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13. Kapitel.
Eine Falle

Als Felicia vierundzwanzig Stunden später an Deck kam, lag die ›Arrow‹ mit südlichem Winde auf nördlichem Kurs und spielend durchschnitt ihr messerscharfer Bug die leichtbewegte blaue See.

*

Indessen suchte Mr. Hickman Anthony im Kartenhaus auf. Er brannte vor Ungeduld, Glasgow zu erreichen und beruhigte sich erst ein wenig, als ihm Kirkpatrick ankündigte, daß man den schottischen Hafen am folgenden Nachmittag anlaufen werde.

Der Geschäftsmann brachte nun einige Papiere zum Vorschein und begann darin herumzublättern. »Wir müssen dreißig Faß Tran übernehmen«, sagte er. »Es handelt sich um erstklassiges Walöl, das in der Südsee fabelhaft bezahlt wird.«

»Das habe ich auch schon gehört, Sir.«

»Ich denke, wir verstauen das Zeug im Laderaum hinter dem Großmast«, fuhr der andere eifrig fort. »Es ist eine kleine Spekulation meines Freundes Richards, den wir übrigens später wahrscheinlich treffen werden. Er legt großen Wert auf die Sache und schließlich haben wir ja Platz genug.«

Anthony zuckte die Achseln, sodaß ihn Hickman mißtrauisch von der Seite ansah. Sehr mitteilsam und gesprächig war dieser Seemann ja gerade nicht. Er blieb indessen freundlich wie immer und entfernte sich mit einem Scherzwort auf den Lippen.

Pünktlich um zwei Uhr des folgenden Tages lief die Jacht in den Firth of Clyde ein und wand sich durch das von Kohlenrauch überhangene Gewimmel von Schiffen aller Art, bis sie schließlich am Lancefield Kai festmachen konnte. Anthony kannte die Stadt Glasgow recht gut, denn die ›Armentic‹ pflegte zur jährlichen Überholung hierher zu kommen. Felicia, die ihm während der letzten Stunden betont aus dem Wege gegangen war, erschien in einem sehr geschmackvollen Kostüm und begab sich allein an Land.

Fast unmittelbar darauf wurde der angekündigte Walfischtran angefahren, und alsbald begann die Verladung der schweren, fettigen Fässer, deren jedes mit dem Stempel einer bekannten Transiederei gekennzeichnet war. Anthony selbst leitete die Übernahme, und sein Gesicht schien dabei so furchtbar gleichgültig, als habe er eine Maske vorgebunden. Unweit von ihm saß Mr. Hickman und rauchte. Später ging letzterer ebenfalls in die Stadt und kehrte erst bei einbrechender Dunkelheit zurück. Kurz nach ihm erschien auch Felicia.

»Kapitän«, sagte Hickman nervös. »Können wir die Geschichte nicht ein wenig beschleunigen? Es wäre mir äußerst lieb, wenn wir mit der Ebbe um drei Uhr früh auslaufen könnten. Geht das?«

»Gewiß, Sir«, versetzte Anthony. »Haben ja gar keinen Grund, noch länger hier zu bleiben. Allerdings muß ich bis dahin die Schiffspapiere beieinander haben.«

»Drei Uhr nachts?« wunderte sich Felicia, die dem Gespräch zugehört hatte. »Was für eine dumme Zeit, um zu einer so langen Reise aufzubrechen! Ich hätte mir die Ausfahrt so gerne angesehen.«

»Aber mein sehr verehrtes Fräulein, warum denn das? Ist doch viel behaglicher in der Koje.«

Felicia lachte. »Ich werde trotzdem an Deck sein. Natürlich denke ich nicht daran, die ganze Nacht aufzubleiben, aber meine Zofe wird mich rechtzeitig wecken.«

»Na schön«, murmelte Mr. Hickman, der andere Dinge im Kopf zu haben schien. Er zog Kirkpatrick beiseite. »Sehen Sie mal her, Schiffer. – Ich habe vorhin ein Telegramm von meinem Teilhaber Richards bekommen.« Er zog das Formular aus der Tasche. »Ich brauche notwendig ein paar wichtige Dokumente, die derzeit noch in einem Büro in der Kenmure Street liegen. Und zwar im Hause Numero 10. Nun weiß ich aber nicht, wo das ist. Finden Sie sich in diesem Nest zurecht?«

»Wie in meiner Tasche, Sir. Kenmure Street liegt südlich des Flusses in einer nicht ganz einwandfreien Gegend.«

»Ach, da würden Sie mir wirklich einen sehr großen Gefallen tun, wenn Sie die Stücke für mich holen wollten. Wissen Sie, sie sind unbedingt vertraulich zu behandeln, sodaß nur Sie oder ich sie in die Hände nehmen dürfen.«

»Gerne«, sagte Kirkpatrick. »Ich muß sowieso nochmals an Land.«

»Ich danke Ihnen, mein Lieber. Es ist wirklich ein Segen, wenn man einen so zuverlässigen Menschen zur Hand hat.«

Ohne zu antworten, eilte Anthony an Land und ließ sich nach Pollockshields übersetzen. Ein kalter Wind peitschte ihm Regenschauer ins Gesicht. Obwohl es stockfinster war, gelang es ihm dank seines ausgeprägten Ortssinns, die angegebene Adresse ohne wesentliche Mühe zu finden. Im Kontor von C. Menzies & Söhne brannte noch Licht. Er zeigte seinen von Hickman geschriebenen Ausweis vor, und ein älterer Herr, der durchaus den Eindruck eines Schiffsmaklers machte, händigte ihm einen ziemlich dicken, mehrfach versiegelten Umschlag ein.

Kirkpatrick steckte das Paket in die Innentasche seines Jacketts und machte sich auf den Heimweg. Die Straßen waren fast völlig menschenleer, und auf dem Pflaster hallte sein eiliger, fester Schritt. Immerfort mußte er an Felicias rote Haare und ihre widerspenstigen, herausfordernden blauen Augen denken. Während er so durch die abgelegenen Gassen ging, suchte er sich die Lage zu vergegenwärtigen, und immer mehr reiste in ihm der Entschluß, Felicia auf die eine oder andere Weise aus dieser verdächtigen Unternehmung herauszumanövrieren.

Plötzlich fand er die Lösung. Er wußte jetzt, wie er es anfangen mußte, und pfiff vergnügt vor sich hin.

Seine Gedanken kreisten noch immer in den Wolken, als er an einer schlecht beleuchteten Straßenecke glaubte, zwei schattenhafte Gestalten zu bemerken, die sich ihm von verschiedenen Seiten näherten. Sofort befanden sich seine Sinne in höchster Alarmbereitschaft, und seine Faust traf den einen der beiden Burschen derart unter das Kinn, daß der Kerl der Länge nach hinstürzte. Blitzschnell warf sich der Seemann herum und stieß mit aller Wucht nach dem Gesicht des zweiten Angreifers. Im selben Augenblick aber krachte irgend etwas auf seinen Schädel nieder, und wie ein gefällter Baum brach der große Kirkpatrick zusammen. Weiß hob sich sein nach oben gewandtes Gesicht vom dunklen, feuchten Boden ab. Ein dünnes Blutbächlein sickerte über den Randstein.


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