Anastasius Grün
Volkslieder aus Krain
Anastasius Grün

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Vom Herrn Rauber.Über den Entsatz Sisseks berichtet J. von Hammer (Gesch. d. osman. Reiches. II. 582) wie folgt: »Dienstag vor Fronleichnam (15. Juni 1593) lagerte Hasan, der Statthalter Bosniens, mit 25–30 000 Mann am rechten Ufer der Kulpa; ging in der Nacht mit dem von Memi, dem Beg von Swornik, angeführten Fußvolke über die Kulpa, belagerte Sissek. Erdödy, Auersperg. Eggenberg, Redern und Paradeiser eilten zum Entsatze herbei. In dem Winkel, welchen mit der Kulpa die in dieselbe einströmende Ordra bildet, ward die Schlacht geliefert (19. Juni) und die Türken an die Flüsse zurückgedrängt. Die Brücken, zu schmal und zu schwach, brechen ein, 18 000 Mann bluten auf dem Felde oder ertrinken in der Flut, unter diesen Hasan Beg selbst, der Statthalter von Bosnien, Ghasi Memi, der Beg von Swornik, Mustafa, der Beg von Klis, der Sohn Ahmed Paschas (dessen Gemahlin die Tochter Mirmahs) und der daher Sultansade beigenannt war, und Mohammed, ebenfalls der Sohn der Tochter einer Sultanin usw. Ob namhaften Verlustes von Geschütz und Heer, von mehreren Begen und zwei Enkeln von Sultaninnen heißt das Jahr in der osmanischen Geschichte das Jahr des Verderbens.«

Nach Valvasor (a. a. O. II. 523) führte der Held unseres Liedes »Herr Adam Rauber zu Weineck und Kreutberg, einer löbl. Landschafft in Crain Rittmeister« nächst Herrn Andre von Auersperg, Obristen der »Crabatischen und Meer-Gräntzen« die zum Entsatze Sisseks aufgebotenen Hilfsvölker aus Krain. Rauber befehligte die sogenannten ständischen Gültpferde »200 Crainerische Arquebusirer« und nahm mit seiner Mannschaft den rühmlichsten Anteil an dem Treffen.

Sonderbarerweise beteilt unser Volkslied mit dem Vornamen seines Helden (Adam) den Kommandanten Sisseks, welcher nach Valvasor und Hammer Nikolaus Mikaczy hieß, Domherr zu Agram war und die Stadt eifriger als redlich verteidigte, indem er die Boten Hasan Paschas über die Mauer in den Fluß werfen ließ und die durch verstellte Bereitwilligkeit der Übergabe in die Festung gelockten Sipahi durch angezündete Pulverfässer in die Luft sprengte.

Das alte bereits durch Kaiser Maximilian I. in den Freiherrnstand erhobene Geschlecht der Rauber war überhaupt durch Tapferkeit und Körperstärke ausgezeichnet. Berühmt wegen seiner ungemeinen Gewandtheit im Ringkampfe, verbunden mit riesiger Leibeskraft, so wie ob seines über drei Ellen langen Bartes war Andreas Eberhard v. Rauber, Kaiser Maximilians II. Hofkriegsrat; er zerbrach die stärksten Hufeisen, riß einst im Kampfe einem Juden den Bart samt der daranhängenden Kinnlade aus, steckte im Wettkampf um die schöne Scharseckin, des Kaisers natürliche Tochter, seinen Gegner, einen himmellangen Spanier, in einen Sack, und dgl. mehr.

              Dies ist Türkenpaschas Streben,
Der den Türken treu ergeben,
Wie zu ordnen seine Heere,
Wie zu mausen Sissek wäre?
Ab und auf durchs Zimmer geht er,
Der Gedanken viel berät er,
Einen hält der Wolfskopf feste,
Also frommt's aufs allerbeste:
Daß er seine Truppen küre
Und vor Sissek alle führe.
Können nicht die Kulp durchwaten,
Fragen ihn, wie jetzt zu raten.
An den Strand der Pascha wallet,
Eine Trommel umgeschnallet,
Schlägt sie grimmig, daß sie stöhnte
Und bis in den Himmel dröhnte.
Pascha ruft im Zornesbeben,
Der den Türken treu ergeben:
»Spannet Seile straff hinüberNoch im April 1839 überschritt die türkische Armee den Euphrat und seine Nebenflüsse auf Flössen, welche aus aufgeblasenen Ziegenhäuten (türkisch Kilek) verfertigt wurden. (Allgem. Ztg. 1839. Nr. 176.),
Und befestigt Häute drüber!«
Und nachdem sie also taten,
Konnten sie die Kulp durchwaten,
Konnten sich vor Sissek sammeln
Und in Gräben sich verrammeln.

Was beginnt der Pascha eben,
Der den Türken treu ergeben?
Setzt ins Gras sich, schreibt ein Blättlein,
Schickt's dem Hauptmann in das Städtlein.
»Adam, hör von Allahs wegen,
Sisseks Haupt, du Heldendegen!
Willst du dich mir jetzt ergeben,
Oder deinen Kopf mir geben?«
Adam schrieb ihm drauf entgegen,
Sisseks Haupt, der Heldendegen:
»Will mich willig nicht ergeben,
Will auch meinen Kopf nicht geben!
Will mich lieber etwas sträuben,
Sisseks Kommandant noch bleiben;
Euch wird noch die Reue brennen,
Lernt ihr meine Krainer kennen!«

Adam, wie wird das sich legen,
Sisseks Haupt, du Heldendegen?
Tät Befehl' und Brief' erteilen,
Läßt sie in drei Länder eilen;
Hin nach Kärnten, Krain und Steier,
Zur Stadt Laibach, schön und teuer,
Daß der Türkenblitz entglommen
Und uns Sissek gern genommen.

Als den Steirern kam die Kunde,
Saure Mienen gab's zur Stunde,
Bebten sehr, davon sie schlichen,
Vor dem Türken all' erblichen.

Als den Kärntnern kam die Kunde,
Sprachen sie mit einem Munde:
»Mit den Türken ist schlecht spaßen,
Laßt uns heißen Brei nicht blasen;
Hosen hat der Türk' so weite
Und Schnauzbärte, lange, breite,
Wenn er unsre Hälse schaute,
Gott weiß, was er uns vertraute?«

Als nach Laibach kam die Kunde,
Ging ein Ruf nur durch die Runde:
»Sucht den Retter ohne Weile,
Not gebeut die größte Eile.
Wenn der Türk' uns Sissek nähme,
Kreuz und quer uns alles käme,
Laibach würde Grenzstadt werden,
Krainerland zu Türkenerden!
Laßt uns schnelle Hilf' auftreiben
Und dem Herren Rauber schreiben,
Er weiß gut im Feld zu streiten
Und den Kriegern vor zu schreiten.«

Ein weiß Brieflein sie vollenden,
Das sie schnell nach Kreutberg senden,
Wo der tapfre Rauber lieget,
Haupt der Reiter, unbesieget.
Rauber, der schon früh erwachte,
Einen Gang durchs Schloß schon machte,
Seine Fenster öffnet jetzt er
Und am goldnen Feld sich letzt er.
Wie rings seine Augen kreisen,
Sieht er auf den ebnen Gleisen
Ein jung Bübchen eilig jagen
Und ein weißes Brieflein tragen.
Rauber klatscht in seine Hände,
Eilt entgegen ihm behende,
Wie er durchgeschaut das Schreiben,
Lacht er zu des Paschas Treiben.
Geht zurück nach seinem Saale
Zu Kathrinen, dem Gemahle:
»Drei Sonntage sei gewärtig,
Bis ich mit dem Pascha fertig.«
Freilich Frau Kathrinens Wange
Hat verraten, daß ihr bange,
Angst um ihren Herrn sich regte,
Als sie ihm sein Schwert umlegte.
Auf den Ruf des Herrn erschienen
Achtzehn Tschitschen, die ihm dienen.Čiče, Tschitschen, heißen die abgehärteten, kriegerischen Bewohner jenes Felsenlandes im mittäglichen Krain, welches vormals die Japoden der Alten inne hatten.
»Holla, auf! Schon tagt's der Erde,
Rasch zur Tränke führt die Pferde.
Sattelt sie, zäumt sie zum Ritte,
Rüstet euch zu Kriegessitte,
Fort nach Laibach laßt uns reiten,
Nach dem festen, hohen, weiten!«

Schwingen sich zu Roß die Reiter,
Sprengen, jagen lustig weiter,
Halten nimmer an die Zügel
Bis zum grünen Savespiegel.
Rauber ruft die Überführer,
Von Thernutsch die Schiffsregierer:
»Auf die Füße, nimmer träge!
Steuert durch den Strom uns rege!«
Schliefen noch die Schiffer alle,
Bangend vor dem Wasserschwalle,
Denn der Strom war angeschwollen,
Hat die Ufer überquollen.
Drauf der Ferg' Andrej gesprochen:
»Hat der Strom sein Bett durchbrochen,
Drum nicht können wir Euch leiten,
Und Ihr nicht gen Laibach reiten!«
Rauber ruft zum andern Male,
Bietet Gold von hellem Strahle;
Täten sich die Schiffer winken:
»Ha, da gibt's noch eins zu trinken!«
Stießen schnelle vom Gestade,
Baten Gott, daß seine Gnade
Glücklich ihre Reise lenke
Und viel türk'sche Aspern schenke!
Rauber ihnen Goldes spendet,
Drauf durchs ebne Feld sich wendet,
Eilends sie gen Laibach reiten,
Nach dem festen, hohen, weiten.

Weckt in Laibach auf die Leute:
»Städterleute, faule Häute!
Holla, aus den Federn schreitet,
Und zum Kriegszug euch bereitet!«
Doch die Städterinnen gehen
Zu Herrn Rauber jetzt und flehen,
Bietend Silber, Gold in Masse,
Daß er ihre Liebsten lasse.
»Mütter junge, Frauen feine,
Bleibt ein Weilchen hübsch alleine,
Nicht ist's Zeit sich loszukaufen,
Jetzt heißt's frisch im Felde raufen!
Türkenblitz droht an der Grenze,
Daß er uns um Sissek schwänze;
Wenn der Türke Sissek nähme,
Kreuz und quer uns alles käme,
Laibach würde Grenzstadt werden,
Unterkrain zu Türkenerden.«
Jetzt erschallen Trommelschläge,
Daß man nichts mehr hören möge.
Rauber sich Genossen kürte,
Sie hinab gen Sissek führte,
Wo von Türken solch Gedränge,
Wie im Ameisnest die Menge!

Rauber sprengt voran den Seinen,
Spricht zum Großknecht: »Flink von Beinen,
Schleich auf jenes Baumes Höhe,
Gut mir nach den Bannern spähe!
Wirst du weiße Banner sehen,
Gilt es harten Strauß bestehen,
Siehst du rote Banner schweben,
Braucht das Herz uns nicht zu beben;
Wollen dann die Türken fressen,
Gleich als ob wir Kirschen äßen,
Und nicht eher ruhn und rasten,
Bis sie all' am Boden lasten!«
Rote Banner sieht er schweben,
Recht ist das den Krainern eben,
Auf die Türkenschar sie dringen,
Alle fallen ihren Klingen.


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