Emanuel Geibel
Vermischte Gedichte
Emanuel Geibel

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Mein Friedensschluß.

(1850)

Wohl netzt' ich heiß mit Thränen meine Pfühle,
Und rang in Qualen, mich emporzuhalten;
Denn furchtbar brannte dieser Zeiten Schwüle.

Es lag die Welt in grimmem Kampf zerspalten,
Und zu der Heere keinem könnt' ich stehen,
Hier sah ich Wahnsinn, dort Verstocktheit walten.

Das allertiefste Weh war mir geschehen;
Denn meiner Sehnsucht Bild, nun war's gekommen,
Doch wüstverzerrt, ein Gräuel anzusehen.

Das trieb mich rastlos um, von Gram beklommen;
Doch endlich, als ich lange Nächt' und Tage
Gerungen, ward von mir die Last genommen.

Nur wem das Schicksal stumm ist, der verzage;
Zu wem der Gott spricht aus der Weltgeschichte,
Dem singt er Trost zuletzt zur Zeit der Plage.

Durch blasse Dämmrung führt er ihn zum Lichte,
Und zeigt ihm, wie von hoher Bergeszinne,
Vergangenes und Künft´ges im Gesichte.

Und so von ihm geleitet ward ich inne;
Es kämpft sich ein Gedank' in brünst'gem Hoffen
Durch jede Zeit, daß er Gestalt gewinne.

Doch in den Staub geboren weist er offen
Nicht gleich sein Antlitz; Geist und Bild sind zweie;
Verhüllt erst glüht er unter niedern Stoffen.

Durch mißgeschaffner Formen lange Reihe
Die Seelenwandrung hat er zu vollenden,
Bis er verklärt erglänzt im Licht der Weihe.

So rang der Vorwelt Sehnsucht aller Enden
Zum Schönen; doch bis sie's gelernt zu fassen,
Wie tastete sie lang mit schweren Händen!

Wie lange band sie Dinge, die sich hassen
Im Bau der Sphinx, im Zwitterleib des Greifen,
Und thürmte schwungslos trüb gedrückte Massen!

Und dennoch lag im Wilden, Rohen, Steifen
Der Keim schon, der bestimmt war, einst im Bilde
Der Schaumgebornen wonnig auszureifen,

Wie sie mit Götterlächeln die Gefilde
Durchzieht und tausend Blumen weckt im Schreiten,
Ganz Liebreiz, ganz Holdseligkeit und Milde. –

Nun geht der Freiheit Geist durch diese Zeiten,
Die Massen rührt er, daß sie sich getrauen,
Nach dumpfem Sinn den Leib ihm zu bereiten.

Doch eine Binde liegt um ihre Brauen,
Ihr Thun ist maßlos, fiebrisch ihr Geberden;
Nur eine Götzin schaffen sie voll Grauen.

Und tausend Opfer fallen ihr auf Erden,
Denn ihre Satzung ist mit Blut geschrieben.
Das sind Geburtswehn; anders wird es werden.

Das Bild, aus krankem Sinn emporgetrieben,
Drin sphinxgestaltig Mensch und Thier sich einen,
Zerberstend wird's dahin in Aschen stieben.

In reinerem Gefäß dann wird erscheinen
Der heil'ge Funke, seine Kraft zu proben,
Denn jede Wandlung läßt ihm mehr vom Seinen;

Bis endlich, wie die Schönheit aus dem Toben
Des Meers, die Göttin aufsteigt aus den Schlacken,
Unschuldig, auf der Stirn den Stral von oben;

Im Glanzgelock ruht statt der Krone Zacken
Der Kranz ihr von des Oelbaums Silberlaube,
Und alle Welt beugt feiernd ihr den Nacken.

Die Stunde, da sie so entschwebt dem Staube,
Nicht träum' ich noch mit Augen sie zu grüßen;
Doch auch verzweifeln läßt mich nicht mein Glaube.

Er giebt mir Kraft, zu stehn auf franken Füßen,
Den Spiegel jedem Zerrbild kühn zu zeigen,
Und doch dem Keim zu huld'gen drin, dem süßen. Und weil ich muß beim Kampf des Tages schweigen,
Den Larven schlagen, hab' ich aufgerichtet
Dies Lied als Mal, daß ich der Freiheit eigen.
In ihrer Zukunft Sinn hab ich gedichtet.


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