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Der Stein an der Gumpe

Altägyptische Tempel und die Geschichtsforschung haben Gemeinsames. Reihen von Sphinxen, den Rätselsymbolen, leiteten zu einer weiten, geräumigen Halle, dem Torteile des Tempels. Niederer und düsterer war das Gemach, das ihr folgte, und immer enger und dunkler und niederer wurden die Räume, die zur Naos, zum Heiligtum, führten. Und hinter dem engsten, finstersten Gelaß stand im mystischen Lichte, das von oben kam, die Gottheit.

So findet der Forscher, der zum Anfang des Geschehens auf Erden hinfinden will, das jüngst Vergangene in klarem, scharfem Licht in tausend Büchern geschrieben.

Schreitet er in der Zeit weiter, so werden die Wege der Forschung schmäler und düsterer und verlieren sich in geheimnisvollem Dunkel.

Da läßt sich in der tiefen Nacht der Zeit ein Stein finden, der Zeichen trägt, ein fossiler Knochen, Fußspuren von unbekannten Wesen in hartem Sandstein oder irgendwo ein Name in Stein gemeißelt oder auf Schilfmasse geschrieben, der vor Jahrtausenden verklungen.

Und diese alle flüstern und raunen als Wegweiser in die Tiefe der Zeit.

Und der Forscher, der tastend und sinnend dem Flüstern folgt, sieht plötzlich in mystischem Lichte die Gottheit vor sich. Sie ist da.

Das Licht aber ist die Phantasie.

Aber auch sicher Erkanntes und prosaische Notizen in dürren Büchern, in Wiener Chroniken können phantastisch wirken.

In alten Bibliotheken, versteckt auf hohen Regalen, vergraben in versperrten Archiven, stehen, verträumt und verstaubt, alte Bücher. Mit dicken Einbanddeckeln, die mit Eisenbeschlägen umklammert sind, und mit festen Schließen behüten sie ihren Inhalt.

Und wenn wir sie öffnen, finden wir Unwichtiges, Gleichgültiges oder lehrhafte geistliche Betrachtungen. Und da wir das Buch enttäuscht schließen wollen, finden wir eine Zeile – eine einzige – und die bringt uns, was wir gesucht haben: einen Namen, eine flüchtige Notiz, die wie ein Lichtstrahl wirkt.

Und seltsam! Manches der trockensten, dürrsten Bücher enthält – vom Autor unbeabsichtigt, Plauderecken.

So finden wir Mosaiksteinchen, aus denen wir uralte Bilder neu zusammensetzen können, und ein solches zeigt die Stelle des heutigen Haarhofes und erzählt uns, was dort in grauen Zeiten geschehen ist.

Heute ist der Haarhof eine wenig benützte, stille Verbindungsgasse der Naglergasse mit der Wallnerstraße; sie hat einen schrullenhaften, winkeligen Grundriß. Seltsam ist es, daß eine Gasse Hof heißt, um so seltsamer, als die platzartige Erweiterung in ihr ehemals als Markt, dem Verkaufe von Flachs Im österreichisch-bajuvarischen Dialekt Flachs – Haar. diente. Die geräumige Stelle der Gasse war aber ein Marktplatz. Allerdings brauchen wir uns das Plätzchen im Haarhof nur durch zwei Tore, die quer über die Gasse gestellt sind, abgeschlossen zu denken, so entsteht das Bild eines gewöhnlichen Haushofes von der Art, die in alten Städten zu finden ist.

Es liegt nahe, anzunehmen, daß der Flachsverkauf in einem Hofe stattgefunden habe, der mehreren Häusern, deren Besitzer Flachshändler gewesen, gemeinsam war.

Es gibt Plätze, die absichtlich als Plätze geschaffen wurden, indem man ihnen die freundlichen Gesichter der Häuser, die fensterreichen Fronten oder die monumental prunkenden Fassaden zuwandte.

Und andere Plätze, die dort entstanden, wo die primitiven Zu- und Anbauten der hinteren Teile von Häusern – meist schmucklose Wände mit vernachlässigtem Mörtelbewurf und ebensolchem Anstrich – einander gegenüberstehen, Plätzchen, denen im Organismus einer Stadt die Aufgabe von Lichthöfen, von Luftschachten zukommt.

Ein solcher Platz ist die winkelige Ausweitung in der Gasse, die Haarhof heißt, und er bietet deshalb nichts vom Charme, der so vielen anderen, alten Stadtplätzen eigen ist. Aber eine Stelle findet der Suchende doch, die ihn interessieren mag. In einem ganz engen, düstern Schlupf, zwischen zwei alten Wänden, deren Mündung in die Gasse von einer Mauer verschlossen ist, ragt ein Erker hinein; einer von den ganz wenigen alten. Von der Wand eines Hauses, dessen Fassade der Naglergasse zugekehrt ist, mag er ehemals dem Treiben auf dem Flachsmarkte zugesehen haben. Als aber auf Armeslänge entfernt vor ihm eine neue Mauer rücksichtslos und arrogant hoch in die Höhe wuchs und ihm Sonne und Wind nahm, schloß er im Verdruß sein Auge – sein Fenster wurde vermauert.

Der Haarhof ist bar aller Erinnerungszeichen an alte Zeiten, die Erinnerung lebt in alten Büchern...

Vor achthundert Jahren war eine tiefe Mulde zwischen den Stellen, an denen heute die Naglergasse und die Wallnerstraße ist, und sie reichte bis unter die Mauer der Stadt, wo sie in den Stadtgraben überging.

Die Spuren römischer Kultur waren schon vernichtet, und die Gegend um Wien war verwilderter Wald, in dem Brombeergestrüpp und Efeu Ruinen verfallener römischer Villen überwucherten, in dem Eichen in Gräbern römischer Soldaten wurzelten und in dem zwischen dichtem Unterholz, zwischen Schlehdorn und Farnkraut Lilien, Melissen und Rosen wuchsen: die letzten Grüße römischer Gärten an den deutschen Wald! An vielen Stellen reichte der Forst bis an die Stadtmauer.

In der Mulde, wo heute der Haarhof ist, stand tiefes, grünes Wasser und die Ufer des stillen Weihers waren dicht umbuscht von Weiden und Erlen.

Wo heute die Strauchgasse ist, floß ein Bach, der die Bergwasser von Nordwesten brachte, und die Stelle, da, wo er in die Strauchgasse einbog, wurde nach Jahrhunderten noch »Im Fluder« genannt. Dieser Bach speiste den Weiher, so daß seine Wasser bis in die breite, grabenartige Mulde flossen, an der später die Stadtmauer erbaut wurde.

Am Morgen jubelten die Vögel des Waldes an dem Wasser, und abends kamen aus dem Laubdunkel Rehe an den Weiher, tranken und horchten hinüber, dorthin, wo Menschen wohnten und das Glöcklein von St. Ruprecht zum Ave rief.

Ein Mächtiger störte die Ruhe am Weiher.

Nachdem der Babenberger Leopold IV., lange ehe er heilig war, um Liebeslohn seinen Kaiser verraten und sein Schloß auf dem – jetzigen – Leopoldsberge gebaut hatte, mag oft des verlassenen Kaisers flehende Stimme im Ohr seiner Erinnerung geflüstert haben.

Dann mag Leopold in rasender Jagd bei Hussa und Horrido ein Vergessen gesucht haben, das er in den Armen seiner schönen Agnes nicht finden konnte. Auf seinen Jagdzügen fand er aber auch anderes: Wiener Wilddiebe. Durften auch die Wiener in Leopolds Forsten den roten Reinecke und Isegrim erlegen und sich mit dem braunen Meister Petz herumraufen, stand ihnen auch die niedere Jagd offen – das Rotwild gehörte dem Markgrafen.

Weil die Wiener wohlfeile Rehbraten besonders schmackhaft fanden, baute der Markgraf vor ihren Nasen einen »Gejaidhof«, eine Trutzburg des Försters, der mit seinen Knechten den Wienern auf die Kappen gehen, sie beobachten sollte.

Drei Pfeilschüsse weit von Wiens kleiner Ringmauer, an der stillen, tiefen Gumpe, Uraltes deutsches Wort, soviel wie Wassertümpel. Schon von Kosker, dem St. Gallener Mönch, im elften Jahrhundert gebraucht. Heute noch in Bayern üblich. fing ein Hämmern, ein Karren und Zimmern an.

Wildenten flogen mit schwerem Flügelschlag davon. Die Dommeln im Rohr und die Meisen in den Weiden verstummten, und nachdenklich sah ein Rabe von seinem Nest im Gipfel einer riesigen Waldpappel dem Treiben der Werkleute zu.

Paltram der Zwetter, ein Steinmetz, der den Bau führte, war um Material für diesen nicht verlegen.

An der römischen Hochstraße – heute heißt sie Herrengasse – lag, von Brombeeren überwachsen, überwuchert von Efeu und beschattet von Eichen, die Ruine einer großen römischen Villa. Für Paltram war sie ein Steinbruch. Die Strecke, an der sie lag, war weichbemoost, Farnkraut und Ginster, Wacholder und Disteln wuchsen auf ihr, und noch hatte kein Baum vermocht, seine Wurzeln in ihren festen steinernen Unterbau zu zwängen. Auf diesem lichtgrünen, mit farbigen Blumen bestickten Bande ließ Paltram auf schweren Wagen Ziegel, die vor Jahrhunderten geformt worden waren, behauene Steine und manchen marmornen Zierat zur Gumpe schaffen und baute dort einen festen, derben und seltsamen Bau. Sein Hauptteil lag am Ufer und war ebenerdig. Ober dem Tor aber ragten zwei Kemenaten des Markgrafen unter einem steilen Dache hoch auf, und an der Wasserseite stand ein runder Turm, dessen Grundfeste vom Wasser umschmeichelt und vom Schilfe umflüstert wurde. In ihm führte eine hölzerne Wendeltreppe aufwärts; ihre Spindel war eine Säule aus rotem Marmor, und wäre ein Fenster im Turm nicht ein gar so winziges Lichtsieb gewesen, so hätte man an ihr eine Inschrift in kleinen Buchstaben, die ein harter Edelstein in sie geritzt, sehen können. » Vale Claudia, semper amata« war da geschrieben.

Wer mochte die Inschrift gemacht haben? Ein Römer, der nach dem Süden heimzog? Oder einer, der an den Rhein kommandiert worden war?

Des Markgrafen Schlafstube hatte einen kostbaren Estrich, ein Mosaikbild aus dem Atrium des Hauses in der Hochstraße. Das Haus, der Stein an der Gumpe, wuchs, und Paltram, der derbe deutsche Steinmetz, betrachtete die römische Ruine als Vermächtnis eines unbekannten längst Verstorbenen und sich als dessen Erben. Er wurde Archäolog, fand nie Gesehenes, Geheimnisvolles, und forschte und schürfte und grub. Er wurde an der Hochstraße zum Sammler und nahm sich vor, bei irgendeinem geduldigen Klerikus Lateinisch zu lernen.

An einem glücklichen Tage fand er ein lebensgroßes Relief eines Weibes, das einen Bogen spannte; hinter der Figur sprang ein Jagdhund. War das nicht ein passender Schmuck für einen Gejaidhof? Auf knarrendem Wagen mit ächzenden Achsen ließ Paltram den schweren Stein zur Gumpe führen und mauerte ihn neben dem schmalen, niederen Tor in die Wand.

Nachdenklich sah der Rabe von seinem Horst die Diana an, stellte sich auf eines seiner dürren Beine und kraute sich mit dem anderen hinter seinem winzig kleinen Vogelohr.

Der Steinmetz war mit seinem Werk zufrieden, der Markgraf auch, und der Förster konnte es bald beziehen.

Der hieß Konrad Piligrin, war ein weidgerechter Jäger mit Armbrust und Saufeder. Weil er den Wiener Wildschützen zu wehren hatte, gebar sein amtlicher Verdacht so etwas wie Widerwillen gegen die Wiener, und weil diese wußten, daß er ihr Wächter war, hatten sie so etwas wie Abneigung gegen ihn.

Als Piligrin zum erstenmal sein Haus betreten wollte und er, vor dem Tor stehend, es prüfend musterte, begab sich Sonderbares.

Ein kleines, glänzendes Kreuzlein fiel vom Himmel vor seine Füße. Erschrocken fast sah der Jäger aufwärts; da flog der Rabe über ihn krächzend zu seinem Nest. Das war ein lieber Empfang! Und Piligrin schloß den Raben in sein Herz. Die Waldpappel mit dem Rabenneste war fortan für den Förster heilig. Der Gejaidhof aber schien den Wienern höchst unheilig, denn sie erfuhren bald, daß die steinerne Jägerin neben dem Tor des neuen Hauses ein heidnisches Weib sei, und Pater Siegebert, ihr Seelsorger bei St. Ruprecht, erzählte, daß das Steinbild eine Göttin sei.

Die Wiener nannten das Jagdhaus, weil es aus Stein gebaut war, zum Unterschied von vielen anderen Häusern und nach alter Sitte einen »Stein«.

Der Stein an der Gumpe wurde den Wienern unheimlich, denn die heidnische Göttin wurde ihnen zum Bilde einer Hexe, und so wie den Andächtigen, den Frommen Heiligenbilder in der Kirche voll geheimnisvoller heilbringender Kräfte waren, so mochte auch das graue Weib am Stein an der Gumpe zauberische Macht haben! Piligrin aber liebte das Bild der Jägerin; er betrachtete die Bogenspannende als Kameradin, als schützendes Symbol, und als Heilige wäre sie ihm lieber gewesen als eine Gertrudis oder Walpurga...

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Nach einem glücklichen Jagdtage pflanzte er zu Füßen des Reliefs mächtige Efeuranken, die er vom Walde genommen und zog sie als Rahmen um das Steinbild. Nicht allein deshalb, weil er es lieb hatte, sondern weil die Wiener sein Haus mieden, schmückte Piligrin seine Diana.

Da wurde aber auch Piligrin gemieden, und am Sonntag in der Kirche wollte keiner neben ihm sitzen oder stehen, und hatte der Jäger seine Finger in das Weihwasserbecken getaucht, so fragten sich die Leute, ob denn das Wasser noch seine Weihe habe?

Und Wernherrs, des Schmiedes Ehefrau, wollte gehört und gesehen haben, wie sich das Weihwasser vor den Fingern Piligrins, des Hexenbuhlers, zischend und brodelnd zurückgezogen habe!

Der Jäger hörte oft die schlechte Nachrede, die seiner Diana, der schuldlosen Jägerin, von den Wienern zuteil wurde, und er ergrimmte darob.

Da begab es sich, daß Maria, des Platners Eheweib, das Bild ihrer Schutzpatronin, Unserer lieben Frau, das neben dem Altar zu St. Ruprecht hing, in inniger Verehrung mit einem Kranze roter Rosen schmückte.

Am Sonntag darauf sah Piligrin das Muttergottesbild mit den Rosen. Er ging aus der Kirche, bestieg sein Roß, das er an das Friedhofstor gebunden hatte, und ritt auf den Berg zur Burg seines Herrn. Der hatte einen Rosengarten. Da brach der Jäger Blumen – in seinem Leben zum erstenmal – gab sie in seine Weidtasche und ritt davon, zum Stein an der Gumpe, zur Frau Diana.

Noch am selbigen Abend umschmeichelten rote Rosen in duftendem Kranze das Haupt der steinernen Schutzpatronin Piligrins.

Nachdenklich sah der Rabe vom hohen Horst auf den Rosenkranz nieder, schloß ein Auge und blinzelte mit dem anderen. Am nächsten Tage wußte das männiglich in Wien.

War das ein Frevel! Zornig murrte ein jeder.

Aber des Markgrafen Jagdmeister war ein eherner Mann, mit dem nicht gut zu reden war. Pater Siegebert aber redet doch mit Piligrin über die heidnische Figur und den Rosenkranz. Doch lachend sagte der Jäger, daß der Stein weder christlich noch heidnisch, sondern nur grau und hart sei. Er liebe ihn, weil er das Sinnbild der Jägerei trage, und wenn es einem beliebe, so könne er auch einen Esel mit Rosen bekränzen. Die Wiener haßten fortan Piligrin...

Tiefdunkle, mondlose Sommernacht war über den wenigen Häusern, die damals Wien bedeuteten, über St. Ruprecht und dem Stein an der Gumpe.

In lautloser Stille lag schwarz der Wald und schwarz das Wasser; kein Blatt regte sich und kein Schilfhalm, und die Luft war heiß und schwer. Ein bleichblaues Flämmchen stand still über dem Wasser. Ein Irrlicht.

Wer Atem hatte, lag in tiefem, schwerem Schlaf.

Da stieg plötzlich ein Funke hoch in die Luft. Wie ein glühender Vogel schwebte er dann im Bogen abwärts, entfaltete flammende Flügel und ließ sich auf das dürre Schindeldach des Jagdhauses nieder.

Ein Brandpfeil!

Jäh fuhr der Jäger, der im Turme schlief, vom Lager auf; das kreischende Krächzen des Raben hatte ihn erweckt, und jetzt sah er, wie Funken aus dem Dache aufsprühten, in dessen trockenem Holze der lohende Pfeil stak.

Da hörte er ein rollendes Brüllen, einen furchtbaren Donnerschlag. Maßlos strömte Gußregen und Hagel nieder. Er schlug mit seiner Wucht das Feuer, aber der Hagel vernichtete auch die Obst- und Weinernte der Wiener. Sonderbar! Der und jener wußte, daß das Dach des Jagdhauses gebrannt habe, und bald wußte jeder im weiten Umkreise Wiens, daß das Gewitter, das die Ernte zerstört, dem Stein an der Gumpe Rettung gebracht hatte. War das nicht ein Werk der steinernen Hexe, nicht zugleich ihre Rache?

Die Wiener wichen vor Piligrin und berieten, wie sie dem Frevel ein Ende machen könnten.

Bald darauf kam der Markgraf in sein Jagdhaus. Er gab seinem Jagdmeister den Auftrag, die hohe Waldpappel, in deren Gipfel das Nest der Raben war, fällen zu lassen. Der Graf wollte vom Turme des Steines an der Gumpe sein Schloß auf dem Berge sehen können, und gerade die eine Pappel verwehre den Ausblick.

Piligrin schlug vor, den Turm lieber höher zu bauen. Der Graf lehnte ab und beharrte auf seinem Wunsche. Da erzählte der Jäger, daß er den Baum als Wohnsitz seines lieben Raben erhalten wolle.

Da rief sein Herr einen der jungen Jagdknechte und sagte ihm, er solle sein Probestück als gräflicher Schütze machen und den Raben vom Neste schießen. Der Knecht tat es und der Herr meinte, daß nun nichts mehr im Wege stehe, den Baum zu fällen.

Am Abend desselbigen Tages ließ Piligrin sein Roß satteln, bestieg es und sagte lachend zu dem Knecht, der den Raben geschossen: »Dieter, man muß immer lernen. Die Christen habe ich kennen gelernt. Jetzt will ich zu den Heiden reiten. Dich soll dreimal der Teufel holen. Brenne gut!«

Und Piligrin ritt in die Nacht hinein.

Am anderen Morgen sah der Sakristan von St. Ruprecht, daß die Kirchentür, aus den Angeln gehoben, neben der Türöffnung lehnte und daß das Aas eines Raben mit einem kräftigen Bolzen auf dem Tische des Hochaltars, gerade unter dem Tabernakel, festgenagelt war...

Piligrin soll bei den Türken ein großer Feldhauptmann geworden sein.

Wenn aber in schauervollen Nächten Odins Heer im Sturme dahinzog, da vermeinten die Wiener, Piligrins Stimme über den wankenden Baumwipfeln zu hören...

Das alles geschah in grauen Zeiten.

An den Stein an der Gumpe erinnert heute nichts mehr als ein Stein mit halbverlöschter Schrift in einem Hofe des Esterhazy-Palais in der Wallnerstraße, und seine Inschrift erzählt, daß dort, wo sie über einem Torbogen jetzt verwittert, das Jagdschloß Leopolds – der Stein an der Gumpe – gestanden.


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