Anastasius Grün
Volkslieder aus Krain
Anastasius Grün

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Drei Töchter.

        Hatt' ein Weib drei Töchter,
Hat vermählt all dreie;
Hat vermählt die eine
Fern zum grauen Meere.

Hat vermählt die andre
Fern zum ebnen Felde,
Hat vermählt die dritte
Fern in steile Berge.

Auf Besuch die Mutter
Geht zur ersten Tochter
Fern zum grauen Meere,
Grauen, tiefen Meere.

»Töchterchen, mein liebes,
Ist dir gut zumute
Hier am grauen Meere,
Grauen, tiefen Meere?«

»»Gut ist mir zumute,
Drob sei Gott gepriesen!
Bade mich im Weine,
Trockne mich in Seide.««

Auf Besuch die Mutter
Geht zur zweiten Tochter
Fern zum ebnen Felde,
Ebnen, breiten Felde.

»Töchterchen, mein liebes,
Ist dir gut zumute
Hier im ebnen Felde,
Ebnen, breiten Felde?«

»»Gut ist mir zumute,
Drob sei Gott gepriesen!
Bade mich in Molken,
Trockne in Mußlin mich.««

Auf Besuch die Mutter
Geht zur dritten Tochter
In die steilen Berge,
Steilen, hohen Berge.

»Töchterchen, mein Liebes,
Ist dir gut zumute
Hier in steilen Bergen,
Steilen, hohen Bergen?«

»»Gut ist mir zumute,
Drob sich Gott erbarme!
Bade mich in Tränen,
Trockne mich in Wermut.

Jede Nacht fort eilt er,
Jede Nacht heim kehrt er,
Jede Nacht heim bringt er
Eines Toten Haupt mir.««

Weinend zieht die Mutter
Schleunig aus dem Hause.
In der Nacht nach Hause
Kommt der Mann der Tochter.

»Hörst du, Weib, mein teures,
Kennst du dieses Haupt nicht?«
»»Wie sollt' ich erkennen
Meines Vaters Haupt nicht!««

»Hörst du, Weib, mein teures,
Kennst du dieses Haupt nicht?«
»»Wehe, dreimal wehe,
Meiner Mutter Haupt ist's!««

»Wenn du aber weinest,
Bring' ich dich zum Schweigen,
Bring' ich dich zum Schweigen,
So wie deine Mutter.«

Mit dem Munde lächelt,
Doch im Herzen weint sie,
In dem Herzen weint sie,
Atmet aus die Seele.


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