Emanuel Geibel
Vermischte Gedichte
Emanuel Geibel

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Klage.

(1850)

Das treibt das Blut mir heiß in's Angesicht,
Daß, wo ich schweifen mag im fremden Lande,
Ich hören muß des deutschen Namens Schande,
Und darf nicht sagen, daß man Lüge spricht,
Ob mir vor Scham und Gram darob das Herz zerbricht.

Denn ach, der Mund, einst aller Treue Hort,
Der deutsche Mund, deß Spruch gleich theuren Eiden,
Von Zucht und Wahrheit lernt' er sich zu scheiden,
Zerbrechlich worden ist wie Glas sein Wort,
Und seine Schwüre thaun wie Schnee um Ostern fort.

Und du, o deutsches Schwert, das scharf gefegt
Durch hundert Schlachten kühn sich Bahn gebrochen,
Wie zagst du, in der Scheide nun verkrochen,
Als wärst du Schilf, das keine Wunden schlägt,
Sobald nur Moskaus Zar die Stirn in Runzeln legt.

Ach, da's um Treu und Mut bei uns geschehn,
Da neigt' ihr Haupt und starb die deutsche Ehre –
Fragt nach bei Schleswig zwischen Meer und Meere;
Da liegt sie eingescharrt; die Winde gehn
Mit Pfeifen drüberhin. Wann wird sie auferstehn!


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