Anastasius Grün
Volkslieder aus Krain
Anastasius Grün

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Volkslieder aus Krain.

»Aus anderer Wurzel erwuchs der Baum slawischer Poesie, und seine erquicklichsten Blüten sprossen an den wilden Zweigen, die nicht die Hand geschickter Kunstgärtner, die nur der frische, harmlose Sinn des Volkes pflegt.«

Talvj.

Neujahrslied.Es war in älteren Zeiten allgemeiner Landesbrauch, daß vom St. Nikolaitage bis zu Mariä Lichtmeß aus jedem Kirchspiel eine Anzahl junger Burschen in Waffen, mit Musik, Gesang und Tanz im Lande herumzog, ähnlich den Sternsingern in Deutschland; man nannte diese Leute in der Landessprache Koledniki. Mit dem Erlös ihres Gesanges kauften sie gelbes Wachs, aus welchem sie lange dünne Kerzchen verfertigten. Diese wurden je drei in Flechten zusammengedreht und sämtliche Flechten dann standartenartig um eine lange Stange befestiget, deren Spitze überdies mit Rauschgold, Seidenbändern und Fähnlein und mit allerlei aus Birkenschwamm geschnittenem Zierat, Sternen, Vögeln u. dgl. geschmückt war. Mit diesem kolossalen Wachsstocke begannen die Umzüge von neuem, bis er zu Lichtmeß feierlich in die Kirche getragen, dort geweiht und als Opfer dargebracht wurde. (Vgl. Valvasor, Ehre des Herzogt. Krain. II, 472.) Noch gegenwärtig finden hie und da ähnliche Umzüge zu Weihnachten und Neujahr statt, doch mit geringerem Lärmen und Pompe; sehr häufig werden auf diese Weise die Kosten der Kirchenbeleuchtung von Haus zu Haus eingesammelt. Ein bei solchem Anlasse abgesungenes Festlied heißt Kolednika. Das erste und zweite Lied unserer Sammlung können als Proben dieser Gattung dienen.

        Guten Abend, Herr vom Hause,
Schenk' uns Gott manch gute Gäste,
Vor dem Haus die grüne Föhre,
Dran gebunden einen Rappen,
Auf dem Rappen einen Sattel,
Auf dem Sattel eine Wiege,
In der Wieg' ein junges Söhnlein!
In des Söhnleins Hand ein Becher,
In dem Becher eine Rose,
Auf der Rose dann ein Vöglein;
Und das Vöglein lustig singe
Und sich ins Getreide schwinge,
Daß das Weizenkörnlein springe!

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