Anastasius Grün
Volkslieder aus Krain
Anastasius Grün

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König Marko.Der Held dieses und vielleicht auch des nächstfolgenden Liedes »Drei Brüder« ist wohl kein anderer, als der berühmte, vielbesungene und gepriesene Serbenheld Kraljewitsch (Königssohn) Marko, der abenteuerliche, riesenstarke und stets unerschrockene Sohn des in der Schlacht am Tänarus (1371) gegen den siegreichen Sultan Murad I. gebliebenen Königs Wukaschin. Der Glanz, mit dem die Poesie seines Volkes, mehr als die Geschichte, Markos Heldengestalt umschließt, drang weithin zu allen sprachverwandten Slawenstämmen, die nun in dem Königssohn Marko ihren gemeinschaftlichen Nationalhelden, den Repräsentanten ihres eigenen, tiefgewurzelten Türkenhasses verehren und in Lied und Sage verherrlichen.

        Ein grauer Fels, ein weißes Schloß,
Drin wuchs der junge Marko groß,
Drin wohnt er und Alenka fein,
Ein schönes Türkenmägdelein.
Sie standen auf des Morgens früh,
Zum hohen Gange wandeln sie,
Die breiten Fenster öffnen sie.
Alenka also zu ihm spricht:
»Wie kommt es wohl, daß heut so dicht
Der Nebel dort das Feld umflicht?«
Antwortet so Jung Marko drauf:
»Das ist fürwahr kein Nebelrauch,
Das ist nur türk'scher Rosse Hauch,
Die reiten wohl zu Gast mir auch.
Wenn sie am Schlosse reiten vor,
Dann öffne ihnen selbst das Tor;
Und fragen sie um Marko dich,
Gebärden sie echt türkisch sich,
Dies ihnen dann als Antwort sprich:
Es ist Jung Marko nicht zu Haus
Und kommt auch abends nicht nach Haus
Und bleibt wohl auch noch morgen aus.
Mach ihnen Platz am gelben Tisch,
Gib vollauf Trank und Speisen frisch,
Doch ihre Waffen insgeheim
Verberge tief im Kämmerlein.
Indes schleif' ich den Säbel bloß,
Da zittern soll das weiße Schloß.«
Am Schloß die Türken reiten vor,
Alenka öffnet selbst das Tor,
Empfängt sie mit der rechten Hand,
Umfängt sie mit der linken HandVielleicht eine Andeutung der auch von Valvasor (a. a. O.) erwähnten seltsamen Begrüßungsart der Weiber in Unterkrain »daß sie sich Kreutzweise umfassen, indem sie sich über die Achseln und Lenden einander greiffen, als ob sie sich werffen wollten«.:
»Ihr Türken, seid willkommen mir!
Nicht trefft daheim Jung Marko ihr,
Er kommt auch abends nicht nach Haus
Und bleibt wohl auch noch morgen aus.«

Sie setzt sie an den gelben Tisch,
Bringt vollauf Trank und Speisen frisch,
Doch ihre Waffen insgeheim
Verbirgt sie tief im Kämmerlein.
Vom Weine trinkt sie ihnen zu,
Gießt ihn ins Mieder aus im Nu,
Den Säbel schleift Jung Marko bloß,
Daß zittern muß das weiße Schloß.
Da fragt der Türken einer sie:
»Wie kommt denn dies, wie ist dies, wie,
Daß es so lärmt dort oben hoch?
Wohl ist daheim Jung Marko noch,
Der droben seinen Säbel wetzt?«
Alenka aber drauf versetzt:
»Nicht ist daheim Jung Marko jetzt
Und kommt auch abends nicht nach Haus
Und bleibt wohl auch noch morgen aus.
Nur unsre Hühner scharren so
Und bringen junge Eier froh.«
Vom Weine trinkt sie ihnen zu,
Gießt ihn ins Mieder aus im Nu,
Sie macht die Türken Weines voll,
Daß sie am Grund sich wälzen toll,
Da springt Jung Marko rasch herein,
Er schwingt herum sein Säbelein,
Daß alle Türken sinken drein.

Sich bergend unterm Tisch, entfloh
Ein Türk' allein, der spricht jetzt so:
»Jung Marko, dieses bitt' ich dich,
O lasse du am Leben mich,
Am Leben mich und unverletzt,
Daß ich dann jedem sagen kann,
Was Marko für ein Held und Mann!«

Jung Marko drauf ihm dies versetzt:
»Ich will dich lassen leben jetzt,
Zwar leben, doch nicht unverletzt.«
Zog unterm Tisch ihn vor hernach,
Und seine Rippen ihm zerbrach,
Und seine Augen ihm ausstach.
Drauf setzt er ihn aufs Pferd gewandt,
Gab ihm die eigne Fahn' zur Hand,
Dies Wort hat er zugleich entsandt:
»So! Bring dem Türkenkaiser dies
Und also sag ihm ganz gewiß:
Sollt' ihm um mich zu tun es sein,
Komm' er zu mir als Gast allein,
Daß wir versuchen uns, wir zwei,
Ein größrer Held wer von uns sei?«

Der Türke reitet still davon
Bis tief im Türkenlande fort;
Der Kaiser steht am Fenster dort,
Er ruft zu sich die Kaiserin:
»Hieher, hieher, o Kaiserin,
Das gibt uns endlich frohen Sinn,
Die Türken reiten schon nach Haus,
Sie tragen Markos Fahn' voraus,
Ihn selbst führt hinten wohl der Troß.«
Und wie der Türke ritt ans Schloß,
Der Türkenkaiser zu ihm spricht:
»Warst du zu Gast bei Marko nicht?«
Der Diener drauf dies Wort erfaßt:
»Wohl war bei Marko ich zu Gast,
In Teufelsklaun doch lieber fast!
Die Rippen er mir dort zerbrach,
Die Augen er mir dort ausstach;
Drauf setzt er mich zu Pferd gewandt,
Gab seine Fahn' in meine Hand,
Dies Wort auch hat er dir entsandt:
Sollt' um ihn dir zu tun es sein,
Geh selbst zu ihm als Gast allein,
Daß ihr euch dort versucht, ihr zwei,
Ein größrer Held wer von euch sei?«


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