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Siebentes Kapitel

Am nächsten Morgen führte mich mein Beruf einer kleinen Freundin in den Weg, die ich vor einiger Zeit kennen gelernt hatte. Es ist seltsam, wie oft ich Gelegenheit fand, ihr zu begegnen.

Sie ist ein kluges kleines Geschöpf, und während ich im Laufe unserer Freundschaft ihre Begabung bewundert hatte, ohne ihre Dienste in Anspruch zu nehmen, so hielt ich jetzt die Zeit für gekommen, wo mir ihre Unterstützung von unschätzbarem Werte sein konnte.

Ich begrüßte sie mit verzeihlicher Eilfertigkeit und drückte ihr meine Wünsche in folgenden Worten aus, die sie wohl etwas bestürzt machten.

Jinny, du kannst etwas für mich tun. Suche herauszubekommen – ich weiß, du kannst es, und zwar, ohne Verdacht zu erregen oder eins von uns beiden zu kompromittieren – wo Herr Moore aus der Waverley-Avenue seine Kolonialwaren kauft, und wenn dir dies gelungen ist, ob er sich vor kurzem mit Kerzen versorgt hat oder nicht.

Die Ueberraschung, die sich auf ihrem Gesichte malte, hatte etwas Naives an sich, das einen sehr ermutigenden Eindruck machte.

Herr Moore? rief sie, der Onkel der Dame, die – die –

Derselbe, entgegnete ich und wartete ihre Fragen ab, ohne aber ein einziges erläuterndes Wort hinzuzufügen.

Eine Stunde später begegnete ich ihr abermals.

Nun? fragte ich.

Herrn Moores Lieferant ist Simpkins, fünf Minuten von seinem Hause entfernt, und erst vor einer Woche hat er bei ihm ein Paket Kerzen gekauft.

Du könntest mir den Gefallen tun und eine Zeitlang Simpkins selbst mit deiner Kundschaft beehren, äußerte ich, und der schalkhafte Blick, mit dem sie meine Worte aufnahm, zeigte mir, daß sie mich völlig verstanden hatte.

Die nächste große Frage, vor deren Beantwortung es mir unmöglich war, irgendwelche weiteren Schritte zu unternehmen, war nun die: Rühren die von mir in dem Staube auf dem Kaminsimse im südwestlichen Zimmer entdeckten Fingerabdrücke von der Hand dessen her, der kürzlich das Bedürfnis nach Kerzen gefühlt hat, trotzdem sein ganzes Haus Gasbeleuchtung zu haben scheint?

Meine Aufgabe bestand darin, ohne Herrn Moores Wissen einen genauen Abdruck seiner Fingerspitzen zu erhalten.

Die Aufgabe bot Schwierigkeiten dar; aber diese dienten nur dazu, meinen Eifer anzuspornen.

Ich vertraute dem Bezirksleutnant mein Interesse an dem geheimnisvollen alten Hause an, dessen Inneres ich unter so tragischen Umständen kennen gelernt hatte, und bat ihn um die Erlaubnis, eine zweite Nacht hier zubringen zu dürfen. Meine Bitte überraschte ihn augenscheinlich, nicht als ob er, wie ich vermute, selbst ein großes Verlangen in dieser Richtung gehegt hätte. Da er mir aber wohlgesinnt war und sah, daß ich aus irgend einem Grunde – ich glaube nicht, daß er die mindeste Ahnung hatte, welcher Art dieser war – großen Wert auf diese Vergünstigung legte, so wirkte er mir aus, daß ich amtlich mit der Bewachung der Räumlichkeiten in der kommenden Nacht betraut wurde.

Als ich mich anschickte, bei einbrechender Dunkelheit das alte Haus zu betreten, warf ich einen kurzen Blick über die Straße, um mich zu überzeugen, ob mein Kommen von jenem Mann beobachtet worden sei, dessen Geheimnis, wofern er eins hatte, ich ergründen wollte. Es bot sich mir ein Anblick dar, den ich nicht erwartet hatte. Auf dem Trottoir stand vor mir ein stattlicher älterer Herr, dessen Aeußeres so elegant und hochmodern war, daß ich ihn nicht erkannt haben würde, wenn ich nicht in demselben Augenblicke Rudge bemerkt hätte, der sich beharrlich auf der entgegengesetzten Seite hielt, wo er offenbar in der bestimmten Absicht Posto gefaßt hatte, um keinen Preis weiter vorzukommen. Vergebens befahl ihm sein Herr – denn der wohlgekleidete Mann vor mir war niemand anders als mein Freund Moore – zu ihm herüberzukommen; nichts konnte die Bulldogge bewegen, sich von dem Punkte der Straße wegzurühren, wo er sich sicher fühlte.

Herr Moore, der sich in der Aussicht auf unermeßlichen Reichtum sonnte, bot in mehr als einer Beziehung einen auffallenden Gegensatz zu dem ärmlichen alten Mann dar, dessen seltsame Tracht und zurückgezogene Lebensweise ihn zum Spotte der halben Stadt gemacht hatten. Ich gestehe, daß ich über die herablassende Verbeugung, mit der er mein leichtes Nicken beantwortete, halb belustigt, halb verlegen war; doch begann er in höflichem Tone:

Wie ich sehe, machen Sie von Ihrem Vorrechte als Polizeibeamter Gebrauch.

Die Worte flossen so leicht von seinen Lippen, als sei er von Kindheit an an Höflichkeit gewöhnt.

Ich möchte nur wissen, wie das alte Haus die Ehre, die ihm jetzt unaufhörlich widerfährt, auffaßt, fuhr er fort, indem er sein Auge über die zerbröckelnden Wände, vor denen wir standen, schweifen ließ. Wenn es die Empfindungen seines Besitzers auch nur im geringsten Grade teilte, so kann ich für die Ungeduld bürgen, mit der es die freie Benutzung seiner altersgrauen Zimmer und Säle duldet. Ist dieses Eindringen notwendig? Glauben Sie, daß jetzt, da Frau Jeffreys Leiche entfernt worden ist, der Schauplatz ihres Dahinscheidens noch länger die Aufmerksamkeit der Polizei in Anspruch nehmen muß?

Dies ist eine Frage, die Sie an den Polizeipräsidenten richten müssen, nicht an mich, entgegnete ich kurz. Der Chef hat noch keinen Befehl erteilt, daß die Bewachung aufhören soll, also haben wir Untergebenen keine Wahl. Ich bedauere, wenn Sie sich dadurch beeinträchtigt fühlen. Ohne Zweifel wird in ein paar Tagen die Untersuchung beendet sein, und die Schlüssel werden Ihnen dann ausgeliefert werden. Ich nehme an, Sie wollen möglichst bald einziehen?

Er warf einen Blick hinter sich auf seinen Hund, stieß einen Pfiff aus, der jedoch unbeachtet blieb, und erwiderte würdevoll:

Wenn ein Mann sein siebzigstes Lebensjahr zurückgelegt hat, so kann er einen Aufschub nicht mehr so geduldig ertragen, als wenn er noch viele Jahre vor sich hätte. Ich will so bald wie möglich mein Haus beziehen, ja; ich habe viel darin zu tun.

Ich war nahe daran, zu fragen, was dies sei, fürchtete aber, allzu zudringlich zu erscheinen, falls er der kalte, aber aufrichtige Mann war, für den er gelten wollte, und zu eifrig, wenn er der abgefeimte Heuchler war, für den ich ihn im geheimen hielt. Daher stieg ich mit einem Nicken, das ein wenig nachdrücklicher ausfiel, als wenn ich mich mit keiner von beiden Möglichkeiten beschäftigt hätte, die Treppenstufen empor, indem ich nachlässig bemerkte:

Ich werde Sie wieder aufsuchen, wenn ich eine Runde durch das Haus gemacht habe. Wenn ich etwas entdecke – Spuren von Geistern oder von Menschen, die vielleicht von Interesse für Sie sein könnten, so will ich es Sie wissen lassen.

Etwas wie ein Knurren antwortete mir. Mochte es nun aber vom alten Moore oder seinem Hunde herrühren, ich hielt mich nicht auf, um dies zu untersuchen. Ich hatte eine ernste Aufgabe vor mir, eine sehr ernste in Anbetracht dessen, daß ich sie auf eigene Verantwortung hin und ohne Wissen meiner Vorgesetzten in Angriff nahm. Ich tröstete mich jedoch mit dem Gedanken, daß bisher der Verdacht, es könne ein Mord vorliegen, weder im Publikum noch auf den Polizeiämtern laut geworden war und daß ich mich infolgedessen in keine wichtige Sache einmischte; ich wollte nur versuchen, eine solche cause célèbre zu schaffen.

Für das Gelingen meines Planes war es erforderlich, daß einige Zeit verstrich, ehe ich mit Herrn Moore wieder zusammentraf. Ich unternahm daher den ihm gegenüber erwähnten Rundgang durch das Haus, auf dem ich zugleich meine eigene Wißbegierde befriedigte. Natürlich besuchte ich dabei auch die Bibliothek. Hier war alles dunkel. Das Dämmerlicht, das die Straßen noch matt erhellte, konnte nicht bis hierher dringen. Ich war genötigt, meine Laterne anzuzünden.

Mein erster Blick galt dem Kamine. Das Gitter war herausgezogen und der Rost entfernt worden. Doch der Lehnstuhl stand noch unverrückt an seinem Platze, und ich machte mich sofort an eine gründliche Untersuchung dieses Sessels. Das Resultat war entmutigend. Allem Anschein nach war es ein völlig harmloses Möbelstück, von plumper Bauart, aber fest gefugt, und ich konnte absolut nichts an ihm entdecken, was zur Erklärung der Tragödien, die sich auf ihm abgespielt hatten, hätte beitragen können. Ich ließ mich sogar auf sein morsches altes Polster nieder und schloß die Augen, blieb aber von beängstigenden Visionen oder sonstigen unangenehmen Empfindungen frei.

Unzufrieden mit mir selbst und mißgestimmt über das Nutzlose meiner Untersuchung wandte ich mich der Stelle zu, an der ich in der Nacht von Frau Jeffreys Tode den kleinen Tisch gefunden hatte. Er stand nicht mehr dort, sondern war an die Wand, an die er eigentlich gehörte, zurückgestellt worden; auch der Armleuchter fehlte. Ebenso war der Küchenstuhl nicht mehr vor dem Bücherbrette zu erblicken. So geringfügig dieser Umstand war, so verursachte er mir doch einen vorübergehenden Verdruß. Ich hatte beabsichtigt, mir das Buch noch einmal anzusehen, das ich das vorigemal mit so unbefriedigendem Erfolge geprüft hatte. Ein Blick überzeugte mich davon, daß das Buch in eine Reihe mit den übrigen zurückgeschoben worden war; ich entsann mich aber seines Titels, und wäre das Mittel, es zu erreichen, zur Hand gewesen, so würde ich bestimmt nochmals einen raschen Blick hineingeworfen haben.

Im ersten Stock fand ich dieselben Anzeichen polizeilicher Einmischung. Der Laden im südwestlichen Zimmer war befestigt und das Bukett samt dem Mantel vom Bett fortgenommen worden. Auch das Taschentuch lag nicht mehr auf dem Kaminsims, wo ich es zurückgelassen hatte, und als ich die Tür zu dem kleinen Nebenraume öffnete, war der Fußboden leer und der zweite Armleuchter nebst der Kerze verschwunden.

Alles ist fort, dachte ich, all und jede Spur verwischt.

Aber ich war im Irrtum. Im nächsten Augenblick stieß ich auf die winzigen Feilspäne, die ich das vorigemal auf einem kleinen Tische bemerkt hatte. Da ich daraus folgerte, daß Durbin und seine Gefährten sie als wertlos übersehen hatten, so strich ich sie nebst dem Staube, in dem sie lagen, mit der Hand in einen alten Briefumschlag, den ich glücklicherweise in meiner Tasche fand. Dann ging ich zu dem Kamin hinüber und untersuchte seinen nunmehr leeren Sims auf das genaueste. Die Einschnitte, die ich hier gemacht hatte, waren noch deutlich sichtbar, aber die Fingerabdrücke, an deren Stelle sie sich befanden, waren bei dem allgemeinen Herumwirtschaften im Hause verwischt worden. Mit lebhafter Befriedigung betrachtete ich das Werk meiner Voraussicht und beeilte mich, das Zimmer zu verlassen. Dann begann ich das schwierige Experiment vorzubereiten, durch das ich festzustellen hoffte, ob Onkel David an der unheilvollen Tat, die die beiden von mir besuchten Räume so denkwürdig gemacht hatte, einen Anteil habe.

Zuerst überzeugte ich mich durch einen Blick durch das Vorderfenster des Salons, daß der alte Moore wirklich hinter seinen Weinstöcken auf der Lauer lag, und ging dann geradeswegs nach der Küche, holte mir einen Stuhl und trug ihn in die Bibliothek, wo ich ihn zu einem Zwecke hinstellte, der einem Zuschauer höchst eigentümlich vorgekommen sein würde. Ich stellte ihn quer vor den Kamin hin, stieg hinauf und nahm den Stich, der, wie ich schon erwähnt habe, über dem Sims hing, herab.

Nun lehnte ich das Bild gegen eine Kaminecke, bestieg den Stuhl nochmals und schüttete sorgfältig den Inhalt einer kleinen Tüte, die ich zu diesem Zwecke mitgebracht hatte, über die obere Fläche des Simses aus.

Sodann ließ ich den Stuhl stehen und begab mich zur Haustür, durch die ich wieder auf die Straße trat, wobei ich ostentativ stehen blieb, um zuzuschließen und den Schlüssel in die Tasche zu stecken.

Ich ging sofort auf die andere Seite der Straße hinüber und traf mit Herrn Moore, wie ich erwartet hatte, an seinem Torweg zusammen.

Nun, etwas Neues? fragte er mit derselben übertriebenen Höflichkeit, die ich schon bei einer früheren Gelegenheit an ihm bemerkt hatte. Sie sehen aus wie jemand, der Neuigkeiten bringt. Hat sich etwas Weiteres in dem alten Hause zugetragen?

Ich erheuchelte einen Freimut, der Eindruck auf ihn zu machen schien.

Wissen Sie, belehrte ich ihn mit wichtiger Miene, ich interessiere mich lebhaft für diesen alten Kamin oder vielmehr für den über ihm hängenden scheinbar harmlosen Stich mit der Darstellung Benjamin Franklins am französischen Hofe. Ich sage Ihnen offen, ich hatte keine Ahnung davon, was sich hinter dem Bilde vorfand.

Ich bemerkte an seinem unruhigen Blick, daß ich in ein Wespennest gestochen hatte. Gerade das war meine Absicht gewesen.

Hinter dem Bilde! wiederholte er. Dort befindet sich nichts.

Ich lachte, zuckte die Schultern und wandte mich langsam wieder der Tür zu.

Sie müssen es natürlich wissen, erwiderte ich etwas von oben herab. Dann fuhr ich fort, als ob mir plötzlich etwas eingefallen wäre: Ja, apropos, ist Ihnen denn mitgeteilt worden, daß ein Fenster im Erdgeschoß nicht festsitzt? Ich sage es Ihnen, damit Sie es reparieren lassen können, sobald die Polizei nicht mehr im Hause weilt. Es ist das letzte in dem Gange, der zu den Negerzimmern führt. Wenn Sie es stark genug schütteln, so fällt der Riegel herunter, und jedermann kann von außen einsteigen.

Ich werde es mir ansehen, erwiderte er und hielt dabei die Augen gesenkt, wahrscheinlich um ihr seltsames Blinzeln zu verbergen. Was meinen Sie aber damit, daß sich etwas in der Wand hinter dem Bilde gefunden haben soll? Ich habe nie etwas davon gehört –

Obgleich er rasch sprach und mir die letzten Worte mit aller Kraft seiner Stimme nachrief, hatte ich mich inzwischen zu weit von ihm entfernt, als daß ich ihm hätte anders antworten können als durch ein zweifelndes Lächeln und ein halb gönnerhaftes Winken mit der Hand. Erst als ich beinahe außer Hörweite war, wagte ich es, ihm die folgenden Worte zuzurufen:

Ich werde in einer Stunde zurück sein. Wenn sich irgend etwas ereignet, wenn die Jungen Sie belästigen oder jemand in das alte Haus einzudringen sucht, so telephonieren Sie an die Wache oder wenden sich an den Schutzmann an der Ecke. Ich glaube nicht, daß es etwas schadet, wenn ich das Haus eine Zeitlang seinem Schicksale überlasse. Dann ging ich um den Häuserblock herum.

Als ich wieder vor dem Gebäude anlangte, war es ganz dunkel. Auch im Hause selbst herrschte Dunkelheit, nur die Bibliothek war erleuchtet. Ich war überzeugt, ich würde Onkel David hier finden, und dem war in der Tat so. Ich trat geräuschlos ein, schlich vorsichtig durch die Halle und erblickte, als ich die Tür zwischen den vergoldeten Pfeilern aufstieß, den alten Mann, wie er auf dem Stuhle stand, den ich hier zurückgelassen hatte, und zu dem Nagel emporsah, von dem ich soeben das Bild heruntergenommen hatte. Er erschrak, als ich so plötzlich erschien, und wäre beinahe vom Stuhle gefallen. Aber das gleichmütige Lachen, in das ich ausbrach, überzeugte ihn, wie wenig Gewicht ich auf diesen Beweis von seiner kecken, unüberwindlichen Neugier legte, und er trat mir mit einer würdevollen Miene entgegen, um die ihn mancher beneidet hätte. Ich begnügte mich denn auch, zu sagen:

Wirklich, Herr Moore, ich freue mich, Sie hier zu sehen. Es ist ganz natürlich, daß Sie den Wunsch hegen, auf jede mögliche Weise in Erfahrung zu bringen, was hinter dem Bilde verborgen war. Ich kam zurück, weil es mir plötzlich einfiel, daß ich vergessen hatte, es wieder aufzuhängen.

Unwillkürlich blickte er wieder auf die Wand, die, abgesehen von dem Nagel, den er schon untersucht hatte, glatt wie sein Handteller war.

Es war nichts dahinter versteckt, erwiderte er. Sie können selbst sehen, daß die Wand glatt ist und ebenso klingt wie jede andere Kaminwand. Dabei schlug er stark mit seiner Faust darauf. Was glauben Sie denn gefunden zu haben?

Ich lächelte, zuckte die Schultern auf dieselbe geheimnisvolle Art wie vorhin und antwortete dann in brüskem Tone:

Ich bin nicht zurückgekehrt, um Polizeigeheimnisse zu verraten, sondern um das Bild an seinen Platz zurückzubringen. Aber vielleicht wünschen Sie es lieber unten zu behalten. Es bildet keine besondere Zimmerzierde.

Er sah mich finster über die Schulter hinweg an, ein lauernder Ausdruck trat in seine listigen alten Augen, und der Gedanke schoß mir durch den Kopf, daß der Augenblick vielleicht bedeutungsvoller war, als es den Anschein hatte. Aber ich trat keinen Schritt zurück, noch verriet ich irgendwie, daß mir der Gedanke an irgend eine Gefahr gekommen sei. Ich legte einfach meine Hand auf das Bild und sah ihn an, als erwartete ich seine Entscheidung.

Er deutete mir an, er wünsche es aufgehängt zu sehen, und fuhr, als ich zögerte, fort: Die Bilder in diesem Hause müssen an den Wänden hängen bleiben, wohin sie gehören. Es herrscht bei uns ein Familienaberglaube, der ihre Entfernung verbietet.

Sofort hob ich den Stich vom Fußboden auf, forderte den alten Herrn auf, herunterzusteigen, setzte meinen Fuß auf den Stuhl und hielt das Bild in die Höhe, um es aufzuhängen. Während ich dieses tat, ging er zu dem hohen Sessel seiner Ahnen hinüber, kreuzte seine Arme über die Rücklehne und betrachtete mich mit einem Lächeln, das ich mehr ahnte als sah.

Plötzlich rief er aus, gerade als ich die Schnur über den Nagel legen wollte:

Geben Sie acht! Sie fallen!

Wenn er beabsichtigte, mich zur Strafe für die Zurückweisung, die er von mir erfahren hatte, zu erschrecken, so gelang ihm dies nicht; denn meine Nerven waren fest und mein Arm war stark geworden, als ich einen Blick auf den Kaminsims geworfen hatte. Das feine braune Pulver, das ich hier hingestreut hatte, war an fünf verschiedenen Stellen verschoben worden und nicht durch meine Finger. Ich hätte eher riskiert, das Gleichgewicht zu verlieren, als daß ich meine Hand auf den Sims gestützt hätte, aber der alte Moore war nicht so vorsichtig gewesen. Der Anhalt, den ich so sehnlich erwünscht und um deswillen ich zu so rücksichtslosen Mitteln gegriffen hatte, war gewonnen.

Als ich aber eine halbe Stunde später Gelegenheit fand, diese Merkmale zu messen und sie mit denen im ersten Stock zu vergleichen, genoß ich nicht den vollen Triumph, den ich mir versprochen hatte. Denn die beiden Abdrücke waren völlig voneinander verschieden, und daraus ging hervor, daß, wer auch immer die Person gewesen sein mochte, die zusammen mit Frau Jeffrey an dem Abend ihres Todes in diesem Hause geweilt hatte, ihr Onkel David es nicht gewesen war.


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