigen Kontrast bildet mit dem reichen Frühlinge um uns her, und sage selbst, ob man sich hier nicht ganz anders, poetischer gestimmt fühlt, als drunten in den Düften der Stadt oder gar im Dunste eines Stalles. O, unsere Gedanken hier oben nehmen deshalb auch einen ganz anderen, weit höheren Flug, und selbst,« setzte er mit einem etwas affektierten Seufzer hinzu, »wenn die Grafenkrone auf dem Papier echt wäre, sollte mich das gar nicht in meinen Bewerbungen aufhalten!«

»Und warum sollte sie nicht echt sein?« meinte Erich lächelnd. »Du hast einmal dieses rasende Glück bei den weiblichen Herzen!«

»Ja, trotz alledem glaube ich es auch in der That, daß sie eine sehr vornehme junge Dame ist, obgleich sie mir schreibt, sie sei nichts als eine arme Lehrerin, die sich glücklich fühle in der Zuneigung eines so hoch gestellten jungen Mannes.«

»Das hat sie aus Märchenbüchern, wo Prinzessinnen und Feenköniginnen gern im Gewande gewöhnlicher Sterblicher zu erscheinen pflegen, um dann plötzlich in aller Pracht zu kommen und den Heißgeliebten zu beglücken. Werde in dem Falle nur nicht hochmütig und vergiß deinen armen Kameraden nicht!«

»Deine Spöttereien beiseite lassend, lieber Freund,« erwiderte Bombardier Schmoller mit einiger Wichtigkeit, »so könnte sich allenfalls schon etwas ereignen, was dich in Erstaunen setzen, mir es aber sehr erleichtern würde, den in der That höchst angenehmen Aufenthalt hier oben zu verlassen.«

»Für eine Gräfin wäre allerdings hier oben nicht der richtige Aufenthalt.«

»Gewiß, aber ich ginge ungern fort, das kann ich dir allen Ernstes versichern; denn der Hauptmann von Walter ist mir sehr gewogen, will mich nächstens zum Unteroffizierexamen eingeben und hat mir bei meinen Fähigkeiten in Schreiberei und Rechnungswesen nicht undeutlich in Aussicht gestellt, daß er mich nach einiger Zeit zum Feldwebel vorschlagen würde, und hätte ich das erreicht versteh mich wohl, unter gewöhnlichen Verhältnissen so wüßte ich mir keine angenehmere Zukunft und würde behaglich ein Auge zukneifen, wenn ich euch alle mit funkelnagelneuen Epauletten vorübergehen sähe.« Erich zuckte leicht mit den Achseln, indem er an seine Unterredung mit dem Premierlieutenant Schaller dachte.

»Natürlich, wenn sie eine Gräfin wäre,« fuhr Schmoller fort, indem er träumerisch in die weite Ferne blickte »und reich, so wäre das 'was anderes; dann wäre es eine Kleinigkeit, mich zum Offizier in irgend einem Kavallerieregimente zu machen, wo man nicht viel zu wissen brauchte mein Name Schmoller ließe sich bequem umwandeln, zum Beispiel in von Schmolinski, polnische Abkunft und das Geld meiner Gemahlin anbelangend, würde es mir keine Sorge machen, dasselbe mit sehr großem Anstande auszugeben.«

»Ja, ja, ich traue dir das zu!«

»Aber Offizier sein, weißt du, ohne alle Zulage, darüber hört man hier oben, wo man vertraulicher zusammen lebt, gar manches, das einem die Geschichte verleidet. Brachte doch neulich der Herr Hauptmann von Walter so ein naseweises Zeitungsblatt aufs Bureau und las dem Herrn Premierlieutenant Schramm lachend daraus eine Berechnung vor, daß ein Offizier ohne Zulage, der sich morgens nicht einmal ein warmes Frühstück gönnt, der äußerst gering zu Mittag ißt, abends aber für gewöhnlich gar nicht speist, am Ende des Monats mit vier Thaler Schulden abschließen muß.«

»Traurig, aber wahr, und deshalb freue ich mich über deine schönen Aussichten.«

»Wenigstens in der Hoffnung, und solange man nichts Positives hat, ist es höchst angenehm, wenigstens von der Hoffnung zu leben.«

Schmoller sagte das mit einem leichten Seufzer, indem er einen Blick auf die große Uhr warf, die man an einem viereckigen Turme bemerkte, der wenige Fuß über die Hauptgebäude der kleinen Festung emporragte, aber so gelegen war, daß man ihn jenseits des Glacis nicht zu entdecken vermochte.

»Gleich zwölf Uhr,« fuhr er fort und setzte rasch hinzu: »Wenn es dir gleichgültig ist, so gehen wir nochmals in die Schreibstube hinauf; ich habe da noch etwas nachzusehen.« »O, ich kann es mir denken, du machst auf deine Art astronomische Beobachtungen!«

»Auch das vielleicht nebenbei dort habe ich in der That noch ein Aktenstück durchzusehen, und begleite dich dann nach der Stadt hinunter, um dir auch Mitteilungen zu machen, auf welche Art ich deinen Auftrag in betreff jener Papiere, die dem jungen Grafen Seefeld gehören, ausgeführt habe. Du hättest keine bessere Mittelsperson, wie mich, zu diesem delikaten Geschäfte finden können,« plauderte er, gemütlich neben Erich gehend, während er ihn von Zeit zu Zeit noch auf eine praktische Vorrichtung aufmerksam machte, »Anlagen von schattigen Wegen auf dem Glacis und in den Wallgräben, oder zum Ansammeln des Regenwassers in großen Quantitäten, welches der Herr Hauptmann von Walter auf eine höchst sinnreiche Art filtrieren, dann in ein Sammelbassin leiten ließ, das sich in einer sehr tief gelegenen Kasematte befand und dergestalt einen großen Vorrat sehr guten Trinkwassers bildete. Aber alle diese Herrlichkeiten hier werden nicht gar zu lange mehr dauern, fürcht' ich,« sprach Schmoller in einem vertraulichen Tone, »denn, wie wir vernahmen, soll der Hauptmann von Walter mit seiner Compagnie nach der Festung I. versetzt und dort Kommandant der Citadelle werden, wo er sich allerdings auf einem ausgedehnteren und sehr schön gelegenen Terrain ganz am Platze befände, um seinen Neigungen für Gartenanlagen und dergleichen ungestörter nachhängen zu können.«

»Also die Papiere hast du besorgt?« fragte Erich, den das andere weniger kümmerte. »Und wie wurdest du aufgenommen?«

»O, ich kann dir versichern, auf die charmanteste Art von der Welt, das heißt weniger von dem jungen Grafen Seefeld selbst, den ich eigentlich nur sah, indem er durch das Zimmer schritt, in welchem ich stand, wo er mich allerdings etwas auffallend von oben bis unten betrachtete und dann mit einem leichten Kopfnicken wieder ging.«

»So, das nennst du auf eine charmante Art empfangen worden sein? Ich glaube, Kerl, wenn dich seine Bedienten hinausgeworfen hätten, du würdest das für eine angenehme Beförderung gehalten haben es thut mir leid, daß ich dir den Auftrag gab!«

»Ohne alle Ursache, mein Lieber; denke nicht, daß unsereins sich auf dem Kopfe herumtanzen läßt nie und auch bei jener Gelegenheit nicht; denn ehe der Herr Graf das Zimmer verlassen konnte, hüstele ich so vernehmlich und ausdrucksvoll, daß er sich umwandte und mir zu sagen gezwungen war: »Ich werde Ihnen meinen Sekretär schicken, er soll mit Ihnen reden.«

»Bravo, du scheinst ihm in der That sehr imponiert zu haben nun, mir wäre es auch wohl nicht besser ergangen!«

»Im Gegenteil, weit schlechter, darauf kannst du dich verlassen; ich kenne deine Art, gleich alles übelzunehmen, und besonders diesem Herrn gegenüber, mit dem du ja schon ein paarmal auf unangenehme Art zusammengetroffen.«

»Und dann kam der Sekretär?«

»Ja, ein höchst angenehmer, feiner Mann, und von ihm wurde ich denn auch, wie ich vorhin schon sagte, auf eine höchst charmante Art empfangen. Ich mußte mich zu ihm setzen, er fragte mich dies und das auch über dich.«

»Das kann ich mir denken; und du sagtest ihm alles, was du über den Fund jener Papiere wußtest?«

»Alles, aber nicht mehr, obgleich er noch weiteres zu erfahren wünschte. Besonders forschte er sehr höflich, aber zu wiederholten Malen, ob nicht damals auch noch andere Papiere gefunden worden seien; er spielte offenbar auf jenes versiegelte Couvert an.«

»Dessen du aber doch mit keiner Silbe erwähntest?«

»Gewiß nicht wo denkst du hin!« antwortete Schmoller mit großer Entschiedenheit; doch hätte jedem anderen als gerade dem arglosen Erich diese Entschiedenheit verdächtig erscheinen müssen, zugleich mit dem Bestreben seines guten Freundes, dem Gespräche eine andere Wendung zu geben, indem er sagte: »Natürlicherweise erwähnte ich dich als den Finder, und ich kann dir versichern, daß, trotzdem, was damals vorgefallen sein mag, du durchaus in keinem so schlimmen Andenken stehst, als du dir einbildest; ja, der Herr Sekretär sprach in betreff der Papiere von der Erkenntlichkeit des Herrn Grafen und,« warf Schmoller leicht hin, »bot auch mir dergleichen Erkenntlichkeiten an.«

»Wieso?«

»Nun, in Form von ein paar Zehnthalerscheinen, was ich aber mit Indignation zurückwies gewiß, mit großer Indignation, indem ich mich bemühte, diesem Herrn meine goldenen Armtressen zu zeigen und mir leicht mit der Hand durch die Haare fuhr du kennst meine Art, zu sein.«

»O, vollkommen!« lachte Erich, und da er sich ganz wohl des Schürzenstipendiums erinnerte, welches jener zur Brigadeschulzeit zu genießen nicht verschmähte, so konnte er sich nicht enthalten, die mit Entrüstung ausgeschlagenen Zehnthalerscheine in Zusammenhang zu bringen mit einer feinen und flott aussehenden Uniform, welche Bombardier Schmoller trug. Natürlicherweise äußerte er keine Silbe darüber, versicherte sich aber noch einmal durch eine Frage, ob Schmoller in der That nichts von jenem im Couvert versiegelten Papiere gesagt habe, worauf jener im Tone der Beteuerung erwiderte:

»Du wirst von mir überzeugt sein, daß ich mich eher totschlagen ließe, als irgend etwas zu sagen, was ich nicht sagen soll!«

»Und doch hätte ich fast gewünscht, auch jenes Couvert zurückgegeben zu haben. Trüge es die Adresse des Grafen, so hätte ich es auch unbedingt gethan; aber ich denke immer, daß jenes Couvert, welches ja auch ein ganz anderes Siegel trägt, als die übrigen Briefschaften, in irgend welchem Zusammenhange mit der armen Ticzka steht, ja, vielleicht deren Eigentum ist, und der Gedanke allein hielt mich ab, es mit jenen anderen Papieren und vielleicht in die ganz unrichtigen Hände auszuliefern.«

»Jedenfalls ist es sicher in deinen Händen,« sagte der Bombardier Schmoller, »und solltest du je Lust haben, es zu übergeben, so könnten wir, soviel ich gemerkt habe, schon eine tüchtige Forderung dafür stellen. Wo hast du jenes kostbare Papier aufgehoben?«

»Mit anderen Briefen in meinem Waffengerüste.«

»Nun, bei dir wird niemand Schätze vermuten, und ich glaube, du hast auch eine anständige Kameradschaft.«

»In dieser Richtung gewiß.«

Damit hatten beide die Schreibstube wieder erreicht, und während sich Schmoller an den Tubus begab und ihn nach der Stadt richtete, schnallte Erich seinen Säbel um und nahm seine Feldmütze.

»Ich weiß nicht,« sagte der andere, indem er durch den Tubus sah, »was das unten für ein Getreibe und Gethue ist! Da fährt schon wieder ein Fiaker vor, auf den hinten ein Koffer befestigt wird wenn ich nur nicht so verdammt schwache Augen hätte! Schau einmal her, Erich; von dem Hause gegen das Gitterthor kommen ein paar weibliche Gestalten, und sowie ich glaube, ihre Gesichtszüge unterscheiden zu können, so schwimmt es mit im selben Augenblicke wie ein Nebel vor den Augen. Sieh du einmal hindurch und schildere mir die Personen.«

»Soviel ich bis jetzt sehe,« berichtete Erich nach einer kleinen Pause, »sind es zwei junge Damen, die sich vom Hause her dem Wagen nähern; es ist eine blaue Droschke mit roten Rädern!«

»Was geht mich die Farbe der Droschke an! Könntest du unterscheiden, ob eine jener beiden Damen Ähnlichkeit hat mit der Photographie, die ich dir gezeigt?«

»Vielleicht, sowie sie mir das Gesicht zuwenden; eine trägt Hut und Mantel und die andere scheint diese an den Wagen zu geleiten.«

»Also eine Abreise irgend einer?«

»So scheint es, wobei sich die ohne Hut ganz leidenschaftlich benimmt und die andere zu wiederholten Malen an sich drückt; warte, jetzt blicken beide in die Höhe um des Himmels willen, was ist das!«

»Was gibt's denn?«

»Ich kann mich doch auf meine Augen verlassen « rief Erich in höchster Aufregung »und auch meine Erinnerung trügt mich nicht ja, sie ist's!«

»Wer denn? Ich bitte dich!«

»Es ist Blanda, die im Begriffe ist, in den Wagen zu steigen!« »Wer ist Blanda?«

»Das sag' ich dir ein andermal!« rief Erich hastig, indem er sich umwandte und zur Thür hinausstürzte, ohne das grenzenlose Erstaunen des Bombardiers Schmoller zu beachten, der ihm mit weit aufgerissenen Augen zuerst einen Augenblick nachschaute und ihm dann so rasch als er konnte, bis an das Thor der kleinen Festung folgte. Dort sah er aber, daß Erich schon ziemlich weit entfernt war und in tollen Sätzen zur Stadt hinabraste. Wenn er aber dabei auch, um keine Zeit zu verlieren, die Windungen des Fahrweges quer durchschnitt, so kam er doch erst unten an, als der blaue Wagen mit den roten Rädern schon um die Ecke der langen Straße bog, welche von dem Hause da unten in gerader Linie nach der Stadt führte. Erich nahm seinen Säbel fester in den Arm, drückte die Feldmütze in die Stirn und flog rascher dahin, als die Mietgäule zu laufen vermochten. Was er aber mit diesem tollen Wettlaufe bezweckte, darüber war er nicht imstande, sich selbst Rechenschaft zu geben. Sein einziger Gedanke war, Blanda, mit deren Bild er sich in den letzten Tagen so innig beschäftigt, zu sehen, und alles, was er wollte, war, ihre kaum wiedergefundene Spur nicht zu verlieren, vielleicht zu gleicher Zeit mit dem Wagen das Haus zu erreichen, wohin er fahre.

Doch schien die blaue Droschke ein anderes Ziel zu haben, als irgend ein Haus in der Stadt; denn ohne diese zu berühren, bog der Wagen in einen mit Bäumen besetzten, breiten Promenadenweg, der gegen die Landstraße führte, und hier, wo Erich das Fahrzeug fast erreicht hatte und zugleich zu dem Entschlusse gekommen war, den Kutscher anzuhalten, um mit Blanda zu reden, hatte er das Unglück, mitten in eine Gruppe Offiziere zu prallen, welche, langsam daher schlendernd, seinen Blicken durch die Mauer eines Landhauses bis zu diesem Augenblicke verdeckt worden waren.

Und selten kommt ein Unglück allein; denn an der Spitze dieser Offiziere befand sich sein eigener Batteriechef, der Hauptmann von Manderfeld, im Gespräche begriffen mit dem Grafen Dagobert Seefeld.

»Nun, das muß ich gestehen,« brauste der erstere auf »eine solche Flegelei ist mir noch in meinem ganzen Leben nicht vorgekommen; mir scheint, Bombardier, daß Sie schon vormittags betrunken sind!«

»Ich bitte den Herrn Hauptmann inständig um Verzeihung!« keuchte atemlos der also Angeredete. »Ich wollte nur mit einem Bekannten reden, der sich dort in jener Droschke befindet, bin aber gewiß nicht betrunken, Herr Hauptmann!«

»Sie sind betrunken, Herrrrrr; wenn das nicht schon bewiesen wäre durch Ihre unverschämte Art, sich hier herumzutreiben, so würde das doch schon aufs deutlichste bezeugt durch die Röte Ihres Gesichtes und durch Ihre lallende Zunge!«

»Aber, Herr Hauptmann, ich kann versichern ...«

»Schweigen Sie; machen Sie, daß Sie ohne weiteren Unfug in die Kaserne kommen, und melden Sie sich dort beim Wachtmeister zu einem dreitägigen Mittelarreste, der augenblicklich angetreten werden soll. Haben Sie mich verstanden?«

»Zu Befehl, Herr Hauptmann!«

Ohne ihn weiter eines Wortes oder auch nur eines Blickes zu würdigen, ging der Hauptmann von Manderfeld mit elastischen, eleganten Bewegungen, die man an ihm gewohnt war, an der Seite des finster blickenden Husarenoffiziers davon, und nachdem Erich noch einen sehnsüchtigen Blick der blauen Droschke nachgeschickt, welche jetzt, da der Weg etwas aufwärts stieg, im langsamsten Schritte dahin fuhr, wandte er sich seufzend nach der Stadt zurück, um dort eine Stunde später dreitägigen Arrest anzutreten, dieses Mal aber nicht in den Hallen des heiligen Augustin, sondern in dem ehemaligen Kloster von St. Agatha, wo sich das Arrestlokal befand.


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