Emanuel Geibel
Vermischte Gedichte
Emanuel Geibel

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Herakles auf dem Oeta.

Halt aus! Und ob's wie fressend Feuer auch
Bis an's Gebein dir zehrt: dies ist das letzte,
Was du zu dulden hast, halt aus mein Herz!

In Qualen noch des Todes preis' ich dich,
O Vater Zeus, Erhabner; denn ich weiß,
Du hast dem Sohne, dem in Sterblichkeit
Geborenen, auch dies zum Heil verordnet,
Und ziehst durch Leid und Hitze den du liebst,
Weil er dich sucht, in deine Klarheit nach.

Aus eitel Kampf und Mühsal webtest du
Mein irdisch Loos, und wie des Ringers Stunde
Am Tag der Spiele ging mein Leben hin.
Hab' ich vom Aufgang bis zum Niedergang
Den Erdkreis nicht bewandert? Hab' ich nicht,
Der nackte Mann, gerungen bis auf's Blut
Mit all der Riesenbrut der schwangern Wildniß,
Die, aufgequollen aus dem Element,
In trotz'ger Urkraft jeder Sühnung lachte,
Bis diese Sehnen ihre Wuth erdrückt?
Hab' ich nicht deines Himmels stolz Gewölb
Getragen auf den Schultern hier, und bin
Hinabgestiegen zu den Pforten drunten
Der ew'gen Nacht, daß ich den Wächter dort
Mit meiner Hand, den grimmen, bändigte?

Nicht reut der Arbeit mich. Im Schweiß des Kampfes
Wuchs in der Brust der Kühnheit Blüte mir,
Des Harrens Muth, und meiner Glieder Kraft
Ward wie geschmiedet Erz. Doch preis' ich dich
Um Größeres. Denn wo die Brüder mir
Trostlos verzagten oder eingehüllt
In dumpfen Trotz unwillig nur dem Schicksal
Wie einer maßlos fremden Macht sich beugten,
Da gabst du mir's, durch alles Irrsals Graus
Das Walten deiner Segenshand zu ahnen;
Und immer, wenn ich der gewalt'gen Noth,
Der unbeugsamen, fest in's Auge blickte,
Zuletzt erkannt' ich in den strengen Zügen
Dein Antlitz doch, o Vater, wie's auf mich
Auch so Verheißung lächelnd niedersah.

Heil mir! Denn wieder wie durch Schleier seh' ich's
Zu dieser Stunde. Horch, schon rollt, schon rollt
Um Oeta's Gipfel aus entwölktem Blau
Dein naher Donner Gnade kündend her,
Und winkend zuckt wie Adlerflügelschlag
Dein Blitz herab. Hab' Dank, hab' Dank, es lodern
Um mich die Scheiter; über, unter mir
Schlagen der Lösung Flammen jauchzend auf,
Und wie das Staubgeborne endlich, endlich
Gleich wie ein mürb Gewand herniederflockt,
Trägt mich des Rauches blühend Goldgewölk
Hinauf, hinauf zu dir, und schauernd trink' ich
In deinem Odem, der von oben mir
Begegnet, Jugend und Unsterblichkeit.


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