Paul Grabein
Im Wechsel der Zeit
Paul Grabein

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XXV.

Juhuhu! Ein heller, aufjauchzender Schrei aus weiblicher Kehle grüsste noch einmal von unten herauf, lustig wehte das Taschentuch zum Gruss herauf, und dann schritt die schlanke, zierliche Gestalt im kleidsamen Bergkostüm mit ihrem bedächtig den Hut schwenkenden Begleiter drunten auf dem Wege rüstig aus, der sie bald in einer Biegung den Blicken der beiden Reisegefährten entziehen musste, die hier oben noch auf dem Gipfel des Monte Rosso geblieben waren. Rittner schaute nachdenklich den Davonwandernden nach, mit denen sie sich unterwegs heute getroffen und gemeinschaftlich den Aufstieg gemacht hatten.

»Schade um die kleine Frau,« sagte er, während er nun, sich zur weiteren Rast auf den sonnengewärmten Felsen niederlassend, sich seine Zigarette anzündete.

»Warum schade? Sie lebt doch offenbar sehr glücklich mit ihrem Mann, und er ist doch ein sehr verständiger, ruhiger Mensch.«

»Drum ja gerade! Viel zu ruhig und verständig für dieses ewig lachende und springende kleine Frauchen. Die wird bald das Weinen kennen lernen, wenn erst der holde Rausch der Flitterwochen verflogen ist.«

Hellmrich schwieg betroffen. Es trat ihm plötzlich Lottes Bild vor die Seele. Auch sie war einst ein so harmloses, heiteres Geschöpf gewesen, und nun? Gewiss würde Rittner auch über ihn so geurteilt haben, wenn er sie beide als Fremder einst in ihrer jungen Ehe gesehen hätte. Mit einer leisen Bitterkeit sagte er daher:

»Sonderbar! Dass doch Ernst und Verständigkeit, die man sonst als Mannestugenden so hoch schätzt, so oft zum Verhängnis werden in der Ehe! Es spricht nicht gerade für die Frauen – finde ich.«

»Das wundert mich von dir zu hören,« erwiderte Rittner, »oder eigentlich – doch nicht! Du denkst ja eben, wie tausend andere ohne Zweifel sehr kluge, tüchtige Männer – aber doch eben falsch! Bitte, nimm mir es nicht übel: Du teilst eben mit allen seinen Vorzügen auch die charakteristischen Fehler des echt deutschen Mannes.«

»So, da bin ich begierig.« Hellmrich vermochte unter der scherzhaften Bemerkung doch nicht ganz eine gewisse Verletztheit zu verbergen. »Bitte, demonstriere mir doch diese meine besagten Mannesfehler ad oculos!« Und auch er liess sich auf den Boden neben den Gefährten nieder.

Dieser tat mit voller Absicht, als habe er die Empfindlichkeit des andern nicht bemerkt, und fuhr ruhig fort, als handele es sich nur um eine Diskussion über einen Gegenstand von allgemeinem Interesse, der Hellmrich gar nichts im besondern anging.

»Sieh' mal, ihr guten deutschen Normalmänner – Pardon, ich will mich nicht etwa als einen Ausländer aufspielen, aber ich glaube in der Tat von draussen unseren Volkscharakter etwas unbefangener zu beurteilen gelernt zu haben – ihr leidet allesamt an einer starken Rückständigkeit in eurer Auffassung von Weib und Ehe. Ihr meint, die Welt stände noch immer auf dem Standpunkt, wie zu Zeiten eurer Grossmütter und Grossväter, und überseht dabei ganz, dass seitdem eine weitere Entwicklung der Frau auch im lieben deutschen Vaterlande stattgefunden hat, die unendlich viel weitergreift, als ihr ahnt. Denn nicht bloss die paar Frauenzimmer, die sich lärmend vor der Öffentlichkeit als die Wortführer der Frauenbewegung aufspielen, werden von dem neuen Geist beseelt, sondern ganz im stillen hat dieser seine Ausbreitung genommen. In tausenden von Familien ist Frauen und Töchtern die Binde von den Augen genommen, ist ein starkes Sehnen und Begehren entfacht worden, das nicht mehr Genüge hat an dem jahrtausendelang überlieferten stillen Duldertum des Weibes, sondern das heimlich oder laut nach Anerkennung seiner Eigenart, nach wahrer Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse verlangt. Da ist es denn kein Zufall, dass es jetzt so viele unverstandene Frauen, so viele unglückliche Ehen gibt – das alles ist eben vielmehr nur eine einfach notwendige Folge der neugeschaffenen Sachlage: Die sich befreiende Frau und der hartnäckig am Alten festhaltende Mann können nicht mehr friedlich an einem Strang ziehen – da muss es eben Zwist und Kampf geben.«

Hellmrich hatte ruhig, mit steigendem Interesse, den Ausführungen des Freundes gelauscht, nun aber warf er ein:

»Ja, erlaube mal! Was du da sagst, ist ja alles ganz schön und gut, aber es gilt doch nur von den wirklich emanzipierten Frauen. Doch solch ein kleines harmloses Geschöpf zum Beispiel, wie da unsere Reisegefährtin, die hat doch sicher überhaupt noch nicht einmal an die Frauenbewegung gedacht.«

»Und dennoch schlummert bereits in ihr der Keim zu allem, und ihr Mann selbst wird ihn zum Leben wecken,« versetzte Rittner. »Ich traute mir wirklich zu, ein Prognostikon dieser Ehe zu stellen.«

»Na, dann nur zu! Das würde mich höchlichst interessieren!«

»Bon! Also zunächst noch ein paar Wochen leidlichen Flitterglücks! Dann ist die Frist um, die sich der Herr Gemahl programmmässig für den zärtlichen Überschwang seiner Gefühle gesteckt hat. Er besinnt sich darauf, dass es eines rechten Mannes doch nicht würdig ist, auf die Dauer den verliebten Anbeter seiner Frau zu spielen, und mit männlicher Würde und Ernst beginnt er allmählich, ruhig aber bestimmt, die noch immer gleichmässig hochflutende Zärtlichkeit seines jungen Weibes einzudämmen. Da gibt's bei dieser zunächst Überraschung, kleinen Verdruss, Schmollen, aber auch wieder Versöhnung und erhöhte Glückseligkeit, da ab und zu der gestrenge Gebieter noch einmal rückfällig wird. Dann aber, nachdem dieser sich endlich dauernd zurückgefunden hat auf die schnurgerade Strasse seines wohlgeordneten, zwischen fünfsechstel Arbeit und einsechstel häuslicher Bequemlichkeit schön eingeteilten Lebens, dann kommt die grosse, schwere Enttäuschung: Ist das das in holden Träumen geahnte Paradies der Eheseligkeit? Ist dieser steifleinene Pedant, der bloss des abends nach Hause kommt, um in Hausschuhen und Schlafrock gemütlich zu essen und die Zeitung zu lesen, der ritterliche Verehrer, der einst schwor, sein Lieb nur auf Händen zu tragen?!«

Auf Hellmrich hatten Rittners Worte den tiefsten Eindruck gemacht. Aber gerade, weil jener so recht hatte, und manches sagte, was so ähnlich auch auf ihn und Lotte passte, sträubte er sich noch dagegen, es anzuerkennen. »Du malst doch etwas gar zu sehr in Schwarz und Weiss,« warf er daher hin.

»Natürlich, ich trage ein bisschen dick auf,« gestand Rittner ein, »gerade so krass ist es ja natürlich nicht überall. Aber ich behaupte nach wie vor: So ungefähr geht's doch in den meisten deutschen Normalehen zu.«

»Du betonst immer so die deutschen Ehen; bist du denn wirklich der Meinung, dass es anderwärts in dieser Beziehung besser ausschaut? Ich sollte meinen, was an deiner Ausführung Berechtigtes ist, das trifft für alle Ehen überhaupt zu und ist seit altersher schon so gewesen. Es ist eben der nirgends bei menschlichen Dingen ausbleibende Kontrast zwischen Ideal und Wirklichkeit, mit dem sich ein normaler Mensch abzufinden weiss.«

»Ganz recht,« gab Rittner zu. »Eine gewisse Enttäuschung wird nirgends ausbleiben können. Aber doch entwickelt sich die Sache anderwärts vielfach anders, als bei uns. In andern Ländern haben die Männer längst einsehen gelernt, dass die Frau heutzutage eben nicht mehr die stumpfe, duldende Sklavin ist, die ringsherum nichts anderes sieht und daher kennt, als dass man still und ergeben das trägt, was die Eigenart und der Wille des herrschenden Mannes ihr auferlegen. Man weiss anderwärts, dass die Frauen eben heutzutage Wissende und Fordernde sind, und man ist klug genug, ihnen da nachzugeben und sich ihren Bedürfnissen anzupassen, wo man doch für die Dauer nicht verbieten und aufhalten kann.«

Hellmrich blieb eine Weile still; dann sagte er: »Nun, und was sollte also nach deiner Meinung ein vernünftiger Mann tun, der auch so eine etwas modern angehauchte Frau sein eigen nennt?«

»Das käme ganz auf deren Eigenart an. Ist sie so eine kleine, zärtliche Schwärmerin, so ein lustig zwitscherndes Vögelchen, wie unsere Reisebekanntschaft heute, so sollte der Mann nie aufhören, der liebenswürdige, ritterliche Verehrer seiner Frau zu sein; er sollte nicht mit pedantischer Engherzigkeit ihrem munteren Wesen die Flügel beschneiden, sondern sie ruhig umherflattern lassen, zu ihrer und seiner Freude.«

»Hm, leicht gesagt! Aber, wenn das nun seiner eigenen Art schnurstracks zuwiderläuft?«

»Dann hätte er sie gefälligst gar nicht heiraten sollen! Wenn er es aber doch getan hat, so hat er die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sich an das, was das Lebenselement seiner Frau ist, zu gewöhnen und nicht wie ein Pascha zu befehlen, dass sich seine Frau seiner Pedanterie zu Gefallen umkrempelt. Da steckt ja eben jene zipfelmützige Steifheit und Mannesanmassung!«

Hellmrich sah Rittner gross an. Warum brach dieser bloss plötzlich so heftig los? Ja gerade als ob er sich über ihn ärgerte und diese Standpauke an seine persönliche Adresse richtete!

Aber Rittner bemerkte selber, dass er sich mit seinem allerdings beabsichtigten, aber zu tief geführten Streiche gegen Hellmrich zu verraten drohte, und schnell sprach er daher in scherzenden Ton weiter:

»Na, es sind ja aber nicht alle Frauen so – Gott sei Dank! Nicht wahr, alter Verstand? Es gibt ja auch noch vernünftige, ernsthafte Frauen. Allerdings können die mitunter auch wieder verdammt unbequem werden. Gerade mit ihrer Ernsthaftigkeit quälen sie ihrerseits den Mann. Es ist eben Jacke, wie Hose! Sie wollen sich nicht begnügen mit dem, was die Durchschnittsfrauen ausfüllt. Häuslichkeit und Kinder, sie wollen mehr vom Leben. Sie verlangen nach höherer, geistiger Betätigung und Befriedigung.«

Wieder sah Hellmrich Rittner an. Das war doch mehr als sonderbar! Als ob Rittner seine Darlegungen auf ihn und Lotte zugeschnitten hätte! Aber Rittner hielt ruhig seinen prüfenden Blick aus. »Nun, und hier?« fragte Hellmrich, und er war jetzt wirklich aufs höchste gespannt, was Rittner diesmal sagen würde. »Das Verlangen solcher Frau erscheint dir offenbar völlig berechtigt?«

»Allerdings! Und ich meine, dass sogar ein Mann aus tiefstem Herzen glücklich sein sollte, wenn er so eine Frau hat. Denn sie kann ihm das werden, was nach meiner Meinung das Höchste und Schönste in der Ehe ist – seine ebenbürtige Gefährtin, seine Kameradin.« –

Da, da war es wieder, dieses Wort! Nun hörte er es auch von ihm, dem Freund. Tief betroffen und bewegt schwieg Hellmrich eine längere Zeit. Er sah hinaus, weithin über den tiefblauen See drunten und die duftig violette Bergkette an seinen jenseitigen Ufern, ganz in seine Gedanken verloren, während sich Rittner damit beschäftigte, sich nach der langen Diskussion eine Zigarette anzustecken. Die Gedanken, die heute morgen der Brief Lottes in Hellmrich ausgelöst hatte, und die er dann während des ganzen Ausflugs hierher in unbewachten Momenten immer weiter gesponnen hatte, sie fanden nun hier ihre Verstärkung durch das, was ihm eben der Mann gesagt hatte, der ihm allein auf der Welt ein wirklicher Freund war, und auf dessen reifes, ruhiges Urteil er allergrösstes Gewicht legte.

Nun drängte es Hellmrich, auch noch über einen Punkt seine Meinung zu hören, von dem allein aus noch ein dunkles Widerstreben in seiner Seele ausging, das ihn hinderte, ganz die weiche, liebevolle Stimmung, Verzeihung und Sehnsucht nach seiner Lotte, aufkommen zu lassen, die seit heute morgen immer wieder seine Seele beherrschen wollte. Aber noch zauderte er. Wie sollte er dem klugen, scharfsichtigen Gefährten seine Frage vorlegen, ohne dass dieser sofort den Zusammenhang erriet? Um Zeit zur Überlegung zu gewinnen, entzündete er sich eine Zigarre, dann nahm er den abgerissenen Faden ihrer Unterhaltung wieder auf:

»Deine Auffassung von der modernen Frauenentwicklung und Ehe hat mich wirklich interessiert. Und da stehst du gewiss auch in anderen Punkten auf einem ganz anderen, einem freieren Standpunkt, als man es eigentlich bei uns gewöhnt ist. Wenn du der Frau so viel individuelle Freiheit zugestehst, so beurteilst du gewiss auch ihr Irren und Fehlen in der Ehe sehr milde.«

»Das kommt ganz darauf an,« versetzte Rittner, den Rauch vor sich hinblasend. »Du traust mir hoffentlich nicht zu, dass ich den Ehebruch entschuldige. Aber allerdings bin ich der Meinung, dass der Mann sehr ungerechtfertigterweise für sich auch in dieser Beziehung eine sehr weitgehende Nachsicht in Anspruch nimmt, während er über die irrende Frau zumeist ohne weiteres den Stab bricht.«

Hellmrich pochte leise das Herz, als er nun seinerseits möglichst unbefangen erwiderte: »Hm, das mag vielleicht sein.« Er tat einen neuen Zug aus seiner Zigarre und stäubte dann nachlässig die Asche ab. »Mir fällt da auch gerade ein Fall ein, über den wir erst neulich im Kollegenkreise recht lebhaft diskutiert haben. Und allerdings waren die meisten Männer, wie du eben sagst, in der Verurteilung der Frau einig.«

»Wie lag denn die Sache da?« fragte Rittner.

»Ach, die Geschichte war ja an sich gar nicht so schlimm. Ich kenne die Details genau, weil sich der Mann mir anvertraute, als er mich bat, für ihn die Forderung zu überbringen.« Möglichst unbefangen suchte Hellmrich die Begebenheit zu erzählen. »Es handelt sich nämlich um die Frau eines Kollegen, eine noch junge Frau, die ihren Mann aus Liebe geheiratet hatte, dann aber – wohl infolge von allerlei Charakterverschiedenheiten und Missverständnissen auf beiden Seiten – schliesslich ihrem Mann entfremdet worden war. Na, um es kurz zu machen, wir alle merkten es schliesslich sogar im gesellschaftlichen Verkehr, dass sich speziell die Frau sehr unglücklich fühlte. Und dann passierte die Geschichte. Da war der übliche Dritte, der es sich angelegen sein liess, die unverstandene Frau zu trösten. Er wusste dabei aber sehr geschickt hinter der Rolle eines uneigennützigen, wahren Freundes seine Verführerabsichten zu verschleiern. In einer Stunde besonders stark empfundener innerlicher Verlassenheit, wo sie gerade der Elende aufsuchte, konnte sich die arme Frau leider nicht mehr beherrschen und verriet ihm durch ihre haltlose Verzweiflung, wie es um sie und ihren Mann stand. Da versuchte der Kerl denn sein Glück; er stürzte der Frau zu Füssen und bedeckte sie mit Küssen. Die Frau kam darauf sofort zur Besinnung, wies ihn zum Haus hinaus und gestand dann alles ihrem Mann.«

»Und der jagte natürlich seinerseits die Frau zum Tempel hinaus und liess sich dann von dem Verführer niederschiessen, nicht wahr?« fragte Rittner ironisch. »So macht man es ja mit Vorliebe bei uns im lieben deutschen Vaterland.«

Hellmrich nickte. »Du rätst ziemlich richtig, nur traf es diesmal nicht den Mann, sondern wirklich den Schuldigen – übrigens auch nur ein tüchtiger Denkzettel! Aber der Mann hat sich in der Tat von seiner Frau getrennt. Er konnte es nicht verwinden, was sie ihm angetan hatte, und was ihr geschehen war.«

»Arme, unglückliche Frau!« Fast grimmig sprach es Rittner vor sich hin, während er seine niedergebrannte Zigarette mit grosser Energie auf dem Felsen ausdrückte. »Auch ein Opfer unserer überschraubten Ehrbegriffe. Denn was ist dem Mann im Grunde eigentlich geschehen? Was doch die Hauptsache ist, der böse Wille hat bei der Frau gänzlich gefehlt. Na, und die aufgezwungenen Küsse dieses Schurken, haben die die Frau wirklich entweiht? Wenn irgend ein Verrückter auf der Strasse diese Frau angefallen und ihr das Gleiche angetan hätte, wäre es ein Jota anders gewesen? Na, und deshalb würde doch wohl kein Mensch auf die Idee kommen, sich von seiner Frau scheiden zu lassen!«

Hellmrich sah den Freund, der mit seiner Zigarette beschäftigt war, einen flüchtigen Augenblick mit grossen, durchdringenden Augen an, als wolle er hinter seiner Stirn lesen, ob das auch wirklich seine ehrliche Meinung sei, die er da eben geäussert hatte. Dann aber, als Rittner sich wieder zu ihm kehrte, sah er seinerseits weg, sich mit seinem Plaidriemen zu schaffen machend. »Ja,« sagte er, »die Auffassungen der Leute sind eben verschieden.«

»Verrückt sind sie! Einfach verrückt!« entschied Rittner energisch und erhob sich vom Boden. Er sah nach der Uhr: »Hallo, es ist übrigens hohe Zeit, dass wir weiter kommen. Wir wollen aufbrechen, nicht?«

»Aber gern!« Entschlossen sprang Hellmrich auf und machte sich marschfertig. Auf seinem Antlitz lag es wie ein stilles Leuchten, und froh klangen auch seine Worte. So klommen denn die Freunde alsbald den schmalen Zickzackweg an dem steilen Bergabhang hinab, der sie wieder zu Tal führen sollte.

Schweigend schritten die beiden dahin. Der Weg erforderte anfangs Vorsicht, und dann nahmen die herrliche Natur, die wundervolle Aussicht, die sich ihnen immer wieder durch scharf ausgeschnittene Bergscharten hindurch auf den See unten bot, ihre Sinne ganz gefangen. So waren sie schon eine lange Strecke weit gewandert, als sie in neuem Entzücken an einer Wegbiegung stehen blieben, wo plötzlich sich ein grandioses Panorama vor ihren Blicken auftat.

Weithin blaute da unten der See in seiner ganzen Ausdehnung, bis er hinten in der Ferne in lichtgrünem Schein sich in der flachen Ebene verlor. Rechts und links eingedämmt von den steilen, dunklen Gebirgswänden, auf deren malerischen Schroffen und Zacken das zarte Weiss frischgefallenen Schnees in das Azurblau des Himmels hineinleuchtete. In stummem Geniessen standen sie so dicht beieinander. Da plötzlich legte Hellmrich in warmer Aufwallung dem Freunde den Arm um die Schulter:

»Heinz, was danke ich dir für diese Reise! Sie gibt mir mehr, als du je ahnen kannst.«

Rittner erwiderte nichts. Aber, ob er nun den tieferen Sinn in Hellmrichs Worten ganz verstehen mochte oder nicht, mit treuem, starkem Druck drückte er Hellmrich die Rechte. So war ihnen allen beiden feiertäglich froh zu Mute.

 


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