Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

18. Die Chinesen

Nach seiner Zusammenkunft mit dem Sheriff und der Annahme des Amtes wollte Hetson eigentlich Siftly mit in sein Zelt nehmen, um dort noch einiges mit ihm zu besprechen. Dem lag aber daran, mit Smith etwas anderes zu bereden. Jetzt, wo er die Wahl durchgesetzt hatte, wollte er die Zeit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Er wußte ja, daß der Alkalde Wachs in en Händen sein würde. Er wußte, daß ihn sein guter Stern zu keinem günstigeren Moment in diese Minen führen konnte als jetzt.

Hetson hatte einige freundliche Worte mit den anderen Amerikanern gewechselt und wurde dann von Briars völlig in Beschlag genommen. Er verlangte von ihm, daß die gestern vorgeschlagenen Maßregeln gegen die Fremden durchgeführt wurden. Hetson dachte aber gar nicht daran, sich noch einmal durch einen Überfall für etwas gewinnen zu lassen. Er wich dem jungen Hitzkopf dadurch aus, daß er ihm versicherte, er würde sofort eine Versammlung der Bürger der Vereinigten Staaten zusammenrufen, sobald er vom County Court seine Bestätigung als Alkalde erhalten hätte. Vorher könne und dürfe er keine Entscheidungen treffen. Außerdem werde er alle Schritte mit dem Sheriff beraten. Nur halb zufrieden mit sich und dem, was er an diesem Morgen getan hatte, kehrte er in sein Zelt zurück, wo er Jenny und Manuela fand. Die Spanierin war tränenüberströmt.

»Was ist passiert?« rief er besorgt. »Was ist vorgefallen, Jenny? Hat jemand...«

»Mach dir keine Sorgen, Frank«, lächelte die junge Frau. »Es handelt sich nur um eine Furcht dieses armen Kindes. Sie sorgt sich um ihren Vater, der wieder seiner Spielleidenschaft nachgehen könnte, von der wir ihn kaum erst mit Gewalt gerettet hatten.«

»Ich begreife nicht...«

»Sie hat heute morgen ganz plötzlich den Mann wieder hier bei unserem Zelt gesehen, der ganz besonders ihren Vater zum Spiel verführt und ausgeplündert hat«, sagte die junge Frau.

»Hier bei unserem Zelt?«

»Er hat sich nach dir erkundigt und später selbst mit dir im Zelt gesprochen. Ich glaube, du bist sogar mit ihm fortgegangen.«

»Siftly?« rief Hetson erstaunt, fast erschrocken. »Aber das ist doch unmöglich!«

»Siftly heißt er«, bestätigte Manuela. »Von allen Männern, die die Gier nach Gold an diese Küste getrieben hat, unter allen, die nur vom falschen Spiel leben, ist Siftly der schlimmste.«

»Das ist unmöglich!« rief Hetson noch einmal, jetzt wirklich erschrocken. »Jenny, sie meint denselben Jugendfreund von mir, den wir in San Francisco in der ersten Stunde trafen und der uns bei der Wohnungssuche half!«

»Freund?« Manuela seufzte. »Der Mann kennt keinen anderen Freund als das Gold. Er allein ist schuld an unserem Unglück. Ich habe ihn auf den Knien gebeten, meinen Vater in Ruhe zulassen, bis er...« Sie wurde rot und versteckte ihr Gesicht in den Händen.

Hetson hatte sich auf einen Stuhl geworfen und sah nachdenklich vor sich hin. Vieles, was er bis dahin im Verhalten Siftlys nicht beachtet hatte, weil er zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt war, tauchte jetzt plötzlich wieder vor ihm auf. Und wenn Manuela recht hatte? Wenn dieser Mann – er sprang auf und ging im Zelt rasch auf und ab. Dann blieb er vor Manuela stehen und sagte freundlich:

»Sorgen Sie sich nicht, Manuela. Ich kann nicht glauben, daß Siftly so schwarz ist, wie Sie ihn malen.«

»Señor, ich hoffe, daß Sie es nie selbst erfahren werden!« sagte Manuela.

»Gut«, sagte Hetson freundlich. »Wir wollen wirklich annehmen, daß er spielt, ja, was noch schlimmer wäre, daß er ein wirklicher Spieler ist und Ihren Vater mehr und mehr verleitet hätte. Haben Sie aber keine Angst, daß das hier auch passiert. Bei dem ersten Versuch, den er machen würde, will ich selber mit ihm reden. Ich werde ihn bitten, den alten Mann in Ruhe zu lassen, wenn nicht Ihret-, dann meinetwegen. Ich glaube, ich habe genug Einfluß auf ihn, daß er mir diese einfache Bitte erfüllt. Sind Sie jetzt zufrieden?«

»Ich muß es sein«, sagte Manuela leise. »Ich habe mich hier so glücklich und froh gefühlt. Aber als ich ihn heute morgen wieder gesehen habe, in seine tückischen Augen geblickt habe, bin ich wieder unruhig. Eine Ahnung einer entsetzlichen Gefahr durch seine Nähe lastet auf mir. Ob sie mir oder einem anderen droht, weiß ich nicht. Aber ich möchte fliehen, fliehen, so weit mich meine Füße tragen, um ihr – und ihm zu entgehen.«

»Hat er Ihnen heute morgen etwas gesagt?«

»Nein, nur seinen Gruß. Aber er hat mich angesehen, und in diesem Blick lag alles, alles, wovor ich mich fürchte. Mir ist das Herz zu Eis erstarrt.«

»Und was denkst du von ihm, Frank?« erkundigte sich seine Frau leise.

»Ich weiß es wirklich nicht«, sagte Hetson freundlich. »Aber ich kann euch versichern, daß ihr, und besonders Sie, Manuela, nichts von ihm zu befürchten haben.«

»Ich bitte dich, meide ihn, Frank«, bat da Jenny. »Manuela würde nicht diese Anklage gegen ihn erheben, wenn sie nicht die Gewißheit hätte. Wenn dich nicht ein ganz besonderes Interesse an diesen Platz fesselt, dann laß uns lieber weiterziehen, und wäre es nur wegen der Ruhe dieses armen Mädchens.«

Hetson schwieg, eine eigene Unruhe überkam ihn. Er hätte gern seiner Frau nachgegeben, aber er war durch sein Versprechen gebunden. Die Stelle fesselte ihn nicht für immer an diese Scholle. Aber was hätten seine Landsleute gesagt, wenn er nach dem heutigen Morgen den Platz so schnell verlassen würde? Er durfte nicht, konnte jetzt noch nicht gehen. Gerade das, was ihn hier hielt, konnte auch die Befürchtungen beschwichtigen, die seine Frau und Manuela hegten. Er bezwang sich gewaltsam und sagte lächelnd:

»Macht euch keine Sorgen, Kinder. Die Sache ist nicht so schlimm, wie sie aussieht. Wenn ich auch deinen Wunsch nicht sofort erfüllen kann, Jenny, so ist mir heute morgen durch die Bürger die Macht gegeben worden, Unannehmlichkeiten von euch fernzuhalten. Ich bin nämlich zum Alkalden gewählt worden und habe die Stelle angenommen.«

»Stört dich das nicht bei deinem Vorhaben, hier die Ruhe und Einsamkeit zu genießen?« sagte seine Frau besorgt.

»Das schon, aber es gibt mir auch eine Beschäftigung. Auf die Dauer wäre vollständige Untätigkeit doch lästig geworden. Außerdem dreht sich die ganze Sorge eines Alkalden in den Minen doch wohl nur um einzelne, kleine und unbedeutende Streitigkeiten zwischen den Goldwäschern selbst, die ein ruhiger, leidenschaftsloser Mann bald beseitigen kann. In schwierigen Fällen wird eine Jury gewählt, und alle ersten Fälle, bei denen es um Leben und Tod geht, gehören vor das County Court und liegen außerhalb meiner Befehlsgewalt.«

»Und dieser Siftly?«

»Ich werde ein wachsames Auge auf ihn haben«, sagte Hetson nach einigem Zögern. »Ist er wirklich ein solcher Mensch, wie ihn Manuela schildert, dann hoffe ich, ihn im guten bewegen zu können, das Spiel zu lassen. Ich hoffe ja immer noch, daß Manuela in der Sorge um ihren Vater zu schwarz sieht. Siftly wird es auch tun, wenn er einsieht, daß er nicht anders kann«, setzte er finster und entschlossen hinzu.

»Ich fürchte mich jetzt selbst vor ihm«, sagte Mrs. Hetson.

»Das brauchst du wirklich nicht, Jenny«, antwortete ihr Mann. »Siftly hat sich lange Zeit im Westen unter dem rauhen Volk umhergetrieben und vielleicht manches von ihren Sitten und von ihrem Wesen angenommen. Ich halte ihn aber nicht für schlecht, und die Zukunft wird uns hoffentlich zeigen, daß ich mich darin auch nicht geirrt habe.«

Das Gespräch wurde hier durch den Sheriff unterbrochen, der herüberkam, um Einzelheiten mit dem Alkalden zu besprechen. Die Frauen zogen sich in die abgetrennten Zeltabteilungen zurück.

Seit dem letzten Abend hatte sich die Aufregung fast völlig gelegt. Wer die Leute, die gestern wilde Reden gegen die Fremden gehalten hatten und sie mit Feuer und Schwert ausrotten wollten, heute mittag wieder so ruhig mit Schaufel und Spitzhacke graben sah, hätte diesen raschen Stimmungswechsel nicht für möglich gehalten. Das Gold ist aber ein mächtiger Hebel, und für den Augenblick waren alle durch die Wahl des Alkalden beruhigt. Er mußte die nächsten Schritte unternehmen, und die Leute wollten nicht bei Tageslicht ihre kostbare Zeit nutzlos vergeuden. Selbst Briars, der wildeste der Burschen, war zu seinem Claim am Ausfluß des Teufelswassers aus der Flat zurückgekehrt. Er hatte am gestrigen Tag bis zur goldhaltigen Erde durchgegraben und war neugierig, was er wohl finden würde und ob sich die Mühe gelohnt hatte.

Etwa zwanzig Schritt weiter von ihm entfernt arbeitete die chinesische Gesellschaft. Von ihr wurde gerüchteweise erzählt, daß sie sehr viel Gold da fände. Die Leute ließen sich aber mit niemand in ein Gespräch ein, verstanden auch wirklich die fremde Sprache nicht und wurden nicht verstanden. Nur ihr Anführer, der breitschultrige Chinese in der blauen Jacke mit dem prächtigen rabenschwarzen Zopf, schien ein paar Worte Englisch zu verstehen. Vielleicht hatte er in der Heimat etwas von den Seeleuten aufgeschnappt. Er besorgte auch die Einkäufe in den Zelten und war der einzige, der mit den Amerikanern dadurch in Verbindung trat. Was er kaufte, bezahlte er bar. An ihn gerichtete Fragen beantwortete er nur durch unverständliche Gaumenlaute. Er war anscheinend bereit, jede Auskunft zu geben, solange er zwischen den Amerikanern war. Wenn sie ihn nicht verstehen konnten, war es ihre eigene Schuld.

Nach seinem Gespräch mit Smith hatte Siftly eine Wanderung durch die Flat gemacht, um sich den Platz etwas näher anzusehen. Er war auch eine Zeitlang neben dem Arbeitsplatz der Chinesen, einer ziemlich tiefen Grube, stehengeblieben. Als er aber an den oberen Rand trat, wurde er bemerkt. Seinem scharfen, darin ziemlich geübten Blick entging es nicht, daß einer der Burschen, ein kleiner, schmutzig aussehender Geselle, ein Gefäß mit grobem Gold rasch unter seine weite Jacke steckte. Grund und Boden sah auch so aus, als ob hier die Chinesen auf die richtige Ader getroffen waren. Hier schien sich einiges von dem edlen Metall gesammelt zu haben, das vor unendlich langer Zeit aus den Bergen ins Tal gewaschen wurde. Die Hast, mit der sie das Goldgefäß versteckten, bestätigte nur noch den Verdacht des Amerikaners.

»Gute Geschäfte da unten, he?« rief Siftly in die Grube. Die Chinesen sahen zu ihm auf, aber keiner antwortete. Sie stocherten mit ihren kleinen Messern in den Wänden umher und schienen ihre Arbeit aufgegeben zu haben, bis der Weiße wieder ging.

»Na, könnt ihr die Mäuler nicht aufmachen, ihr langzöpfigen Halunken?« rief der Spieler wieder. Es half aber nichts, die Chinesen taten gar nicht, als ob er existiere, und stocherten ruhig weiter.

»Hunde!« zischte Siftly mit einem wilden Fluch zwischen den Zähnen hindurch. »Ich hoffe, ich erlebe noch die Zeit, in der man euch zum Reden bringen wird!« Er warf seinen Poncho um sich und verließ den Platz, um zum Lager zurückzugehen.

Ein kräftiger Fluch aus einer der nächsten Gruben lenkte seine Aufmerksamkeit dorthin. Als er näher kam, sah er noch, wie der hier arbeitende Briars seine Spitzhacke voller Wut von sich schleuderte und dabei seinem Herzen mit den wildesten Flüchen Luft machte.

»Hallo, halten Sie Ihr Morgengebet da unten?« rief der Spieler lachend, als er an dem Loch stehenblieb.

»Gott verdamm den Platz und die Flat und ganz Kalifornien und schlage das verdammte Land zehn Klafter tief in den Boden rein!« schrie der Mann, der durch das spöttische Lachen nur noch mehr gereizt wurde.

»Hahaha, das ist ein christlicher Wunsch«, lachte Siftly in aller Ruhe. »Was kann das Land dafür, daß Sie am falschen Ort graben?«

»Falschen Ort?« rief der Goldwäscher gereizt hinauf. »Sagen Sie mir, wo der richtige ist, wenn Sie so verdammt klug sind. Die Pest über ganz Kalifornien! Habe ich nicht in diesen verfluchten Boden Loch für Loch gegraben, eins immer tiefer als das andere, und kann ich etwa mehr als das erbärmliche Leben fristen mit dieser Quälerei?«

»Aber Sie machen es nicht richtig.«

»Geh zum Teufel!« fluchte der Gereizte. Er hatte keine Lust, in dieser Stimmung ein Gespräch anzufangen. »Ich habe Sie nicht um Ihren Rat gefragt. Wenn ich Sie brauche, werde ich Sie rufen lassen.«

»Vielen Dank«, erwiderte Siftly vollkommen ruhig. Dabei zuckte ein spöttisches Lächeln um die Mundwinkel. »Vielleicht brauchen Sie mich aber gerade jetzt?«

»Ich gebe Ihnen einen guten Rat, Fremder«, sagte da Briars mit kaum verbissenem Zorn. »Ich bin jetzt nicht bei Laune. Wenn Sie wissen, was für Sie selbst gut und nützlich ist, dann machen Sie, daß Sie hier wegkommen. Wenn Sie aber da oben stehenbleiben, dann lassen Sie mich mit dem Gewäsch in Ruhe, oder Sie sind damit an den Falschen gekommen!«

»Nichts für ungut, Kamerad!« lachte Siftly, der den Burschen in dieser Stimmung zu einem rasch entworfenen Plan am besten gebrauchen konnte. »Sie haben aber doch gestern eine so schöne Rede über das Blut gehalten, das unsere Vorfahren für ihr Vaterland vergossen haben.«

»Verdammt!« knirschte der wutentbrannte Goldwäscher zwischen den fest zusammengebissenen Zähnen hindurch. Mit einem Satz fuhr er hoch und faßte den Rand der Grube. Im nächsten Augenblick schwang er sich hinauf und stand kaum drei Sekunden später dem anderen kampfbereit gegenüber, der es gewagt hatte, ihn trotz der Warnung zu verspotten.

»Hol dich der Böse!« schrie er ihm entgegen. »Wenn du ein Mann bist, dann wehr dich, und ich will dir mit den Fäusten ins Gesicht schreiben, was ich von dir halte!«

»Sehr freundlich«, lachte Siftly. Er machte jedoch keine Bewegung. »Im Moment kann ich aber davon keinen Gebrauch machen. Bin auch gar nicht gekommen, um mich mit Ihnen herumzuschlagen, sondern nur, um meine Hilfe anzubieten. Ich glaube, ich verdiene damit etwas anderes als blaugeschlagene Augen.«

»Und wer hat Ihre Hilfe verlangt?« sagte der junge Amerikaner trotzig.

»Ach, zum Henker mit dem Unsinn«, sagte Siftly und schüttelte unwillig den Kopf. »Wir vertrödeln nur unsere schöne Zeit, und wir Amerikaner sollten die letzten sein, die miteinander Streit anfangen oder harte Worte wechseln.«

Briars musterte seinen vermeintlichen Gegner mit keineswegs freundlichen Blicken. Er wußte nicht recht, ob die Verweigerung des Kampfes Feigheit war oder einen anderen Grund hatte. Siftly ließ ihn aber nicht lange im Zweifel.

»Warum, zum Teufel, graben und hacken Sie hier, wo nichts ist, wofür es sich lohnt? Und die verdammten Fremden holen dicht daneben das Gold vor der Nase weg!«

»Ist das nicht meine Rede?« rief Briars ärgerlich. »Waren Sie denn nicht mit Ihrem Vorschlag schuld, daß wir das fremde Gesindel hier noch dulden?«

»Da sind Sie im Irrtum, Freund«, sagte der Spieler. »Ich habe die Wahl vorgeschlagen, um unsere Kräfte erst recht zusammenzuhalten. Hetson ist der Mann, den wir brauchen, um uns in allen amerikanischen Dingen nichts in den Weg zu legen. Wie ich selbst gesonnen bin, will ich gleich an Ort und Stelle beweisen. Wie weit haben die Fremden hier das Recht, ihre Claims auszudehnen?«

»Nach meiner Ansicht überhaupt kein Recht«, antwortete Briars mit einem Fluch. »Nicht einen Fußbreit Boden sollten sie behacken dürfen, wenn es nach mir ginge.«

»Aber wie die Sache nun einmal steht, gibt es doch Gesetze, die die Länge eines Claims regeln?«

»Für einen Mann werden normalerweise dreieinhalb Meter angenommen.«

»Gut«, sagte Siftly. »Gleich hier unten arbeiten Chinesen in zwei Partien. Wären es wirklich zwei verschiedene Abteilungen, so hätten sie vielleicht eine Art Recht, sich so auszubreiten. Die Burschen halten auch alle zusammen, und einer sieht wie der andere aus – wie aber wollen sie es beweisen?«

»Verdammt wenig, was sie da aus dem Boden herausschaufeln werden!« brummte Briars.

»Meinen Sie? Ich habe mit eigenen Augen gesehen, daß sie das Gold in großen Stücken aus der Erde stochern. Sie arbeiten da unten nur mit ihren Messern.«

»Das ist hundsgemein!« rief Briars und stampfte mit dem Fuß auf. »Müssen wir uns das gefallen lassen?«

»Wer sagt das?« lachte Siftly. »Wenn Sie Lust haben, gehen wir einmal zu den Chinesen hinüber. Gefällt uns der Platz, wer, zum Henker, will uns hindern, ihn auszubeuten? Die glatzköpfigen, langzopfigen Burschen wirklich nicht!«

»Wie viele sind es?«

»Pah, und wenn es ein Dutzend wären!« lautete die mürrische Antwort. »Diese Kerle sind feige, zwei wie wir sind der sechsfachen Anzahl jederzeit gewachsen. Es kommt nur darauf an, ob Sie ihnen das Gold eher gönnen als sich selbst.«

»Und der neue Alkalde?«

»Ist noch nicht vom County Court bestätigt. Wenn auch, die Verantwortung für alles, was Sie Gesetze nennen, übernehme ich.«

»Dann bin ich Ihr Mann!« rief Briars und schlug in die dargebotene Hand. »Was die Prügelei betrifft, so nehme ich sechs auf mich, wenn Sie mit der anderen Hälfte fertig werden.«

»Haben Sie in Ihrem Claim gar nichts gefunden?«

»Nicht die Spur Gold! Verdammt, nicht so viel, wie ein Glas Brandy kosten wurde. Drei Tage habe ich wie ein Pferd gearbeitet, nur um so tief zu kommen.«

»Gut, dann können Sie ja da drüben ernten«, lachte Siftly. »Denn die Mühe haben uns die Burschen wenigstens erspart. Aber jetzt vorwärts, damit uns nicht ein anderer zuvorkommt.«

Briars ließ sich nicht lange bitten. Siftly lachte vergnügt vor sich hin, als er mit seinem neu gewonnenen Freund die kurze Strecke zum Arbeitsplatz der Chinesen ging. Die Wahl seines neuen Gefährten war für den Zweck sehr gut gewesen. Er wußte ganz gut, daß die Amerikaner allgemein den Spielern nicht besonders freundlich gesinnt waren. Mit diesem wilden Mann zum Freund hatte er auch die ganze wilde Partei auf seiner Seite. Daß sie den ersten direkten Angriff auf die Fremden wagten, wurde ihnen von vielen hoch angerechnet, das wußte er. Gab das dann den Anlaß, die Mexikaner und auch die anderen Fremden, die sich auch wenig an den Spieltischen betätigten, aus den Minen zu verjagen, dann blieben die Amerikaner allein die Herren. Was sie leicht aus den eroberten Gruben erbeuteten, floß jedenfalls zum Teil wieder in die Taschen der Spieler. Briars hatte nicht so weitreichende Pläne. Er hielt sich aber in seinem ersten Ärger über die mißglückte Arbeit im Recht. Seiner Meinung nach gehörte der Boden den Amerikanern allein. Sie hatten ihn mit ihrem Blut von den Mexikanern erobert. Die Fremden waren nur Eindringlinge, die man verjagen mußte oder wenigstens in ihrer Ausbreitung einschränken sollte. Niemand konnte ihnen das verwehren, es war vielmehr die Pflicht aller, der Union treu zu dienen.

Die Chinesen hatten inzwischen ruhig weitergearbeitet und sich nicht um den Amerikaner gekümmert, der sie gestört hatte. Es passierte öfter, daß in dieser Art Fremde zu ihnen kamen, besonders seitdem sich das Gerücht verbreitet hatte, daß sie einen reichen Platz gefunden hatten. Dadurch, daß sie sich gar nicht mit ihnen einließen, hatten sie sich auch von ihnen freihalten können. Der Anführer des kleinen Trupps, der auch nur selten bei der schweren Aushubarbeit half, stand meistens an der Waschmaschine. Er war nach Siftlys Verschwinden nach oben gestiegen und zu der etwa dreißig Schritt entfernten Grube gegangen, wo eine andere Abteilung seiner Landsleute arbeitete. Vorsichtigerweise hatte er auch dabei das Gold mitgenommen, das sie an diesem Morgen ausgegraben hatten. Die anderen wühlten inzwischen fleißig in dem ausgeworfenen Loch weiter. Siftly hatte richtig gesehen, der Platz war ausgesprochen reich, und sie wollten ihn so schnell wie möglich ausbeuten. Gerade, als sie damit beschäftigt waren, tauchten die beiden Amerikaner auf. Briars warf einen raschen Blick in die Grube und rief aus:

»Beim Teufel, die Langzöpfe sitzen hier mitten im Gold drin, und wir, denen der Boden gehört, hacken für einen Hungerlohn. Raus da, oder ich will verdammt sein, wenn ich euch nicht Beine mache!«

Die fünf Söhne des Himmlischen Reiches sahen erschrocken zu der rauhen Stimme auf, antworteten aber genausowenig wie vorher. Was sie inzwischen wieder an Gold gefunden hatten, deckten sie zu und arbeiteten still weiter.

»Auf diese Weise kommen wir nicht ans Ziel«, sagte Siftly. »Das Spiel habe ich schon vorhin versucht. Wir könnten eine Stunde auf sie einreden, ohne auch nur eine Silbe aus ihnen herauszubringen. Mit denen müssen wir anders sprechen.« Damit nahm er einen Brocken Erde auf und warf ihn einem Chinesen auf den Rücken. Dazu rief er:

»Hinaus mit euch, habt ihr mich verstanden, oder soll ich noch deutlicher reden?«

Der Getroffene fuhr auf und stieß einen lauten Schrei aus. Die anderen redeten wild und laut in ihrer Sprache durcheinander. Verstehen konnten die Amerikaner natürlich nichts, aber sie machten auch keine Miene heraufzukommen.

»Hol die Kerle der Henker!« rief Briars. »Ich werde ihnen da unten Feuer machen. Dann werden sie wohl verstehen, was wir meinen.« Ohne sich weiter um die Menge der Chinesen zu kümmern oder eine Antwort Siftlys abzuwarten, lehnte er seine Hand auf die etwa 3,50 Meter tiefe und vielleicht genauso breite Grube und sprang dann mitten in die auseinanderstiebenden Chinesen hinein.

Mit Händen und Füßen gestikulierte er hier und packte sogar zwei, die er in eine Ecke schob, in der eine junge Zeder zum Hinausklettern lehnte. Da erschien am oberen Rand der Anführer der Gruppe. Er übersah wohl rasch, was hier vorging, und wandte sich in gebrochenem Englisch an Siftly. Ärgerlich fragte er ihn, was sie hier wollten.

»Was wir hier wollen?« lachte der Spieler und wandte sich gegen den Mann. »Das will ich dir sagen. Der Platz hier gehört uns. Ihr habt kein Recht, hier zu arbeiten, und jetzt macht, daß ihr wegkommt, wenn nicht noch etwas passieren soll!«

»Der Platz mir...«, sagte der Chinese in seinem eigentümlichen Tonfall. »Ich bezahlt zwei Dollar... Alkalde... ich Nummer.«

»Genug geredet! Allons – vamos! Verstanden?« Dabei nahm er den Mann am Kragen, drehte ihn um und wollte ihn zur Seite schieben. Aber der Chinese war kräftig und, wie es schien, nicht so feige wie seine Kameraden. Er fuhr unter dem Arm des Amerikaners hindurch und stieß ihn mit solcher Gewalt von sich, daß er drei, vier Schritte zurücktaumelte. Der Boden war durch die aufgeworfene Erde rauh, und Loch lag neben Loch. Siftly blieb an einer Scholle hängen und stürzte rückwärts in ein etwa zweieinhalb Meter tiefes Loch.

Der Chinese kümmerte sich nicht weiter um ihn und sprang wieder an den Rand seiner Grube. Da schrie er hinein:

»Du da – Amerikaner – raus da, schnell, verstanden? Du nichts verloren da unten.«

»Du verdammter kahlköpfiger Schuft!« fluchte aber Briars. »Wünsch du mich nicht hinauf! Wenn ich nach oben komme, schlage ich dir den Schädel so weich, wie dein Hirn ist. Siftly, hallo, Siftly, wo, zum Teufel, sind Sie? Geben Sie doch dem Langzopf in meinem Namen...« Er konnte den Satz nicht zu Ende sprechen. Schäumend vor Wut, von einem verachteten Chinesen so behandelt worden zu sein, schwang sich Siftly gerade wieder aus dem Loch heraus und warf sich auf den Gegner. Er war von der Erde verschmutzt, sein Haar flatterte wild um die Schläfe, die Zähne waren fest zusammengebissen, die kleinen Augen blitzten in Haß und Bosheit.

Als aber der Chinese nur einen Blick auf den förmlich rasenden Amerikaner warf, fühlte er auch, daß er ihm nicht gewachsen war. Trotzdem stemmte er sich fest in den Boden, um dem ersten Ansprung zu begegnen. Dabei stieß er einen schrillen, eigentümlichen Schrei aus. Konnte Briars vorher die Chinesen weder durch Stoßen noch durch Drängen aus ihrem Eigentum entfernen, so vermochte dieser Ruf das blitzschnell. Ohne auch nur einen Blick zu dem Amerikaner zurückzuwerfen, kletterten sie wie die Katzen an ihrem Baum hinauf. Nur der erste gelangte rechtzeitig hinauf, um zu sehen, wie sich der Amerikaner auf ihren Anführer warf und ihn mit einem Schlag seiner Faust zu Boden streckte. Er wollte ihm zwar zu Hilfe kommen, aber ein zweiter Stoß sandte ihn ebenfalls auf die Erde. Als jetzt auch noch Briars nach oben sprang, um dem Gefährten zu Hilfe zu kommen, und auch andere Amerikaner, die den Schrei gehört und den Kampf gesehen hatten, herbeieilten, stoben die armen Chinesen wie ein aufgescheuchtes Volk Rebhühner auseinander. Siftly aber, noch schäumend vor Wut über die erlittene Mißhandlung, warf sich auf den noch betäubten Chinesen. Er schlang seinen langen Zopf um seine Hand und schrie dem eben am Hand der Grube auftauchenden Briars zu, ihm einen Stock zu geben.

»Einen Stock?« lachte Briars, als er die komische Gruppe sah. »Da können Sie weit in den Bergen herumklettern, ehe Sie nur einen anständigen Hickory finden, wie sie bei uns zu Hause wachsen. Geben Sie ihm einige Hiebe mit dem eigenen Zopf, das wird ihm nicht besonders schaden.«

»Zum Teufel, Sie haben recht!« schrie der Amerikaner und riß sein Messer aus der Scheide.

»Keinen Mord, Siftly, um Gottes willen!« schrie Briars und sprang erschrocken dazu.

»Keine Angst!« lachte der Spieler. »Nur den Zopf will ich mir bequemer herrichten!« Mit ein paar Schnitten trennte er den Stolz des Chinesen von dem sonst kahlen Kopf, nahm ihn in die rechte Hand und schlug erbarmungslos auf den am Boden Liegenden ein. Andere Amerikaner und einige Franzosen hatten sich um die Gruppe versammelt. Es dauerte aber einige Zeit, bis sich Siftly beruhigte und den Chinesen losließ. Den Zopf warf er ihm zu. Den Männern erzählte er, wie ihn der kahlköpfige Bursche plötzlich gepackt hätte und in das Schlammloch geworfen hätte. Mit den fürchterlichsten Flüchen schwor er dabei, daß er jedem Chinesen, der ihm wieder zu nahe käme, eine Kugel in den Kopf schießen würde. Dann stieg er mit Briars in die eroberte Grube hinab, um ihren Raub auszubeuten.

Die anderen Goldwäscher kümmerten sich nicht darum. Das war eine Sache, die beide Parteien miteinander ausmachen mußten. Als sie sich überzeugt hatten, daß der Chinese nicht tot, sondern nur betäubt war, ließen sie ihn liegen und gingen lachend oder gleichgültig ihrer Wege. Der andere Chinese war schon länger erwacht und hatte sich davongemacht. Nur ein paar Franzosen blieben bei dem mißhandelten Mann und holten Wasser, gossen es ihm ins Gesicht und brachten ihn wieder zu sich. Sie sahen auch, daß ihm nichts weiter geschehen war. Über den abgeschnittenen Zopf lachten sie nur und ließen ihn dann, als er sich langsam wieder aufrichtete, allein. Verstehen konnten sie ihn doch nicht und wollten auch nicht zuviel Zeit mit ihm versäumen.

Der Chinese erholte sich nach und nach wieder. Als er halbwegs zur Besinnung gekommen war und merkte, daß er auf der Erde lag, war sein erster Griff in alter Gewohnheit nach dem heiliggehaltenen Zopf. Als er den für ihn furchtbaren Verlust bemerkte, knirschten seine Zähne zusammen. Der Schaum trat ihm vor den Mund, und fast traten seine Augen aus den Höhlen. Er ging zur Grube, in der jetzt die Amerikaner arbeiteten. Was er da, außer sich vor Wut, hinunterrief, konnten die beiden nicht verstehen. An den Gebärden des armen Teufels erkannten sie aber, was er ihnen wünschte. Siftly zog ruhig seinen Revolver aus der Tasche, spannte den Hahn und richtete die Waffe auf den Chinesen. Er schwur, daß er im nächsten Augenblick das Tageslicht durch ihn scheinen lassen wolle, wenn er nicht sofort verschwände. Der Chinese blieb trotzdem noch eine volle Minute und trotzte selbst der auf ihn gerichteten Waffe. Dann besann er sich aber. Er drehte sich ab und ergriff den am Boden liegenden Zopf, den er sich wie einen Gürtel um die Hüften band. Dann sah er sich nach seinen Gefährten um. Als er sie alle an der zweiten Grube sah, ging er langsam auf sie zu, blieb eine Weile bei ihnen stehen und verschwand dann, von ihnen gefolgt, am Ausgang des Tales, wo sie ihre Zelte stehen hatten.


 << zurück weiter >>