Anastasius Grün
Volkslieder aus Krain
Anastasius Grün

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König Matjasch gefangen.Hier verwechselt das Volkslied offenbar den Vater mit dem Sohne; denn von König Mathias Corvinus Hunyady ist es nicht bekannt, daß er jemals in türkische Gefangenschaft geraten; wohl aber soll nach Angabe einiger Geschichtschreiber sein Vater, der Gubernator Johann Hunyady nach der unglücklichen Schlacht am Amselfelde von Türken gefangen worden sein, jedoch wenig strenge bewacht, sich wieder durchgehauen haben und nach manchen Abenteuern glücklich entkommen sein. Das vorzüglichste derselben hatte er auf seiner Flucht zu bestehen. Der Jesuit Palma (Notit. rer. hungaric. II, 237) erzählt es mit folgenden Worten: »In fuga interceptus a Georgio Rasciae Despota, S. Coronae Hungaricae fiduciario, non prius libertatem obtinuit, quam jurejurando promitteret, se Matthiae filio Ulrici Cilejensis, qui Georgii gener fuit, filiam Elisabetham conjugem accepturum. Factum id etiam, sponsa pro ejus aetatis more continuo in Hunyadii domum translata, sed prius, quam matrimonium iniri posset, praematura morte sublata fuit.« Nach Mailath (Geschichte der Magyaren. III, 11 und 16) stellte Hunyady bei seiner Entlassung aus der Gefangenschaft des Despoten seinen Sohn als Geißel. Nach anderen soll das beschlossene Ehebündnis sich nicht auf die obgedachte Enkelin des rascischen (serbischen) Despoten Georg Brankowitsch, sondern auf dessen eigene Tochter bezogen haben. Jedenfalls bleibt es von Interesse, an der Hand der Geschichte die Werkstätte der Volksdichtung zu belauschen; alle Grundelemente unseres Liedes finden sich bereits in jener Gefangenschaft und Flucht; die Jungfrau als Retterin, die Verlobung bis auf die Namengleichheit des älteren und des jüngeren Helden, auf welche eine Stelle des Liedes sich bezieht.

        Gewaltiger Fürst, Matjasch, Matjasch,
Des Ungarlandes Kron' ist schön!
Dreimal war er auf Kriegesfahrt,
Zum vierten er gefangen ward,
In türk'schen Turm geworfen ward.
Im Kerker blieb er Jahr und Tag,
Daß er nicht mehr den weißen Tag,
Nicht mehr die gelbe Sonne sah.
Bekam zu sehn nichts andres da,
Als Jung Marjetiza allein,
Des Türkenkaisers Töchterlein.
Ihm zum Besuche kam die Maid,
Ihm kürzte sie die lange Zeit.

So sprach zu ihm Marjetiza:
»Matjasch, o laß dein Weib mich sein,
Dich aus dem Turm will ich befrein!«
Doch ihr entgegnet so Matjasch:
»Das wird nicht sein, das darf nicht sein!
Daheim lebt mir die Herrin mein,
Die dreimal schöner ist als du!
Die dreimal jünger ist als du!
Doch lebt ein jüngrer Bruder mir,
Er ist Matjasch genannt wie ich,
Mit schöner Kron' umkränzt wie ich;
Und den Matjasch dir sag' ich zu,
Marjetiza, willst ihn auch du?«
»Wohlan, so sei es, Fürst Matjasch!«
»Wohlan so sei's, Marjetiza,
Du Türkenkaisers Töchterlein!«

»Geduld, Geduld noch, Fürst Matjasch.
Bis anbricht Sankt Mariens Tag,
Das Gastmahl ich bereiten mag;
Die Türken zech' ich voll mit Wein,
Dazu mein altes Väterlein.
Dann hol' ich mir der Schlüssel drei,
Der erste führt zum Rossestall,
Der zweit' ins lichte Zimmerlein,
Der dritt' in Kerkerturm hinein.
Im Zimmer nehm' ich Silber, Gold,
So schwere Last, als schwer wir zwei,
Dem Stall entführ' ich Rosse drei,
Dem Turme, was das Beste sei.«
Marjeta kaum erwarten mag,
Daß anbricht Sankt Mariens Tag;
Sie richtet ein groß Gastmahl zu,
Bezecht die Türken all' in Wein,
Dazu ihr altes Väterlein.
Dann holt sie sich der Schlüssel drei,
Entführt dem Stall der Rosse drei,
Dem Turme, was das Beste sei.
Das eine Pferd trägt Silber, Gold,
So schwere Last als schwer sie zwei,
Die andern zween bestiegen sie,
In aller Hast entfliegen sie.

Sie reiten weit dahin durchs Land,
Zum alten Schmiede kamen sie.
»Du alter Schmied, wohlauf, geschwind,
Leicht sind dir hundert Kron' verdient!
Beschlag aufs neu' die Rosse drei,
Daß vorn die Stollenzacken frei,
Rückwärts das glatte Eisen sei.«

Zu Rosse eilig stiegen sie,
Zum Donaustrand hinfliegen sie;
Der König Matjasch redet da:
»Wie wird's nun sein, Marjetiza?
Wir kommen durch dies Wasser nie!«
Ins Wasser wirft den Goldring sie,
Sie schwimmen drüber ohne Müh'.

Herspringen grimme Türken da.
»Zurück, zurück, Marjetiza,
Des Türkenkaisers Töchterlein!«
Die Türken fragen weiter sie:
»Wie kamt ihr durch die Donau, wie?«
»Am Hals befestigt Steine gut,
So schwimmt ihr spielend durch die Flut!«
Die Türken, an dem Hals den Stein,
Ertrinken all' und sinken ein.

Sie kommt mit Matjasch vor sein Schloß,
Am Fenster steht die Herrin sein:
»Herbei, Matjasch, du Schwager mein!
Dort bringt Matjasch ein andres Weib,
Das dreimal schöner ist als ich,
Das dreimal jünger ist als ich!«

Matjasch ward freudenvoll empfahn,
Marjetiza sie scheel ansahn.
Marjetiza so sagt und spricht:
»Was will ich nun, was will ich nicht?
Kann vorwärts nicht, darf rückwärts nichts

»Herbei, Matjasch, mein Brüderlein,
Ich brachte dir die Herrin dein,
Des Türkenkaisers Töchterlein!«
Nun schnell zum Pfaffen einer jag',
Daß er sie traun und segnen mag!


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