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Sechzehntes Kapitel.

Dombey und Sohn.
1846–1848.

Obgleich sein beabsichtigtes neues »Buch in Schillingsheften« schon drei Monate vor seiner Abreise aus England gegen mich erwähnt wurde, wußte er selbst damals und bis zu seiner Abreise wenig davon, ausgenommen die ebenfalls um jene Zeit erwähnte Thatsache: daß es mit dem Stolze thun solle, was sein Vorgänger mit der Selbstsucht gethan habe. Aber diese Schranke überschritt er bald und die Aufeinanderfolge unabhängiger, durch die Mannigfaltigkeit ihrer Gestalten und ihrer Behandlung überraschender Charaktergruppen, durch welche er seinen Plan erweiterte und bereicherte, ging weit hinaus über das Gebiet der Leidenschaft Mr. Dombey's und Mr. Dombey's zweiter Frau.

Augenfällige Ursachen haben bedenkliche Unterschätzungen dieses Romans veranlaßt. Seine ersten fünf Hefte spannten das Interesse und die Erwartung so hoch, daß das andere nothwendigerweise dahinter zurückblieb; aber es ist deshalb nicht wahr von dem allgemeinen Gedanken zu sagen: der Wein sei damit abgezogen worden und nur die Hefe zurückgeblieben. In der Behandlung anerkannter Meisterwerke der Literatur geschieht es nicht selten, daß das Genie und die Kunst des Meisters nicht bis zum Schlusse zusammen gearbeitet haben; aber wenn ein Werk der Einbildungskraft sein höheres Lob einbüßen soll, weil sein anfänglicher Schritt nicht regelmäßig eingehalten wird, so würde es manchen Büchern von unleugbarer Größe schlimm ergehen. Unter andern scharfen Bemerkungen der Kritik wurde hier gesagt: Paul sei am Anfange aus keiner Nothwendigkeit der Geschichte gestorben, sondern nur, um die Leser etwas mehr zu interessiren, und Dombey werde am Ende aus ganz demselben Grunde milder. Was jetzt erzählt werden soll, wird beweisen, wie wenig Grund für beide Vorwürfe vorhanden war. Die sogenannte »gewaltsame Umwandlung« in dem Helden, wurde noch vor Kurzem in den Bemerkungen Taine's wieder aufgefrischt, der davon sagte: sie verderbe einen schönen Roman. Man wird jedoch sehen, daß die scheinbare Umwandlung keine unnatürliche Umwandlung war, und jedenfalls war ihre Annahme kein der »öffentlichen Moral« dargebrachtes Opfer. Während alle andern Theile der Erzählung sich derjenigen Mannigfaltigkeit der Entwicklung fügen mußten, welche die Charaktere selbst mit sich brachten, war der auf Paul und seinen Vater bezügliche Plan von Anfang an gefaßt worden und wurde ohne Abänderung bis zum Schlusse durchgeführt. Und ein bemerkenswerther Beweis für die vollkommene Ehrlichkeit, mit welcher Dickens selbst Beschuldigungen wie die von nur erwähnten zurückwies, als er die Vorrede zu seiner Gesammtausgabe schrieb, erscheint in dem an mich gerichteten Briefe, welcher das Manuskript seines beabsichtigten ersten Heftes begleitete. Keine andere Zeile des Romans war um diese Zeit geschrieben.

Als nichts als das erste Kapitel fertig war und dann wieder, als Alles bis auf acht Seiten beendet war, hatte er mir Briefe geschickt, die oben mitgetheilt wurden. Nachstehendes kam mit dem Manuskript der vier ersten Kapitel am 25. Juli. »Ich will Dir jetzt einen Umriß meiner gegenwärtigen Pläne in Bezug auf Dombey geben. Ich beabsichtige zu zeigen, wie jene eine Vorstellung des Sohnes sich Dombey's mehr und mehr bemächtigt, und seinen Stolz in erstaunlichem Umfange schwellt und aufbläht. Indem der Knabe heranwächst, werde ich zeigen, wie Dombey ganz ungeduldig wird in Bezug auf seine Fortschritte, und wie er in die Lehrer dringt, ihm große Aufgaben zu geben und dergleichen mehr. Aber die natürliche Neigung des Knaben wird sich der verschmähten Schwester zuwenden und ich will zeigen, wie sie alles Mögliche aus freiem Entschlusse lernt, um ihm bei seinen Stunden zu helfen und wie sie ihm in Allem hilft. Wenn der Knabe etwa zehn Jahre alt ist (im vierten Heft), wird er krank werden und sterben; und wenn er krank ist und im Sterben liegt, soll er sich noch immer um Trost und Beistand an die Schwester wenden, und sich die ernste strenge Liebe des Vaters fern halten. So wird Mr. Dombey – trotz aller seiner Größe und trotz aller seiner Hingabe an das Kind – sich selbst dann eines Armes Länge von ihm entfernt finden und sehen, daß die ganze Liebe und das ganze Vertrauen des Knaben seiner Schwester zu Theil werden, die Dombey – und auch der Knabe in gewisser Weise – als eine bequeme Handhabe für seine Zwecke benutzt hat. Der Tod des Knaben versetzt natürlich allen Plänen und langgehegten Hoffnungen des Vaters den Todesstoß; und ›Dombey und Sohn‹ ist, wie Miß Tox am Ende des Heftes sagen wird, ›schließlich doch eine Tochter‹ . . . Von dieser Zeit an beabsichtige ich sein Gefühl der Gleichgültigkeit und Unbehaglichkeit gegen seine Tochter in positiven Haß zu verwandeln. Denn er erinnert sich immer daran, wie der Knabe, als er starb, ihren Hals mit seinen Armen umschlungen hielt und ihr zuflüsterte und nur von ihrer Hand etwas nehmen wollte und an ihn nie dachte . . . Zugleich werde ich ihre Empfindung gegen ihn in ein lebhafteres Verlangen, ihn zu lieben und von ihm geliebt zu werden, verwandeln, ein Verlangen, welches aus ihrem Mitleid für seinen Verlust und ihre Liebe zu dem todten Knaben, den er auf seine Weise so sehr liebte, entspringt. So beabsichtige ich, die Geschichte durch alle sich ergebenden Verzweigungen und Windungen fortzuführen und durch den Verfall und den Sturz des Hauses und den Bankerott und alles Andere. Und sein einziger Stab und Schatz und sein unbekannter guter Genius wird immer diese verstoßene Tochter sein, die sich endlich als besser erweisen wird als irgend ein Sohn, und deren Liebe für ihn, wenn er sie entdeckt und erkennt, sein bitterster Vorwurf sein wird. Denn der innere Kampf, welcher in allen solchen hartnäckigen Naturen vor sich geht, wird dann beendet sein und das Gefühl seiner Ungerechtigkeit, das ihn, Du kannst dessen sicher sein, nie verlassen hat, wird endlich ein milderes Amt ausüben als dasjenige, ihn nur noch härter ungerecht zu machen. Ich rechne sehr darauf, daß Susan Nipper, wenn sie groß geworden ist und theils als Florence's Kammerjungfer, theils als eine Art Gesellschafterin für sie beschäftigt ist, durch den ganzen Roman hindurch ein wirkungsvoller Charakter sein wird. Ich rechne auch auf die Toodles und Polly, bei der Mr. Dombey, gerade wie bei allen Andern, finden wird, daß sie zu seiner Tochter übergegangen und ihr ergeben ist. Dies ist das, was die Köche ›den Stamm der Suppe‹ nennen. Alle möglichen Dinge werden natürlich hinzugefügt werden.« Die hierin gegebene Erläuterung seiner Arbeitsmethode ist vortrefflich und der dadurch gelieferte Beweis für das ächte Gefühl seiner Kunst, womit er dies Buch begann, von dem größten Interesse.

Der Schluß des Briefes warf eine wichtige Frage auf, welche eine Hauptperson der Erzählung in ernster Weise beeinflußte. »Was den Knaben angeht, der in dem letzten Kapitel des ersten Heftes auftritt, so glaube ich, daß es gut sein wird, alle Erwartungen, welche dies Kapitel hinsichtlich seiner glücklichen Verbindung mit der Geschichte und der Heldin erweckt, zu enttäuschen und zu zeigen, wie er allmälig und natürlich von jener Liebe zum Abenteuer und von seiner knabenhaften Leichtherzigkeit in Nachlässigkeit, Müßiggang, Ausschweifung, Unehrlichkeit und Verderben hinüberschweift Kurz, jene gemeine, alltägliche, klägliche Abweichung darzustellen, von der wir in unserm gewöhnlichen Leben so viel erfahren, etwas von der Philosophie derselben an großen Versuchungen und einer leichten Natur zu entwickeln und zu zeigen, wie das Gute sich stufenweise in das Schlechte verwandelt. Wenn ich eine kleine Vorstellung von Florence dabei immer im Hintergrunde hielte, so glaube ich, es könnte sehr wirkungsvoll und sehr nützlich werden. Was denkst Du davon? Glaubst Du, daß es sich thun läßt, ohne daß die Leute böse darüber werden. Ich könnte Salomon Gills und Capitän Cuttle durch eine solche Geschichte gut zur Darstellung bringen, und jedenfalls erkenne ich darin eine Veranlassung für gute Scenen zwischen Capitän Cuttle und Miß Tox. Diese Frage in Bezug auf den Knaben ist sehr wichtig. . . . Laß mich Alles hören, was Du darüber denkst. Hören! Ich wollte ich könnte es!« . . .

Aus Gründen, bei welchen ich hier nicht zu verweilen brauche, aber denen Dickens schließlich beistimmte, wurde Walter für eine glücklichere Zukunft aufgespart und der angedeutete Gedanke gewann später Gestalt unter Umständen, die besser für seine vorzügliche Entwicklungsfähigkeit geeignet waren: in dem bemerkenswerthen Charakter Richard Carstanes in dem Romane ›Bleak House‹. Aber ein anderer Punkt forderte inzwischen Erledigung welche keinen Aufschub litt. In dem ersten Genuß des Schreibens nach seinem langen Ausruhen, wovon in einem früher mitgetheilten Briefe die Rede war, hatte er sein Heft fast um ein Fünftel zu lang gemacht und gegen seinen Vorschlag, das vierte Kapitel in sein zweites Heft hinüberzunehmen und es durch ein anderes von geringerer Seitenzahl zu ersetzen, hatte ich einzuwenden, daß dies seinem Interesse am Anfang Schaden thun könnte. So schrieb er am 7. August: »Ich habe Deinen Brief heute mit dem größten Vergnügen erhalten und bin höchst erfreut zu finden, daß das Heft Dir so wohl gefällt. Es gefiel mir selbst wohl und schien mir ein großer Sprung in eine Geschichte; aber ich wußte nicht, inwieweit meine väterliche Liebe dies Urtheil beeinflußte. Was würdest Du, in Bezug auf die Illustrationen, zu einem Bilde mit der Unterschrift ›Miß Tox stellt die Gesellschaft vor‹, und ›Mr. Dombey und Familie‹, d. h. Polly Toodle, das Baby, Mr. Dombey und die kleine Florence, sagen? Ich glaube; es würde gut sein, sie zu haben. Walter, dessen Onkel und Capitän Cuttle könnten vorläufig fortbleiben. Ich überlege mir's jetzt ernstlich, ob es nicht besser wäre, das vierte Kapitel vollständig herauszunehmen und es zum letzten Kapitel des zweiten Heftes zu machen, zum Schluß für das erste Heft aber ein anderes neues Kapitel zu schreiben. Mir scheint, es würde unmöglich sein, ohne große Qual sechs Seiten herauszunehmen. Glaubst Du, daß ein Verfahren wie das eben angedeutete das erste Heft sehr schwächen würde? Ich möchte, daß Du mir sobald als möglich nach dem Empfang dieses Briefes Deine Meinung über diesen Punkt mittheiltest. Solltest Du der Ansicht sein, daß es das erste Heft über den aufwiegenden Vortheil der Stärkung des zweiten Heftes hinaus schwächte, so würde ich das Kapitel irgendwie abkürzen und es gehen lassen. Ich verlange sehr, Deine Ansicht darüber zu hören. Inzwischen will ich mit dem zweiten Hefte fortfahren, das ich gerade begonnen habe. Wegen der großen Hitze bin ich, seit wir von Chamounix zurückgekehrt sind, nicht ganz ich selber gewesen.« Zwei Tage später: »Ich habe ein kleines Kapitel angefangen, welches das erste Heft abschließen soll und bin entschieden dafür, daß die zehn Seiten über Wally und Co. ungetheilt für das zweite Heft aufbewahrt werden. Aber ich mache dies doch noch von Deinem Urtheil abhängig, auf das ich sehr gespannt bin. Ich bin während der ganzen Woche nicht in der Stimmung gewesen zu schreiben, aber das Wetter machte die Arbeit auch beinahe unmöglich.« Vier Tage später: »Ich schicke Dir mit diesem Briefe (für den Fall, daß Du dieser Ansicht der Sache geneigt sein solltest) ein kleines Kapitel zum Abschluß des ersten Heftes, anstatt des Salomon Gills'schen. Ich habe die ganze Woche dem Müßiggang gefröhnt und nichts zu Stande gebracht, als diesen unbedeutenden Eindringling, hoffe aber, am Montag wieder anzufangen – Ding Dong . . . Das Dintenfaß soll heute Abend gereinigt und wieder gefüllt werden, als Vorbereitung für die Arbeit. Ich hoffe, ich werde während der nächsten vierzehn Tage ein gut Theil Dinte vergießen.« Dann, am folgenden Tage, nach der Ankunft meines Briefes, unterwarf er sich einer harten Nothwendigkeit. »Ich erhielt Deinen Brief heute. Ein entschiedener Schlag in's Gesicht für mich. Ich hatte, ach, mit der Gier eines Geizhalses auf die gewonnenen zehn Seiten gerechnet . . . Es thut nichts. Ich zweifle nicht, daß Du recht hast, und daß Stärke Alles ist. Die Hinzufügung von zwei Reihen zu jeder Seite, oder etwas weniger, nebst den beigefügten Ausschnitten, wird Alles in's Gleiche bringen. Falls noch mehr Ausschnitte nöthig sein sollten, muß ich Dich bitten, Deine Hand daran zu versuchen. Ich werde in Alles willigen, was Du vorschlägst.« So unbedingt nothwendig diese Ausschnitte sein mochten, so waren sie doch nicht ohne großen Nachtheil, und unter andern mußte dabei eine Stelle geopfert werden, welche seine schließlichen Pläne in Bezug auf Dombey andeutete. Dieselbe würde schon so früh etwas von dem Kampfe mit sich selbst gezeigt haben, den ein solcher Stolz immer durchmachen muß und verdient es, wie mir scheint, in einer Anmerkung aufbewahrt zu werden. »Er hatte schon die Hand an den Glockenzug gelegt, um Richards wie gewöhnlich zu sich zu bescheiden, als sein Auge auf ein Schreibepult fiel, das seiner verstorbenen Frau gehört hatte und nebst andern Sachen aus einem Schranke in ihrer Stube genommen war. Es war nicht das erste Mal, daß sein Auge dasselbe berührte. Er hatte den Schlüssel dazu in der Tasche und er trug es auf seinen Tisch und öffnete es nun – nachdem er vorher die Zimmerthür verschlossen – mit wohl gewöhnter Hand.

»Aus einem Haufen zerrissener und durchstrichener Papierstücke zog er einen Brief hervor, der ganz geblieben war. Unwillkürlich den Athem anhaltend, indem er dies Dokument öffnete und bei dieser verstohlenen Handlung etwas von seinem anmaßenden Wesen verlierend, setzte er sich nieder, stützte die Hand auf den Kopf und las den Brief durch.

»Er las ihn langsam und aufmerksam und mit besonderer Beachtung jeder Sylbe. Abgesehen davon, daß seine große Ueberlegung unnatürlich und vielleicht das Resultat einer gleich großen Anstrengung schien, ließ er kein Zeichen der Erregung blicken. Nachdem er ihn durchgelesen hatte, faltete und faltete er ihn langsam mehreremale und riß ihn sorgfältig in Stücke. Im Begriff diese wegzuwerfen, that er seiner Hand Einhalt, steckte sie in die Tasche, als wollte er sie nicht einmal der Möglichkeit wieder zusammengesetzt und entziffert zu werden, anvertrauen und statt wie gewöhnlich für den kleinen Paul zu schellen, saß er den ganzen Abend einsam in seinem öden Zimmer.« Aus dem Original-Manuscript von Dombey und Sohn.

Mehrere Briefe drückten nun seine Aufregung und Sorge hinsichtlich der Illustrationen aus. Eine nervöse Furcht vor der Carrikirung des Gesichts seines kaufmännischen Helden hatte ihn veranlaßt, durch eine lebende Person denjenigen Typus eines City-Gentleman anzudeuten, welchen der Künstler seinem Wunsche gemäß darstellen sollte und das war es, was er mit seiner wiederholten dringenden Bitte meinte: ›Ich möchte, er könnte A. einmal sehen, denn das ist der wahre Dombey.‹ Aber da A. nicht zu sehen war, wurde beschlossen, Skizzen anderer Buchstaben des Alphabets, theils wirkliche, theils Phantasieköpfe, an Dickens zur Auswahl zu schicken und das Blatt voll, das ich ihm schickte und das er zurückschickte, nachdem er eine Auswahl getroffen, theile ich umstehend im Facsimile mit. Amüsant an sich, erfüllt es jetzt zugleich den wichtigen Zweck, ein für allemal in Bezug auf Dickens' Verkehr mit den Künstlern zu zeigen, daß sie es keineswegs leicht bei ihm hatten, daß seine Anforderungen, mehr als gewöhnlich zwischen Autor und Illustrator der Fall ist, beträchtlich waren, daß er, wie er selbst gesagt hat, geneigt war, Tempel in seinem Geiste aufzubauen, die sich nicht immer mit Händen errichten ließen, daß die Resultate selten etwas anderes für ihn waren als Enttäuschungen, und daß nichts absurder sein kann, als sich eine Vorstellung von ihm zu machen, welche diese Beziehungen geradezu umkehrt und ihn darstellt, als habe er von irgend einem Künstler die Begeisterung empfangen, die er sich immer vergeblich bemühte mitzutheilen. Schon in meinem ersten Bande habe ich einer Behauptung dieser Art widersprochen; Vgl. Band I. S. 128–130. aber dieselbe ist seitdem so ausdrücklich wiederholt worden, daß, um jede mögliche Mißdeutung eines Schweigens zu vermeiden, bei welchem ich gern beharrt hätte, der unerfreuliche Gegenstand noch einmal widerstrebend berührt werden muß.

Künstlerphantasieen für Mr. Dombey

Künstlerphantasieen für Mr. Dombey

Künstlerphantasieen für Mr. Dombey

von Hablot Browne

Die Behauptung wurde zuerst vorgebracht von einem literarischen Freunde des vortrefflichen Künstlers, der Oliver Twist von Monat zu Monat, während der ersten Zeit der monatlichen Herausgabe, illustrirte. Dieser Herr erklärte in einem in Amerika geschriebenen und veröffentlichten Artikel, Cruickshank habe, indem er die Radirungen ausgeführt, ehe er Gelegenheit gehabt den Text zu sehen, dem Autor die schönsten Effekte seiner Geschichte eingegeben; und hierauf war es meine Pflicht zu erwiedern, daß meine deutliche Erinnerung der ganzen Zeit, als der Roman im Fortschritt begriffen war, dieser Behauptung zuwiderlaufe, und daß die angebliche Thatsache meiner eigenen persönlichen Kenntniß nach nicht wahr sei. »Dickens,« soll der Künstler zu seinem Bewunderer gesagt haben, »suchte sich jenes Bündel Zeichnungen heraus und als er an das Blatt kam, das Fagin in der Mörderzelle darstellt, studirte er es schweigend eine halbe Stunde lang und sagte mir, er fühle sich versucht, die ganze Anlage seines Romans zu ändern. Ich gab meine Einwilligung, daß er nach meinen Plänen schreiben könne, und auf diese Weise entstanden Fagin, Sikes und Nancy.« Glücklicherweise war ich im Stande, die vollständige Widerlegung dieser Thorheit beizubringen, indem ich einen damals von Dickens geschriebenen Brief mittheilte, welcher unwiderleglich bewies, daß die letzten Illustrationen, mit Einschluß der beiden besonders zur Unterstützung der albernen Anklage erwähnten (Sikes und sein Hund und Fagin in der Zelle), nicht einmal von Dickens gesehen waren, bis sein beendetes Buch am Vorabend der Veröffentlichung stand. Da aber der ausgezeichnete Künstler, trotz der Auffrischung seines Gedächtnisses durch diesen Brief, sich noch einmal erlaubt hat, die Behauptung seines Freundes zu bestätigen, so kann ich nur wieder auf derselben Seite, welche die von ihm gebrauchte sonderbare Sprache enthält, die Worte abdrucken lassen, mit welchen Dickens selbst ihren Vorwurf gegen sein Andenken zurückweist. Für Einige mag es befriedigender sein, wenn ich den Brief in Facsimile mittheile und so auf immer eine Anklage beseitige, die an sich so unglaublich ist, daß nichts eine weitere Anspielung darauf gerechtfertigt haben würde, als die Kenntniß der alten und wahren Achtung meines Freundes für Cruickshank (von der man demnächst Beweise sehen wird) und meine eigene Achtung vor einem selbstständigen Genie, das sehr wohl durch sich selbst bestehen kann, ohne zu nehmen, was Anderen gehört.

Charles Dickens an George Cruickshank. Facsimile eines 1839 geschriebenen Briefes über die letzten Illustrationen zu Oliver Twist

Charles Dickens an George Cruickshank. Facsimile eines 1839 geschriebenen Briefes über die letzten Illustrationen zu Oliver Twist

»Ich will jetzt erklären, daß ›Oliver Twist,‹ der – der – &c.« (Bücher von andern Autoren werden hier genannt) »auf eine ganz andere Art entstanden ist, als man gewöhnlich denkt, denn ich, der Künstler, schlug den Autoren jener Werke die ursprüngliche Idee oder den Gegenstand vor, den sie ausführen sollten – und lieferte ihnen zugleich die Hauptcharaktere und Scenen. Und dann, da die Erzählung in Monatsheften veröffentlicht wurde, mußten der Schriftsteller oder Autor und der Künstler sich jeden Monat darüber verständigen, welche Scenen oder Gegenstände und Charaktere vorgeführt werden sollten und der Autor mußte diejenigen Scenen, die ich darzustellen wünschte, hineinweben.« – The Artist and the Autor, von George Cruickshank, p. 15. (London, 1872.) Die kursivgedruckten Stellen sind von Cruickshank selbst unterstrichen.

Indem ich die Briefe über Dombey wieder aufnehme, finde ich Dickens am 30. August in besserer Stimmung über seinen Illustrator. »Ich werde in alle Veränderungen oder Auslassungen, die Du noch sonst vorschlagen magst, gern einwilligen. Browne scheint gute Fortschritte zu machen . . . Er wird an Paul's Taufe einen dankbaren Gegenstand haben. Chick ist wie D., was Du vielleicht gelegentlich erwähnen kannst. Das kleine Kapitel über Miß Tox und den Major, das Du leider! (aber sehr weise) aus dem ersten Heft zurückgewiesen hast, habe ich zum letzten Kapitel des zweiten abgeändert. Ich habe das mittlere Kapitel noch nicht ganz beendet, habe, ich denke, noch drei gute Tage daran zu arbeiten; aber ich hoffe, das ganze wird ein würdiger Nachfolger von Nummer Eins werden. Ich will es schicken, sobald es fertig ist.« Dann, etwas später: »Browne interessirt sich jedenfalls und gibt sich Mühe. Der Umschlag ist sehr gut, vielleicht etwas zu voll, doch das ist ein undankbarer Einwand.« Die zweite Septemberwoche brachte mir das fertige Manuscript des zweiten Heftes, und sein Brief vom 3. Oktober, der auf Einwendungen meinerseits Bezug nimmt, fügt diesem Bilde von ihm, während er an der Arbeit ist, einige neue Züge hinzu. Der Gegenstand, mit dem er beschäftigt war, ist eins seiner Meisterstücke. In allen seinen Schriften findet sich nichts, was seine besten Eigenschaften in vollendeterer Weise offenbart, als das Leben und der Tod Paul Dombey's. Die Komik ist bewunderungswürdig; nichts übertrieben, alles frisch und gesund in Gelächter und Scherz; alle zur Heiterkeit beitragenden Personen, Dr. Blimber und seine Schüler, Mr. Toots, die Chick und die Toodle, Miß Tox und der Major, Paul und Mrs. Pipchin, in seinem besten Styl; und die ernsten Scenen nicht weniger vortrefflich, von dem Tode der Mutter Paul's im ersten Hefte, bis zu dem Tode Paul's selbst im fünften – der, wie ein Schriftsteller von Genie fast ohne Uebertreibung sagte, ein ganzes Volk in Trauer versetzte. Aber man bemerke, wie eifrig dieser große Schriftsteller jeden Rath berücksichtigt, wie wenig Selbstschätzung und Selbstzufriedenheit in ihm ist, mit welchem Bewußtsein von der Tendenz seines Humors zum Uebermaß er das aufgibt, was nöthig ist, ihn zu beschränken und von welch' geringer Bedeutung für ihn jedes besondere Stück Arbeit ist in seiner Sorgfalt und Rücksicht auf den allgemeinen Plan. Ich denke dabei an Ben Jonson's Wort über den größten aller Schriftsteller. »Er war fürwahr ehrlich und von offenem und freiem Wesen, hatte eine vorzügliche Phantasie, tüchtige Ideen und edle Ausdrücke, in denen er sich mit solcher Leichtigkeit ergoß, daß es zuweilen nöthig war, ihm Einhalt zu thun.« Wer ihm Einhalt that, und wie leicht es war, dies zu thun, darüber wird Niemand in Zweifel sein. Worum es sich allein handelt ist die Frage, ob es nicht besser gewesen sein würde, ihn sowohl als den Schriftsteller einer späteren Zeit sich selbst zu überlassen.

Der Brief vom 3. Oktober lautete folgendermaßen: »Miß Tox's Kolonie will ich in Stücke schlagen. Walter's Anspielung auf Carker (willst Du sie ganz ausfallen lassen?) soll vernichtet werden. Du verstehst natürlich, was für ein Mensch er ist? Ich habe mir jene Rede vielfach überlegt; aber es schien mir natürlich, daß ein Knabe unter den Umständen, wenn die Sache sich ihm auf solche Weise darstellt, weiter darüber spricht . . . Ich dachte, man könnte möglicherweise eine boshafte Anspielung auf den Glauben an die Taufe entdecken und legte mir beim Weiterschreiben den Hemmschuh an. Wo möchtest Du die Einschaltung machen und in welcher Weise? Auch das soll geschehen. Ich möchte, daß Du dies Heft für durch und durch würdig hieltest dem ersten zu folgen. Eben fällt mir ein, ob nicht Dein Zweifel hinsichtlich der Taufe ein Grund sein möchte, die Ceremonie nicht zum Gegenstand einer Illustration zu machen? Sei so gut, Dir dies zu überlegen. Sodann: wenn es sich thun ließe (ich werde Muße haben, die Möglichkeit zu bedenken, ehe ich anfange), glaubst Du, es würde gerathen sein, das dritte Heft zu einer Art Halbwegestation zwischen Paul's Kindheit und seinem neunten oder zehnten Jahre zu machen? – In diesem Falle würde ich ihn vermuthlich nicht eher tödten als im fünften Hefte. Hältst Du es für wahrscheinlich, daß Florence und Walter den Leuten hinlänglich gefallen werden, um an einem neuen Hefte über sie in ihrem gegenwärtigen Lebensalter Geschmack zu finden? Sonst wird Walter geradesweges zwei- oder dreiundzwanzig werden. Ich möchte, daß Du hierüber nachdächtest . . . Mit der Taufe hast Du gewiß Recht! Es soll geschickt und leicht verbessert werden . . . Eh?«

Inzwischen war, zwei Tage vor diesem Briefe, sein erstes Heft vom Stapel gelassen, mit einem Erfolge, der seine Hoffnungen übertraf und die Tage ›Nickleby's‹ zurückführte. »Der Erfolg Dombey's ist glänzend!« schrieb er mir am 11. »Ich hatte mir den Verkauf von dreißigtausend Exemplaren als die äußerste Grenze des Erfolges gedacht und gesagt, wenn diese Zahl erreicht würde, würde ich mehr als zufrieden und mehr als glücklich sein; Du kannst daher urtheilen, wie glücklich ich bin! Ich las das zweite Heft hier gestern unter dem erstaunlichsten und ausgelassensten Beifall unseres Kreises vor. Ich habe nie Leute so lachen sehen und hören. Du wirst mir erlauben zu bemerken, daß mein Vortrag des Majors verdienstlich ist.« Welch' ein Thal des Schattens er gerade auf seiner Fahrt durch das Weihnachtsbuch durchzogen hatte, wurde oben erzählt; aber immer, und nur mit zu großer Lebhaftigkeit, schnellte er unter jedem Druck empor. »Eine Woche vollständigen Müßigganges,« schrieb er mir am 26., »hat mich wieder hergestellt – eines so einrostenden und verschlingenden, so vollständigen und ununterbrochenen Müßigganges, daß ich ganz froh bin, heute die Ueberschrift des ersten Kapitels des dritten Heftes zu schreiben. Es wird, wie ich fürchte, wegen jener Abänderung des Planes zuerst langsam gehen. Aber ich gestatte mir für dieses Heft fast drei Wochen, da ich meiner gegenwärtigen Absicht gemäß am 16. November nach Paris abreisen werde. Näheres in späteren Briefen. Ich bin gerade beim Zu-Bette-gehen. Ich glaube, ich kann durch die Empfindung, welche durch die Hinzufügung eines neuen Heftes vor Paul's Tode hervorgerufen wird, eine gute Wirkung auf den folgenden Theil der Geschichte erzielen.« . . . Fünf weitere Tage bestärkten ihn in dieser Hoffnung. »Ich arbeite, Gott sei Dank, an Dombey, mit erfreulicher Schnelligkeit. Alles wohl hier. Das Land kolossal schön. Die Berge mit Schnee bedeckt. Herrliches frisches Wetter.« Ein Rückschlag erwartete ihn. Das zweite Heft wurde ihm zugeschickt und er fand die Illustrationen so ›furchtbar schlecht‹, daß ›die Beine sich ihm dabei in die Höhe drehten‹. Sie machten ihn auch mehr als gewöhnlich besorgt in Hinsicht auf eine besondere Illustration, der er für den Theil, mit welchem er eben beschäftigt war, einen besonderen Werth beimaß.

Das erste Kapitel dieses Heftes wurde mir schon vier Tage später (es umfaßte fast die Hälfte des ganzen Theiles, so frisch strömte und überströmte seine Phantasie jetzt) mit Andeutungen für den Künstler geschickt. »Der beste Gegenstand für Browne wird Mrs. Pipchin sein und wenn er ein originelles Stück Stillleben machen möchte, würden Paul, Mrs. Pipchin und die Katze am Feuer für die Geschichte sehr gut wirken. Ich hege die ernste Hoffnung, daß er es einer besondern Sorgfalt würdig achten wird. Den zweiten Gegenstand (falls er nicht aus demselben Kapitel einen zweiten Gegenstand hernehmen sollte) werde ich beschreiben sobald ich ihn klar vor mir habe, morgen oder den Tag darauf, und werde ihn Dir durch die Post schicken.« Das Resultat war nicht befriedigend; aber da der Künstler es in dem späteren Verlauf der Erzählung mehr als gut machte, und die gegenwärtige Enttäuschung der Hauptantrieb zu jenem späteren Erfolge war, wird die Erwähnung des Mißlingens hier entschuldigt werden wegen des Beitrages, den sie zu Dickens' eigener Charakteristik liefert. »Ich bin wirklich unglücklich über die Illustration von Mrs. Pipchin und Paul. Sie bleibt so entsetzlich und wild unter dem Niveau dessen, was sie sein sollte. Guter Gott! Nach der gewöhnlichsten und wörtlichsten Auslegung des Textes ist Alles falsch. Sie wird als eine alte Dame geschildert, und Paul's ›Miniatur-Lehnstuhl‹ wird mehr als einmal erwähnt. Er sollte in einem kleinen Armstuhl unten in der Ecke am Kamin sitzen und zu ihr emporstarren. Ich kann nicht sagen, was für ein Schmerz und Verdruß es ist, so gründlich falsch dargestellt zu werden. Ich würde mit Freuden hundert Pfund Sterling hingegeben haben, um diese Illustration aus dem Buche zu entfernen. Er hätte sich nie eine solche Vorstellung von Mrs. Pipchin machen können, hätte er sich an den Text gehalten. In der That, ich glaube, er macht es besser ohne den Text; denn dann wird der Gedanke ihm durch eine kurze Schilderung leicht gemacht, und er kann nicht umhin, sich ihn anzueignen.«

Dickens fühlte die Enttäuschung um so schärfer, weil die Charakterfigur der finstern alten Kosthaushälterin seine Gedanken in das Elend seiner eigenen Kindheit zurückversetzt und sie, wie es ihr Urbild in der That war, zu einem Theile der schrecklichen Wirklichkeit gemacht hatte. Ich entnehme seinem Notizenblatt für dieses Heft die verschiedenen, mit demjenigen ihres wirklichen Urbildes anfangenden Namen, aus denen der gewählte Name ihm endlich kam. »Mrs. Roylance . . Haus an der See. Mrs. Wrychin. Mrs. Tipchin. Mrs. Alching. Mrs. Somching. Mrs. Pipchin.« Vgl. Bd. I. S. 34. Ich hatte vergessen, bis ich den nachstehenden Brief vom 3. November 1846 wiederlas, daß er schon damals beabsichtigte, mir die Geschichte der Leiden seiner Kindheit zu erzählen, welche eine Frage, die ich einige Monate später an ihn richtete, so vollständig hervorlockte. Er eilte jetzt dem Schlusse des dritten Heftes entgegen, um für seine Abreise nach Paris bereit zu sein.

»Ich hoffe das Heft bis zu nächstem Dienstag oder Mittwoch zu beenden. Es schreibt sich schwer unter diesen Wandervogel-Verhältnissen, doch Gott weiß, ich habe keine Ursache mich zu beklagen, da ich noch an keinen Knoten gekommen bin . . . Ich hoffe, Mrs. Pipchin's Etablissement wird Dir gefallen. Es ist nach dem Leben und ich war darin – ich glaube, ich war noch nicht acht Jahre alt; aber ich besinne mich noch gerade so gut darauf und verstand es jedenfalls ebenso gut als jetzt. Wir sollten verteufelt vorsichtig sein in dem, was wir mit Kindern thun. Ich dachte an jene Episode meines kleinen Lebens, als ich in Genf war. Soll ich Dir meine Lebensbeschreibung im Manuscript hinterlassen, wenn ich sterbe? Es sind einige Dinge darin, die Dich sehr rühren würden, und sie könnte auf dasselbe Bücherbrett mit dem ersten Bande von Holcroft's Lebensbeschreibung Thomas Holcroft, der Sohn eines Londoner Schuhmachers, errang sich einen Ruf als Dramatiker, Novellist und Journalist. In der letzteren Thätigkeit wurde er wegen seiner eifrigen Befürwortung der französischen Revolution des Hochverraths angeklagt (1794). Er hinterließ eine Selbstbiographie, die 1846 durch Hazlitt herausgegeben wurde. – D. Uebers. kommen

Eine Woche später reiste er von Lausanne nach Paris ab, und mein erster dorthin an ihn gerichteter Brief meldete ihm, daß er drei Seiten zu viel für sein Heft geschrieben habe. »Ich habe etwa drittehalb Seiten herausgenommen,« antwortete er umgehend aus dem Hotel Brighton, »und das Uebrige muß ich Dich bitten herauszunehmen, mit der Versicherung, daß mir Alles recht sein wird, was Du thust. Der Verkauf ist wirklich staunenswerth! Ich bin sehr dankbar.« Am folgenden Tage schrieb er mir in Bezug auf Walter. »Ich sehe, es wird am besten sein, Deinem Rathe zu folgen und diesen Gedanken aufzugeben; in der That glaube ich nicht, daß es vernünftig sein würde, ihn jetzt zur Ausführung zu bringen. Ich bin durchaus nicht sicher, ob es sich auf angemessene Weise thun ließe, nachdem er schon so viel Interesse erweckt hat. Aber wenn ich mit Paul (armer Junge!) fertig bin, werde ich mir die Sache weiter überlegen.« Der Plan wurde nicht wieder aufgenommen. Er arbeitete an dem Anfang seines vorzüglichen vierten Heftes, als er mir, am 6. Dezember, aus der Rue de Courcelles schrieb: »Da sitze ich, schreibe Briefe und spreche politisch-ökonomische und sonstige Ansichten aus, als gäbe es kein unfertiges Heft und keinen unfertigen Dick! Nun, cosi va il mondo (Guter Gott! Italienisch! Ich bitte um Verzeihung) – und man muß sich, selbst unter dem Druck von Dombey, wo möglich die gute Laune bewahren. Paul werde ich am Ende des fünften Heftes abschlachten. Seine Schule sollte ganz gut werden, aber ich habe noch nicht zu einer frischen Darstellung derselben kommen können. Ich habe aber bis jetzt unnöthige Unterredungen vermieden, um das Zuvielschreiben zu vermeiden und Alles, was ich geschrieben habe, hat Zweck und Ziel.«

Und so mit »Zweck und Ziel« ging es weiter bis zum Schluß. Der reiche Humor des Gemäldes von Dr. Blimber und seinen Zöglingen wechselte ab mit dem eigenthümlichen Pathos des Gemäldes vom kleinen Paul: das erstere eine wohlwollende Bloßstellung des Treibhaussystems und seiner Früchte, die in ihrer Weise eben so nützlich war, als die ernstere Enthüllung der Schändlichkeiten Mr. Squeers' in Nickleby; und das letztere sogar weniger anziehend durch die sanfte Trauer, mit welcher der kommende Tod eines Kindes angedeutet wird, als wegen jener seltsamen Bilder einer vagen tiefen Nachdenklichkeit, eines scharfen unbewußten Verstandes, geheimnißvoller kleiner Philosophieen und Nachforschungen, wodurch ein Lichtglanz über das junge altkluge kleine Wesen verbreitet wird, indem es dahinschwindet. Sie war wunderbar originell, diese Behandlung des Theiles, welcher dem Schluß von Paul's kleinem Leben voranging und dessen erste Conception, wie ich gezeigt habe, ein Nachgedanke war. Er hob den Tod selbst ganz aus der Region der Gemeinplätze empor und verlieh ihm das gehörige Verhältniß zu dem Kummer der kleinen Schwester, die ihn überlebt. Es ist eine feenhafte Vision zu einem Stück wirklichen Leidens, ein Kummer, der von himmlischen Farben verklärt ist zu einem Kummer voll aller Bitterkeit der Erde.

Das Heft war beendet, er hatte seinen Besuch in London gemacht und war wieder in der Rue de Courcelles, als er mir am Weihnachtstage die alten herzlichen Weihnachtsgrüße schickte und einen Brief Jeffrey's über den neuen Roman, dessen beide ersten Theile ihn erreicht hatten. »Viele frohe Weihnachten, viele glückliche neue Jahre, ununterbrochene Freundschaft, große Anhäufung heiterer Erinnerungen, Liebe auf Erden und zuletzt der Himmel! . . . Ist es nicht ein merkwürdiges Beispiel von dem Risiko des Schreibens in Heften, daß ein Mann wie Jeffrey sich seine Ansicht von Dombey und Miß Tox nach einer dreimonatlichen Bekanntschaft bildet? Ich habe dieselbe Frage an ihn gestellt und ihm gerathen, beide im Auge zu behalten, indem die Zeit weiter eilt. Im Grunde lege ich jedoch nicht viel Gewicht auf seine Meinung, obgleich man natürlich stolz ist, ein so aufrichtiges Interesse in der Brust eines alten Mannes zu entdecken, der das Blau und Gelb Die Farben des Umschlags der Edinburgh Review, deren Redacteur Jeffrey gewesen war. – D. Uebers. so lange getragen hat . . . Mit seinen früheren Kritiken, ganz besonders über Crabbe, hat er jedenfalls Gutes gewirkt. Und obgleich ich Crabbe nicht mehr so hoch stelle, als ich früher that (denn ich fühle einen bedrückenden Mangel an Phantasie in seinen Gedichten), so glaube ich doch, daß er die mühsame und gewissenhafte Nachspürung verdiente, mit der Jeffrey ihm folgte.« . . . Sechs Tage später schilderte er sich selbst, wie er sich zu der Ausführung einer seiner größten Leistungen, seinem fünften Hefte, hinsetzte, als ›schauderhaft mißlaunig und stupide‹. »Ich habe nur ein Blatt geschrieben, aber ich hoffe morgen in gutem Ernst an die Arbeit zu gehen. Bei näherer Erwägung fiel es mir ein, daß das erste Kapitel über Paul und Florence handeln und einen angenehmen Eindruck von dem Glück des kleinen Menschen hinterlassen muß, ehe der Leser aufgefordert wird, ihn sterben zu sehen. Ich beabsichtige daher eine heitere Abschiedsfeierlichkeit in Dr. Blimber's Schule beim Anfang der Sommerferien, und werde ihn in einem ruhigen kleinen Lichte zeigen (das jetzt durch die Spalten meines Geistes dämmert), was, wie ich hoffe, einen angenehmen Eindruck hervorbringen wird.« Dann, zwei Tage später: »Ich arbeite sehr langsam. Du wirst in den ersten zwei oder drei Reihen des beiliegenden ersten Stückes sehen, mit was für einem Gedanken ich mir den Weg bahne. Es ist schwer; aber, wie mir scheint, eine neue Auffassungsweise und wird wahrscheinlich hübsch werden.«

Und dann, wieder nach drei Tagen solchen Fortarbeitens, wurde seinem guten Muth eine Art Dämpfer aufgesetzt. Er sah eine öffentliche Anspielung auf eine in der Times erschienene Kritik über sein Weihnachtsbuch, welche das, was er mit Recht seine krankhafte Empfindlichkeit nannte, zu augenblicklicher Erbitterung reizte. »Wie ich sehe, ist die ›gute alte Times‹ wieder im Streit mit dem unnachahmlichen B. Eine neue Berührung von B's Nervensystem mit einem stumpfen Rasirmesser. – Freitag Morgen. Der Unnachahmliche sehr schimmelig und mißlaunig. Kaum im Stande zu arbeiten. Träumte die ganze Nacht von Times'sen. Geneigt nach Neuseeland zu gehen und dort ein Magazin zu gründen.« Aber bald schnellte er wie gewöhnlich unter dem Druck des Augenblicks nur höher empor und nach nicht vielen Tagen hörte ich, daß das Heft so gut als fertig sei. Sein Brief war sehr kurz und benachrichtigte mich, er habe den Tag vorher (Dienstag, 12. Januar) so scharf gearbeitet und so unaufhörlich, Abends sowohl als Morgens, daß er bis Mittag im Bette gelegen und darin gefrühstückt habe. »Ich hoffe, ich bin sehr erfolgreich gewesen.« Es blieb nur noch ein kleines Kapitel zu schreiben, in welchem er und sein kleiner Freund auf immer von einander Abschied nehmen sollten; und den größeren Theil der Nacht des Tages, an welchem es geschrieben wurde (Donnerstag, den 14.), wanderte er einsam und traurig in den Straßen von Paris umher. Ich kam am folgenden Morgen zu meinem Besuche dort an und fand ihn, als ich etwas vor acht Uhr aus dem Postwagen stieg, am Thore des Postamts auf mich warten.

Ich verließ ihn am 2. Februar, bereit das sechste Heft anzufangen; aber am 4. schrieb er mir, indem er Gegenstände zu Illustrationen übersandte, er sei noch nicht unterwegs, könne nicht anfangen. Dann, am 7., seinem Geburtstage, schrieb er, er fürchte, er werde in Rückstand gerathen. »Konnte nicht vor vorigem Donnerstag anfangen und finde es sehr schwer, in die neue Ader der Geschichte hineinzukommen. Ich darf nicht hoffen, eher fertig zu werden als bis zum 16., in welchem Falle für diesen kurzen Monat doppelte Spannkraft nothwendig werden wird. Aber ich kann nichts dafür. Vielleicht kommt mir ein Strom der Begeisterung . . . Ich werde die Kapitel schicken, sowie ich sie schreibe und Du mußt natürlich nicht darauf warten, daß ich das Ende im Druck sehe. Alles frühere Interesse sofort auf Florence zu übertragen, ist es, wonach ich strebe. Um dieses Zweckes willen müssen alle möglichen andern Punkte in diesem Heft bei Seite geworfen werden . . . Wir werden heute auf der Gesandtschaft diniren – mit großem Widerstreben meinerseits. Alle sind wohl. Wenn ich wieder schreibe, hoffe ich sagen zu können, daß ich in besserer Schreibestimmung bin. Ich habe einen gewaltigen Herzenserguß von Jeffrey über den letzten Theil erhalten, der seiner Meinung nach von allem ›Vergangenen, Gegenwärtigen und Zukünftigen der beste ist‹.« »Edinburgh, 31. Januar 1847. O mein lieber, lieber Dickens! Was für ein Heft 5 haben Sie uns jetzt gegeben! Ich habe gestern Abend und wieder heute Morgen so dabei geweint und geschluchzt, und mein Herz durch diese Thränen so geläutert gefühlt und Sie gesegnet und geliebt, daß Sie mich dieselben vergießen ließen, und ich kann Sie nie genug segnen und lieben. Seit die göttliche Nelly auf ihrem bescheidenen Lager unter dem Schnee und dem Epheu todt gefunden wurde, ist nichts da gewesen wie das Sterben dieses süßen Paul, in dem Sommersonnenschein jenes hohen Zimmers. Und die lange Vista, die uns so sanft und traurig, und doch so anmuthig und gewinnend dem deutlichen Ende zuführt! Jeder Zug so wahr und so rührend – und doch aufgehellt durch die furchtlose Unschuld, die spielend an den Rand des Grabes tritt, und jene reine Liebe, die den unbefleckten Geist auf ihren mildglänzenden Strahlen seiner Quelle in der Ewigkeit entgegenträgt.« . . . In demselben Briefe sagte er ihm, er habe auch den Kampf des Lebens wieder gelesen und sei entzückt von seiner schönen Darstellung und seinen hochherzigen Gefühlen. Drei Tage später empfing ich das Manuscript des vollendeten Kapitels, fast die Hälfte des Heftes. »Ich habe mir die ungeheuerste Mühe dabei gegeben; denn die Schwierigkeit unmittelbar nach Paul's Tode ist sehr groß. Möge es Dir gefallen. Mein Kopf thut mir jetzt dabei weh (ich schreibe um ein Uhr Morgens) und es ist mir fremd geworden . . . Dombey's zweite Frau und den Anfang dieser Affaire in seinem gegenwärtigen Gemüthszustande werde ich, wie ich glaube, sehr natürlich und gut handhaben . . . Paul's Tod hat Paris in Staunen gesetzt. Alle möglichen Leute sind mundoffen vor Bewunderung . . . Wenn ich fertig bin, will ich Dir solch einen Brief schreiben. Du mußt mich aber gerade jetzt nicht mit Briefen kurz halten, weil ich scharf arbeite . . . Ich werde es wieder gut machen . . . Schnee – Schnee – Schnee – einen Fuß tief.« Den Tag darauf kam ein neues Kapitel und dann am 16., den er als die Grenze der Vollendung festgesetzt hatte, erreichte mich der Schluß. Aber inzwischen hatte ich ihm genug von den Correkturbogen geschickt, um ihn zu überzeugen, daß er mindestens zwei Seiten zu wenig für dies Heft geschrieben habe, was ihn bestimmte, nach London zu kommen. Der Vorfall, welcher bald nachher seinem Aufenthalt in Paris ein Ende machte, wurde bereits erzählt und den Rest seines Romans schrieb er in England.

Ich will im Einzelnen nicht weiter dabei verweilen. Die Arbeit erstreckte sich über das ganze Jahr und das Interesse und die Leidenschaft, welche in ihm selbst dadurch erregt wurden, als beide sich für ihn in Florence und Edith Dombey concentrirten, ergriffen ihn, beherrschten ihn gewaltiger, als bei irgend einer seiner früheren Schriften der Fall gewesen war, vielleicht den Schluß des Raritätenladens ausgenommen. Jeffrey verglich Florence mit der kleinen Nell; aber die Verschiedenheiten sind von Anfang an sehr stark ausgeprägt und das Ziel, das er im Auge hat, scheint mehr in demjenigen erkennbar was sie trennt und scheidet. Wenn die eine, inmitten vieler sie umgebenden seltsamen und grotesken Gewaltsamkeiten, die unschuldige Bewußtlosigkeit der Kindheit gegen dies rauhe Weltwesen ausdrückt und wie Una unversehrt ihrer darüber hinausliegenden Heimath zuwandert, so zeigt die andere denselben Charakter in Thätigkeit und Widerstand, ein tapferes, entschlossenes, junges Herz, das nicht erdrückt werden will, und weder sinkt noch weicht, sondern durch die schwersten irdischen Prüfungen ihre Erlösung schon hier erringt. Ueber Edith urtheilte Jeffrey von Anfang an richtiger und drückte, als der Roman fast halb fertig war, seine Ansicht über sie und über das Buch selbst in Worten aus, welche Dickens ganz besonders willkommen waren, weil damals dieser Theil des Buches Vielen weit hinter dem Glanze seines Anfangs zurückgeblieben zu sein schien. Jeffrey sagte jedoch vollkommen wahr, indem er den Anspruch machte, als Dickens' »gekrönter Kritiker« mit Autorität zu reden, daß es von allen seinen Schriften in Ansehung des Styls wohl das vollendetste sei, und daß es den besten gleichstehe in der Zartheit und Feinheit der Charakterschilderung, »während es sich zu höhern und tiefern Leidenschaften erhebt, die nicht wie die meisten früheren bei süßer Gedankenfülle und erschütternder und anziehender Zärtlichkeit stehen bleiben, sondern kühn alle erhabenen und schrecklichen Elemente der Tragödie in's Spiel bringen und die furchtbaren Kämpfe eines stolzen, trotzigen und reumüthigen Geistes vor die Seele rufen.« Nicht, daß sie gerade dies war. Edith's schlechteste Eigenschaften sind nur die Verkehrung dessen, was ihre besten hätten sein sollen. Eine falsche Erziehung und die tyrannische Leidenschaft ihres Gemahls machen sie zu etwas Anderem als die Natur beabsichtigte und beide zeigen, wie das Leben gegen die höheren Fügungen seinen schlechten Lauf nehmen kann.

Indem die Katastrophe herankam, erhob sich eine schwierige Frage in Bezug auf die Entwicklung ihres Charakters und ihres Schicksals. Ich citire aus einem Briefe vom 19. November, als er mit seinem vierzehnten Hefte beschäftigt war. »Natürlich haßt sie Carker auf's tödtlichste. Ich habe das jetzt nicht weiter ausgearbeitet, weil ich (wie ich Browne neulich erklärte) sehr darauf rechne bei der Wirkung, welche ihr Tod hervorbringen soll. Aber ich zweifle nicht, daß das, was Du vorschlägst, eine Verbesserung sein wird. Mit dem größten Effekt würde es am Schlusse des Kapitels eine Stelle finden, welches diesem letzten unmittelbar vorhergeht. Ich möchte die beiden ersten Kapitel so leicht machen als ich kann, aber an jener Stelle will ich versuchen, es mit feierlichem Ernst zu thun.« Dann kam die Wirkung dieses vierzehnten Heftes auf Jeffrey und es entstand die Frage, ob das Ende nicht durch andere Mittel als durch ihren Tod kommen, und ihrem Zerstörer dadurch eine bitterere Demüthigung bereitet werden könne. Während er an dem fünfzehnten Heft arbeitete, schrieb Dickens mir (21. Dezember) wie folgt: »Es freut mich außerordentlich, daß das, was ich schickte, Dir gefällt. Ich lege Zeichnungen bei. Der Schattenriß ist armselig. Aber Mr. Dombey scheint mir vortrefflich. Eins der hübschesten Stücke des Buches sollte am Ende des Kapitels sein, woran ich jetzt schreibe. Ich sehe jedoch eine glänzende Gelegenheit in Florence's Heirath und in ihrer späteren Rückkehr zu ihrem Vater . . . Heute Morgen ein Billet von Jeffrey, der nicht glauben will (sich positiv weigert), daß Edith Carker's Maitresse ist. Was denkst Du über eine umgekehrte Jungfrau-Tragödie und eine furchtbare Scene, worin sie Carker über seinen Irrthum aufklärt und ihm zu wissen thut, daß sie das nie beabsichtigte?« Dies geschah, und als er mir das Kapitel schickte, in welchem Edith Florence Lebewohl sagt, konnte ich nur mein Lob und meine Freude darüber ausdrücken. »Ich brauche nicht zu sagen,« antwortete er, »ich kann es nicht, wie von ganzem Herzen ich mich freue über das, was Du darüber sagst und denkst. Ich beabsichtige, Dombey noch zweimal vorzuführen und ihn endlich gerade so zu lassen, wie Du es beschreibst.« Das Ende kam und im letzten Augenblicke, als Correkturen noch möglich waren, erhielt ich folgendes Billet. »Ich erinnere mich plötzlich, daß ich Diogenes vergessen habe. Willst Du ihn in das letzte kleine Kapitel hineinsetzen? Nach dem Wort ›Liebling‹ in Bezug aus Miß Tox, kannst Du hinzufügen: ›außer bei Diogenes, der alt und launisch wird‹. Oder auf der letzten Seite nach ›und mit ihnen zwei Kinder: ein Knabe und ein Mädchen‹ (ich citire aus dem Gedächtniß) könntest Du sagen: ›und ein alter Hund befindet sich gewöhnlich in ihrer Gesellschaft‹, oder etwas der Art. Thu' was Du für das beste hältst.«

Das war am Sonnabend, den 25. März 1848; und dies mag meine letzte Bezugnahme auf Dombey sein, bis das Buch, an seiner Stelle mit den andern, noch einmal erwähnt wird, wenn ich zum Schlusse komme. Da aber die in diesem Kapitel enthüllten vertraulichen Mittheilungen lediglich die Hauptströme des Interesses berührt haben, ist hier noch Raum für ein Wort über die Nebenpersonen des Romans, über die ich andere sogenannte vertrauliche Mittheilungen gesehen habe, hinsichtlich deren es nur recht ist zu erklären, daß sie in Wahrheit keine Autorität haben. Und zunächst muß ich darauf hinweisen, welch' unzweifelhafte Beweise diese Charaktere von der unverminderten Frische, dem Reichthum, der Mannigfaltigkeit und der Naturwahrheit von Dickens' Erfindungsgabe um diese Zeit geben. Der glorreiche Capitän Cuttle, der seinen Kopf dem Winde entgegenkehrt und sich durch Alles hindurchkämpft; sein Freund Jack Bunsby, mit einem Kopfe, der zu gewichtig ist, um dem Winde Stand zu halten und der so der hartnäckigen Mac Stinger zum Opfer fällt; der gutherzige, bescheidene, rücksichtsvolle Toots, dessen Gehirn rasch dahinschwindet, während sein Schnurrbart wächst, der aber doch auf seine schlenkernde Weise aus der Berührung mit der Welt einige Fragmente des gesunden Menschenverstandes zurückgewinnt, der von den Blimbers aus ihm herausgepumpt war; die athemlose Susan Nipper, die strahlende Polly Toodle, die klagende Wickham und die furchtbare Pipchin, deren jeder ihr Amt in dem steifen Dombey'schen Haushalt mit solcher Genauigkeit zugewiesen ist, daß sie nur dafür geboren scheinen; der einfache, nachdenkliche, alte Gills und sein frischer junger Bursch von einem Neffen; Mr. Toodle und seine Kinder, nebst dem Verfall und Untergang des menschenfreundlichen Schleifers; Miß Tox, die willfährige Schmeichlerin aus weiter nichts als aus Gutmüthigkeit; die bebrillte und analytische, aber nicht unfreundliche Miß Blimber; und der gute, dröhnende, langweilige, wohlwollende, alte Doktor selbst, der sogar die Früchte seines reich besetzten Eßtisches durch sein: Es ist bemerkenswerth, Mr. Feeder, daß die Römer – verwelken macht, »bei Erwähnung welches schrecklichen Volkes, ihrer unversöhnlichen Feinde, jeder junge Herr seinen Blick mit einem angenommenen Ausdruck des tiefsten Interesses auf den Doktor heftete.« So lebendig und nach dem Leben gezeichnet waren alle diese Leute, bis auf die allerjüngsten der jungen Herren, daß es natürlich war, sich nach wirklichen Urbildern für sie umzusehen; aber ich glaube, ich kann mit einiger Zuversicht von Allen sagen, daß, was für einzelne Züge auch von ihm bekannten Persönlichkeiten entlehnt sein mochten (eine Gewohnheit aller Schriftsteller und ganz besonders Dickens'), nur zwei lebende Originale hatten. Seine eigenen Erlebnisse mit Mrs. Pipchin wurden schon erzählt; ich selbst hatte einige Bekanntschaft mit Miß Blimber und der kleine hölzerne Midshipman nahm faktisch (nimmt vielleicht noch) seinen Observationsposten in Leadenhall-Street ein. Die Namen, welche, ohne Zweifel in vollkommen gutem Glauben, mit Sol Gills, Perch dem Boten, und Capitän Cuttle in Verbindung gesetzt sind, haben jedenfalls keine bessere Begründung, als die Phantasie eines höflichen Correspondenten, der gegen mich äußert: der gefürchtete Capitän habe Charles Lamb's renommirendem, lautredendem, krummhändigem Mr. Mingay für sein Porträt sitzen müssen. Was den liebenswürdigen und vortrefflichen City-Kaufmann angeht, dessen Namen Mr. Dombey beigelegt worden ist, so hätte man mit ganz derselben Gerechtigkeit oder Wahrscheinlichkeit von ihm annehmen können, daß er Coriolan oder Timon von Athen hervorgerufen habe.

 

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