Anastasius Grün
Volkslieder aus Krain
Anastasius Grün

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Von der Königstochter.

            Königssohn tränkt seine Pferde,
Daß der See erbebt zur Erde,
Königssohn pfeift mit dem Munde,
Daß der See erdröhnt im Grunde.
Königstochter am Fensterhange
Flieht zurück in schnellem Gange,
Wird vorm Königssohn ihr bange.
Ruft zu sich das junge Mägdlein:
»Komme, komme, junges Mägdlein,
In die Kammer geh' ich schlummern,
Lass' in deiner Hand den Schlüssel.
Kommt der Königssöhne erster,
Der einst meine erste Liebe,
Und er frägt dich, junges Mägdlein:
Wo ist hin die Königstochter?
Gib ihm diese Antwort, Mägdlein:
Masken, Mummen sind gekommen,
Die zum Tanz sie mitgenommen.
Kommt der Königssöhne zweiter,
Wehe, der nun mein Verlobter,
Und er frägt dich, junges Mägdlein:
Wo ist hin die Königstochter?
Gib ihm diese Antwort, Mägdlein:
In die Kammer ging sie schlummern,
Ließ in meiner Hand die Schlüssel.«

Kam der Königssöhne erster,
Der einst ihre erste Liebe,
Und er frug das junge Mägdlein:
Wo ist hin die Königstochter?
»Masken, Mummen sind gekommen,
Die zum Tanz sie mitgenommen.«
»Nein! Zur Kammer ging sie schlummern,
Ließ in deiner Hand den Schlüssel.
Gib in meine Hand den Schlüssel,
Will ihn mit Zechinen lösen,
Tun kein Leid der Königstochter,
Wollen im Gespräch uns laben,
Wie wir einst geliebt uns haben.«

Und er schritt zur hellen Kammer,
Wo sie lag in Bettes Flaume,
Eben süß erfaßt vom Traume.
Durch die Kammer hin er wallet,
In Gedanken tief versunken.
»Traun ein Weib voll Reiz und Schönheit!
Schade wär's, sollst du erblassen,
Will dich andern doch nicht lassen!«
Greift in sein Gewand von Seide,
Zieht hervor ein blankes Messer,
Taucht es tief ihr in das Herze,
Setzt dann an den Tisch die Leiche,
Legt vor sie ein Buch, ein schwarzes,
Und verläßt die lichte Kammer.
Gibt die Schlüssel draus dem Mägdlein:
»Tat kein Leid der Königstochter,
Taten im Gespräch uns laben,
Wie wir einst geliebt uns haben.«

Kam der Königssöhne zweiter,
Jener, der nun ihr Verlobter:
»Auf, wohlauf, du junges Mägdlein,
Wo ist hin die Königstochter?«
»In die Kammer ging sie schlummern,
Ließ in meiner Hand den Schlüssel.«
Und er geht zur hellen Kammer,
Frägt ein Wort die Königstochter,
Doch sie gibt kein Wort, kein Zeichen,
Längst schon war sie von den Leichen.
Und er frägt zum andern Male,
Doch sie gibt kein Wort, kein Zeichen,
Längst schon war sie von den Leichen.
Königssohn im Zornesdrange
Schlägt der Königstochter Wange,
Nieder stürzt sie von dem Streiche,
Längst schon war sie eine Leiche.
Königssohn schreit auf im Schmerze:
»Wer war bei der Königstochter,
War der Königstochter Mörder?«
Und aufschreit im Schmerz das Mägdlein:
»Hol der Teufel die Zechinen,
Büße nun den Kopf ob ihnen.«


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