Stefan Großmann
Herzliche Grüße
Stefan Großmann

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Die Hinrichtung

Ein dreieckiger Hof des Wiener Landgerichts. Endlos hohe Mauern, nur ein kleines Stück blauer Himmel. In der Ecke des Dreiecks ein Galgen. Große Kastanienbäume, die schon blühen. Wie der Vorhang in die Höhe geht, ist noch alles leer. Hinter der Szene hört man kommandieren: »Vorwärts . . rrrsch«. Es marschiert eine Kompagnie Soldaten unter Führung eines Leutnants ein, die sich in gerader Linie in der Mitte des Hofes als Spalier aufstellen . . .

Leutnant (kommandierend): Halt! – – – Gewehr bei Fuß – – – Rrruht! (Die Soldaten stellen sich bequem her und plaudern.)

Der Leutnant (gähnend): Silberer! (Der Korporal tritt näher.) Wir haben ja noch Zeit? Wann geht's denn an?

Der Korporal: Melde gehorsamst, halb sieben, Herr Leutnant.

Der Leutnant (noch heftiger gähnend, sich reckend): Ich bin gestern so spät z'Haus kommen . . . Ich geh noch da hinüber in das Kaffeehaus auf einen Schwarzen, ich bin zu müde. Das wird mich erst a bissel lebendig machen. (Ab.)

Der Korporal (geht auf und ab, tritt dann vor den Rekruten Wozilka): Na, is Ihnen schon besser, Wozilka?

Rekrut Wozilka (böhmakelnd): Melde gehorsamst, nein, Herr Korporal.

Der Korporal (wohlwollend): Sie hätten sich in der Kantin einen ordentlichen Rostopschin kaufen sollen.. Na, ich wer' sehen, vielleicht find ich hier etwas . . . Ich wer' nachschauen . . . (Ab.)

Der Rekrut neben Wozilka (das Böhmakeln nachahmend): Na, heut wird traurige Tag in Preblau sein. Wos, Wozilka?

Rekrut Wozilka: Gebts Ruh!

Andrer Rekrut neben Wozilka (auf den Galgen zeigend): Da schau her, Wozilka, grad vis-à-vis steht er. Sixt es und da daneben is die Tür von der Armensünderzell. Da kommt er aussi. Sixt es und sein erschter Blick, wenn er aufschaut, sieht er – Di'. Serwas, an Landsmann! Der Schrocken!!

Erster Rekrut neben Wozilka: Kennst'n gut?

Rekrut Wozilka (weinerlich): Loßt mi schon in Ruh – – ich hob ihm Lebtog nich gesehen.

Erster Rekrut: Das kann a jeder sag'n.

Zweiter Rekrut (plötzlich): Jessas, Wozilka, da schau her . . . (aufs Zellenfenster zeigend) Da hinterm Gitter – – – schaut da net aner aussi . . . Ganz a weißes G'sicht . . . Wozilka, mir scheint, er erkennt Di! . . .

Rekrut Wozilka (der nicht aufzuschauen wagt, weinend): Gebts ein Ruh . . . Er kennt mich gar nich.

Der Korporal (ist gestärkt zurückgekehrt. Alle drei Schritte macht er behaglich): Ah, das stärkt! Ah . . . (Zu dem Kreis um Wozilka tretend.) Gebts ihm schon Ruh, dem Wozilka . . . Ach, das stärkt . . . Er hat sich eh die ganze Nacht umg'wälzt. Hast nicht g'schlafen, Wozilka?

Rekrut Wozilka: Melde gehorsamst, nein, Herr Korporal.

Der Korporal: Ah, das stärkt . . . Warum denn, was geht der Delinquent denn Dich an.

Rekrut Wozilka (mühsam): Melde gehorsamst, Herr Korporal, den De . . den Delingwent ise Landsmann von mir.

Der Korporal: Kennst ihn denn?

Rekrut Wozilka: Nein. Aber sein' Mutter.

(Pause.)

Der Gefangenhausaufseher (tritt ein): Kann ich die Leute schon hereinlassen?

Der Korporal: Sofort! (kommandierend) Habt acht!

Der Gefangenhausaufseher (öffnet zwei breite Torflügel. Eine Schranke verhindert noch den Einlaß): Aber bitte, doch nicht so zu drängen, meine Herrschaften! . . . Da laß ich gar niemanden herein. Es kann ja alles in schönster Ruhe vor sich gehen . . . Es ist ja eh noch gar nichts los . . . Bitte nicht zu drängen, Sie sehen noch gar nichts . . . (Er öffnet die Schranken. Das Publikum strömt wütend herein und nimmt hinter dem Militär wieder Aufstellung . . Während der ganzen Szene kommen immer neue Zuschauer herein.)

Ein dicker Greisler: Na also! Da ham ma jo no ganz a guats Platzerl derglengt. (Den Schweiß von der Stirne wischend.) Na, war das a Drängerei. Wia der Tschar kommen is, is net ärger zuaganga.

Ein Geschworener (unzufrieden): Und was hab'n wir davon? Da steht so ein großmächtiger Lackl vor einem und man sieht gar nichts. Soviel Rücksicht könnt das Militärkommando auch noch haben und zu so einer Sache lauter kleine Soldaten, die einem nicht die Aussicht verstellen, aussuchen.

Ein junger Mann (der bisher den Soldatengesprächen gehorcht hat, wispelnd): Sehens den großen Rekruten da? meine Herren, das ist ein Landsmann vom Delingwenden.

Rufe: Ah? . . . Gengan S'? . . . Der da? – –

(Es wird stille, man hört die Soldaten reden.)

Erster Rekrut (zu Wozilka): Bin neugierig, ob er Dich gleich erkennen wird?

(Rekrut Wozilka glotzt vor sich hin.)

Zweiter Rekrut: Wozilka, soll ich pst, pst machen, wenn er kummt?

Der Gefangenhausaufseher (wie ein Herrscher durch das Gedränge gehend, energisch): Bitte sich ruhig zu verhalten!

(Ein Bauer kommt herein.)

Geschworener (ihn begrüßend): Ah, Herr Svozil? Sie waren ja Zeuge im Prozeß? Sind Sie eigens hereingefahren?

Der Bauer: Beinah hätt ich kein' Karten mehr kriegt. Stellens Ihnen vor, ich geh gestern zum Herrn Landesgerichtsrat: »Herr Präsident«, sag ich, »ich bitt schön um eine Eintrittskarten zur Hinrichtung.« »Jo«, sogt er, »da hätten Sie früher kommen sollen, mir hab'n Sie keine Karten mehr.« Drauf sog ich: »Zur Verhandlung ham's mi gleich gebraucht. Nadirrlich . . . Aber jetzt wer ich nicht zuglossen! Was hätten S' g'sagt, wenn ich damals mich nicht gemeldet hätt?« Da hat er g'sagt: »Na also, weil Sie's sind, da ham Sie die letzte Korte« . . .

Ein Milchmeier: So? Sie haben auch die letzte? Mir hat er auch g'sagt, das is die letzte Karte, (schmeichelnd) na ja, ich bin der Kousin von ihm.

Der Greisler: Vom Landesgerichtsrat?

Der Milchmeier (verletzt): Na, von . . . ihm.

(Alle drängen sich um ihn: Gengan S', derzähln S'. Is wahr?)

Der Greisler: Löcherlich. Er is ja a Böhm . . er is ja aus Preblau, Sie wolln sich ja nur patzig mach'n.

Der Milchmeier: Na, also Sö san der Kusön!

Der Greisler: Besser kenn i'n scho wia Sie. Die Wochen vor dem Attentat is er bei uns im Haus gewesen und hat um Arbeit g'fragt. (Es wird stille.) Z'erscht is er in Lad'n treten. Da war nur mein Weib drin. Die is glei' derschrocken, sechse war scho und finster, und ruft mi aus der Wohnung heraus. Da is er gleich dasig g'worden.

Der junge Mann (erregt): War er denn vorher keck?

Der Greisler: Dazu is er gar net kommen. Ich frag ihn: Was wolln S' denn? Er sagt ganz demütig: I bitt, i suach a Arbeit? Ja, sag i, was san S' denn? Hausknecht, sogt er ganz stad. Ham S' Zeugnisse da? frag i ihn glei'. Na, sagt er no dasiger, i war krank . . . Die Brüaderln kennan ma schon, er hat eh so gut quisi quasi ausg'schaut und wia er sagt, daß er keine Zeugnisse g'habt, hab ich scho g'wußt, was für an i vor mir hab. Na, sag i, solche Leut kennan ma schon. Glaub'n S', er is aussi ganga? Na! Stehnblieben is er und hat g'sagt: Wanns vielleicht an Löffel warme Suppen haben? I hab seit drei Tag nix Warm's im Mag'n g'habt . . . – – Ah, die Pfiffe kenn ma scho. Wann ich mi jetzt umdrah, hab i man denkt, so haust ma g'schwind an Hammer am Schädel. Na, sag ich ganz grob, schaun S' nur, daß S' weiter kommen . . . Er geht. Aber am andern Morgen, in aller Fruah, kommt mein Weib, die's G'schäft aufg'sperrt hat, zu mir und schreit: Du, in Hof, in der Hundshütt'n schlaft der Kerl von gestern Abend. I spring auf, weck die Hausmeisterleut, mir drei gehn zur Hundshütt'n. Richtig, hat er si da einigwälzt und schnarcht. Sö, sag i, da is ka Hotel! Aufsteh'n! . . . Hat der a G'sicht g'macht, wie man auf'gweckt ham. Wie a narrischer Kater hat er drein g'schaut . . .

Der junge Mann: War das vor dem Mord?

Der Greisler: No natürli. Ich hab ihn damals schon an Wachter übergeben wollen. Da hat ma mein Weib zuagredt. Geh, wos gehts Di an? Schaffst Dir an Feind am Hals . . . Hätt i damals net nachgeben, wer weiß, wo wir heut wären.

Der Gefangenhausaufseher: Ruhe! Wenn ich bitten darf!

Der Geschworene (auf einen Herrn im Salonrock zutretend): Ah, Herr Gemeinderat sind auch da?

Der Gemeinderat (sich umschauend): Man sollte doch meinen, daß für die öffentlichen Funktionäre ein reservierter Raum, eine eigene Tribüne eingeräumt ist . . .

Der Geschworene: Leider . . .

Der Gemeinderat (empört): Wenn der Herr Bürgermeister einmal kommen sollte, kann er da auch nur mitten in der Masse Platz finden? Das ist ja unglaublich . . . Da wird sich ja künftighin gar kein Vertreter der Gemeinde bereit finden, herzukommen. Da wird die Gemeinde eben darauf verzichten, daß einige von ihren Räten anwesend sind . . .

Der Geschworene (beschwichtigend): Bitt Sie, man geht ja sowieso ungern her . . . Ich wollt anfangs gar nicht gehen, aber schließlich, wir Geschwornen haben das »Schuldig« gesprochen, wir haben also gewissermaßen die Pflicht, hier zu sein. Ich wollt nicht hergehen. Aber da hat meine Frau gesagt: Entweder-oder. – Wannst ihn verurteilt hast, so geh hin. Zu was hast ihn denn verurteilt, wannst net zur Hinrichtung gehst? . . . Bitt Sie, ein G'schäftsmann, wie ich, will seine Ruh haben. Einmal in sein Leben ist man Geschworner, da muß man halt seine Pflicht ganz ausfüllen . . .

Ein großer Herr mit schwarzen Handschuhen (kommt herein und ruft): Sind die Herren von der Presse schon da? (Da sich niemand meldet, verschwindet er wieder.)

Der Gemeinderat: Weil Sie sagen, Ihre Frau – die meine wär sogar hergekommen. Eigentlich ist es ungerecht, daß die Weiber nicht hereindürfen. Ich sag so: Wann die Weiber ermordet werden, dann sollens auch zuschauen dürfen!

Der Geschworene: Sehr richtig, Herr Gemeinderat. Es ist aber nur wegen der Aufregung . . . Haben Herr Gemeinderat draußen beim Eingang in der Landesgerichtsstraße nicht dieses verrückte Weibsbild gesehen? Da is eine Zeugin im Prozeß gewesen, ich glaub, die hat zartere Beziehungen zu . . . dem da (auf die Zelle zeigend) drin g'habt. Einmal is sie heute schon von der Polizei wegg'führt worden. Weiß der Teufel, wie sie wieder hergekommen is. Ham Sie's ang'schaut, Herr Gemeinderat? Sie steht vor dem Tor und jeden, der hineingeht, starrt sie an, wie eine Irrsinnige . . . Wenn sie die da hereinlassen, na, ich danke für den Skandal.

Der Gemeinderat: Na, es sind ja net alle Weiber so hysterisch.

Der Geschworene: Stimmt, Herr Gemeinderat, stimmt. Aber die männliche Entschiedenheit geht ihnen halt doch ab. Wir stehen da, schauen zu und wanns fertig is, gehn ma in aller Ruhe nach Haus . . . Die Weiber ham sich halt nicht so in der Hand . . .

(Der Leutnant tritt rasch ein. Der Korporal tritt auf ihn zu.)

Der Korporal: Melde gehorsamst, Herr Leutnant, der Rekrut Wozilka bittet, ihn nach Hause zu schicken.

Der Leutnant: Ach was, jetzt? Lassen Sie ihn antreten.

(Rekrut Wozilka tritt salutierend vor.)

Der Leutnant: Was willst Du? Nach Hause? Jetzt? Hast vielleicht Angst?

Rekrut Wozilka (unsicher): Melde gehorsamst, nein, Herr Leutnant.

Der Leutnant: Also warum?

Rekrut Wozilka (weinerlich): Melde gehorsamst, Herr Leutnant, den De . . . den De – – lingwend ise Landsmann von mir.

Der Leutnant: Unsinn! Ein Mörder ist überhaupt kein Landsmann! Du hast Angst! Was wirst Du denn einmal im Ernstfall tun?

(Rekrut schweigt.)

Der Leutnant: Na rede! . . Wenn Du dem Feinde gegenüber stehst.

Rekrut Wozilka (weinerlich, stockend): Melde gehorsamst, der Feind . . . ise kein . . . Landsmann.

Der Leutnant (überhörend): Dageblieben! Abtreten! (tritt auf den Aufseher zu): Na, wie lang (gähnend) dauert denn das noch?

Der Gefangenhausaufseher: Ja, heut' ham ma unser G'frett . . .

(Es bildet sich sofort ein Kreis von Neugierigen um die beiden.)

Der Leutnant (ärgerlich): Was is denn?

Der Gefangenhausaufseher (geringschätzig): Bitt Sie gar schön, der da (auf die Zelle zeigend), das ist ja a Patzen, kein Mann. Die ganze Nacht bet er mit dem Pater zusammen. Unser geistlicher Herr halt g'wiß etwas auf Bußfertigkeit und Reue, aber wie er die ganze Nacht zusammen mit ihm vor der Maria gekniet ist, hat er so an Schlaf kriegt, daß er auf a halbe Stunde sich hat niederlegen wollen. Glauben S', er hat's zulassen? Auf die Knie is er gefallen, gejammert hat er, daß ma's im ganzen Haus g'hört hat, an den Kittel vom geistlichen Herrn hat er sich geklammert und g'schrien hat er: »Net weggehen! Net weggehen!« . . .

Der Leutnant: Ja, da waren der Waniek oder der Schlossarek doch andre Kerle!

Der Gefangenhausaufseher (stolz): Ja, die! Wie der Waniek da in den Hof herausgetreten ist, erinnern S' sich noch, Herr Leutnant, wie er die Leut g'sehen hat, hat er sich hing'stellt, habt acht, stramm und hat salutiert . . . Na und der Schlossarek. Erinnern S' sich, wie der vom Galgen her noch g'schrien hat: »Könnt's mi alle gern haben« . . . Entschuldigen, Herr Gemeinderat, daß i mich so gemein ausdrücke, aber wahr is.

Der Gemeinderat: Ah, wir sind ja nicht so verwöhnt.

(Plötzlich läuft eine Bewegung durch die Massen. Alle blicken nach der Ecke. Man hört Rufe: »Nicht auf die Zehen stellen!« – »Hüte herunter!« – Einige kraxeln rasch auf die Bäume hinauf. Die Rückwärtigen murren: »Was is denn?« . . . »Is er schon da?« . . . »Aber nein« . . . »Was macht er für ein G'sicht?« (Der Aufseher, der im ersten Moment der Aufregung rasch nach vorne gegangen ist, kommt zurück.)

Der Gefangenhausaufseher: Nichts ist! Nur ein Rekrut ist ohnmächtig geworden.

(Der Leutnant geht zur Kompagnie. Vier Soldaten tragen Wozilka fort.)

Der Herr mit den schwarzen Handschuhen (taucht wieder auf, fragend): Sind die Herren von der Presse schon da?

Der Polizeikommissär (tritt ein, auf den Gefangenhausaufseher zutretend): Hab die Ehre . . . Wie kann man denn so viel Karten ausgeben, Herr Aufseher!

(Die Berichterstatter treten ein. Polizeikommissär, Gefangenhausaufseher, Gemeinderäte wechseln Händedrücke.)

Erster Berichterstatter (alter Mann): Ich geh wieder, meine Herren, ich schreib mein Bericht fertig.

Der Gemeinderat: Da müssen S' doch dableiben.

Erster Berichterstatter (achselzuckend): So viel Tausender möcht ich haben, wie ich schon Hinrichtungen gesehen hab. Heute mach ich den Bericht packender, wie die ganze Sache eigentlich is.

Der Polizeikommissär: Da kommen sie wahrscheinlich nur her, um zu sehen wer da ist.

Erster Berichterstatter (sein Notizbuch ziehend, lächelnd): Man sah u. a. Herrn Polizeikommissär Lück, Herrn Gemeinderat Striegl und zahlreiche Anverwandte des Delinquenten. Na, ich geh. Wenn etwas Besonderes los ist, Herr Kollege, so erzählen Sie mir's ja. Ich bin drüben im Kaffeehaus.

Der Polizeikommissär (zum zweiten, jungen Berichterstatter): Ist es nicht ein Skandal, daß wir da mitten im Gedränge stehen müssen? Wir sind doch sozusagen amtlich hier. Aber der Herr Vorsitzende, der Herr Staatsanwalt, der Herr Verteidiger – die, ja, dürfen vorne vor dem Kordon Platz nehmen. (Vertraulich und giftig.) Was fangt er denn an, der Herr Präsident, wenn ich ihm die Kerle nicht einfang?! He?! Das ist keine Kunst, im Präsidentenfauteuil zu sitzen und über den armen Hascher Witze machen, damit nur recht viel »Heiterkeit« im Bericht steht. Aber er soll amal, wie ich, mit vierzig Agenten in einer Nacht ganz Favoriten durchstöbern. Er soll amal, wenn ma den Kerl schon endlich hat, das erste Polizeiverhör mit ihm aufnehmen. Wann alles noch ganz unsicher is, wann der Kerl noch frech ist, wann der Kerl noch leugnet . . . Bitt Sie, dann im Gericht, da ham ma ihn schon ganz matsch gemacht, da is keine Kunst mehr, was herauszukriegen. Und was is der Dank dafür? Wann man schon derwischt hat, wer erfährt davon? Ah, ja, vom Vorsitzenden steht jeder auswendig g'lernte Verhandlungswitz drin, die ganze Red' vom Verteidiger is im Bericht. Aber unserans?

Der Gemeinderat (unterbricht das vertrauliche Gespräch): Herr Kommissär, habe die Ehre. Sind auch da? Na, wann der (deutet auf die Zelle) Sie im letzten Moment sieht, kriegt er noch an Zorn. Durch Sie ist er ja eigentlich erst gefangen worden.

Der Kommissär (mit vorsichtigem Selbstgefühl): Ja, ich habe schon einige Herrschaften hierhergebracht.

Der Gemeinderat: Den Waniek auch?

Der Kommissär (aufzählend): Waniek, Schlossarek, Schenker, Opletal, Hummel, Dolezal . . . lauter Bekanntschaften von mir. Na und was is der Dank dafür? (verbissen) Was is der Dank dafür? Da mitten im Gedräng muß man stehen. Froh sein muß man, daß man überhaupt noch eine Karte vom Herrn Präsidenten kriegt! (verbissen) Das nächste Mal, wenn ein Mord vorkommt, werde ich einfach dem Herrn Präsidenten sagen: »Aber bitte, bitte, probieren Sie's einmal! Finden Sie ihn einmal! . . . Ich bin ja nur eine Nebenfigur! Bitte sehr . . .

Der Herr mit den schwarzen Handschuhen (taucht wieder auf): Ist hier ein Herr von der Presse?

Der Berichterstatter: Sie wünschen?

Der Herr mit den schwarzen Handschuhen (sich vorstellend, sehr devot): Ich bin nämlich . . . (ganz leise den Namen murmelnd. Der Berichterstatter weicht zurück). Ich wollte die Herren von der Presse nämlich bitten . . . diesen Chronometer (ihn aus der Tasche ziehend) zu benutzen. Durch mein neues Verfahren, wenn die Herren von der Presse so freundlich sein wollen, das zu konstatieren, darf die Exekution nicht länger als 2 Minuten 35 Sekunden dauern. Mein Verfahren ist nämlich viel humaner, wie das von meinem Vorgänger . . . Mein Vorgänger war so unhuman, die Stricke auch zwischen die Beine, hier (auf dem Körper des Journalisten illustrierend) . . .

Der Berichterstatter (entsetzt zurückweichend): O, ich danke, ich kann mir das schon vorstellen . . .

Der Herr mit den schwarzen Handschuhen: Verzeihen Sie! . . . Das war natürlich riesig unhuman.

Der Gefangenhausaufseher (auf ihn zutretend, leise): Es ist die höchste Zeit.

Der Herr mit den schwarzen Handschuhen (im Abgehen): Also 2 Minuten 35 Sekunden . . . Wenn ich bitten darf . . . im Bericht . . . 2 Minuten 35 Sekunden (am Ausgangstor) – – und eine viel humanere Methode.

(Es entsteht wieder Bewegung unter den Zuschauern. Ein schriller Ruf: »Er kommt.« – – Wieder Geschrei: »Hüte herunter.« – – »Die Vorderen sollen sich bücken.« Wieder klettern einige auf die Bäume. Rückwärts schwingen sich die Leute auf die Schultern der Nebenmänner. Plötzlich – – tiefe Stille! Langsam beginnt die helle Armensünderglocke zu läuten: Bim, bam, bim, bam.)


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