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31. Kapitel.
Gefangen

Halb erstickt und nach Atem ringend tauchte Felicia wieder an die Oberfläche. Noch verlieh ihr die in ihren Kleidern enthaltene Luft einigen Auftrieb, aber lange konnte sie sich nicht mehr halten.

»Thony!« schrie sie angstvoll. »Thony!«

Im selben Augenblick gewahrte sie ihn, wie er regungslos mit nach oben gewandtem Gesicht aus sie zutrieb. Von seiner Stirne sickerte Blut. Er begann zu sinken. Instinktiv griff Felicia zu, krallte die Finger in seine nassen Haare und bemühte sich – selbst fast untergehend – ihn über Wasser zu halten.

Ein Boot stieß gegen sie, eine sehnige Hand packte sie unter dem Arm und riß ihren Kopf mit solcher Gewalt hoch, daß es sie schmerzte. Jedoch vermochte sie sich setzt irgendwo anzuklammern, während ihre Linke immer noch Anthony festhielt.

»Helft ihm zuerst!« keuchte sie. »Mir fehlt nichts, aber er ist verwundet.«

Sie hatte die Vision einer Habichtsnase und eines gelben Gesichts, das sich von irgendwoher über sie neigte, aber im Augenblick vermochte sie mit der Erscheinung nichts anzufangen.

Carquinez ließ ein brutales, krächzendes Lachen hören. »Hol 'sie alle beide an Bord, Pepé«, befahl er aus spanisch. »Schmeiß den Anker weg, Schafskopf, sonst treiben wir 'ne Meile ab, ehe wir die im Netz haben.«

Der mit Pepé angeredete Mann gehorchte und gleich darauf befand sich Felicia in verhältnismäßiger Sicherheit. Die Rettung Kirkpatricks ging nicht so leicht vonstatten, denn der schwere, bewußtlose Körper ließ sich nur mit größter Mühe in das Boot heben. Kaum lag er auf den Planken, als Felicia neben ihm niederkniete. Sie war in solcher Sorge um ihren Thony, daß sie nichts von den Schüssen hörte, die Dan Ricardo abfeuerte. Er lief weiter unten am Ufer entlang und fluchte entsetzlich.

Als das Rennboot gegen das Drahtseil gestoßen war, erging es auch McBrayne in seinem Dingi schlecht. Nur fiel Mac über Bord, ohne daß sein Fahrzeug völlig kenterte. Vielmehr riß es sich von dem sinkenden »Runner« los und trieb in halbgefülltem Zustand den Fluß hinunter, während sein Insasse zunächst wie ein Sack unterging und erst nach geraumer Zeit wieder an die Oberfläche kam. Als sein halb erstauntes, halb erschrockenes Gesicht wieder auftauchte, blieb Ricardo, der am Ufer mitgelaufen war, stehen und feuerte viermal schnell hintereinander. Drei Kugeln peitschten das Wasser, aber die vierte traf. Das bleiche Gesicht färbte sich rot und verschwand. Noch einmal streckte sich eine Hand empor, ehe der schwere Körper endgültig versank und die Strömung ihn um die nächste Biegung davonriß.

»So ist's gut!« grölte Carquinez. Er riß den Anker aus dem Grund und befahl seinen Leuten, in einen Seitenarm hineinzurudern. »Ich bin mit meinem Fischzug zufrieden und brauche nichts mehr!«

»Um den anderen braucht ihr euch nicht zu kümmern«, schrie Dan zurück. »Dem gehe ich noch nach. Seht nur zu, daß ihr euch hier samt eurer Fracht bald unsichtbar macht!«

Der Mexikaner lachte und winkte zum Abschied mit seinem Sombrero. Dann aber beugte er sich über den daliegenden Gefangenen und riß Felicia, die ihm gerade mit dem Taschentuch die Stirn abwischte, roh zur Seite.

»Nichts Besonderes«, brummte er, nachdem er die Wunde beaugenscheinigt hatte. »Zäher Bursche, der Gringo. Ich werde Ihnen noch zeigen, wie zähe er ist. Du Pepé, binde ihn erst mal – aber gehörig. Man darf sich in acht nehmen, wenn er loskommt.«

Der Genannte kam herbei und tat, wie ihm geheißen.

»Sie Schuft!« schrie Felicia außer sich. »Sehen Sie denn nicht, daß er verwundet ist? – Vielleicht tödlich!«

Carquinez nahm gemächlich eine Mehrladepistole aus der Tasche des Bewußtlosen und richtete seine widerwärtigen Augen auf das Mädchen. »Das wäre wirklich schade«, grinste er tückisch. »Er ist aber – glücklicherweise nur leicht verletzt.«

Dann erteilte er einen Befehl, worauf zwei der Männer auch Felicia fesselten. Bei der Berührung durch die schmutzigen Hände geriet sie in Wut und setzte sich verzweifelt zur Wehr. Einer der Banditen stieß einen Schmerzensschrei aus und schüttelte seine blutende Klaue.

»Teufelin!« brüllte er unter dem Hohngelächter seiner Kameraden. »Die beißt wie ein Jaguar!«

»Das tun die Rothaarigen gerne, Amigo!« lachte sein Gebieter. »Ich bevorzuge diese rote Farbe wegen des Temperaments, sei's bei Pferden, sei's bei Weibern.« Er drehte sich mit geschickten Fingern eine Zigarette und lächelte Felicia verheißungsvoll an.

*

Langsam öffnete Anthony die Augen. Die Wunde hatte aufgehört zu bluten, und er versuchte sich zu bewegen, brachte es jedoch nicht fertig. Als seine Blicke diejenigen Felicias trafen, atmete das Mädchen erleichtert auf.

»Thony«, rief sie leise.

Er antwortete ihr nicht; er sah nur ihre Fesseln und da entrang sich ein Stöhnen seiner Brust.

Plötzlich kam Carquinez, der beide bisher schweigend beobachtet hatte, näher und nahm dicht neben seinen Gefangenen Platz. »Ich sehe zu meiner Freude, daß sich der Senor erholt«, sagte er grinsend. »Zwischen mir und dem Senor ist noch eine kleine persönliche Angelegenheit zu erledigen, wie er gewiß begreifen wird. Man muß eben stets für gemachte Fehler bezahlen.«

»Du gelber Mischling«, versetzte Anthony, »mein größter Fehler bestand darin, daß ich dich nicht totschlug. Wenn ich nur meine Hände frei hätte, so würde ich es wahrhaftig gerne nachholen.«

Die Augenlider des Banditen senkten sich ein wenig. Er rückte noch näher, und seine Wangen zuckten, als er zu Felicia hinüberblinzelte. »Bald wird der Capitan ein anderes Lied singen«, flüsterte er. »Er hofft wohl, mich durch seine Sprache zu einer Torheit hinzureißen? – Hier ist leider nicht der Ort, wo wir uns gemütlich unterhalten können. Nur noch eine kurze Weile, dann werden wir einen schön gelegenen Platz erreichen, wo wir imstande sind, Ihnen und der Dame die bescheidene Gastfreundschaft der Wildnis zu bieten.«

Er schrie seinen Leuten etwas zu, worauf sie sich mit verdoppeltem Eifer in die Riemen legten, und wenige Minuten später landete man an einer freien Stelle, von der aus ein schmaler Pfad weiter in die Sümpfe führte.

Die Gefangenen wurden ausgeladen, und nachdem man ihnen die Fußfesseln gelöst hatte, befahl ihnen Carquinez aufzustehen.

Dann rief er einen seiner Spießgesellen herbei. »Du bringst das Boot über die Lagune und versteckst es wie gewöhnlich. Später kannst du uns bei den drei Bäumen wieder treffen.«


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