Emanuel Geibel
Vermischte Gedichte
Emanuel Geibel

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Letzter Gruß.

Fahrwohl, fahrwohl! Du ziehst von hinnen,
Und all mein Glück zieht mit dir fort;
Doch sahst du keine Thräne rinnen,
Und diese Lippe sprach kein Wort;
Fahrwohl, fahrwohl! Du ahnest nicht
Den Dorn, der mir in's Leben sticht.

Ach, als in meines Herbstes Trauer
Du tratest, Frühlingslicht um's Haupt,
Da ging durch diese Brust ein Schauer,
Die nie zu lieben mehr geglaubt;
Am Wunder, das an mir geschah,
Fühlt' ich: ein Engel war mir nah.

Und da du meinem Spiel dich neigtest,
Und forschend nach der Lieder Sinn
Die junge Seele ganz mir zeigtest
Und aller Himmel Tiefen drin:

O wie mir da die Thräne quoll,
Und war doch höchster Freuden voll!

Mir war's, der Mond sei aufgegangen,
Mein dunkler Wandel ward voll Licht;
Ich träumte hin im schönen Prangen
Und dacht', ein Kind, der Zukunft nicht,
Fahrwohl! – In Wolken sinkt der Mond,
Und Nacht wird's: doch ich bin's gewohnt.

Fahrwohl, Holdsel'ge, sei gesegnet,
Und sei gesegnet, wem du nahst;
Auch er, dem einst dein Herz begegnet,
Wann du mich längst vergessen hast –
Fahrwohl, fahrwohl! Was geht's dich an,
Daß ich dich nie vergessen kann?


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