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34. Kapitel.
Das Duell

Dan Ricardo bahnte sich seinen Weg durch das Schilf des Flußufers und schaute auf das Gewirr von Schlammbänken und Untiefen, das sich unterhalb der verhängnisvollen Enge erstreckte. Drüben am morastigen Ufer lag das von der Strömung angespülte Motorboot der »Arrow«.

»Muß beseitigt werden«, murmelte Dan.

Aber es erwies sich durchaus nicht als einfach, das gescheiterte Dingi zu erreichen, denn es lag ziemlich weit entfernt und das Ufer war von tiefen, großenteils ausgetrockneten und an den steilen Rändern mit Schilf und harten Gräsern bewachsenen Gräben durchzogen. Am Ende eines solchen gegen das Wasser zu verlaufenden Einschnitts gewahrte Ricardo einen Schlammstreifen, bei dem etwas seine Aufmerksamkeit erregte.

Er steifte sich wie ein Hühnerhund, der ein Wild wittert.

Die weiche Oberfläche der kleinen Halbinsel zeigte tiefe und breite Spuren, als sei hier ein vorsintflutliches Ungeheuer an Land gekrochen. Zunächst glaubte Dan, die Fährte eines großen Alligators vor sich zu haben, aber dazu schien der Streifen zu breit.

Im nächsten Augenblick duckte er sich hinter einen Busch, denn er hatte eine Bewegung im Schilf wahrgenommen. »Weiß der Teufel, es ist der verdammte Schotte!« ging es ihm durch den Sinn. »Der Kerl ist so dreckig, daß ihn sogar der Fluß wieder ausgespien hat.«

Er entsicherte seinen Revolver und lauerte. Die Bewegung hatte aufgehört, und im Augenblick sah er auch nichts Verdächtiges mehr. Dann aber rührte es sich aufs neue, und diesmal konnte der Späher vorübergehend ein Stück Schulter und sogar den Teil eines Gesichts erkennen. Vorsichtig legte er die Pistole auf den linken Unterarm auf.

Im Augenblick, da er losdrückte, krachte sein Schuß, und eine Kugel strich so dicht an seinem Kopf vorüber, daß er den Luftdruck spürte.

Blitzschnell warf er sich auf die Seite. Dann kroch er vorsichtig auf allen vieren zurück, bis er das obere Ende des Grabens erreicht hatte. »Also doch!« murmelte er. »Nun krieg' ich dich, Bürschchen!«

*

McBrayne fluchte leise und ingrimmig vor sich hin, indes er sich das Blut von der Stirne wischte und gleichzeitig tiefer im Schilf Deckung suchte. Er ärgerte sich maßlos über den Fehlschuß.

Der schlammige Untergrund bot ihm keinen sicheren Stand, und seine Hände waren noch schlüpfrig von Morast. Wer schlimmer noch erschien der verdreckte Zustand seines Gewehrs.

Nur gut wenigstens, daß diese Metallpatronen ein längeres Herumliegen im Wasser vertrugen, zumal er sie gründlich gefettet hatte. Eifrig und behutsam machte er sich jetzt daran, die Waffe einigermaßen zu reinigen, wobei er keinen Augenblick die Stelle außer acht ließ, wo sein Feind verschwunden war. Seine zärtliche Anhänglichkeit an die Flinte war die Ursache, weswegen er jetzt nicht hilflos dem Verbrecher preisgegeben war.

Als sein Boot gekentert war, hatte er instinktiv den Arm durch die Schlinge des Gewehrriemens geschoben, obwohl er das sofort bereute, da er in der nächsten Sekunde deshalb in den Wasserwirbeln zu ertrinken drohte. Das tote Gewicht hatte ihn zeitweilig in die Tiefe gezogen, doch erwies sich das insofern als sein Glück, als er dadurch dem hinterherschießenden Dan ein schlechtes Ziel bot. Die letzte Kugel streifte seine Schläfe, und dann wurde es Nacht vor seinen Augen, bis er auf einmal weichen Grund unter den Füßen spürte und gleich darauf den Kopf über Wasser bringen konnte. Mit neuerwachtem Lebensmut zog er sich höher aus den Schlamm hinauf, wo er dann zunächst wasserspuckend und nach Atem ringend liegen blieb. Das Schießen hatte aufgehört, und ringsum herrschte tiefe Stille.

Unter Aufbietung aller Willenskräfte gelang es ihm schließlich, vollends das Ufer zu erreichen und mit dem Instinkt eines weidwunden Tieres ins Dickicht zu kriechen.

Kaum war er ein wenig zu sich gekommen, als an der nächsten Biegung ein von mehreren Männern getriebenes Boot erschien, das jedoch alsbald in einen Seitenarm verschwand. Er konnte nicht viel sehen, erkannte aber immerhin das Kleid Felicias und hörte ihre erregte Stimme. Dann wurde es abermals still.

McBrayne fühlte sich krank und elend. Abgesehen von der Menge abscheulichen Wassers, die er hatte schlucken müssen, behinderte ihn auch die Streifwunde am Kopf, aus der immer noch das Blut über das eine Auge sickerte. Es dauerte noch geraume Zeit, bis er sich hinreichend erholt hatte.

Die Bewegung drüben im Ried, der kurze Blick auf das breite Gesicht Ricardos, das sich sekundenlang über dem Busch erhob, brachten ihn vollends zur Besinnung. Die Kugel des Gegners pfiff vorbei, aber er wußte, daß er ebenfalls gefehlt hatte. Ehe er ein zweites Mal feuern konnte, war der andere verschwunden. Ein schlechter Anfang! – Nur gut, daß sein Kopf immer klarer wurde und er wieder zu denken vermochte.

Lange Zeit rührte und regte sich nichts. Nur das Summen der Insekten und der gelegentliche Schrei eines Vogels unterbrachen das Schweigen. Gerade diese absolute Ruhe bestärkte ihn in seiner Beurteilung der Lage. Diejenigen, die ihm nachstellten, wollten ihn endgültig erledigen, deshalb gingen sie so vorsichtig und leise zu Werke. – Wieviele aber waren es? Wenn noch Freunde jenes Halunken in der Nähe weilten, dann hätten sie auf die Schüsse hin herbeieilen müssen. Aber weit und breit ließ sich kein entsprechendes Geräusch vernehmen. – Der Jäger war demnach allein!

Mac legte sich platt auf die Erde und wartete. »Junge, Junge«, sagte er sich. »Wenn de nu in die Lage von dem da drüben wärst, wat würd's de machen, um deinen Feind zu beschwindeln?«

Er schien die Antwort gefunden zu haben, denn ein zufriedenes Grinsen glitt über sein Gesicht. Er musterte den sich hinter seinem Rücken erhebenden Grabenrand, richtete sich leise auf und spähte, gedeckt durch etliche Grasbüschel, hinüber. Jenseits fiel das Gelände sanft zu einer Mulde ab. Es war stark bewachsen, so daß einem etwaigen Gegner das Anschleichen ziemlich leicht fallen mußte. Auf nächste Entfernung aber ist eine Mehrladepistole infolge ihrer Handlichkeit dem Gewehr überlegen. – Halt! Raschelte eben nicht etwas? – McBrayne preßte sich dicht an den Boden, als hinter ihm eine Kugel in den verkrusteten Morast klatschte. Er hatte aber noch Zeit gehabt, den Schützen zu sehen.

Der Maschinist kroch in den Graben zurück, nahm seine fettige Mütze ab und steckte sie auf einen angeschwemmten dürren Ast. Diesen befestigte er so tief in den Schlick, daß der Mützendeckel gerade noch über dem Schilf sichtbar sein mußte. Er selbst glitt lautlos einige Schritte auf der Grabensohle zurück.

Ein Schuß zerfetzte die ohnedies altersschwache Kopfbedeckung und riß sie zu Boden. Dann ließ sich ein schnell näherkommendes Rauschen in den Halmen vernehmen, das durch den siegesgewiß hereinstürzenden Ricardo verursacht wurde. Einen Augenblick stand er mit der Pistole in der Rechten oben am Hang.

Sein Blick fiel auf einen barhäuptigen, beschmutzten Menschen, der zehn Meter entfernt von ihm kniete und das Gewehr im Anschlag hatte. Als Ricardo den Finger am Drücker krümmte, traf ihn die Kugel McBraynes mitten zwischen die Augen.


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