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24. Kapitel.
Mr. Hickman geht an Land

Einige Sekunden lang war Kirkpatrick einfach sprachlos. »Also doch!« stieß er endlich hervor.

»Konnten Sie sich ernstlich einbilden, daß ich an Bord bleiben und es Ihnen überlassen würde, sich gegebenenfalls für mich aufzuopfern?« verteidigte sich Felicia.

»Wer ich winkte Ihnen doch noch zu, als wir absetzten?!«

»Das war Sarah Hignett, die meine Rolle spielte.«

»Na ja«, seufzte er mit komischer Verzweiflung. »Sie haben mal wieder Ihren Willen durchgesetzt, und nun müssen wir eben sehen, daß alles klar geht. Hat Ihnen vielleicht sonst noch jemand zu diesem Streich verholfen?« Er warf einen schiefen Blick auf Hickman.

»Nein. Ich habe das ganz auf meine Kappe genommen. Eins aber soll jedermann wissen. Der da –« sie deutete auf Sims, der immer noch halb benommen am Boden hockte und sie tückisch blöde anglotzte, »der Mensch lag die ganze Zeit neben mir, und als man zum letztenmal hinter uns herschoß, zog er seinen Revolver und legte auf Mr. Kirkpatrick an, und da nahm ich schnell eine Nadel und stach ihn in die Hand. Das war es, weswegen er so brüllte –«

Eine donnernde Lachsalve antwortete ihr.

»Is nich wahr!« schrie Sims wütend. »Ich –«

»Halt's Maul, du Jammerlappen, oder ich stopf dir's«, drohte einer der Leute und hielt ihm die Faust unter die Augen. »Von dir ham wir nu de Nase voll, mein Junge! – Käppen, fahren Se man unbesorgt drufflos.«

Mit einer Stundengeschwindigkeit von vier Seemeilen setzte der »Rum-Runner« vorsichtig seinen Weg stromaufwärts fort. Nach einiger Zeit glitt man unter einer Eisenbahnbrücke durch, die Anthony als zur Küstenlinie gehörig erkannte. Etwas später bog der Mechaniker, der seit längerem das Ruder übernommen hatte, in einen Seitenarm des Flusses ein und verringerte die Fahrt noch mehr. Rechts und links trat dichtes Buschwerk bis hart an den Fluß, und die faulige, miasmenreiche Luft ließ erraten, daß man sich dem berüchtigten Sumpfgebiet näherte. Einige der Leute waren untergekrochen, rauchten ihre Pfeifen und schwatzten mit halblauten Stimmen. Der hin und wieder aufglühende Tabak erhellte auf Sekunden die markanten Gesichter.

Sims hatte sich abseits niedergelassen und schien giftgeschwollen wie eine Cobra, während Mr. Hickman seinerseits wieder ängstlich die Nähe des Schiffers vermied. Er suchte indes den Harmlosen zu spielen und sog schweigend an seiner Zigarre. Felicia verlebte das alles wie im Traum. Das taktmäßige Stampfen des Motors, das Gemurmel der Stimmen und rings die feuchtwarme Tropennacht erweckten in ihr das Gefühl der Unwirklichkeit.

Außer ihr und Kirkpatrick befand sich nur noch der kleine Mechaniker im hinteren Teil des Fahrzeugs. Plötzlich bemerkte Felicia einen Mann, der sich ganz dicht neben ihr auf der Ladung niedergelassen hatte. Er verhielt sich mäuschenstill, starrte sie aber aus dunklen, glühenden Augen in nicht mißzuverstehender Weise an, wobei sich seine dicken Lippen zu einem höchst widerwärtigen Grinsen verzogen.

Es war Carquinez.

Eben jetzt verließ Anthony seine Stelle neben dem Steuermann und kam einige Schritte vorwärts. Er lehnte sich über die Seite und suchte die Entfernung des Ufers festzustellen. Dabei bemerkte er den Mexikaner, der sich ein wenig aufgerichtet hatte.

»Sie da«, sagte er ganz ruhig, »gehen Sie nach vorn.«

Der Mann schien nicht zu hören. Jedenfalls tat er wenigstens so; da brachte der Glanz seiner lüsternen und bösen Augen Anthonys Blut in Wallung. Dessen Faust traf ihn derart zwischen die Brauen, daß der Mexikaner wie ein Klotz zwischen die Fässer fiel. Felicia zog sich eilig gegen das Heck des Bootes zurück.

»Habe jetzt keine Zeit für langatmige Erklärungen«, knurrte der Seemann. »Cassady, passen Sie auf, daß Sie uns nicht auf Schlamm setzen!«

Die anderen Männer wurden unruhig.

»Was zum Kuckuck is 'n nu wieder los?!« schrie jemand.

»Recht geschieht's ihm«, beruhigte Cassady. »Was braucht er seine gelbe Visage der Dame unter die Nase zu halten? – Käppen, ich würde aber an Ihrer Stelle vorsichtig sein. Der sticht gern.«

Anthony war stets für einen guten Rat dankbar. Er beugte sich daher über den Daliegenden, zog das »Cuchillo« – ein dolchartiges Messer – aus der Lederscheide des Mexikaners und schleuderte die Waffe in den Fluß.

»Hier ist die Stelle, die ich meine«, fuhr der Mechaniker fort. »Sollen wir weiterfahren, oder –?«

»Stop!« befahl Kirkpatrick und kletterte auf die Ladung, um besseren Überblick zu gewinnen. »Ist das 'ne Insel?«

»Nein, das Ufer, Käppen. Und von hier führt ein Pfad zum Lager.«

Eine schmale Bucht öffnete sich. Gleich darauf raschelte die Bootsspitze im dichten Schilf und stieß dumpf gegen den Strand.

Durch die leichte Erschütterung kam Carquinez wieder zu sich. Noch etwas benommen stand er auf und stolperte als erster an Land.

»So, nun schnell den Bootsanker 'rüber«, befahl Anthony. »Und dann die beiden oberen Fässer ausgeladen. – Hier, diesen Sack mit Proviant könnt ihr auch gleich mitnehmen.«

Die Besatzung bedurfte keines Ansporns. Durchnäßt und steif von dem engen Beieinanderhocken, wie sie waren, machten sich die Männer jetzt eifrig an die Arbeit.

»Käppen«, sagte der Steuermann besorgt und leise: »Binnen kurzem werden wir 'ne furchtbare Schweinerei erleben, wenn die Kerle über den Whisky geraten.«

»Wenn nur die Führer nüchtern bleiben, ist's nicht so schlimm«, versetzte der Schiffer. Er ging nach vorn und traf auf den ausgebrachten Hickman.

»Kapitän!« fauchte der, »Sie haben keinerlei Recht, derartig eigenwillige Verfügungen zu treffen! – Ums Himmels willen, was fangen wir nachher mit den Betrunkenen an? – Ich jedenfalls wasche meine Hände in Unschuld!«

Vom Ufer her, wo jetzt die ganze Besatzung versammelt war, ertönte Stimmengewirr und rohes Gelächter.

»Mr. Hickman«, erklärte Anthony, »ich glaube, Sie deutlich genug gewarnt zu haben, mir in den Kram zu reden. Aber da es sich hier mehr um Ihre Leute, als um die meinigen handelt, halte ich es für notwendig, daß Sie bei ihnen bleiben. Meinen Vertrag erfülle ich, wie ich versprach, aber Schiffskameraden sind wir nun lange genug gewesen!«

Ehe der fassungslos verblüffte Hickman noch recht wußte, wie ihm geschah, fühlte er sich von kräftiger Faust beim Kragen gepackt und wie ein Kleiderbündel ans Ufer gewirbelt, wo er zunächst der Länge nach in den Schlamm fiel. Mit einem energischen Schnitt seines Bordmessers kappte der Seemann das dünne Ankertau und warf den Motor an. Der Auspuff knatterte wie ein Maschinengewehr, und im nächsten Augenblick glitt das Boot rückwärts in den Fluß zurück.


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