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Viertes Kapitel.

Das Jahr der Abreise nach Italien.
1844.

Und jetzt, ehe wir Dickens auf seiner italienischen Reise begleiten, sollen einige Vorgänge vor seiner Abreise durch seine Briefe erläutert werden. Ich habe oben ein gedankenvolles kleines Gedicht angeführt, das er während des vergangenen Sommers für Lady Blessington geschrieben hatte. Es mag mich daran erinnern, hier zusagen, welch' aufrichtige Achtung er für sie und für alle Bewohner von Gore-House empfand, wie ununterbrochen heiter und angenehm seine Beziehungen zu denselben waren, und welch' werthvollen Beistand sie ihm jetzt bei seinen Vorbereitungen für Italien leisteten. Das Gedicht wurde, wie wir sahen, geschrieben während eines Besuchs in Yorkshire bei Mr. Smithson, der schon als Geschäftstheilhaber von Dickens' Jugendkameraden Mitton genannt wurde, und diesen Besuch wiederholte er unter traurigeren Umständen während des gegenwärtigen Jahres, indem er (April 1844) an Smithson's Leichenbegängniß theilnahm. Mit den Mitgliedern und Verwandten der Familie dieses Freundes dauerte sein Verkehr noch lange fort.

Am 26. und 28. Februar dieses Jahres hatte er bei zwei großen Versammlungen den Vorsitz geführt; in Liverpool bei der des Handwerkervereins, und in Birmingham bei der des Polytechnischen Instituts, worauf er sich in einem Briefe vom 21. bezieht. Ich erwähne die Anspielung, weil sie schon so früh jene sensitive Rücksicht auf seine Stellung als Schriftsteller, und jene gewissenhafte Rücksicht auf die Gefühle wie auf die Interessen des Schriftstellerstandes beweist, die er sein ganzes Leben hindurch auf die mannigfachste, und oft höchst selbstverleugnende Art, offenbarte. »Rathe mir in Bezug auf Folgendes. Und da ich noch diesen Abend schreiben muß, weil ich schon eine Post verloren habe, schicke mir Deinen Rath durch den Ueberbringer. Dieser Liverpooler Verein, der wohlhabend ist und eine hohe Lateinschule besitzt, deren Lehrer mehr als 2000 Pfd. St. Jährlich an Gehalten empfangen (in der That, sein Umfang verursacht mir Schrecken; ich arbeite mich eben jetzt durch seine Papiere hindurch), schreibt mir gestern durch seinen Sekretär einen Geschäftsbrief über die Tagesordnung am Montag; und er fängt folgendermaßen an: ›Ich erlaube mir, Ihnen einliegend mit den besten Empfehlungen unseres Comités eine Bankanweisung für zwanzig Pfd. St. zu schicken, zur Deckung der durch Ihre Reise nach Liverpool veranlaßten Kosten.‹ – Und da ist denn nun diese Anweisung. Mein persönlicher Antrieb war und ist, sie zurückzuschicken. Zwanzig Pfund sind von keiner Bedeutung für mich, und jedes Opfer meiner Unabhängigkeit ist zwanzig mal zwanzig so viel für mich werth. Aber mich nagt der Zweifel, ob es passend sein würde und nicht (auf irgend eine unerklärliche Weise) großthuerisch, und ob ich als Schriftsteller ein Recht habe, mich auf einen Boden zu stellen, welchen die in anderer Gestalt mit dem Verein verknüpften Professoren der Literatur nicht einnehmen können. Begreifst Du das nicht? Aber natürlich begreifst Du es. Die Sache steht folgendermaßen. Das Manchester-Institut, das verschuldet ist, wendet sich an mich gewissermaßen in forma pauperis und bietet keine solche Entschädigung an. Das Institut in Birmingham, das gerade mit großer Mühe in's Leben tritt, wendet sich an mich unter derselben Voraussetzung. Aber die Leute in Leeds (die in blühendem Zustande sind), schreiben mir von den Kosten als von einer reinen Geschäftssache, und die in Liverpool sagen delikaterweise nichts darüber bis zum letzten Augenblick, und schicken dann das Geld. Nun, was in Gottes Namen soll ich thun? – Die Anweisung setzt mich in ebenso große Verlegenheit, als den Obersten Jack sein Gold. Hätte die Sache dadurch entschieden werden können, daß ich sie gestern in's Feuer steckte, würde ich es jedenfalls gethan haben. Ich ersuche Dich um Deine Meinung. Ich glaube, ich habe Grund für eine sehr gute Rede in Brummagem; Humoristische Verdrehung von Birmingham. – D. Uebers. aber in Bezug auf Liverpool fühle ich mich nicht so sicher; denn mir bangt vor zu großer Vornehmheit.« Meine Meinung war ganz entschieden: er solle das Geld zurückschicken, was demgemäß geschah.

Beide Reden, zur festgesetzten Zeit an den genannten Orten vor begeisterten Zuhörern gehalten, waren gut und beide behandelten, unter angemessenen Variationen, dasselbe Thema. In Birmingham erklärte er seiner volksthümlichen Zuhörerschaft, daß das Prinzip ihres Instituts: umfassende und unparteiliche Erziehung, das allein sichere sei; denn keine Gesellschaft könne ohne Gefahr dabei beharren, die Menschen dafür zu strafen, daß sie das Laster der Tugend vorziehen, ohne ihnen die Mittel für die Erkenntniß zu bieten, was die Tugend sei. In Liverpool erinnerte er seine vornehmere Zuhörerschaft daran, daß, wenn sie glücklich genug gewesen, eine gute Erziehung zu erhalten, dies ein Grund mehr für sie sei, sich zu bemühen, dieselbe Wohlthat auf Alle auszudehnen, da, welche Vorzüge auch dem Range, dem Reichthum und dem Wissen gebühren möchten, es doch einen höheren Adel gebe als sie, der in den Versen des Dichters einen ungekünstelten Ausdruck gefunden, und den die Erziehung die Macht habe zu verleihen.

Sei's wie es sei, auf meine Treu,
Nur der ist adlig, welcher gut;
Und höher gilt ein echtes Herz
Als Kronen und Normannenblut.

Nach seiner Rückkehr stand er einige Leiden aus, die er sich hätte ersparen können. »Ich sah den ›Carol‹ gestern Abend,« schrieb er mir über eine dramatische Darstellung der kleinen Geschichte in dem Adelphitheater, »besser als gewöhnlich; und Wright scheint an Bob Cratchit Freude zu haben, aber herzbrechend für mich. O Himmel! hatte ich davon je eine Ahnung! Allein O. Smith war traurig besser als ich erwartete. Es ist eine große Annehmlichkeit, diese Sorte Fleisch halb gar zu bekommen, und sein Gesicht ist Alles was man wünschen kann.« Ich habe mich enthalten, davon zu reden, was er durch diese mitleidslos an jedem Theater vervielfältigten Dramatisirungen seiner Bücher litt; aber es war bei ihm beständig ein Gegenstand der Klage, und wenn er auch mit einzelnen Aufführungen mehr oder weniger zufrieden war, wie mit Yates' Quilp oder Mantalini, und mit Mrs. Keeley's Smike oder Dot, so habe ich ihn doch nur von einer einzigen mit freundlichem Wohlgefallen sprechen hören: derjenigen von Barnaby Rudge durch die Miß Fortescue, die später Lady Gardner wurde. Bei den Dramatisirungen seines nächsten und anderer folgender Weihnachtsbücher half er allerdings selbst mit; aber selbst dann waren alle solche Bemühungen, besondere Aufführungen zu fördern, nichts als Versuche, das was er nicht verhindern konnte, erträglicher zu machen, und mit wenigen seltenen Ausnahmen hatten sie nie einen wirklichen Erfolg. Ein anderes und ernsteres Unrecht widerfuhr ihm durch die an seinen Schriften geübte Räuberei; denn jede derselben wurde reproducirt, indem man an dem Titel, den Ereignissen und den Namen der Personen nur gerade so viel änderte, als man für hinreichend hielt, dem Gesetz zu entgehen und sie dem Geschmack von »Pennykäufern« anzupassen. Dies hatte sich seit den Tagen Pickwick's auf so schamlose, schmähliche Weise, In einem nach Dickens' Rückkehr aus Amerika veröffentlichten Briefe über das Verlagsrecht von Thomas Hood, beschrieb dieser, was zwischen ihm und einem jener Piraten vorgegangen war, der ›Master Humphrey's Wanduhr, herausgegeben von Bos‹, veröffentlicht hatte. »Sir,« sagte der Mann zu Hood, »hätten Sie den Namen beachtet, es war Bos, nicht Boz, s, Sir, nicht z und außerdem würde es keine Piraterie gewesen sein, Sir, selbst mit dem z, weil Master Humphrey's Wanduhr, sehen Sie, Sir, nicht von Boz herausgegeben wurde, sondern von Charles Dickens.« und mit so fast völliger Straflosigkeit fortgesetzt, daß er damals endlich ein wiederholt von Talfourd und mir selbst empfohlenes Verfahren gegen die Piraten des Christmas Carol und Chuzzlewit's einschlug, aber in einem Falle von so besonderer Flagranz, daß der Vicekanzler Dickens' Advokaten nicht einmal hören wollte; und was es unserem lieben Freunde Talfourd kostete, seine Rede zu unterdrücken, ging weit hinaus über die Arbeit und Mühe, womit er sie vorbereitet hatte. »Die Piraten,« schrieb mir Dickens, nachdem er am 18. Januar den Gerichtshof verlassen, »sind vollständig geschlagen. Sie sind wund, blutig, zerschmettert, zerquetscht, zerdrückt und ganz und gar vernichtet. Der Richter wollte Talfourd nicht einmal hören, sondern gab sein Urtheil unverzüglich ab. Er hatte Anderdon fortwährend unterbrochen, indem er ihn aufforderte, eine Stelle zu nennen, die nicht ein erweiterter oder ein zusammengezogener Gedanke aus meinem Buche wäre. Und bei einer Stelle nach der andern rief er aus: ›Das ist zu Mr. Dickens' Gunsten. Suchen Sie eine andere!‹ Er sagte, es bestehe nicht der Schatten eines Zweifels über die Sache; es gebe keine Autorität, die den Behauptungen unsrer Gegner Gewicht verleihe; die Piraterie gehe über alle früher dagewesenen Fälle hinaus. Sie könnten, wenn sie wollten, die Sache nach Verlauf einer Woche noch einmal vorbringen, und ein formelles Urtheil darüber empfangen; aber nach diesem entscheidenden Meinungsausdruck seinerseits, würden sie das vermuthlich für unnöthig halten. Ich werde natürlich an dem festhalten, worüber wir als die einzigen Bedingungen eines Vergleichs mit den Druckern übereingekommen sind. Ich bin fest entschlossen, daß sie mir für ihre gerichtlichen Aussagen Genugthuung geben sollen. Die Andern mögen ihre Kosten bezahlen und die Sache erledigen, aber ich werde an meinem Freunde, dem Autor, festhalten.« Zwei Tage später schrieb er: »Die weiteren zur Beschönigung vor den Gerichtshof gebrachten Aussagen der Druckerschurken sind ziemlich stark, und geben eine ganz gute Vorstellung davon, was das für Menschen sein müssen, die sich an die Fersen der Literatur anklammern. O, der Schmerz Talfourd's, daß der Richter ihn nicht hören wollte! Er sagt, er sei bis 3 Uhr Morgens aufgeblieben, um seine Rede vorzubereiten, und würde mit den Aussagen alles Mögliche gemacht haben. Es war allerdings ein glänzender Gegenstand. Wir haben von den Vagabunden noch keine Nachricht gehabt. Ich dachte einen Augenblick daran, die Aussagen ohne jeden Commentar drucken und mit Chuzzlewit zusammennähen zu lassen. Talfourd ist entschieden abgeneigt, mit den Druckern zu irgend einem Vergleiche zu kommen. In diesem Falle würde der Ertrag der Piraterie gerichtlich ermittelt werden, und auf Befehl des Richters an mich ausgezahlt werden müssen.« Zuletzt mußte er sich darein ergeben, den beleidigenden Theil mit einer hinreichenden öffentlichen Entschuldigung und Bezahlung sämmtlicher Kosten zu entlasten; allein das wirkliche Resultat war, daß, nach endlosem Verdruß und Mühen, er selbst alle in seinem Interesse gemachten Kosten bezahlen mußte; und als zwei Jahre später, bei der Erneuerung des Unrechts das ihm in so grober Form zugefügt worden, Talfourd und Andere wieder zu gerichtlichen Schritten riethen, beschrieb er mir in einem Briefe aus der Schweiz die Gemüthsverfassung, in welche seine Erfahrungen ihn versetzt hatten. »Meine Ansicht über den . . . ist, wie ich glaube, die gemeinsame Ansicht von drei Vierteln des denkenden Theils des Volkes in unserm glücklichsten aller möglichen Länder: daß es nämlich besser ist, ein großes Unrecht zu dulden, als Hülfe zu suchen bei dem noch größeren Unrecht des Gesetzes. Ich werde die Kosten und die Aufregung und die gräuliche Ungerechtigkeit bei dem Carol-Prozeß nicht leicht vergessen, wo ich das klarste aller Rechte auf Erden behauptete, und doch in der That behandelt wurde, als wäre ich der Räuber und nicht der Beraubte. Alles in Allem möchte ich ganz gewiß lieber keinen Prozeß anhängig machen. Wie wäre es, wenn ich, weil man mir im Kanzleigerichtshof den Rechtsgrundsatz entgegengehalten hat, daß Schweigen gegenüber solchem Unrecht mich einer gerichtlichen Genugthuung beraube, einen ernsten Protest einlegte gegen das, was in diesem Falle geschehen ist, und gegen die ungeheure Masse von Piraterie, der ich täglich ausgesetzt bin, und wenn wir diesem Protest das Gutachten Talfourd's beifügten, zum Beweise, daß kein Rechtsgrundsatz uns von der weiteren Verfolgung des Prozesses abgehalten habe? Es nützt nichts, zu thun als wüßte ich nicht, daß ich eine krankhaft erbitterte Empfindlichkeit habe, für welche die Gemeinheit und Schlechtigkeit des Gesetzes in einer solchen Sache im höchsten Grade peinigend sein würde. Und ich weiß nicht, was für ein Resultat, selbst eines erfolgreichen Prozesses, den Verdruß und die Unruhe aufwiegen könnte, die er kosten würde.« Es mag den Leser belustigen, wenn ich in einer Anmerkung hinzufüge, was er über die Piraten jener früheren Tage sagte, als ernste Dinge ihn weniger ernst berührten. Am Vorabend des ersten Heftes von Nickleby hatte er eine Proclamation erlassen. »In Anbetracht, daß wir der einzige, wahre und rechtmäßige Boz sind. Und sintemalen es uns, die wir ein neues Werk anfangen, berichtet worden, daß etliche unehrliche Dummköpfe, die in den Gassen und Kellern dieser Stadt wohnen, die Unvorsichtigen und Leichtgläubigen bethören, indem sie billige und elende Nachahmungen unserer ergötzlichen Werke veranstalten. Und sintemalen es uns bei dieser Kränkung nur geringen Trost gewährt, zu wissen, daß die vorbesagten unehrlichen Dummköpfe auf Grund ihrer geistigen Kleinheit unsern Fersen nicht folgen können, sondern gezwungen sind, auf schmutzigen und wenig besuchten Pfaden in achtungsvollster und demüthigster Entfernung hinter uns daher zu kriechen. Und sintemalen, auf gleiche Weise wie etliches andere Ungeziefer um seines Aases willen nicht die Mühe des Todtschlagens lohnt, so diese Gassenpiraten das Pulver und Blei des Gesetzes nicht werth sind, da sie, so viel Schaden sie auch zufügen mögen, nicht in der Lage sind, Ersatz zu zahlen. So thun wir kund und zu wissen, daß wir endlich eine Art der Hinrichtung für sie erdacht haben, so summarisch und schrecklich, daß, wenn irgend eine ihrer Banden es wagen sollte, einen Fetzen der Flagge des guten Schiffes Nickleby aufzuhissen, wir sie auf so hohe und dauernde Galgen aufhängen werden, daß ihre Reste ein Denkmal unserer Rache bleiben werden für alle kommenden Geschlechter, und es soll in der Macht keines Lord-Groß-Admirals auf Erden stehen, sie wieder herunter zu nehmen.« Der letzte Paragraph der Proclamation benachrichtigte die Potentaten von Paternoster-Row, daß von dem nächstfolgenden Tage, dem 30. März an, bis auf Weiteres, »wir, wie zuvor, an dem vorletzten Abend jedes Monats, zwischen sieben und neun Uhr, in unserm Handelsministerium, Nummer 186 Strand, in London, unsere Levées halten werden, wo wir wieder um die Aufwartung ihrer beglaubigten Agenten und Gesandten (in großen Haufen) bitten. Die Herren müssen Knoten auf den Schultern tragen, und die patentirten Droschken mit den Thüren nach dem großen Thore gerichtet vorfahren, um der Bequemlichkeit des Aufladens willen.«

Einige Billete über Versuchungen, die ihm während seiner arbeitsamsten Tage an Chuzzlewit in den Weg traten, je eins aus jedem der vier ersten Monate des Jahres, als er mit den meisterhaften Schlußscenen des Romans beschäftigt war, werden in ergötzlicher Weise zugleich seine Widerstandskraft und seine Genußfähigkeit kundthun. »Ich hatte Dir (16. Januar) eine Zeile geschrieben, worin ich Jonas und Mrs. Gamp das Wort redete, aber dieser frostige Tag führt mich arg in Versuchung. Ich bin in peinlichem Rückstand; aber ich sehe den Himmel an, denke an Hampstead und fühle mich schmählich versucht. Komm Du nicht mit Mac, mich abzuholen. Ich könnte nicht widerstehen, wenn Ihr kämt.« In dem nächsten Billet (18. Februar) ist er nicht der in Versuchung Geführte, sondern der Versucher. »Stanfield und Mac sind gekommen und wir gehen zum Dîner nach Hampstead. Ich verlasse Betsy Prig, wie Du weißt, so fühle Du keine Gewissensbisse, Mrs. Harris zu verlassen. Wir werden langsam hinaufschlendern, um Dir Zeit zu geben, uns einzuholen und das Essen soll um vier Uhr in Jack Straws Castle auf dem Tische stehen . . . für den sehr unwahrscheinlichen (gewiß unmöglichen) Fall, daß Du nicht kommen solltest, werden wir um Dreiviertel auf acht zu Dir kommen, um Dich in die Lumpenschule abzuholen.« Das nächste Billet (5. März) zeigt ihn in nachgiebiger Stimmung, und wie er sich selbst wegen seiner schwachen Willfährigkeit bedauert. »Sir, ich will – hi – hi – hi – hi – hi – ich will nicht mit Dir essen, weder in Deinem Hause noch im Club. Aber es scheint ein heller Morgen und ein Spaziergang nach Hampstead würde mir ausnehmend gefallen. Wenn Du Dich an meinem Thore einfindest (und die Königlichen Akademiker mitbringst) wird es mich nicht überraschen. So denn für jetzt nichts weiter von Deinem armen Mr. Dickens.« Aber noch einmal dreht sich das Blättchen, und er ist der Versucher in dem letzten Billet, welches an jenem Shakespearetage (23. April) geschrieben war, den wir immer als Festtag feierten, und eine Unterschrift trug, welche seine damalige Unfähigkeit ausdrückte, sich mit den praktischen Angelegenheiten des Lebens zu befassen, mit Einschluß des sehr dringenden Geschäftes, das ihn in diesem Augenblick in Anspruch genommen haben sollte, nämlich die Betreibung der lang aufgeschobenen Hochzeitsfeier von Miß Charity Pecksniff. »Novemberstürme? Es ist der wärmste, heiterste, allermildeste, entzückendste, elastischste, Sänger-des-Hainste, aus-der-Knospe-hervorbrechendste Tag, den es je gab. Um halb fünf werde ich Dich erwarten. Stets Dein Moddle

Mit Moddle, dem von Miß Pecksniff gefangenen sentimentalen Einfaltspinsel, der an dem Hochzeitstage vor den ihm eröffneten schrecklichen Aussichten die Flucht ergreift, ist der Leser natürlich bekannt und vielleicht hat er ihn wegen seines letzten entscheidenden Ausbruchs von gesundem Menschenverstand bewundert. Moddle war für Dickens selbst ein Lieblingsstück seines Humors und ich freue mich, denken zu dürfen, daß er nie die Beschreibung gesehen hat, welche ein gebildeter und gewandter französischer Kritiker davon gab, der es vermochte, die ganze englische Literatur seinem Urtheil zu unterwerfen, anscheinend ohne jedes Gefühl oder Verständniß für eins ihrer bedeutungsvollsten und reichsten Elemente. Wenn ein Mensch ohne Sinn für Humor die englische Prosa-Literatur beurtheilt, kann er natürlich nur auf eine Weise zu Werke gehen. In Taine's absprechenden Urtheilen über unsern letzten großen Humoristen, Urtheilen welche von einem Grundsatz psychologischer Analyse ausgehen, den er (man muß ihm diese Gerechtigkeit widerfahren lassen) unparteiisch auf Jedermann anwendet, werden demgemäß Pickwick, Oliver Twist und der Raritätenladen nicht einmal genannt oder angedeutet; Mrs. Gamp wird nur einmal erwähnt, als immer von Mrs. Harris sprechend, und Micawber auch nur einmal, als Jemand, der immer dieselben emphatischen Redensarten anwendet. Die umfangreichsten Auszüge werden gerade aus denjenigen beiden Werken von Dickens gemacht, die, was den Humor angeht, am schwächsten sind, Hard Times und die Chimes. Nickleby, mit seinen vielen Gelächter erregenden Gestalten, wird mit anderthalb Zeilen abgefertigt; Toots, Capitän Cuttle, Susan Nipper, Toodles und die anderen finden keine Stelle in dem, was über Dombey gesagt wird; und, um mit dem zu schließen, was meine Abschweifung veranlaßt hat und entschuldigen muß, Mr. Augustus Moddle wird als ein finstrer Tollhäusler dargestellt, der uns lachen und schaudern macht, und als Wahnsinniger so wahr gezeichnet ist, daß er, obgleich auf den ersten Blick angenehm, in Wahrheit entsetzlich ist. Dies möchte kaum glaublich erscheinen, wenn ich die Stelle nicht wörtlich wiedergäbe. Ich citire sie daher aus Mr. van Laun's sorgfältiger Uebersetzung von Taine's Geschichte der Englischen Literatur. »Jonas« (ebenfalls in Chuzzlewit) steht am Rande des Wahnsinns. Auch andere Charaktere sind ebenso toll. Dickens hat drei oder vier Porträts von Wahnsinnigen gezeichnet, die auf den ersten Blick sehr angenehm scheinen, aber so wahr sind, daß sie in Wahrheit entsetzlich sind. Es bedurfte einer regellosen, ausschweifenden, fixer Ideen fähigen Einbildungskraft wie der seinen, um die Störungen der Vernunft darzustellen. Besonders zwei dieser Charaktere machen uns zugleich lachen und schaudern. Augustus, der finstere Tollhäusler, der im Begriffe steht, Miß Pecksniff zu heirathen, und der arme, halb blödsinnige, halb tolle Dick, der mit Miß Trotwood lebt . . . Das Spiel dieser zerstörten Geisteskräfte ist wie das Knarren einer Thür die aus den Angeln gegangen ist, es macht krank, es zu hören.« (Bd. II. S. 346). Das Original wurde vor Dickens' Tode veröffentlicht, aber so viel ich weiß, hat er es nie gesehen.

Einen Monat vor dem Briefe, welchen Dickens in der ihm selbst glücklicherweise unbekannten Rolle dieses finstern Tollhäuslers unterzeichnete, hatte er mir inmitten des berühmten Kapitels geschrieben, worin das Blatt sich gegen Pecksniff wendet; aber hier schalte ich seinen Brief besonders wegen seiner bemerkenswerthen Schlußworte ein. »Ich habe mit der Hibernia von Macready gehört. Ich habe regelmäßig fortgearbeitet, aber das Wetter ist einem raschen Fortschreiten ungünstig. Ich änderte den Wortfehler und substituirte für die Handlung, die Dir nicht gefiel, einige Worte welche die Eile des Vorganges ausdrücken. Macready faßt seine Ansichten über die Sclaverei in New-Orleans in einem milden Zweifel über die Sache, einem ›Aber‹ und Gedankenstrich zusammen. Ist es nicht in New-Orleans, wo der Mann zum Tode verurtheilt ist, der, weil er die Furcht Gottes nicht vor Augen hatte, einen gefangenen Sclaven nicht der Folter überlieferte? Die größeste Kanone in jenem Lande ist noch nicht geborsten, aber sie wird es. Der Himmel bewahre uns vor Explosionen, die uns selbst näher sind! Ich erkläre Dir, daß ich nie in Das gehe, was man Gesellschaft nennt, ohne ihrer überdrüssig zu sein, sie zu verachten, zu hassen und zu verwerfen. Je mehr ich von ihrer außerordentlichen Eitelkeit und ihrer kolossalen Unwissenheit über das, was außerhalb ihrer Kreise vorgeht, sehe, um so fester werde ich überzeugt, daß sie sich der Epoche nähert, wo sie, außer Stande sich selbst zu bessern, sich darein wird ergeben müssen, daß andere sie von der Erde hinwegverbessern.« Wir sehen so, daß die alten radicalen Neigungen wieder ziemlich stark in ihm waren und ich will hinzufügen, daß er sich damals gelegentlich Luft damit machte, indem er in das Morning Chronicle schrieb.

Da einige dieser Artikel Aufsehen verursacht hatten, erwogen die Eigenthümer der Zeitung eifrig die Frage, was für ein Honorar Dickens für regelmäßige Beiträge fordern möchte, und er nannte die Summe von zehn Guineen für den Artikel. Der Redacteur, der Nachfolger von Dickens' altem Freunde Black, stellte ihm jedoch sehr verständigerweise vor, daß, obgleich eine so große Summe mitten im Feuer der so eben beigetragenen erfolgreichen Artikel nicht verweigert werden würde, man doch (ich citire seinen eigenen Bericht in einem Briefe vom 7. März 1844) auf die Dauer kaum so viel zahlen könne; und man traf darauf das Uebereinkommen, daß Dickens als Volontär schreiben und die Bezahlung von den Resultaten abhängen lassen solle. »Dann sagte der Redacteur – und ich möchte, daß Du Dir dies ganz besonders in aller Muße überlegtest – angenommen, ich ginge in's Ausland, würde ich mich darauf einlassen, wöchentlich unter irgend einem mir convenirenden Namen einen Brief zu schreiben, mit Beschreibungen und Eindrücken, wie sie sich gerade darböten? Wenn ich dies überhaupt thäte, ob ich es dann für das Chronicle thun wolle? Und wiederum, wenn ich dies thun wolle, wofür ich es thun wolle? Seiner Meinung nach würde der Besitzer für solche Beiträge jede Summe bezahlen. Ich sagte ihm, der Gedanke sei mir noch nie gekommen, aber ich fürchte, er wisse nicht, was der Werth solcher Beiträge sein würde. Er wiederholte, was er vorher gesagt hatte, und ich versprach ihm, zu überlegen, ob es mir überhaupt geeignet scheine, solche Briefe zu schreiben. Das Für und das Gegen muß reiflich erwogen werden. Ich will Dir nicht sagen, auf welche Seite ich meinerseits neige, sollten wir aber verschiedener Meinung sein, oder hinsichtlich derselben Punkte schwanken, so wollen wir Bradbury und Evans zu Rathe ziehen. Ich halte es für mehr als wahrscheinlich, daß wir genau derselben Ansicht sein werden, aber wünsche, daß Du im Besitz der Thatsachen bist, und schicke Dir daher dies Geschwätz.« Das Geschwätz war nicht unwichtig; denn obgleich wir hinsichtlich der Weisheit, dem Chronicle mit Nein zu antworten, derselben Meinung waren, wurde der von ihm erwähnte ›Rath‹ nichts destoweniger eingezogen, und in demselben lag der Keim eines andern Zeitungsunternehmens, an dem er zwölf Monate später seine Theilnahme zusagte, dem es aber ebenfalls weiser gewesen sein würde, ein Nein entgegenzusetzen.

Die Vorbereitungen für die Abreise waren jetzt in vollem Gange, und besonders beschäftigten ihn Nachfragen über zwei damit zusammenhängende wichtige Dinge: einen Courier und einen Wagen. Was den letzteren angeht, so kam ihm der Gedanke, er könne vielleicht für »wenig Geld eine gute, alte, schäbige Teufelskutsche bekommen – eins jener gewaltigen Phaëtone – die sich in einer Ecke des Pantechnikons Ein großes Londoner Meuble-Repositorium. – D. Uebers. verstecken«; und ganz genau eine solche fand er dort und er selbst saß darin, ein vollständiger ›Sentimentaler Reisender‹, während der Faktor ihm ihre Geschichte erzählte. »Was Bequemlichkeit anlangt, so ist sie – laß mich sehen – ungefähr von der Größe Deiner Bibliothek, mit Nachtlampen und Taglampen und Taschen und einem ledernen Keller und den außerordentlichsten Veranstaltungen. Scherz bei Seite, es ist eine wunderbare Maschine. Und wenn Du sie siehst (wenn Du sie wirklich siehst), wirst Du zuerst laut darüber lachen und dann erklären, daß sie ganz brillant ist, mein Lieber!« Der Preisansatz betrug 60 Pfd., er bekam sie für 45 Pfd., und meine eigenen Empfindungen darüber hatte er im Voraus ganz richtig geschildert. Mit dem Finden eines Couriers hatte er noch größeres Glück, und diesen Erfolgen schloß sich scheinbar ein dritter vielversprechender aber schließlich weniger befriedigender an. Er vermiethete sein Haus an nicht sehr sorgfältige Leute.

Da die Mietherin sich unerwartet, während der letzten zwei oder drei Wochen seines Aufenthalts in England, einstellte, miethete er selbst ein zeitweiliges Logis in Osnaburgh-Terrace und hier befiel ihn eine häusliche Bedrängniß, deren Erwähnung belustigend sein mag, nachdem ich eines Umstandes gedacht habe, der zu charakteristisch ist, um ausgelassen zu werden. Die Beamten der »Gesellschaft für die Unterdrückung der Bettelei« waren eines notorischen Bettelbriefschreibers habhaft geworden, hatten ihn als alten Sünder gegen Dickens identificirt, wovon sie in seiner Tasche Beweise fanden, und hatten die nöthigen Vorbereitungen für seine angemessene Bestrafung getroffen, als die Frau des elenden Geschöpfes, ehe der Fall vor den Polizeigerichtshof kam, auf eine Weise an Dickens appellirte, daß dieser in seinem Charakter als Ankläger zusammenbrach und da er fand, daß die Angaben über die Noth, worin der Mensch sich damals befunden, wahr seien, im letzten Augenblick Gnade für Recht ergehen ließ. »Als die Beamten der Gesellschaft selbst mir sagten, der Mann sei in Noth, drückte ich ihnen meinen Wunsch aus, daß sie verschweigen möchten, was sie über ihn wüßten, und ließ aus dem Papierbündel (auf dem Polizeiamt) seinen ersten Brief, der seine größesten Lügen enthielt, fallen. Denn er sah elend aus, und seine Frau hatte den ganzen Morgen in der Straße gewartet, um mit mir zu sprechen. Nichtsdestoweniger war es ein äußerst böser Fall und die Betrügerei von Anfang bis zu Ende sehr groß. So daß ich, selbst als ich ihn sah, nichts zu seinen Gunsten sagen konnte. Dennoch that es mir nicht leid, daß das Geschöpf ein Loch zum Entwischen fand. Die Beamten hatten ihn widerrechtlich, ohne Verhaftsbefehl, eingezogen, und in der That verdarben sie die ganze Sache auf's umständlichste.«

Er selbst wird auch am besten über die kleine häusliche Schwierigkeit berichten, die ihn in seinem zeitweiligen Logis befiel, als er unerwarteterweise fand, daß dasselbe den Ansprüchen eines Dîners, wozu er gerade vor der plötzlichen Vermiethung von Devonshire-Terrace Einladungen hatte ergehen lassen, nicht gewachsen sei. Der Brief ist auch in anderer Hinsicht charakteristisch, sonst würde ich mich hier schwerlich so tief auf häusliche Vorgänge eingelassen haben; und er setzt mich in den Stand hinzuzufügen, daß er mit dem letzten auf der Liste seiner Gäste, Mr. Chapman, dem Präsidenten der Lloyd'schen Agentur, in sehr freundschaftlichem Verkehre stand, und daß selbst über Dickens wenige abgeschmacktere und unbegründetere Dinge erfunden worden sind, als dies, daß er einen Theil des Originals von Mr. Dombey in der Natur, der Erscheinung oder den Manieren dieses achtungswerthen Herrn entdeckt habe. »Rathe, rathe (schrieb er, 9 Osnaburgh-Terrace, 28. Mai 1844), rathe einem rathlosen Manne. Untersuchungen im untern Stock machen es, wie mein Vater sagen würde, jeder Person von gewöhnlicher Einsicht, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, klar, daß das Sonnabend-Dîner nicht mit Sicherheit hier stattfinden kann. Es würde eine Frage an's Schicksal sein, die gut für uns ausfallen könnte, aber mit dieser Sorte von Leuten würde es jedenfalls eine äußerst peinliche Sache werden . . . Nun kommt es mir nicht gerathen vor, das Dîner ganz fallen zu lassen, und ich fürchte in der That, dies könnte einen eigenthümlich verdächtigen und sonderbaren Anschein haben. Da sagte ich nun heute Morgen beim Frühstück, ich will nach dem Clarendon-Hôtel schicken. Dann sagt Kate, laß es uns in Richmond haben. Dann sage ich, das könne den Leuten unbequem sein. Dann sagt sie, wie das möglich sei, wenn wir nur spät genug speisen. Dann fühle ich mich sehr beleidigt, ohne genau zu wissen weshalb, und gehe in einem Zustande hoffnungsloser Mystifikation hinauf . . . Was ist Deine Meinung? Ellis würde eben so theuer sein, als irgend ein Anderer, und wenn das Wetter nicht anders wird, lassen sich gegen den Ort Einwände erheben. Ich muß mich für eins von beiden entscheiden; denn wir werden heute Lord Denman beim Dîner treffen. Könnte man es mit Anstand fallen lassen? Das halte ich für sehr zweifelhaft. Könnte man es für ein Paar Guineen à Person im Clarendon-Hôtel haben? . . . In einer Sache von größerer Bedeutung würde ich einen Entschluß fassen können. Aber in einer Sache von dieser Art quäle und verwirre ich mich und komme zu gar keinem Schluß. Rathe, rathe! . . . Liste der eingeladenen Personen. Da ist Lord Normanby. Und da ist Lord Denman. Da ist Easthope nebst Frau und Schwester. Da ist Sydney Smith. Da bist Du und Mac. Da ist Babbage. Da ist eine Lady Osborne nebst Tochter. Da ist Southwood Smith. Und da ist Quin. Und da ist Thomas Chapman nebst Frau. So manche von diesen Leuten haben noch nie bei uns dinirt, daß die Verlegenheit doppelt groß ist. Rathe, rathe!« Mein Rath lief darauf hinaus, die Gesellschaft ganz über Bord zu werfen; doch es fand sich ein Auskommen und das Dîner lief sehr heiter ab. Es war das letzte Mal, daß wir Sydney Smith sahen.

Noch über einen charakteristischen Vorfall schrieb er mir vor seiner Abreise und die sehr lesbare Inschrift um das Siegel seines Briefes: »Es wird ganz besonders gebeten, daß Sir James Graham, wenn er dies öffnen sollte, sich nicht die Mühe gibt, es wieder zuzusiegeln,« bezeichnet sowohl das Datum, als die Ansicht des Schreibers über eine notorische Begebenheit dieser Zeit. Sir James Graham, Minister des Innern in Sir Robert Peel's Ministerium, benutzte 1844 aus Gefälligkeit gegen die österreichische Regierung ein altes Gesetz, um Briefe Mazzini's zu öffnen, wodurch die österreichische Regierung von dem Unternehmen der Brüder Bandiera Kunde erhielt. Dies Verfahren erregte den größten Unwillen in England. – D. Uebers. »Ich möchte« (28. Juni) »daß Du Einliegendes läsest und es mir wieder gäbest, wenn wir uns heute bei Stanfield treffen. Newby hat mir geschrieben, er hoffe, Overs mehr Geld geben zu können, als ursprünglich verabredet war.« Der Einschluß war der Correcturbogen einer Vorrede, die er zu einer kleinen Sammlung von Erzählungen ( The Evenings of a working man) eines armen Zimmermanns geschrieben hatte, der an der Schwindsucht starb und hoffte, durch Veröffentlichung derselben unter dem Schutze eines solchen Namens, seiner kranken Frau und seinen kleinen Kindern ein kleines Vermächtniß zu hinterlassen. Dickens schrieb 17. December 1844 von Marseille. »Als der arme Overs im Sterben lag, forderte er plötzlich Feder, Dinte und Papier und machte ein kleines Packet für mich zurecht, das er« (seine letzte bewußte Handlung) »an mich adressirte. Seine Frau sagte mir dies und gab es mir. Ich öffnete es gestern Abend. Es war ein Exemplar seines kleinen Buches, in das er meinen Namen geschrieben hatte, ›Mit seiner Ergebenheit‹. Mir schien das einfach und rührend von dem armen Menschen.« In einem späteren Briefe bemerkt er : »Mrs. Overs sagt mir« (Monte Vacchi 30. März 1845) »Miß Coutts habe ihr im Ganzen sechzehn Pfund Sterling geschenkt, ihren Kindern einen Arzt geschickt und eins ihrer Mädchen in der Waisenschule angebracht. Als ich ihr ein Wort zu Gunsten der armen Frau schrieb, antwortete sie mir, ich habe ihr selbst eine Freundlichkeit damit erzeigt, ›denn was nutzen mir meine Mittel, wenn ich nicht versuche, etwas Gutes damit zu thun?‹« Das Buch war dem guten Arzte Dr. Elliotson gewidmet, dessen Name fast dreißig Jahre lang bei uns Allen gleichbedeutend war mit unermüdeten, selbstaufopfernden, wohlwollenden Dienstleistungen an alle Nothleidenden.

Die letzte Begebenheit vor Dickens' Abreise war ein ihm gegebenes Abschiedsmahl, welches zugleich die Gestalt einer Feier der Vollendung Chuzzlewit's annahm, oder, wie die Ballantynes es bei Scott zu nennen pflegten, eines Taufmahls. Lord Normanby führte den Vorsitz und ich entsinne mich, daß ich neben dem großen Maler Turner saß, der mit Stanfield gekommen war, und seine Kehle an jenem schwülen Sommertage in ein großes rothes Taschentuch eingewickelt hatte, das er sich steif und fest weigerte abzunehmen. Sonst war er nicht eben demonstrativ, sondern freute sich auf eine stille schweigende Art, weniger vielleicht über die Reden, als über die wechselnden Lichter auf dem Flusse. Carlyle kam nicht. Er bemerkte in seiner Antwort auf die Einladung, die ich ihm geschickt, er liebe Dickens aufrichtig, denn er habe in seinem innern Selbst eine wahrhafte Musik von der echten Art erkannt; aber er wolle dies lieber in einer andern Form bezeugen, als indem er während der Hundstage außer Hause speise.

 

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