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26. Kapitel.
Aufs Wohl der Dame

»Was?!« schnappte der Beamte.

»Ich sagte, daß ich auf Ihr Erscheinen rechnete. Es hat ja alles wunderschön funktioniert, und vielleicht könnte ich Ihnen sogar den Namen desjenigen verraten, der Sie aus unsere Fährte setzte.«

Der andere lächelte vielsagend. »Wenn du damit andeuten willst, daß euch jemand 'reingeritten hat, so ist das nicht das erste Mal bei eurer Branche, und wird wohl kaum das letzte Mal sein.« Er ließ den Seemann stehen und begann das Boot zu untersuchen.

»Potz Kuckuck!« rief einer. »Jetzt fangen se schon an, das Zeugs faßweise ins Land zu schleppen! – Nächstens wern se noch mit Tankschiffen anrücken!«

Ein Soldat in Khaki mit Schlapphut stellte sich als Posten beim Motor auf. »Hollah, Silas! – Hier is ja 'n Mädel!«

»Möglich«, gab der Prohibitionsagent kaltblütig zurück. »Kommt öfters vor, daß 'n Schmuggler in Unterröcken dabei ist. Das sind dann meistens die schärfsten. Vielleicht ist sie so gut und kommt mal nach achtern, damit ich mich vorstellen kann.«

»Herr«, sagte Anthony ernst, »mit mir können Sie so grob sein, wie Sie wollen. Ich erwarte aber, daß Sie einer Dame gegenüber die Form wahren.«

»Versteht sich«, versetzte der andere trocken. »Bitte steigen Sie an Land, Fräulein, und Ihre etwaigen Waffen geben Sie am besten gleich ab.«

»Nichts habe ich! Nicht mal eine Nadel!« versicherte Felicia und erstieg etwas atemlos das Ufer. »Ich möchte Ihnen aber erklären, daß Kapitän Kirkpatrick –«

»Scht!« warnte Anthony.

»Alle drei Gefangenen gehen jetzt in die Hütte da«, unterbrach der Mann der Obrigkeit. »Und ein bißchen schnell, wenn's beliebt. – Ihr andern fangt mit dem Löschen an und zwei können gleich hingehen und den Wagen holen. Ich will den Sprit möglichst bald wegschaffen lassen.«

Über die Schulter blickend gewahrte Anthony ein mit Bewaffneten gefülltes Boot, das langsam den Fluß heraufkam. Vermutlich hatte es in einem Winkel gelegen, um dem »Rum-Runner« auf alle Fälle den Rückzug abschneiden zu können.

»Rollt ein paar Tönnchen da 'rein«, befahl der Führer, der ebenfalls die Hütte betrat. »Dann kann sich die Dame setzen, bis der Wagen da ist.« Felicia nahm dankbar die dargebotene Sitzgelegenheit an, denn die Knie begannen ihr zu zittern. Auf einem anderen Faß ließ sich der Beamte nieder, wobei er den Rücken der Tür zukehrte.

»Bringe doch mal einer 'n Licht«, befahl er, und sofort wurde ihm eine Taschenlaterne gereicht. Er knipste sie an und beleuchtete seine Gefangenen damit. Auf dem Gesicht Felicias ließ er den Lichtschein längere Zeit verweilen, denn eine solche Schönheit mochte er wohl nicht erwartet haben.

»Schiffer«, bemerkte er, »nach Ihren Ärmelstreifen zu schließen, sind Sie das ja wohl – daß Sie den Gesetzen eine Nase drehen wollten, nehme ich Ihnen weiter nicht übel, aber daß Sie Ihr Mädel zu so was mitnehmen, is eigentlich 'ne Gemeinheit!«

»Er hat mich ja gar nicht mitgenommen! Ich bin ganz freiwillig und sogar ohne sein Wissen mitgegangen!« mischte sich Felicia ein.

Die harten Augen des Polizisten nahmen einen weicheren Ausdruck an. »Na, darum habe ich mich ja schließlich auch nicht zu kümmern«, brummte er. »Ich kann Ihnen nur sagen, daß Sie entschieden besser daran getan hätten, an Bord Ihres Schiffes zu bleiben.«

»Ich möchte das doch bezweifeln, Sir«, sagte Anthony mit Nachdruck, »und ehe Sie uns abtransportieren, muß ich Ihnen einige Worte der Erklärung geben. – Sehen Sie, diese Expedition ist in Wirklichkeit nichts als ein groß angelegter Betrug von dritter Seite. Sie wurde von einem Menschen ausgedacht, der das Schiff dieser Dame gechartert hat. Man will darauf hinaus, sie mit den Strafgesetzen in Konflikt zu bringen, damit sie dadurch den Anspruch auf eine etwas sonderbar klausulierte Erbschaft verliert. Ich kann Ihnen das beweisen.«

Der Beamte Silas zuckte die Achseln. »Kann sein, daß Sie die Wahrheit reden, denn daß hier 'ne Schmutzerei im Spiel ist, hab' ich auch schon gerochen. Aber wie es nun mal so ist: Mitgefangen – mitgehangen!«

»Ja, aber –«

»Ach, hören Sie auf!« unterbrach ihn Silas und erhob sich. »Die Dame aber hat meine größte Hochachtung!« Er zog seine Mütze vor Felicia, die ihm leicht errötend zulächelte. »Ich glaube das, was sie mir erzählt hat, und daß sie ihrem Auserwählten bei so einer kitzligen Sache beistehen wollte, ist wirklich allerhand. Ich denke, wir trinken jetzt mal 'n Schluck auf ihr Wohl. Spike, zapf' mal dies Füßchen an.«

»Warum denn nicht?!« sagte Anthony und grinste. »Ich wollte das eigentlich selbst vorschlagen, aber Sie sind mir zuvorgekommen.«

Silas zwinkerte mit den Augen. »Wenn wir 'n ›Rummle‹ erwischen, der sein Geschäft einigermaßen sportsmäßig betreibt, dann machen wir meistens 'n kleinen Umtrunk mit ihm. Denaturierten Spiritus werden Sie ja wohl nicht führen?«

»Es tut mir leid, aber ich bin selbst wenig sachverständig. Mein erster Maschinist, der die Ware ausgiebig probiert hat, behauptet jedoch, daß es allerfeinster schottischer Whisky sei, der mindestens zehn Jahre lagert. Seiner Meinung nach ist er stark wie Schmeling und milde wie 'n Engelskuß.«

»Bravo!« rief der Beamte und zog zungenschnalzend eine leere Flasche hervor. Spike mußte sie ihm füllen, und dann setzte er sie genießerisch an die Lippen.

Für die Dauer einiger Sekunden schien der gute Silas einem Schlaganfall nahe. Seine Backen blähten sich und die erschrockenen Augen traten ihm aus dem blaurot anlaufenden Kopf. Im nächsten Augenblick aber verwandelte er sich in ein menschliches Lama, und der Göttertrank, der so stark wie Schmeling und so milde wie ein Engelskuß sein sollte, wurde mit verzweifelter Energie ausgespien.

»Seewasser!!« gurgelte der entsetzte Prohibitionsagent.

»Stimmt!« gab Anthony gleichmütig zu. »Alle diese Fässer enthalten nichts anderes als bestes Seewasser, Marke ›Old Atlantic‹. Soviel ich weiß, ist die Einfuhr dieses Artikels in den Staaten nicht verboten. Schade nur, daß die schnapsgetränkten Faßdauben den Geschmack nicht hinreichend verfeinert haben, damit man es einem Menschen anbieten könnte. Das tut mir aufrichtig leid, Sir, Sie ließen mir aber auch keine Gelegenheit, Ihnen in den Arm fallen zu können. Bitte, seien Sie mir nicht böse.«

Drohend trat der Polizeigewaltige auf ihn zu. »O Sie infamer Schwindler!« fauchte er. »Was fällt Ihnen denn ein, einen alten ehrlichen Beamten so schamlos über den Löffel barbieren zu wollen?! Wenn nicht 'ne Dame anwesend wäre, würde ich Ihnen den Hals umdrehen!«

»Hören Sie mich bitte einen Augenblick an, ehe Sie in Ihrer Schimpfrede fortfahren«, versetzte Kirkpatrick. »Nicht im Traum ist es mir eingefallen, Sie zum Narren halten zu wollen; ich brauchte aber notwendig ein einwandfreies Zeugnis.«

Mit wenigen Worten klärte er den Wütenden auf und berichtete ihm alles Wissenswerte über Felicia Drew, die Erbschaft und die Verbrecherfirma Ricardo, Hickman & Co.

Die Züge des Gestrengen hellten sich immer mehr auf. »Was?!« platzte er schließlich heraus. »Sie also –«

Ein Lärm vor der Hütte verhinderte ihn weiter zu sprechen. Ärgerlich blickte er hinaus. »Was ist denn da los?« schrie er.

»Noch 'n Gefangenen ham wir erwischt!« rief einer der Leute. »Er kam den Fluß rauf. Is uns fein ins Netz gegangen, der Fisch.«

Felicia und Anthony sahen einander an. Augenscheinlich waren die vielen Überraschungen dieser Nacht noch nicht zu Ende. Eine reibeisenrauhe Stimme ließ sie zusammenzucken.

»Brauchst mir nich mit deine dammelige Knallspritze ins Gesicht zu fummeln, Jungchen! – Ich loof euch nich weg. Wer sagt doch mal, is hier in de Nähe vielleicht so'n gewisser Mr. Kirkpatrick?«

Silas richtete seine Taschenlampe auf den Neuankömmling, der jetzt unter Bedeckung hereinmarschierte. Wahrhaftig, es war McBrayne!

»Alles in schönster Ordnung, scheint's«, sagte er grinsend. »Schipper, wie ich dat merkte, dat de Lady weg war, hab ich gleich dem Stewart 's Kommando gegeben und bin los mit's kleine Dingi. Dachte mir, dat Se mehr besorcht um de Miß würden sein, als um de ›Arrow‹. Und wenn irgend 'ne mulmige Sache passierte, denn wollte ich ja lieber mitmachen.«

Anthony lachte herzlich. »Mac, Sie sind doch 'ne treue Seele! – Wirklich, ich weiß nicht, was wir ohne Sie anfangen sollten.« Er drehte sich zu dem Prohibitationsbeamten um. »Dies ist Mr. McBrayne, der erste Maschinist der ›Arrow‹. Er hat den Stückfässern die notwendige Behandlung angedeihen lassen und uns um das fröhliche Pokulieren gebracht.«

McBraynes Züge verdüsterten sich wie eine Herbstlandschaft. »Stimmt«, murmelte er. »Der Käppen hat's befohlen, aber es war det traurigste Geschäft, wat ich je gemacht habe.« Ein Tabakstrahl zischte zur Bekräftigung in die Ecke. »Sehn Se, Herr; de Fässer lagen ja unnen im Raum und bei Nacht und Nebel habe ich mich bei se geschlichen und hab se angebohrt. – Immer sechs in eine Nacht. Der schöne Stoff is Ihnen in de Bilge geloofen und von da aus ham wir 'n denn lenzgepumpt ins Meer.« Er seufzte gramvoll.

»Ich glaub, dat wir 'n paar tausend Fische ham beduselt gemacht«, fuhr McBrayne in seinem Bericht fort. »'s Herz hat's mir fast abgedrückt, kann ich Ihnen sagen. Wenn's nich um Miß Drew un ihre Millionen gewesen wäre, hätt' ich's ooch nie mit meinen Gewissen können vereinbaren. Nur der Schipper un ich ham de Sache geschmissen. Wie's denn so weit war, hab' ich 'n langen Schlauch durchs Bullauge außenbords gehängt un egal Wasser gepumpt.«

Silas, der dem Geständnis McBraynes mit immer breiterem Lächeln gefolgt war, warf jetzt den Kopf in den Nacken und lachte – lachte, daß die wackeligen Dachsparren der Hütte bebten. »Miß Drew!« gluckste er. »Nun ich alles weiß, muß ich sagen, daß Ihr Schiffer ganz richtig gehandelt hat. Ich verzeih's ihm sogar, daß er mich das Zeugs da hat schlucken lassen!« Und er deutete schaudernd nach dem Faß hinüber.

»Mann!« entfuhr es dem entsetzten McBrayne, »Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dat Se versucht ham' –«

»Doch, Mac. Ich hab's versucht, weil ich 'n Höllendurst hatte, aber wenn Ihnen Ihre gesunden Knochen lieb sind, lassen Sie mich's schleunigst vergessen!«

»Mein Beileid«, sagte McBrayne erschüttert. »Ich will mein möglichstes tun, dat Se's vergessen. – 's gibt ja 'n Unglück, wenn Se den Geschmack nich wegbringen!«

Er suchte umständlich in seinen unterschiedlichen Taschen herum und brachte eine ziemlich umfangreiche Feldflasche zum Vorschein, in der es verdächtig gluckste. Silas riß sie an sich, schraubte den Deckel ab und schnüffelte mißtrauisch. Dann aber verklärten sich seine angespannten Züge. Mit zufriedenem Schmunzeln füllte er den Becher und den Schraubdeckel.

»Aufs Wohl der Dame! – Und auch der Schiffer soll leben! Gehenkt will ich sein, wenn der nicht der richtige Lebenslotse für Sie ist, Miß Drew! Kurzum – das Brautpaar lebe hoch!«

Mit aufgerissenem Auge schielte der Obermaschinist zu seinem Kapitän hinüber. »Is's de Möglichkeit, Käppen!« schrie er. »Na, denn aber ooch meine allerherzlichste Gratulatschon!«


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