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28. Kapitel.
Dan Ricardo greift ein

Als das Schnellboot auf seiner Flußfahrt sich vorsichtig seinem Bestimmungsort Palmers Shack näherte, wurde es von einem hochgewachsenen Mann beobachtet, der sich mit seinem kleinen Fahrzeug in einem von Buschwerk dicht überhangenen Seitenarm des Flusses verborgen hielt.

Und als dann bei der Landung des vermeintlichen »Rum-Runners« von allen Seiten die Häscher herbeistürzten, ließ er ein genießerisches, leises Lachen hören. »Geschnappt«, murmelte Dan Ricardo erleichtert. »Es war höchste Zeit.«

Noch eine halbe Stunde lang wartete der Lauscher, bis es rings wieder stille geworden war. Dann erst schob er sich behutsam aus dem Versteck hervor, ließ das Boot ein gutes Stück treiben und warf dann vorsichtig den Motor an. Mit gedrosseltem Auspuff schnurrte das Fahrzeug der Flußmündung zu.

Seit zehn Tagen trieb sich Mr. Ricardo hier in der Gegend herum, um auf das Eintreffen der »Arrow« zu lauern. Endlich waren seine Bemühungen von Erfolg gekrönt worden. Kein Wunder, daß der zweifelhafte Ehrenmann jetzt ein äußerst zufriedenes Gesicht machte.

Er lehnte sich zurück und überließ sich für ein Weilchen angenehmen Träumereien. Ein wohlverdientes großes Vermögen, das beschauliche Dasein eines reichen Mannes, das waren die schönen Bilder, die ihm seine Phantasie vorgaukelte. Plötzlich bemerkte er am linken Ufer zwei menschliche Gestalten, die sich scharf gegen den flammenden Osthimmel abhoben. Die eine hockte teilnahmslos am Boden, die andere aber winkte und schrie aus Leibeskräften.

Dan richtete sich auf und beschattete die Augen mit der Hand. »Wohl wieder mal so'n verrückter Nigger, oder – Allmächtiger Gott, 's ist Jim Hickman!«

Durch das plötzliche Erscheinen seines Kumpans beunruhigt, beeilte sich Dan an Land zu kommen. Hickman befand sich in einem bemitleidenswerten Zustand physischer und psychischer Erschöpfung. Begreiflich, daß ihn sein Freund von weitem für einen Farbigen gehalten hatte. Von oben bis unten war er mit schwärzlichem Schlamm bedeckt, und als er nun auf den Kameraden zugewankt kam, schien er einer Ohnmacht nahe.

»Ach du lieber Himmel! – Schreckliches habe ich durchgemacht, Dan!«

»So siehst du allerdings aus«, meinte der andere trocken und reichte ihm die Feldflasche. »Aber mach' doch nicht so'n Leichenbittergesicht, Mensch. Wir haben ja alles erreicht, was wir wollten.«

»Im Gegenteil, Dan – im Gegenteil! – Restlos reingefallen sind wir!« Seine Hände zitterten, als er die Flasche entkorkte und gierig an den Mund setzte. »Ich konnte aber wirklich nichts dafür, Dan. – Kein Mensch vermochte das vorauszusehen!«

»Was schwatzt du denn da für albernes Zeug?« schnauzte ihn sein Kumpan an. »Sie haben ja die Drew, ihren verwünschten Freund und den Whisky erwischt. Das habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen. Was willst du noch mehr?«

»Jawohl, – eine Ladung Seewasser haben sie erbeutet!« fiel ihm Hickman in die Rede. Er begann fast zu weinen, und die Knie drohten ihm zu versagen.

Ricardo, der glaubte, der andere spräche im Fieber, packte ihn beim Ärmel und führte ihn abseits, wo er ihn an einer geschützten Stelle zu Boden gleiten ließ. »Jetzt reiß' dich zusammen, Mensch«, herrschte er ihn an. »Wovon sprichst du eigentlich?«

»Kirkpatrick hat uns übertölpelt. Die Leute wollten durchaus trinken, und schließlich gab er nach und landete – und ließ eins der Fässer ausladen. Wie sie alle draußen waren, hat er mich in roher Weise ans Ufer geworfen und ist ohne uns davongefahren. – Dann haben wir das Dings angezapft, und es war nichts als Seewasser drin. – Oh, es war schauderhaft! – Die Kerle wollten sich an mir schadlos halten und plünderten mich ratzekahl aus. Fünfzehnhundert Dollar beim Teufel! – Und was sie dann noch mit mir machten – aber das gehört nicht hierher. Sims ließ mich schmählich im Stich und verduftete, nur Carquinez ist bei mir geblieben. Wer – nun ist ja alles egal, und wir können unseren Laden zumachen!«

Während dieses Berichts waren Ricardos Züge immer finsterer geworden, und seine Augen begannen zu glühen. Er schwieg indessen, bis Hickman fertig war.

»Du siehst also, Dan«, schloß der Unglückliche, »daß wir gar nichts tun konnten. Ohne den Schiffer wäre auch das Mädel nie mitgekommen. Der Hauptfehler wurde eben in Glasgow begangen, als der von dir gemietete Bursche ihn nicht kalt machte. Viel leicht hätte man ihn noch an Bord erledigen können, aber dazu fehlte schon die Zeit.«

»Ach, sei doch still«, unterbrach ihn sein Komplice geringschätzig. »Was soll ich mich über dich aufregen? Fertig bin ich mit dir, mein Lieber! – Höre nur ums Himmels willen mit deinen Entschuldigungen auf, sonst erwürge ich dich gleich hier an Ort und Stelle. Ich habe weiß Gott genug Sorgen, denn wenn es nicht gelingt, die Drew mitsamt diesem langen Laban zur Strecke zu bringen, bin ich verloren. Hier geht's auf Biegen und Brechen. Und darum nehme ich die Sache jetzt selbst in die Hand.«

Hickman glotzte verständnislos. »Was hast du denn vor, Dan? – Jetzt sind sie dir einmal durch die Lappen gegangen, und obendrein wissen sie nun ganz genau, was mit uns los ist.«

»Schweig mit deinen blödsinnigen Ansichten und beantworte mir lieber meine Fragen! Gleich nach dem ›Runner‹ kam noch ein kleines Motorboot vorbei, das wahrscheinlich zur ›Arrow‹ gehört. Wer saß da drin?«

»Wahrscheinlich McBrayne, der Obermaschinist. Ich habe das Dingi auch gesehen. Der Bursche hält es mit dem Schiffer, der ihm die Obhut über Felicia anvertraute. Wie das Mädel dann heimlich mit uns davon ist, wird er uns nachgefahren sein.«

»So? – Und wer führt jetzt das Kommando an Bord? Wer ist denn überhaupt noch da?«

»Nur noch der zweite Maschinist Stewart und der Steuermann Craft, der aber nicht zählt.«

Ricardo versank in Nachdenken. Eine geraume Zeit verhielt er sich schweigend, und lediglich das Spiel seiner Gesichtsmuskeln verriet seine innere Erregung.

»Die Sache liegt also folgendermaßen«, begann er endlich mehr zu sich selber. »Die Drew, Kirkpatrick und der Maschinist werden wieder freigelassen, weil man ihnen nichts nachzuweisen vermag. Natürlich gehen sie baldmöglichst wieder an Bord um so mehr, als sie über das Rennboot verfügen. Ihr Weg aber führt sie notwendigerweise hier vorbei, und hier ist es demnach, wo wir ihnen eine Falle stellen müssen. Mit halben Maßregeln dürfen wir uns nun allerdings nicht mehr aufhalten, denn jetzt gilt es schnell und gründlich reinen Tisch zu machen.«

»Du meinst –?«

»Ja, das meine ich. – Bisher wagte ich es nicht, weil viele Gründe dagegen sprachen. Jetzt aber bleibt uns gar keine andere Wahl mehr. Das Mädel muß verschwinden, denn das ist unsere letzte Chance. Sobald sie und dieser vermaledeite Ire erst einmal in Miami sind, hetzen sie uns ohnehin den ganzen Polizeiapparat auf den Hals. Also werden wir da beizeiten einen Riegel vorschieben.«

Ricardo pflückte gedankenverloren einen langen Grashalm ab und wickelte ihn um den Finger. »Ja, ja – reinen Tisch«, murmelte er und sah seinen Partner mit rätselhaftem Lächeln von der Seite an.


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