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Dreizehntes Kapitel.

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Anna Lindner war die Hausgenossin des alten Detektivs Müller geworden. Als sie am zweiten Abend heimkam, begleitete Otto sie nur bis zum Tore. Er wußte ja, daß es ihm gestattet worden war, seiner Braut in ihrem neuen Heim Gesellschaft zu leisten, und daß allabendlich ein Gedeck für ihn aufgelegt sei, aber einstweilen konnte er von der freundlichen Einladung keinen Gebrauch machen. Er schämte sich seines Stiefbruders und war voll Unruhe über den Verdacht, in welchem Fritz außerdem noch stand.

In solcher Stimmung war es ihm peinlich, mit Fremden zu verkehren, und selbst Müller war ihm ja schließlich ein Fremder, wiewohl er sich ihm jetzt schon zu Dank verpflichtet fühlte, weil der alte Detektiv sich Annas so rücksichtsvoll angenommen hatte.

Anna saß also auch heute nur mit Müller und seiner Wirtschafterin zu Tische. Als gegessen war, forderte Müller das Mädchen auf, noch ein Weilchen sitzen zu bleiben, denn er müsse ihr noch allerlei Fragen vorlegen.

Er zündete sich eine Zigarre an und sagte dann: »So, liebes Kind, jetzt wollen wir einmal über die Heimlichtuereien Ihrer Tante reden. Sie sagten mir auch letzthin, daß Frau Schubert sich vor Alterssorgen gefürchtet hat?«

»Ja, das hat sie. Dann hat sie zu verkaufen angefangen. Einmal hat sie einen Trödler kommen lassen, der hat alle ihre Möbel einschätzen müssen. Sie war ganz entsetzt darüber, wie wenig er dafür bot. Und es seien doch so schöne Möbel! Der Herr v. Eck hat sie ihr in seinem Testament vermacht. Vor sechs Jahren ist er gestorben, da sind sie hergeschickt worden. Die Wohnung, in der die Tante seinerzeit mit ihrem Mann gelebt hat, war zufällig zu haben, und so sind wir da gleich eingezogen. Vorher hatten wir in einem möblierten Zimmer gewohnt. Später einmal hat sie eine eingelegte Schatulle um fünfundsiebzig Kronen verkauft. Das hat sie mir erzählt. Aber auch Schmuckstücke hat sie verkauft, mir aber verheimlicht, was sie dafür bekommen hat. Auch korrespondiert hat sie oft mit jemandem, von dem sie nie mit mir geredet hat.«

»Wie haben Sie denn das gemerkt?«

»Sie hat mich einmal – heuer im Frühling war's – gefragt: ›Du, kriegt man viel für alte Briefmarken? Ich hab' einen, der solches Zeug sammelt, herbestellt für morgen, da bist du ja auch zu Hause. Allein mag ich mit einem ganz fremden Menschen nicht sein. ‹ Der nächste Tag war ein Sonntag. Ich hab' also zu Hause bleiben können. Nach dem Essen kommt ein Herr und stellt sich als der Markensammler vor, dem geschrieben worden ist. Da hat die Tante eine alte Reisetasche aus dem Schrank genommen, in der sie alle ihre Papiere aufgehoben hat. Es waren auch eine Menge Briefe darin. Einen davon hat sie ihm hingehalten. Er ist schon ganz vergilbt gewesen. Der Herr schaut die Marke an, die darauf klebt, und sagt: ›Ja, die kann ich brauchen. Sie haben mir aber von vielen Briefen geschrieben. Ich möchte sie alle sehen.‹ Da hat die Tante die Tasche auf den Tisch ausgeleert, aber so, daß der Herr nicht zu den Briefen hat kommen können, unter denen auch andere Papiere waren. Erst hat sie diese herausgesucht und hat ihm dann die Briefe hingeschoben. Die Papiere – es war auch eine Zeitung darunter – hat sie auf ihrer Tischseite liegen lassen. Der Herr hat Brief für Brief genommen und hat die Marken angeschaut. Es waren auch ein paar ausländische dabei. Er hat sich Notizen gemacht und hat dann erklärt, er nimmt alle Marken. Und auf einmal ist er ganz aufgeregt aufgestanden und hat auf die Zeitung gedeutet. ›Ein roter Merkur – ein roter Merkur!‹ hat er gerufen, hat sich dann aber wieder hingesetzt. ›Ich nehme also alle Briefmarken, aber die Zeitungsmarke dort muß ich auch bekommen, ‹ hat er dann ganz ruhig gesagt. Der Tante war es recht. Sie hat den Umschlag, auf dem die Marke war, von der Zeitung genommen und hat ihn dem Herrn hingereicht. – Aber was haben Sie denn, Herr Müller?«

Der alte Detektiv war plötzlich aufgesprungen, starrte Anna sichtlich aufgeregt an und tat dann dasselbe, was damals der Markensammler getan hatte. Auch er rief: »Ein roter Merkur – ein roter Merkur!« Aber sogleich war er wieder ruhig, setzte sich, rauchte wieder und sagte: »Weiter, liebes Kind, weiter!«

Da erzählte sie weiter: »Der Herr hat die Zeitungsmarke aufmerksam betrachtet und dann vor sich hingelegt. Und die Tante hat mich geheißen, die Briefe aus den Umschlägen zu nehmen und wieder in die Tasche zu tun. Unwillkürlich zählte ich sie und kam über die Zahl dreißig hinaus. Das weiß ich noch. Dann wurde ich fortgeschickt. Erst eine Viertelstunde später ist der Herr fortgegangen. So gegen vier Uhr hat mich dann die Tante zum Kaffee gerufen. Die Tasche lag leer auf einem Stuhl. Die Briefe und die Papiere hat sie also anderswo aufgehoben. Wieviel sie für die Marken gelöst hat, weiß ich nicht, darüber hat die Tante niemals mit mir gesprochen. Aber wenig muß es nicht gewesen sein, denn sie war sehr befriedigt über den Handel, und die Zeitung hat sie mir gezeigt. Der Herr v. Eck, der Gutsbesitzer, bei dem sie zuerst gedient hat, der hat ihr, wie sie aus seinem Dienst getreten ist, nebst allerlei anderen Andenken auch diese Zeitung geschenkt. Sie war damals schon alt. Es stand seine Vermählungsanzeige darin.«

»So – so?« meinte Müller zerstreut; denn das, was Anna jetzt erzählte, interessierte ihn gar nicht. Aber dann fragte er lebhaft: »Wie heißt denn jener Markensammler? Wissen Sie das?«

Anna schüttelte den Kopf. »Ich glaube, daß die Tante ihn auf eine Anzeige in der Zeitung kommen ließ,« gab sie an.

»Auf eine Anzeige! Welche Zeitung hielt sich denn Frau Schubert?«

»Das Tagblatt.«

»Und wann war der Mann da?«

»Im Frühjahr. So um Pfingsten herum. Warten Sie einmal, ich kann's Ihnen genau sagen. Am Sonntag nach dem Pfingstfest war's. Aber – Sie sind ja ganz aufgeregt, Herr Müller!«

Der alte Detektiv mußte laut auflachen. Dann sagte er, noch immer schmunzelnd: »Ich bin nicht als Mensch aufgeregt, auch nicht als Detektiv, sondern nur als Philatelist.«

»Was ist das?«

»Ein Markenliebhaber ist's. – Ein roter Merkur! Wissen Sie, was so eine lumpige Zeitungsmarke jetzt wert ist?«

»Ich hab' keine Ahnung.«

»Etwa fünftausend Kronen.«

»Aber Herr Müller!«

»Nicht wahr, die hat der Herr Ihrer Tante gewiß nicht gegeben?«

»Sicher nicht. So viel Geld hat sie damals gewiß nicht bekommen, sonst wäre sie wohl nicht so ruhig gewesen.«

»Na, der Mann wird zu finden sein, und das weitere wird sich dann auch finden.«

Müller entließ Anna, holte sein Markenalbum herbei und war bald in seine Schätze vertieft. Bedauernd brummte er vor sich hin, denn unter seinen österreichischen Zeitungsmarken glänzte der rote Merkur durch Abwesenheit.

Am nächsten Morgen war sein erster Gang nach der Schulerstraße ersten Bezirk. Da befand sich die Administration des Tagblatts. Dort ließ er sich den laufenden Jahrgang zur Durchsicht geben und hatte bald gefunden, was er suchte. Er hatte ja nur die Nummern vom halben Mai bis zum halben Juni zu durchblättern und hatte bald gefunden, daß unter den Buchstaben K. F. während dieser Zeit täglich ein Markenkäufer sich empfohlen hatte. Auch wer der Betreffende war, erfuhr Müller in der Administration. Es war ein Markenhändler, der auch ein offenes Geschäft mit Papierwaren hatte, Konstantin Friebel hieß und auf der Hauptstraße des dritten Bezirkes wohnte.

Eine Viertelstunde später stand Müller in Konstantin Friebels recht bescheidenem Geschäft.

»Herr Friebel?« fragte Müller den kleinen, ältlichen Mann, der hinter dem Verkaufstisch stand.

Der Mann bejahte. »Womit kann ich Ihnen dienen?« fragte er eifrig.

»Sie sind auch Markenhändler?«

»Ja. Wünschen Sie –«

»Sie haben im Frühjahr sich unter den Buchstaben K. F. empfohlen?«

»Das tue ich noch immer.«

»So. Nun, das interessiert mich nicht. Am Sonntag nach Pfingsten sind Sie zu Frau Schubert gekommen, die Ihnen auf Ihre Anzeige hin geschrieben hat?«

Friebel wurde jetzt sehr aufmerksam, er wurde sogar ein bißchen unruhig, denn er hatte natürlich auch gelesen, was über die Schubert in den Zeitungen gestanden hatte. An solch eine Sache aber in Beziehung gebracht zu werden, ist äußerst unangenehm.

»Was soll ich denn mit der Ermordeten zu tun gehabt haben?« fragte er hastig.

Müller mußte lächeln. »Mit der Ermordeten haben Sie nichts zu tun gehabt,« sagte er, »wenigstens nimmt das niemand an, aber mit der lebendigen Frau Schubert haben Sie damals einen Handel abgeschlossen. Um über diesen mit Ihnen zu reden, bin ich hier.«

Friebel sah Müller ängstlich an und fragte: »Wer sind Sie denn?«

»Sie haben damals auch einen roten Merkur mitgenommen,« fuhr Müller, die Frage nicht beachtend, fort.

»Nun, den hab' ich auch gut bezahlt.«

»Also mitbekommen,« stellte Müller seine Äußerung richtig. »Wieviel haben Sie denn dafür bezahlt?«

»Das steht in meinem Geheimbuch.«

»Sie werden so freundlich sein, es mir zu zeigen.«

»Herr – wie kommen Sie dazu?« stotterte Friebel.

»Sie haben natürlich Ihren Vorteil im Auge gehabt,« fiel Müller ein. »Das ist selbstverständlich, und das wird Ihnen niemand verübeln. Schlecht wäre Ihr Handel nur dann, wenn Sie, die Unkenntnis der Frau benützend, ihr etwa nur ein paar Heller für die Marke gegeben hätten, die heute einen so enormen Wert hat. Ich will also wissen –«

»Was für ein Recht haben Sie, mich so auszufragen?«

Müller sah den Mann kalt an. »Regen Sie sich nicht auf,« sagte er scharf. »Wenn Sie mir und zwar nicht sofort Ihr Geheimbuch zeigen, dann wird die Behörde es Ihnen abnehmen und die bezüglichen Eintragungen mit den Notizen vergleichen, welche die Schubert sich damals über den Ertrag des Markenverkaufes gemacht hat.«

Der alte Detektiv brachte die letztere Behauptung, obwohl sie nicht ganz der Wahrheit entsprach, mit großer Sicherheit vor. Zugleich wies er dem Manne seine Legitimation vor.

Friebel war wohl nie ein Held gewesen, er wußte nichts mehr zu entgegnen, warf seinem Besucher nur einen scheuen Blick zu und ging dann, Müller mit einer Gebärde zum Mitkommen einladend, in das neben dem Laden befindliche Zimmer.

Dort rückte er einen Stuhl an den Tisch heran, öffnete einen hohen Schrank mit vielen Schubladen, entnahm dem Mittelfache ein Geschäftsbuch und ein umfangreiches Kuvert und einer der Laden eine kleine Holzkassette.

Das alles legte er seufzend vor Müller hin.

Dieser griff sofort nach der Kassette, und schon im nächsten Augenblick hielt er eine Zeitungsschleife in der Hand, Sie war unachtsam zusammengeklebt worden. Ein Stückchen der Zeitung hing noch an ihr. Auf dieser Schleife war eine Adresse gedruckt, sie war mit ihrem Inhalt also dereinst einem Abonnenten zugeschickt worden. Es stand darauf: Seiner Hochwohlgeboren Herrn Hans v. Eck auf Pachern, Steiermark.

Müller las das ganz flüchtig. Dann blieben seine Augen lang auf der Zeitungsmarke haften, an dieser Marke, die wegen ihrer Seltenheit ein kleines Vermögen wert geworden war. Und seine Augen allein genügten ihm nicht einmal. Er zog eine Lupe hervor und studierte mit ihrer Hilfe die feinen Linien des kleinen Bildchens, eines Merkurkopfes.

Müllers Augen glänzten, und seine Wangen röteten sich. Geradezu liebevoll strich er über das vergilbte Papier hin, auf welchem der rote Merkur aufgeklebt war, und dabei las er noch einmal die Adresse. Nun legte er den Schatz wieder in die Kassette und schob diese mit einem Seufzer von sich.

Es tat ihm offenbar sehr leid, sich von der Marke trennen zu müssen.

Er deutete auf das grobe, sackartige Kuvert, das Friebel auch vor ihn hingelegt hatte: »Was ist da drinnen?«

»Die Briefmarken, die ich der Frau Schubert abkaufte. Ich hab' sie noch nicht einmal von den Umschlägen abgelöst.«

Friebel schüttelte den Inhalt auf die Tischplatte. Es waren fast lauter gleichartige Umschläge von dickem, gelblichweißem Papier, die in der linken oberen Ecke eine Freiherrnkrone und darunter die Buchstaben H. v. E. als Monogramm: in erhabener Pressung trugen.

Die meisten dieser Umschläge wiesen den Stempel der Poststation auf, zu welcher das Gut Pachern gehörte. Drei der Briefe waren in Nizza aufgegeben worden.

»Die sind nicht viel wert,« bemerkte Müller. »Da sind mir die alten österreichischen schon lieber.«

»Die habe ich auch eigentlich nur aus Versehen mitgenommen,« entgegnete Friebel.

Müller nahm das Buch zur Hand und blickte ihn dabei scharf an. »Bin neugierig,« sagte er dabei, »was Sie, natürlich auch nur aus Versehen, der Schubert gegeben haben.«

In des Händlers Wangen schoß das Blut. Er krümmte sich ordentlich, während der alte Detektiv in dem Geheimbuche das betreffende Datum suchte.

Er hatte es bald gefunden, sprang empor und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ah – das ist stark! Das ist der Gipfel des unverschämtesten Wuchers! Fünf Kronen geben Sie für die ganze Geschichte hier. Und Sie wissen, daß der rote Merkur allein seine fünftausend Kronen wert ist!«

»Ich hab' ja den roten Merkur noch. Weiß ich denn, ob ich ihn jemals verkaufen werde?« versuchte der ganz verwirrte Händler sich herauszuwinden.

Ein Blick Müllers ließ ihn verstummen. »Reden Sie keinen Unsinn. Setzen Sie sich und schreiben Sie mir das Bekenntnis dieses wunderschönen Handels nieder. Aber ganz klar, ganz deutlich.«

Und Friebel schrieb. Er brauchte sehr lange dazu, denn seine habgierige Seele zitterte nicht weniger dabei wie seine Hand.

Müller zählte inzwischen die vor ihm liegenden Umschläge. Es waren achtunddreißig. Siebenundzwanzig der Briefe, die einst darin gewesen, hatte Hans v. Eck geschrieben. Müller wunderte sich darüber. Die Schubert war doch nur die Dienerin dieses steierischen Edelmanns gewesen!

Jetzt stand Friebel auf und reichte Müller das Geschriebene.

Der las es aufmerksam durch und nickte dann.

»Das genügt,« sagte er. »Und jetzt überlegen Sie sich's, wie Sie an der Erbin gutmachen wollen, was Sie an deren Tante verbrochen haben.«

»Ich kann aber doch den Merkur nicht heute noch verkaufen!« stotterte Friebel.

Müller dachte eine Weile nach, dann sagte er: »Ich kenne den Sekretär einer Durchlaucht, die das für unseren Fall nötige Geld hat. Wenn alles gut geht, können Sie den roten Merkur heute abend schon verkauft haben. Halten Sie sich bereit. Ich werde Ihnen telephonieren. Und merken Sie sich's, ich werde durch den Sekretär erfahren, wieviel Sie für die Marke erhalten haben. Ich weiß auch, wieviel Gewinn Sie rechtlicherweise nehmen dürfen, werde also bis auf den Heller wissen, wie viel Geld Sie an Fräulein Lindner, die bei mir wohnt, zurückzuerstatten haben. Sie verstehen mich doch! Ich werde nur dann Ihre Handlungsweise nicht zur Anzeige bringen, wenn Sie sie, sobald es Ihnen möglich ist, wieder gutmachen. Sollte es mit dem Fürsten nichts sein, dann werde ich Ihnen einen anderen Sammler nennen, der sich die Erwerbung solcher Seltenheiten gönnen kann. So, jetzt gehe ich. Hoffentlich kommen wir nicht ernstlich zusammen!«

»Wohin schicke ich dem Fräulein, was ihr zukommt?« erkundigte sich fast weinend der Händler.

»Ja so!« meinte Müller, schrieb seine Adresse auf, und dann ging er.

Er begab sich nach dem ersten Bezirk; und es ging ihm, wie es vor einigen Tagen Otto Falk gegangen war: er stieß ein paarmal mit ihm Begegnenden zusammen. War Otto wegen seines Unglücks blind gewesen, so wurde Müller von seiner Leidenschaft für Marken geblendet – auf seinem ganzen Weg hatte er nichts anderes als den roten Merkur vor den Augen. Übrigens war sein Weg nicht umsonst. Gegen zwei Uhr nachmittags wurde Friebel schon gerufen, und um acht Uhr abends – Müller war noch gar nicht heimgekommen – erschien der wackere Markenhändler, um Fräulein Anna Lindner viertausend Kronen zu übergeben, deren Empfang sie ihm bestätigen mußte.

Anna war über das viele Geld ganz verwirrt und erwartete mit Ungeduld Müllers Heimkehr.

Erst gegen zehn Uhr kam der alte Detektiv. Er brachte ein mit Papier umhülltes Paket mit. Merkwürdigerweise waren seine Hände mit Erde und Ruß beschmutzt, und in seinem kurzen, gekrausten Bart hing ein kleines Moosbüschel.

Die beiden Frauen schauten ihn verwundert an, während er sichtlich vergnügt seinen Winterrock auszog und dabei auf das Paket schaute, das er auf den Tisch gelegt hatte.

»Aber Sie haben ja das Paket ganz zerrissen!« rief die Wirtschafterin.

»Das hat ein Nagel getan, nicht ich, liebe Frau Petz!« verbesserte Müller gut gelaunt. »Geben Sie mir einmal den braunen Hausrock heraus, währenddessen gehe ich, um mich zu waschen.«

Er wollte schon in sein Schlafzimmer gehen, da fiel ihm Annas Angelegenheit ein. Er schaute das Mädchen an und sagte dann: »Ich brauche wohl nicht erst zu fragen, ob die Geschichte mit dem roten Merkur geordnet ist. Ich sehe es Ihnen an, daß sie zu Ihrer Zufriedenheit ausfiel.«

»Denken Sie, viertausend Kronen hat er mir gebracht – dieser Friebel!« jubelte Anna.

Müller sah sie lächelnd an, dann wurde der Ausdruck seiner Züge plötzlich ernst und gespannt, und er sagte eigentümlich scharf: »Nun, auch mir hat dieser rote Merkur einen Erfolg gebracht. Ich hoffe nämlich, daß ich durch ihn auf die richtige Spur gekommen bin.«

Dann ging Müller in sein Schlafzimmer.

Als er wieder zurückkehrte, waren seine Hände und sein Gesicht sauber, und er trug seinen braunen Hausrock.

Anna hatte sich mit einer Näherei, die sie heute allerdings noch nicht viel vorwärts gebracht hatte, an den Tisch gesetzt.

»Sehn S', Anna, legen S' jetzt Ihre Arbeit weg,« sagte Müller, sich ebenfalls setzend. »Schauen S' lieber einmal her, was ich da mitgebracht hab'.«

Das Mädchen tat, wie er gesagt, und sah neugierig zu, als er das Zeitungsblatt, welches die äußere Hülle des Pakets bildete, mit einer gewissen Feierlichkeit ein wenig lockerte.

»Jetzt aufgepaßt!« sagte er vergnügt und schlug die Zeitung nun ganz auseinander.

Da stieß Anna einen lauten Schrei aus, fuhr vom Stuhl empor und starrte auf das nieder, was Müller heimgebracht hatte.

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