Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

25. Kapitel.
Was Anthony erwartet hatte

Der neuerliche Start des »Rum-Runners« ging derart plötzlich und ruckartig vonstatten, daß Cassady, der sich noch als einziger der ursprünglichen Besatzung an Bord befand, taumelte und heftig gegen das Steuerruder fiel. Felicia kam glimpflicher davon, weil Kirkpatrick sie noch gerade rechtzeitig hatte warnen können. Etwa fünfzig Meter vom jenseitigen Ufer entfernt, brachte Anthony das Boot zum Stehen.

Vom Landungsplatz scholl wüstes Fluchen und Brüllen herüber. Es hörte sich so an, als entwickle sich dort eine tüchtige Prügelei.

»Ausgeschmiert!« schrie jemand mit vor Wut überschnappender Stimme. »Warum läßt du'n auch los, Mensch?!«

Dann flammte zweimal das Mündungsfeuer einer Pistole auf, die einer der Banditen blindlings in die Dunkelheit abschoß.

»Bringste gleich das Boot zurück, infamer Gauner?!« tobte ein anderer, worauf sich eine tiefe Stimme einmischte, die offensichtlich einem Philosophen gehörte: »Laß 'n doch loofen, wenn's ihm Spatz macht. Solange wir hier unseren Zahlmeister ham, kann uns det wurscht sin.«

Das Geschrei ebbte ab.

»Gute Geschäftsleute, das!« grinste Anthony. »Sie werden schon mit unserem lieben Hickman handelseinig werden. Aber nun los, Cassady; lassen Sie bitte die Maschine angehen.«

Felicia sagte nichts. Durch das unerwartete Intermezzo hatte sie beinahe einen kleinen Nervenschock erlitten und saß nun krampfhaft lachend auf einem der Fässer.

Cassady aber schien wie versteinert. »Was um alles in der Welt soll's denn nun geben?« stotterte er.

»Sehr einfach. Wir fahren weiter den Fluß hinauf bis zum ›Drop‹. Es sind einige Kreaturen unter Ihren Kameraden, die ich nicht länger bei mir haben will. Mr. Hickman wird schon mit Ihnen zurechtkommen. Darum ist mir gar nicht bange. Sie aber brauche ich als Lotsen. Wie ist das Fahrwasser weiter stromauf?«

»Die nächsten acht Meilen ist es noch ganz gut«, versicherte der kleine Mann.

»Na, dann nehmen Sie einstweilen die Wache, aber fahren Sie bis Mondaufgang recht langsam und vorsichtig.«

Cassady gehorchte, und Kirkpatrick ging nach vorne, wo er es sich neben Felicia einigermaßen bequem machte. Der Mechaniker war jetzt durch die aufgeschichteten Fässer ihren Blicken entzogen.

»Netter kleiner Kerl, der Cassady«, meinte der Seemann.

Langsam glitt das Motorboot stromauf, und hinter ihnen in der Dunkelheit erstarb das Lärmen der Banditen.

»Sind Sie mir sehr böse, weil ich eigenmächtig mitgekommen bin?« fragte das junge Mädchen.

»Durchaus nicht.«

»Ich bin wirklich todmüde«, fuhr sie fort und ließ sich halb zu Boden gleiten. Matt strich sie ihr feuchtes Haar aus der Stirne und blickte ihn an.

Und dann – dann schlang dieser lange Mensch plötzlich einen Arm um sie, zog sie an sich und küßte sie, – küßte sie mit solch bebender Leidenschaft, daß Felicia fast die Sinne schwanden. Ein Schauer des Glücks durchrieselte sie, als nun auch sie die Arme um seinen Nacken warf und seine Küsse heiß und hingebungsvoll erwiderte.

»Thony – danach habe ich mich gesehnt, seit wir Finisterre verließen.«

»Ich noch viel länger«, gab er selig zurück.

»Warum tatest du es denn nicht?«

»Erst mußte ich das Schiff, Hickman und seine Bande los sein. Jetzt aber – ich weiß nichts, ich denke nichts, als daß ich dich liebe, Felicia!«

»Thony! – Liebster!«

»Wieviel besser das klingt als Kirkpatrick«, lächelte er.

»Du Herzensmädel – dich habe ich nun, dich lasse ich nicht mehr los! – Was kümmert mich die Welt?!«

»Thony –«

»Käppen!« schrie Cassady plötzlich. »Bitte, kommen Sie her und nehmen Sie das Ruder. Ich muß nach vorne aufpassen, daß wir die Landungsstelle finden.«

Anthony lachte und wandte sich an Felicia. »Wir sind an Ort und Stelle, und da habe ich dir etwas zu sagen, was unser Freund hier auch gleich mithören kann.«

Er sprach ein paar Worte mit leiser Stimme.

Der Erfolg war überwältigend. Felicia setzte sich hin, als wenn ihre Knie sie nicht mehr trügen, während der Kleine einen wilden Luftsprung vollführte und dann derart lachte, daß ihm die Tränen über die Backen liefen.

»Los dafür, Käppen!« schrie er und warf den Motor an. Gleich darauf lag das Boot dicht vor einer mit Palmenblättern gedeckten Hütte an Land. Die beiden Männer sprangen ans Ufer und machten das Fahrzeug fest.

»Jetzt bleibe ich aber bis zum Schluß dabei«, jubelte der ausgelassene Cassady. »So etwas muß der Mensch gesehen haben!«

Das Lachen erstickte jäh in seiner Kehle, denn auf einmal wimmelte es von schattenhaften Gestalten, die von allen Seiten herbeistürzten. Der blinkende Lauf eines mächtigen Polizeirevolvers wurde Kirkpatrick vor die Brust gehalten.

»Hände hoch!« befahl eine stahlharte Stimme. »Sonst knallt's!«

Noch nie im Leben war Anthony so schnell einer Einladung gefolgt.

»Laß sie bloß nich wieder 'runter, mein Junge«, fuhr der Hüter des Gesetzes fort. Er war ein Hüne von Gestalt, der ihn mit einer Art grimmigen Wohlwollens musterte. »Solche Satansbraten wie euch warne ich nicht zweimal! – Heda, Spike! Komm' doch mal her und suche dem Kerl seine Taschen durch.«

Cassady stand gleichfalls regungslos w:c ein Marmorbild, und während zwei Pistolen sie in Schach hielten, wurden die beiden Männer eifrigst aus Waffen durchsucht.

»Nichts zu machen.« Anthony schmunzelte ganz gemütlich. »Denke, daß wir diesmal an die richtige Adresse gekommen sind?«

»Wieso?«

»Nun, hoffentlich haben wir es mit der gestrengen Polizei zu tun, denn auf neue Abenteuerchen mit ›Hi-Jacker‹ lege ich nicht den geringsten Wert.«

Anthonys Überwinder steckte den Revolver wieder ein. »Mach' mir keine Flausen vor, Freundchen,« knurrte er. »Auf deiner Gefängnispritsche kannst du noch lange genug über deine Dummheit nachdenken, aber damit du's nur weißt: Du bist vom obersten Prohibitionsagenten des Distrikts geklappt, und wenn dir das 'ne Genugtuung ist, dann heiße ich dich feierlichst in meiner Mustersammlung von Spitzbuben willkommen.«

»Gott sei Dank!« seufzte Kirkpatrick erleichtert auf. »Ich habe Sie erwartet.«


 << zurück weiter >>