Emanuel Geibel
Vermischte Gedichte
Emanuel Geibel

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Ada

Tagebuchblätter.

Was heißt durch Wald und Aue
Mich wieder träumen gehn?
Auf's Moos gestreckt in's Blaue
Durch stille Wipfel sehn?

Woher dies sanfte Glimmen
Das in's Geblüt mir dringt?
Dies leise Harfenstimmen,
Das mir im Sinn erklingt?

Ich forsch' in meinem Innern,
Allein ich rath es kaum;
Ist's nur ein hold Erinnern?
Ist's goldner Hoffnung Traum?

Doch weiß ich: also blühte
Mein Leben wundersam,
Als einst mir in's Gemüte
Die erste Liebe kam.

Schaffe, Mutter Natur, mit Schweigen
Dein stilles Werk in der Tage Kreis –
Wachse geborgen unter den Zweigen
Wachse, blühe, mein Edelreis.

Die erquicklichste Helle
Wirf, o Sonn', herab aus dem Blau;
Träufle, Himmel, auf diese Stelle
Deinen süßesten Thau.

Denn hier ist heil'ger Ort, es bricht
Ein junges träumendes Leben
Mit scheu sehnsüchtigem Beben
Aus zarten Hüllen an's Licht.

Schon rühren ahnungsreich
In ihm sich himmlische Kräfte.
Wirke, wirke dein still Geschäfte,
Mutter Natur, und hüte zugleich.

Ach, fernhin ziehn mich fremde Sorgen;
Aber von fern auch segn' ich dich leis
Jeglichen Abend, jeglichen Morgen;
Im Grün geborgen
Wachse, blühe mein Edelreis.


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