Emanuel Geibel
Vermischte Gedichte
Emanuel Geibel

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Lieder aus alter und neuer Zeit.

I.

Durch die wolkige Maiennacht
Geht ein leises Schallen,
Wie im Wald die Tropfen sacht
Auf die Blätter fallen.

Welch ein ahnungsreicher Duft
Quillt aus allen Bäumen!
Dunkel webt es in der Luft
Wie von Zukunftsträumen.

Da, im Hauch, der auf mich sinkt,
Dehnt sich all mein Wesen,
Und die müde Seele trinkt
Schauerndes Genesen,

Müde Seele, hoffe nur!
Morgen kommt die Sonne,
Und du blühst mit Wald und Flur
Hell in Frühlingswonne.

II.

O gedenkst du der Stund', als auf schimmernder Bahn
Ueberm See von St. Wolfgang uns wiegte der Kahn,
Wo die Felswand sich gipfelt aus laubiger Nacht
Und die Tiefe der Flut ist wie lichter Smaragd,

Hochsommerzeit war's, und der Tag war uns hold,
Denn der Abend zerrann wie ein schmelzendes Gold,
Und sein Widerschein wölbte sich leuchtend im See
Mit Wald und Geklipp und den Firnen von Schnee.

Von dem Kirchlein am Hang mit den Fenstern voll Glut
Schwamm festlich Geläut zu uns bei auf der Flut,
Zwei Glocken, die eine wie hellster Gesang,
Tiefstimmig die andre von schütterndem Klang.

Und als wär' er begabt mit Empfindung und Sinn,
Zog leiser und leiser der Nachen dahin,
Wie getragen von wehender Fittiche Schlag
Durch den Himmel, der über und unter uns lag.

O Stunde des Heils, da im endlosen Ring
Wie des Himmels Umwölbung die Lieb' uns umfing,
Und was tief in den schauernden Herzen uns klang
In einander verschmolz wie der Glocken Gesang!

III.

Ihr Rebengärten an den Klüften,
Ihr Nelken, die vom Fels ihr lauscht,
Wie habt ihr heut' mit euren Düften
Mir räthselhaft den Sinn berauscht!

Durch all mein Wesen flutet wieder
Vergessne Lust, erinnernd Leid;
Im Zwielicht kommt's auf mich hernieder
Wie Flügelschlag der Jugendzeit.

Mir ist, als rührte meine Wange
Ein Kuß von unsichtbarem Mund;
Da bäumt sich wild wie eine Schlange
Die Sehnsucht auf vom Herzensgrund.

Die Arme streck' ich voll Verlangen
In's Dunkel, das mich heiß umgiebt;
O komm, o komm, laß dich umfangen,
Wo bist du Seele, die mich liebt?

IV.

Nun kommt die Nacht am Himmelszelt,
Der Pfad wird schwarz und still die Welt,
Die müden Füße schwanken;
Das Mühlrad wogt in Schaum und Flut,
Mein Herz das wogt in Liebesglut
Und sehnlichen Gedanken.

Wo bist du nur zu dieser Stund,
Da wir so oft von Herzensgrund
Gespräch und Kuß getauscht?
Wo bist du nur, und denkst du mein,
Nun wieder dir um's Kämmerlein
Die Lind' im Nachtwind rauschet!

Ein Kranich, der vom Schwarm verflog,
Schwirrt über mir im Dunkel hoch
Und ruft betrübt den andern –-
Wir beide tragen gleiches Leid,
Ach Gott, in Nacht und Einsamkeit
Wie traurig ist das Wandern!

Und komm' ich heim an meinen Ort,
Wohl grüßen mich die Kinder dort
Am Thor und auf den Gassen;
Doch bei den lieben Freunden mein,
Mir wird's wie in der Fremde sein,
Dieweil ich dich muß lassen.

Ich seufze Tags: Wär' ich bei dir!
Ich träume Nachts: du sprichst mit mir,
Und fahr' empor und weine.
Denn all mein' Freud und Glück und Ruh,
Denn meine Heimat bist ja du,
Du Eine, die ich meine.

V.

Das ist das alte Giebelhaus,
Wohl kenn' ich Treppen, Flur und Saal,
Sie stehn wie vormals, da ich hier
Geliebt zum erstenmal.

Dem Mond gleich wechseln Zeit und Herz;
Nun wohnen andre Menschen dort,
Und andre Liebe trägt mein Sinn:
Doch blieb gefeit der Ort.

Zum Fest heut ging ich hin im Schwarm,
Da kam's auf mich, nicht weiß ich, wie –
Ich hörte nicht Gesang noch Spiel,
Und dachte nur an Sie;

Und dacht' an meine junge Zeit,
Und wie wir's anders gar gemeint,
Und an ihr Auge blau und lieb,
Das, ach, um mich geweint.

Und als ich auf vom Sinnen fuhr,
Die Welt umher begriff ich kaum,
Als sei der Traum mein Leben, war's,
Und all mein Leben Traum.

VI.

O wüßt' ich's nur zu sagen
Was mich in diesen Tagen
Bedrückt mit solcher Pein!
In Lieder wollt' ich's bannen,
Da trüg's der Wind von dannen,
Und wieder könnt' ich heiter sein.

Doch was unausgesprochen
Im Herzen fort muß pochen,
Was stumm und unreif wühlt,
Das ängstigt mich als Kummer,
Das hab' ich stets im Schlummer
Als einen schweren Alp gefühlt.

Drum frommt dir kein Zerstreuen;
Es wird sich nur erneuen
O Herz, warum du zagst;
Du mußt es ganz durchdringen,
Damit du's frisch bezwingen
Und im Gesang versühnen magst.´

Dein Gram muß unter Thränen
Sich zeit´gen erst und dehnen
Im Wachen und im Traum;
Dann kommt ein himmlisch Wallen,
Und von dir wird er fallen,
So wie die reife Frucht vom Baum.

VII.

Ich lieg' im tiefen Schachte,
Ein rother Edelstein,
Von Nacht bedeckt und schmachte,
Zu glühn im lichten Schein,

Da droben geht die Sonne;
Ich träume manch Gedicht
Von ihrer Stralenwonne –
Aber sie sieht mich nicht.

VIII.

Wenn du jemals in ein leuchtend Auge
Schautest und in seiner feuchten Tiefe
Eine liebe Menschenseele ruhn sahst,
O so blick' empor zum Himmel heute:
Denn ein glänzend aufgeschlagnes Auge
Ist auch er, und durch den blauen Schimmer
Magst du in den Abgrund aller Liebe,
Magst du tief in Gottes Herz hinabsehn.

IX.

Wenn es rothe Rosen schneit,
Wenn es Liebe regnet,
Oeffne, Herz, dem Glück dich weit,
Das so hold dich segnet.

Halt' im Liede fest den Glanz
Solcher Freudentage,
Doch in's Heut versunken ganz
Nicht nach Morgen frage.

Weißt du doch, der Rosenzeit
Folgt die Sonnenwende,
Und die Liebe lohnt mit Leid
Immerdar am Ende.

X.

Im Herbste, wenn die Trauben glühn
Und froh die Keltern schallen,
Da hebt der Sinn mir an zu blühn,
Das Blut mir an zu wallen.

Es treibt das Herz mich hin und her
Und zuckt wie eine Flamme,
Verleugnen kann ich's nimmermehr,
Daß ich von Winzern stamme.

Denn kam ich auch am Ostseestrand
Das Licht der Welt zu suchen:
Mein Stammhaus steht im Frankenland
Im Dorf zu Wachenbuchen.

Da lauscht aus Rebenlaub hervor
Das Zeichen der Familie,
Auf hellem Schild hoch überm Thor
Die roth und weiße Lilie.

Und ringsumher ist Weingebiet,
Und goldne Ströme rinnen,
Es klingt der Tanz, es schallt das Lied
Der ros'gen Winzerinnen,

Erst meinen Vater trieb sein Stern
Zur Hansastadt im Norden,
Wo er im Weinberg dann des Herrn
Ein rüst'ger Winzer worden.

Und wie mein Urahn Most geschenkt
Für durst'ger Wandrer Kehlen,
Hat er mit Gnadenwein getränkt
Die gottesdurst'gen Seelen,

Wohl zog sein hoher Geist auch mich
Auf ernste Lebensbahnen,
Doch stets, wann's herbstet, rühret sich
In mir das Blut der Ahnen,

Und Ruh noch Rast nicht hat mein Sinn,
Bis ich im Kreis der Zecher
Geküßt die schönste Winzerin,
Geleert den vollsten Becher.

XI.

O wie floß mir beglückt der Tag,
Als ausrastend ich weiland
Unter deinen Cypressen lag,
Naxos, blühendes Eiland.

Ach, noch hatte des Lebens Joch
Wund mich nimmer gerieben,
War im Hoffen ein Knabe noch
Und ein Jüngling im Lieben.

Eins nur kannt' ich als hohe Pflicht,
All mein Sinnen und Denken
Fromm mit jeglichem Morgenlicht
In das Schöne zu senken.

Und so träumt' ich zur Meeresbucht
Täglich nieder vom Riffe,
Droben glühte die goldne Frucht,
Drunten zogen die Schiffe.

Fern um sinkende Tempel lag's
Wie vorweltlicher Schauer,
Doch der Zauber des heut'gen Tags
Dämpfte jegliche Trauer.

Und im sinnenden Müßiggang
Zwischen Wogen und Winden
Reifte leise zum Frühgesang
Mein aufblühend Empfinden.

XII.

Das ist der Liebe eigen,
Mit Worten muß sie schweigen;
Sie spricht mit süßen Zeichen
Von Dingen ohne Gleichen.

Es sagt die Hand am Herzen:
Hier innen trag ich Schmerzen,
Und möchte doch dies Leiden
Um alle Welt nicht meiden.

Im Auge spricht die Thräne:
Wie ich nach dir mich sehne!
Mein Wollen, Denken, Sinnen
Es will in deins verrinnen.

Es spricht der Lippe Zücken:
O laß dich an mich drücken,
Auf daß im Feuerhauche
Sich Seel' in Seele tauche!

So webt aus stummen Zeichen
Sich Botschaft sonder Gleichen;
Von Herz zu Herzen geht sie,
Doch nur wer liebt versteht sie.

XIII.

Fern in leisen dumpfen Schlägen
Ist das Wetter ausgehallt,
Und ein goldner Stralenregen
Flutet durch den feuchten Wald.

Wie am Grund die Blumen funkeln!
Wie die Quelle singt im Fall!
Silbern aus den tiefsten Dunkeln
Blitzt das Lied der Nachtigall.

Ach, und in dem süßen Schallen,
In dem Glanz durch's lichte Grün,
Herz, erkennst du in dem allen
Nicht dein eigen selig Blühn?

Laß dein Singen denn und Preisen
Und in Andacht lausche zu,
Wie der Frühling deine Weisen
Doch noch schöner spielt, als du.

XIV.

Nun winkt's und flüstert's aus den Bächen,
Nun duftet's aus dem Thal herauf;
In ungestümer Sehnsucht brechen
Die Knospen und die Herzen auf.

Des Hirsches Trott erklingt im Walde,
Im Blauen schifft der wilde Schwan,
Den Aelpler treibt's zur sonn'gen Halde,
Der Schiffer löst den schwanken Kahn.

Das sind die alten Zauberlieder,
Die hell in's Land der Frühling singt,
Daß tief durch alles Leben wieder
Ein ungeduldig Hoffen dringt.

Und in das schallende Getriebe
Hineingezogen wallst auch du,
Und suchst, o Herz, das Haus der Liebe
Und pilgerst nach dem Land der Ruh.

XV.

Mein Roß geht langsam durch die Nacht,
In Blumen steht die Heide,
Am Monde ziehn die Wolken sacht
Wie Lämmer über die Weide.

Da kommt ein selig Stillesein
In mein bewegt Gemüte;
Mir ist es, jetzt gedenkst du mein,
Du Herz von reiner Güte.

Es ist dein Gruß, was mir so lind
Im Windeshauch begegnet:
O fühl' auch du den Gruß, mein Kind,
Der tausendmal dich segnet.

XVI.

Es stand in meinem Hage
Ein Eichbaum kronenlos;
Von jähem Wetterschlage
Zerspalten war sein Schooß.

Ihn schmückten keine Blätter,
Kein Vöglein kam ihm nah,
Er stand in Sonn' und Wetter
Ein dunkler Riese da.

Und sah ich fern ihn ragen,
Geschah mir's wie ein Leid;
Ich schaut' in ihm zerschlagen
Die deutsche Herrlichkeit.

Doch als mit Braus gefahren
Der Frühling heuer kam,
Mocht' ich am Baum gewahren
Ein Zeichen wundersam.

Von neuer Kraft durchquollen
Urplötzlich trieb der Schaft:
Die knorr'gen Zweige schwollen
Getränkt von üppigem Saft;

Hervor brach unverdrossen
In tausend Knospen bald,
In tausend lichten Sprossen
Des Lebens Urgewalt.

Und wo noch jüngst vom Stamme
So kahl die Aeste sahn,
Schien eine grüne Flamme
Zu spielen himmelan.

Und wie der Wind die Zungen
Der Flamme rauschend bog,
Und wie die Vögel sungen
Im dichten Laubgewog,

Da kam auf mich hernieder
Ein frischer Hoffnungstraum:
Getrost! So grünt auch wieder
Dereinst des Reiches Baum.

XVII.

Ach, das ist der Schmerz der Schmerzen,
Daß mit seinem Schwall der Tag
Selbst ein heilig Leid im Herzen
Trüb uns überfluten mag:

Daß wir Göttliches erfahren,
Aber nimmer ungestört
In der Brust es mögen wahren,
Weil der Sinn dem Staub gehört.

Wie der Geist inbrünstig ringe
Um ein stilles Friedensglück:
Der gemeine Strom der Dinge
Reißt uns mächtig stets zurück.

Und auf's neu von Schuld belastet,
Und auf's neu verzehrt von Reu,
Bleibt im Zwiespalt, der nicht rastet,
Nur die Sehnsucht uns getreu.

Ach, dann fühlen wir's, uns bliebe
Nichts als trostlos Selbstgericht,
Wär' auf Erden nicht die Liebe
Und die Gnad' im Himmel nicht.

XVIII.

Durch Reif und Frost im falben Hage
Schreit' ich dahin bei rauhem Wehn.
So fühl' ich, ach, durch meine Tage
Mit leiser Klage
Des Herbstes kühle Schauer gehn.

Wo bist du, reiche Jugendwonne,
Du trunkner Glanz mir im Gemüt!
Ach bleich und lässig hangt die Sonne
Im Nebel, die so schön geglüht.

Die Freuden brechen auf und wandern,
Zugvögelschwärme, fern hinab,
Und eine Hoffnung nach der andern
Fällt welk vom Baum des Lebens ab.

Nur du gedämpfte Liedesweise,
Du meiner Sehnsucht tröstlich Wort,
Du bliebst mir treu und rauschest leise
Auch unterm Eise
Wie eine heiße Quelle fort.

XIX.

Auch der Schmerz ist Gottes Bote; ernster Mahnung heil'ge Worte
Bringt er uns und öffnet leise tiefgeheimer Weisheit Pforte.

Aber unser irrend Auge, vielgetrübt vom Staub der Mängel,
Nicht erkennt es in der dunkeln Schattentracht sogleich den Engel.

Daß sein bittrer Kelch uns fromme, ach, es dünkt uns eitles Wähnen,
Und das eigne Heil mißachtend, grüßen wir's mit heißen Thränen.

Erst wenn scheidend der Verhüllte wiederum sich von uns wendet,
Sehn wir plötzlich über'm Haupt ihm eine Glorie, die uns blendet,

Durch die dunkeln Schleier brechen Silberflügel klar getheilet,
Und die Seele ahnt es schauernd, welch ein Gast bei ihr geweilet.

XX.

Nun will der Ost sich lichten,
Die Hähne krähn von fern,
Und über schwarzen Fichten
Erglänzt der Morgenstern,

Und wie das Haar mir streifen
Die Lüfte kühl erwacht,
Da mag ich's kaum begreifen,
Daß ich geweint zu Nacht.

Zergangen ist mein Trauern,
Ich fühl' es tief zur Frist,
Wie du in diesen Schauern,
O Herr, mir nahe bist.

Und deines Friedens selig,
Mit ruhig heiterm Blick,
In deine Hand befehl' ich
Auch dieses Tags Geschick.

XXI.

Wohl flog mit rothen Wimpeln einst
Mein Schiff in junger Zeit;
Dann kamen Sturm und Wetter
Da trug ich schweres Leid.

Doch wie der frühe goldne Traum
Zerging des Kummers Last:
Nun schau ich nach den Steinen
Vom Steuer, ernst gefaßt.

Was immer kam, ich hab's erkannt,
Am letzten war es gut;
Das hat mein Herz gegürtet
Mit einem festen Muth.

Fahrzu, mein Schiff, fahr fröhlich zu
Durch Glanz und Nebelrauch!
In deinen raschen Segeln
Der Wind ist Gottes Hauch.

XXII.

Seiner Tage dunkles Ringen,
Seines Volks Begehr und Streit,
Alles mag der Dichter singen;
Aber viel gehört der Zeit.

Mag er zorn'gen Kampf erheben,
Wenn's der Augenblick gebeut:
Doch dazwischen soll er weben
Was sich fort und fort erneut.

Denn es werden einst Geschlechter,
Die auf seinen Siegen stehn,
Ungerührt im wunden Fechter
Nur ein prächtig Schauspiel sehn.

Das nur wird durch ihre Reihen
Gehn mit vollem Widerklang,
Was er von den ew'gen Dreien,
Gott, Natur und Liebe sang.

XXIII.

Nun sich Laub und Knospe dehnen
Und der Wald in Veilchen blüht,
Glüht auch mir das alte Sehnen
Wie ein Feuer durch's Gemüt.

Ruhig sind nur die da starben;
Herz, du spürst zu dieser Frist
An dem Brennen deiner Narben,
Daß du noch lebendig bist.

XXIV.

Ueber der dunkeln Heide
Wie weit, wie klar die Nacht!
Mein Aug' in stiller Weide
Versinkt in ihrer Pracht.

Aufblinkend fließt durch's Blaue
Wie Gold der Sterne Zug;
Ich spüre, wie ich's schaue,
Der Erde leisen Flug.

Das Haupt zurückgebogen,
Emporgespannt den Blick,
Fühl' ich's in mir wie Wogen
Leis flutender Musik;

Als käm' ein Widerhallen
Von jenen Harmonien,
Darin die Sphären wallen,
Durch meine Brust zu ziehn.

XXV.

Lilie du im Rosengarten,
Leicht und hoch auf schlankem Stamme
Schwebst du in den Morgenlüften,
Eine zarte Silberflamme,

Wie dein Kelch dem Stral erschlossen
Sich nach unten fest verschränket:
Eigen scheinst du kaum der Erde,
Nur dem Himmel, der dich tränket.

Ach, du grüßest mich von Einer,
Die ich rein, wie dich, erkannte,
Die ich einst mit süßem Namen
Seele meiner Seele nannte,

Die mich lehrte, wie die Liebe
Himmlisch sich enthüllt in Schmerzen –
Wenn ich ihrer nur gedenke,
Wird es Sabbath mir im Herzen.

XXVI.

Laß dich nicht gereun der Thränen,
Die du liebend einst geweint;
Unverloren blieb dein Sehnen,
Ob du's anders auch gemeint.

Was als Blume du zu pflücken
Allzu raschen Sinns geglaubt,
Sieh, nun flammt's, dich zu entzücken,
Dir als Sternbild überm Haupt.

XXVII.

O laßt mir meine stille Weise,
O reißt mich nicht hervor an's Licht!
Mich dürstet nicht nach eurem Preise,
Und eure Bahn ist meine nicht.

Dem Sänger sind genug der Schlingen
Vom eignen heißen Blut gelegt!
Es frommt das Maß in allen Dingen
Und doppelt, wo man Geister wägt.

Ist dieser Brust ein Ton beschieden,
Der stimmt in eures Herzens Schlag:
Wohlan, so gönnt mir Rast und Frieden,
Daß ich ihn voll verströmen mag.

Doch nicht, wo bei der Kerzen Funkeln
Den Reigen wilde Laune führt,
Der Gott hat immer nur im Dunkeln
Die Seele tönend mir berührt.

Er flicht die Stätten, wo die Menge
Sich Götzen formt und dann zerbricht;
Drum laßt mich werth sein seiner Strenge
Und reißt mich nicht hervor an's Licht.

XXVIII.

Sieh das ist es, was auf Erden
Jung dich hält zu jeder Frist,
Daß du ewig bleibst im Werden,
Wie die Welt im Wandeln ist.

Was dich rührt im Herzensgrunde,
Einmal kommt's, und nimmer so;
Drum ergreife kühn die Stunde,
Heute weine, heut sei froh

Gieb dem Glück dich voll und innig
Trag' es, wenn der Schmerz dich preßt,
Aber nimmer eigensinnig
Ihren Schatten halte fest.

Heiter senke was vergangen
In den Abgrund jeder Nacht;
Soll der Tag dich frisch empfangen,
Sei getreu doch neu erwacht.

Frei dich wandelnd und entfaltend,
Wie die Lilie wächst im Feld,
Wachse fort, und nie veraltend
Blüht und klingt für dich die Welt.

XXIX.

Durch Erd' und Himmel leise
Hinflutet eine Weise
Wie sanftes Harfenwehn,
Die jedem Dinge kündet,
Wozu es ward gegründet,
Woran es soll vergehn.

Sie spricht zum Adler: Dringe
Zur Sonne, bis die Schwinge
Dir trifft ein Wetterschlag;
Spricht zu den Wolken: Regnet,
Und wenn die Flur gesegnet,
Zerrinnt am goldnen Tag.

Sie spricht zum Schwan: Durchwalle
Die Flut und dann mit Schalle
Ein selig Grab erwirb.
Sie spricht zur Feuernelke:
In Duft glüh' auf und welke;
Zum Weibe: Lieb' und stirb!

XXX

Nach des Siechthums langer Plage
Endlich diese lichten Tage,
Blauer Himmel, stiller See;
Rebenduft in sonn'gen Lüften,
Tannen über schwarzen Klüften,
Und von fern der Gletscher Schnee!
Ach, da kommt noch einmal wieder
Innig Wohlsein auf mich nieder,
Und im warmen Born der Lieder
Löst sich auch das letzte Weh.


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