Mynona (Salomo Friedländer)
Rosa die schöne Schutzmannsfrau und andere Grotesken
Mynona (Salomo Friedländer)

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Der gut bronzierte Floh

Eine Rokoketterie

Honestus hatte eifersüchtig aufgequietscht, und die Marquise lächelte wohlgemut. Indem trat der König selbst ein. Se. Majestät trugen ihr Embonpoint huldvollst vor sich her. Sie setzten sich an den golddurchbrochenen Marmortisch und beliebten, zum Verdruß des Honestus, mit der Marquise zu scherzen. «Sie waren Milchmagd, Madame, bevor ich die Gnade hatte, Sie schön zu finden. Ist der Marquis (Honestus war gemeint) zufrieden?» Honestus knirschte mit den Zähnen, preßte seine Lippen fanatisch zusammen, sprang auf, verbeugte sich: «Vollkommen, Sire!» Der König sagte: «Überhaupt Milchmägde. Ich bin kein Schwärmer, aber ich finde doch, gerade Milch fasziniert die erotische Phantasie. Wie erstaunlich! Eine flammende Begierde durch sanfte Milch entzündet. Honestus allerdings (der König feixte ordinär) trinkt nicht mehr kuhwarm.» (Honestus war Viehknecht gewesen, bevor er das Marquisat erhalten hatte.) «Ich hole mir», beteuerte der König, «meine Geliebten am liebsten aus Kuhställen. Dieses Beieinander von Anmut und Mist, Mädchenduft und Dünger, Milchweiße und Kot durchdringt sich in meinem Herzen zu einem innigen Zusammen. Ich fühle mich göttlichirdisch, König und Bauer in einem. Ich herrsche, ich unterliege, ich berausche mich in diesem Vergessenkönnen des Ranges unter doch so souveränen Gefühlen . . . Wissen Sie einen Mann für Toinette, Honestus?» «Geben Sie sie einem echten Kuhhirten, Majestät!» «Seht! Er hält sich bereits für unecht, und gewissermaßen irrt er sich nicht. Ich verändre die Natur. Ich wollte nur, Honestus . . . das ist aber ein heikeler Punkt . . .» er lachte: «buchstäblich ein Punkt, Honestus. Ich würde ihren Gemahl zum Herzog machen. Sagen Sie mir, Marquis: ich geniere mich, aber es muß erwähnt werden; es gibt dort nur 150 allzu echtes Ungeziefer.» Er lüpfte sein Knie. «Ich bin zerstochen. Miniaturattentate, niedliche Majestätsbeleidigungen.» «. . . Insektenpulver, Majestät . . .» «Mäßiger Geist, Honestus! Mangel an Erfindung! Wünsche graziöseres Auskunftsmittel.»

Die Marquise girrte ihr Trillerlachen: «Mir fällt etwas Amüsantes ein. Es gibt goldenen Puder; man sollte das Insektenpulver damit durchmengen!» «Göttlich, Marquise!» rief der König, er freute sich und kniff ihre Wangen, worüber Honestus fast auffuhr. Des Honestus Eifersucht vergnügte den alten dicken König, der den Honestus in der komfortablen Zelle des Hoflebens wohlgefangen wußte. Gab es etwas Angenehmeres? Man verführte die Bräute der Hirten und polierte dann die verliebten Pärchen bis zum blanksten Adel. Man umgab sich mit reizenden Körpern, welche die echt feudalen beschämten, meistens illegitim vom Uradel abstammten und papageienhaft den zeremoniellen Jargon reden lernten; unterlaufende Vulgarismen trugen zum Entzücken des königlichen Wüstlings bei.

Honestus gefiel sich in einem Racheakte, der, wie alle Akte dieses gezähmten Tieres, von boshafter Harmlosigkeit war. Anstatt Insektenpulver golden zu bronzieren, verpulverte er den goldenen Mehlpuder seiner Dame allenthalben im Stall; ja, er unterstand sich, die schöne Toinette damit sorgfältig zu überstäuben, nicht nur ihren stoffenen, sondern auch den rosigweißen Rock, den sie von der Natur hatte. Toinette ließ es sich nicht ungern gefallen. Die beiden schäkerten kräftig; ihr Zusammensein artete fast in ein Schäferstündchen aus.

Als der König Toinetten aufsuchte, war seine erste Frage: «Hm? Insektenpulver?» Und als es bejaht wurde, fragte er: «Goldenes?» «Echt goldenes», antwortete der hübsche Mund. Aber davon konnte sich bald der ganze Hof überzeugen.

Schon am nächsten Tage verzog die Königin bei der Tafel ihr Gesicht so schmerzlich, daß alles erschrak. Alle 151 Hofdamen, voran die alte Oberzeremonienmeisterin, umflatterten die hohe Dame. Diese tat einen kleinen Schrei und flüsterte der Alten etwas ins Ohr. «Oh! Oh!» machte diese und beäugelte die Königin ängstlich suchend durch ihre Schildpattlorgnette. Da sah man plötzlich aus dem Busenlatz der Majestät sich eine zarte goldene Staubwolke erheben: drei goldene punktartige Wesen sprangen auf die weißdamastene Tischdecke und hüpften blinkend zwischen Kristallen und Metallen umher. Es begann eine komisch zeremoniöse Jagd nach dem unbegreiflichen Etwas. Der König saß, vor Lachen außer sich geratend, still. Honestus stierte, die Schadenfreude verbeißend, seine erschrockene Marquise an. Zwei der goldenen Punkte färbten bereits das Tischtuch schwarzgoldrot. Allein der dritte sprang munter zur Königin zurück und verschwand wieder unter deren Busenlatz. Das arme königliche Weib flog auf und mit dem Schwarm der Hofdamen in ihr Boudoir.

Die Herren, mit Ausnahme des Königs und Honestus, sahen sich verstört und verwundert an. Der König schrie vor Lachen: «Das hast du famos gemacht, Marquis. Aber du hast wohl schlechtes Insektenpulver genommen? Das Zeug lebt ja noch.» Honestus zuckte die Achseln. «Soll ich dich selbst bronzieren lassen, Honestus, wie jenen Bengel, der zu katholischen Prozessionszwecken in der Renaissance daran starb?» –

Die Flügeltüren öffneten sich. Die Damen erschienen wieder. Eine Kammerzofe präsentierte hinter der Königin auf elfenbeinernem Tablett einen winzigen goldenen Fleck. Die Königin ließ den gut bronzierten Floh vor den König hinsetzen. Das Tierchen war vom Hofmechaniker mit einem spinnfadendünnen silbernen Seidenfaden an einen kleinen Ebenholzpflock auf der Elfenbeinplatte befestigt worden und tanzte nun unter der durchlauchtigsten Nase seine pikanten Sprünge. Der Hof erstarb in ehrfürchtigem Schweigen, während Majestät das juwelisierte Tierchen in gnädigen Augenschein nahm.

152 Und was war die Folge? – Goldbronziertes Ungeziefer wurde hoffähig – nicht allein hoffähig, sondern es war direkt unfair, sich keines zu halten. Ja, schließlich trug man es in irgendeiner Sicherung am Leibe; die Damen im Haar, am Ohrring, Armband, Fächer; die Herren am Knopf, am Degen, im Jabot. Flöhe, Läuse, Wanzen in Gold, Silber, Kupfer und anderen Edelmaterien wurden dernier cri. Man sah die Königin nie mehr ohne Goldfloh. Toinettens Stall war das Quellmagazin der Brikabrakmenagerie. Diese kuhmagdliche Mätresse heiratete später den geherzogten Schweinetreiber Jacquesjean. Ihr Brautkleid war mit diamantengepuderten Flöhen gespickt. Ihr Geschlecht aber führt ein Tierchen im Wappen, das jedes zarte Schamgefühl unbedingt beleidigt; es bleibe ungenannt; es genüge die Andeutung, daß der König mit Beziehung darauf im groben Munde seines Volkes als der dunkelgrau Gesalbteste fortlebt. Übrigens sticht ein springlebendiger Goldpunkt gegen eine liebliche Frauenwange wie das feinste Schönheitspflästerchen ab. Versuchen Sie's, reizende Leserinnen! 153

 


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