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Zehntes Kapitel.

Eine Heimath in der Schweiz.
1846.

Nur in Ostende, Verviers, Coblenz und Mannheim anhaltend, erreichten sie Straßburg am 7. Juni, und die Schönheit des Wetters zeigte ihnen den Rhein in seinem vollen Glanze. In Mainz war ein Deutscher an Bord ihres Schiffes gekommen, der bald nachher Mrs. Dickens auf dem Verdeck in vortrefflichem Englisch anredete: »Ihr Landsmann, Mr. Dickens, reist, wie unsre Zeitungen sagen, grade dieses Weges. Kennen Sie ihn, oder sind Sie ihm irgendwo begegnet?« Weitere Erklärungen folgten, und durch einen jener wunderlichen Zufälle, für welche mein Freund sich immer auserwählt glaubte, ergab sich, daß er einen Empfehlungsbrief an den Bruder dieses Herrn hatte, der dann über die Popularität seiner Werke in Deutschland sprach, und wie viele Personen er dieselben auf seinen Dampfbootfahrten habe lesen sehen. Als Dickens bemerkte, wie groß sein eigner Verdruß sei, selbst kein Wort Deutsch sprechen zu können, erwiederte der Andre: »O, das braucht Sie nicht zu bekümmern; denn selbst in einer so kleinen Stadt als der unsern, wo nur meist einfache Leute sind und nur wenige Reisen machen, könnte ich eine Gesellschaft von mindestens vierzig Personen zusammenbringen, die das Englische eben so gut verstehen und sprechen als ich, und von mindestens doppelt so vielen, die Sie im Original lesen könnten.« Seine Geburtsstadt war Worms, welches Dickens später sah, . . . »eine schöne alte Stadt, obgleich in Bezug auf Bevölkerung sehr zusammengeschrumpft und verfallen, mit einer malerischen alten Kathedrale am Ufer des Rheines und einigen wackern alten Kirchen, die so von Weinbergen eingeengt und überwachsen sind, daß sie aussehen, als wollten sie sich in Blätter und Trauben verwandeln.«

Er hatte sonst kein Abenteuer am Rheine. Aber auf demselben Dampfboot grüßte ihn ein nicht unbekanntes Charakterbild in den notorischen, moralischen und physischen Zügen zweier reisenden Engländer, die eine ungeheure Kutsche mit sich an Bord hatten, ohne jeden Plan, wohin sie in derselben gehen wollten. Einer von ihnen wollte diese Kutsche bei allen kleinen Städten und Dörfern, wo man anlegte, an's Ufer bringen lassen. Der Andre war entschlossen, »es zu Ende zu sehen«, wie er sagte – womit er nach Dickens' Ansicht den Fluß meinte, obgleich keiner von Beiden das geringste Interesse dafür zu haben schien. »Der Bewegliche würde auch ohne die Kutsche an's Land gestiegen und froh gewesen sein, die Kutsche los zu werden, aber sie hatten einen gemeinsamen Courier, und keiner wollte von diesem auch nur einen Augenblick lassen; so fuhren sie brummend und murrend zusammen weiter, und schienen an weiter nichts Gefallen zu finden, als daß sie nach Speisen fragten, die man unmöglich an Bord haben konnte, und dann an den Entschuldigungen des Proviantmeisters ein grimmiges Vergnügen hatten.«

Von Straßburg gingen sie am 8. Juni mit der Eisenbahn nach Basel, von wo sie am folgenden Tage nach Lausanne abreisten. Sie fuhren in drei zweispännigen Wagen und brauchten drei Tage für die Reise, deren einziger erheiternder Zwischenfall ein Zank zwischen einem Wirthe und einem der Kutscher war, welcher sich gegen die Gastwirthschaft vergangen hatte, indem er über die Kost klagte. »Nach verschiedenen heftigen Bemerkungen auf beiden Seiten sagte der Wirth: › Scélérat! Méchant! Je vous boaxerai!‹ worauf der Kutscher erwiederte: › Aha! Comment dites-vous? Voulez-vous boaxer? Eh? Voulez-vous! Ah! Boaxez-moi donc, Boaxez-moi!‹ – Worte, die er mit Bewegungen von leidenschaftlicher Bedeutsamkeit begleitete, welche bewiesen, daß dieses neue aktive Zeitwort auf das wohlbekannte englische Zeitwort to box gegründet war. Wenn sie es einmal gebrauchten, so gebrauchten sie es mindestens hundertmal und stachelten sich damit fortwährend bis zur Tollheit an.« Die Reisenden erreichten das Hotel Gibbon in Lausanne am Donnerstag Abend, den 11. Juni, nachdem sie durch einen entzückenden Blick auf Neufchatel versucht gewesen waren, eine kleine Strecke davor zu ruhen. »Nach reiflicher Ueberlegung hielt ich es jedoch für das Beste, hierher zu kommen, für den Fall, daß ich, wenn ich mit dem Schreiben angefangen habe, zuweilen das Bedürfniß nach Straßen empfinden sollte. In welchem Falle Genf (das hoffentlich diesem Zwecke entspricht) nur fünf Meilen entfernt ist.«

Er begann sofort die Häuserjagd und war zwei mühevolle Tage damit beschäftigt. Er fand die meisten der an Engländer vermietheten Häuser den kleinen Villas im Regents-Park ähnlich, mit Verandas, mit Glasthüren, die sich auf Rasenflächen zu öffneten, und Alkoven mit der Aussicht auf See und Berge. Eins lag lockend weiter den Hügel hinauf, »schwebte über der Stadt, wie ein Schiff auf einer hohen Welle;« aber die mögliche Wuth seiner Winterwinde schreckte ihn ab. Noch größer war für ihn die Versuchung des »Elysée,« mehr ein Palast als eine Villa, mit herrlichen den See überblickenden Gärten, und in seinen Corridoren und Treppen wie in seiner Möblirung einem altmodischen englischen Landhause in England ähnlich, das er auf zwölf Monate für £ 160 hätte bekommen können. »Aber als ich seine Größe bedachte, entmuthigte mich die Aussicht auf windige Herbstnächte, ohne Jemanden im Hause es aufzuheitern.« Und so kam er wieder zurück auf das allererste Haus, das er gesehen: Rosemont, ein wahres Puppenhaus, mit zwei hübschen kleinen Salons, einem Eßzimmer, einer Eingangshalle und Küche im Parterre, und mit einer hinreichenden Zahl von Schlafzimmern für die Familie, um noch eine Fremdenstube übrig zu lassen. »Es ist schön gelegen auf dem Hügel, der vom See her aufsteigt; zehn Minuten Weges von diesem Hotel; obgleich nur spärlich möblirt, wie alle Häuser hier, doch besser als andre, mit Ausnahme des ›Elysée‹, weil es von dem Besitzer und der Besitzerin zu ihrem eignen Gebrauch gebaut und eingerichtet wurde (die kleinen Salons nach Pariser Art). Sie wohnen jetzt in einem kleineren Hause, einer Art Portierwohnung, grade innerhalb des Thores. Ein Theil des umgebenden Grund und Bodens ist von einem Farmer gepachtet, und dieser wohnt nahebei, so daß es, obgleich abgeschlossen, doch keineswegs einsam ist.« Die Miethe sollte auf ein halbes Jahr zehn Pfund monatlich betragen, für die zweite Hälfte des Jahres sollte sie, wenn er so lange bliebe, auf acht Pfund ermäßigt werden; und ich sollte eine Beschreibung der Zimmer und der Möbeln erhalten, die mich, wie gewöhnlich, ganz heimisch dort machen sollte, sobald, ebenfalls einer wohlbekannten Gewohnheit gemäß, seine eigene erfinderische Anordnung und Verbesserung der Stühle und der Tische vollendet wäre. »Ich will daher vorläufig nur bemerken, daß meine kleine Arbeitsstube oben ist und aus zwei Fenstern, die sich auf einen Balkon öffnen, die Aussicht auf See und Berge hat, und daß Rosen genug da sind, um das ganze Etablissement der ›Daily News‹ darin zu begraben. Außerdem ist ein Pavillon im Garten, mit zwei Zimmern. In einem von diesem wirst Du, denke ich, Deine Arbeiten machen, wenn Du kommst. Lauben zum Lesen und Rauchen sind so viele im Garten verstreut, als im Theegarten bei Chalk-Farm. Aber die Lauben von Rosemont sind wirklich schön. Willst Du in die Lauben kommen?«

Sehr angenehm waren die frühsten Eindrücke von der Schweiz, mit welchen sein erster Brief schloß. »Das Land ist wunderbar schön; so belaubt, grün und schattig wie England – voll von tiefen Schluchten und baumbedachten Stellen, und glänzend von einem Ueberfluß der mannigfaltigsten Blumen. Ueberdies ist es reich an Singvögeln – sehr angenehm nach Italien – und das Mondlicht auf dem See ist herrlich. Mächtige Berge erheben sich an dem gegenüberliegenden Ufer (er ist an dieser Stelle anderthalb bis zwei Meilen breit), und der Simplon, der St. Gotthard, der Montblanc und alle Alpenwunder sind dort in gewaltiger Größe aufgethürmt. Der Anbau ist ungemein reich und weit verbreitet. Man findet alle möglichen Spaziergänge, Weinberge, grüne Landwege, Kornfelder und Wiesen voll Heu. Die allgemeine Reinlichkeit ist ebenso bemerkenswerth als in England. Man sieht keine Priester oder Mönche in den Straßen, und das Volk scheint fleißig und wohlhabend. Französisch (und ein sehr verständliches und angenehmes Französisch) scheint die allgemeine Sprache. Ich habe nie so viele Buchhändlerläden in demselben Raume zusammengedrängt gesehen, wie in den steilen, hügeligen Straßen von Lausanne.«

Von der kleinen Stadt bemerkte er in seinem nächsten Briefe, ihre natürliche Langeweile werde vermehrt durch den Umstand, daß die Straßen steil und abrupt bergauf und bergab liefen, wie die Straßen in einem Traume, und wegen der daraus entspringenden Schwierigkeit, sich darin umher zu bewegen. »Es sind einige unterdrückte Kirchen da, die man jetzt als Waarenhäuser für Auflader benutzt, wo Krahne und Winden aus den Thürmen hervorwachsen; kleine Thüren, aus welchen die Waaren niedergelassen werden, in verrammelten gothischen Fenstern angebracht sind, und Zugpferde ihre Ställe in den Krypten haben. Auch diese tragen dazu bei, der Stadt ein verödetes und unbenutztes Ansehen zu geben. Da sie jedoch andererseits vollkommen frei ist, ohne Verbote und Hemmungen irgend welcher Art, so findet man alle möglichen neuen französischen Bücher und Zeitschriften darin, und alle möglichen frischen Nachrichten aus der jenseits des Jura liegenden Welt. Sie enthält nur eine römisch-katholische Kirche, hauptsächlich zum Gebrauch der Savoyarden und Piemontesen, die des Handels wegen über die Alpen kommen. Was das Land angeht, so kann man ihm kein zu hohes Lob ertheilen, oder seine Schönheit zu sehr rühmen. Es sind keine großen Wasserfälle oder Wege durch Bergschluchten ganz in der Nähe, wie in andern Theilen der Schweiz, aber man hat eine reizende Mannigfaltigkeit bezaubernder Scenerie. Da ist das Ufer des Sees, wo man, wenn es einem gefällt, beim Spazierengehen die Füße in das tiefblaue Wasser tauchen kann. Da sind die Hügel, die zu den großen Höhen oberhalb der Stadt hinaufführen, oder an deren Abhängen man zum See hinunterschlendern kann. Da ist jede mögliche Art von tief grünen Landwegen, Weinbergen, Kornfeldern, Wiesengründen und Wäldern. Da sind vortreffliche Fahrstraßen, wie in Kent und Devonshire, und alle Ueberblicke und Aussichten werden geschlossen durch eine ewig wechselnde Kette gewaltiger Berge – zuweilen roth, zuweilen grau, zuweilen purpurn, zuweilen schwarz, zuweilen weiß von Schnee, zuweilen ganz in der Nähe und zuweilen wahre Gespenster in Wolken und Nebel.«

Inmitten dieser Umgebung sollte er nun wenigstens sechs Monate leben und arbeiten, und da die Liebe zur Natur in den Zwischenzeiten der Muße bei ihm ebenso sehr eine Leidenschaft war, als, wenn er mit den Geschöpfen seiner Phantasie beschäftigt war, das Verlangen nach Menschengedränge und Straßen, so konnte Niemand besser befähigt sein das zu genießen, was ihm so auf seinem kleinen Landhause geboten wurde.

Rosemont bei Lausanne. Nach einer Zeichnung von Mrs. Watson

Rosemont bei Lausanne

Nach einer Zeichnung von Mrs. Watson

Die Aussicht hatte auf jeder Seite einen verschiedenen Charakter, und von der einen bot sie den lebhaftesten Anblick Lausanne's selbst, ganz in der Nähe und dem Anschein nach, wie er sagte, immer mit seinen Kirchen und Thürmen den Hügel hinunter kommend, außer Stande sich aufzuhalten. »Von einem schönen, langen, breiten Balkon, auf den die Fenster meines kleinen Studirzimmers im ersten Stock (wo ich jetzt schreibe) sich öffnen, hat man eine herrliche Aussicht über den See, bis dahin, wo er sich allmälig in die ernste Bergschlucht verliert, welche zum Simplonpaß hinaufführt. Unter dem Balkon befindet sich eine steinerne Säulenhalle, nach der die sechs Fenster des Salons sich öffnen, und eine Masse von Pflanzen gruppiren sich sehr hübsch um die Säulen und die Sitze. Eins der Salonszimmer ist, wie ein französisches Hotel, in grünem Sammet und das andere in rothem möblirt. In beiden sind zahlreiche Spiegel und nette weiße Mousselin-Vorhänge, und für das größere ist in kaltem Wetter ein Teppich da; jetzt sind die Fußböden ohne Teppiche, aber mit verschiedenfarbigem Holz parquettirt.« Seine Beschreibung schloß nicht, ehe er mich in allen von den verschiedenen Familien bewohnten Ecken und Winkeln heimisch gemacht hatte; aber hier will ich nur noch den Schlußsatz hinzufügen. »Indem ich während des Schreibens auf den Balkon hinaustrete, werde ich durch den Anblick des Schlosses von Chillon, das im Sonnenlicht auf dem See glitzert, plötzlich daran erinnert, daß ich diesen Gegenstand in meinem Katalog der Schönheiten von Rosemont zu erwähnen vergaß. Sei so gut, es auf einer Zeile für sich einzuschalten.«

In demselben Briefe (22. Juni) erzählte er auch von dem Beginn regelmäßiger abendlicher Spaziergänge von anderthalb bis zwei Meilen, Diesen setzte die Hitze gelegentliche Schwierigkeiten entgegen. »Als ich gestern Abend (5. Juli) um sechs Uhr, meiner Gewohnheit gemäß, zu einem langen Spaziergang aufbrach, fühlte ich mich wirklich ganz erschöpft, nachdem ich den Gipfel eines langen steilen Berges erreicht hatte, der aus der Stadt hinausführt – denselben, über den wir hineinfuhren. Ich glaube übrigens, die große Hitze dauert selten länger als eine Woche hintereinander. Das Zwielicht ist immer sehr lang und die Abende köstlich und jetzt, da der Mond scheint, sind die Nächte wundervoll. Der Frieden und die Großartigkeit der Berge und des Sees sind unbeschreiblich. Auch kommt mit der Morgenluft eine Fluth süßer Düfte, welche diesem Lande ganz eigenthümlich ist.« und Gedanken an seine Bücher rührten sich schon in ihm. »Eine wunderliche, schattenhafte, unbestimmte Idee arbeitet in mir, daß ich ein großes Schlachtfeld irgendwie mit meiner kleinen Weihnachtsgeschichte in Verbindung bringen könnte. Gestaltlose Visionen der Ruhe und des Friedens, welche in spätern Zeiten darüber walten, wenn das Korn und Gras über den Erschlagenen wächst und die Leute am Pfluge singen, schweben so beständig vor mir, daß ich nicht umhin kann zu denken, es möge etwas Gutes darin zum Vorschein kommen, wenn ich sie deutlicher sehe . . . Ich beabsichtige, vier Hefte des in Monatsheften erscheinenden Buches und das Weihnachtsbuch hier fertig zu machen. Wenn Alles gut geht und Nichts sich verändert, und ich dies bis zu Ende November ausführen kann, werde ich mit leichtem Herzen auf einige Tage zu Dir nach England hinübereilen und es Roche überlassen, die Karawane inzwischen nach Paris zu führen. Es wird gerade an dem Punkte der Erzählung sein, wo das Leben und das Gewühl dieser außerordentlichen Stadt mir beim Schreiben von lebendigem Nutzen sein wird.« Das war sein Plan, und obgleich später unvorhergesehene Schwierigkeiten auftauchten, deren Ueberwindung ihm einen harten Kampf kostete, so gelang es ihm doch, denselben durchzuführen. Sein Brief schloß mit dem Versprechen, mir in dem nächsten von der kleinen englischen Kolonie zu erzählen, die bereit schien, ihm noch mehr als das gewöhnliche Willkommen zu bieten. Schon damals hatte er zwei Besuche empfangen von Mr. Haldimand, ehemaligem Mitgliede des englischen Parlaments, einem sehr gebildeten Manne, der mit seiner Schwester, Mrs. Marcet (der wohlbekannten Schriftstellerin), schon längst seinen Wohnsitz in Lausanne aufgeschlagen hatte. Er hatte einen sehr schönen Landsitz gerade unterhalb Rosemonts, und sein Charakter und sein Rang hatten ihn gewissermaßen zu dem kleinen Fürsten des Ortes gemacht. »Er hat hier alle möglichen Hospitäler und Institute gegründet und ausgestattet, und er gibt morgen ein Dîner, um unsere Nachbarn, wer dieselben auch sein mögen, bei uns einzuführen.«

Glücklicherweise fand er, daß es Leute waren, die jene offene und herzliche Gastfreiheit, welche der Reiz seines persönlichen Verkehrs ihm von allen Seiten entgegenbrachte, in jeder Hinsicht angenehm machten. Dem Dîner bei Mr. Haldimand folgten Dîners bei den Gästen, die er dort getroffen; bei einer Mrs. Cerjat, einer an einen Schweizer verheiratheten englischen Dame, beide mehr als gewöhnlich gebildet und angenehm; bei Mrs. Cerjat's Schwester, Mrs. Goff und deren Manne, einem Engländer, und bei Mr. und Mrs. Watson, von Rockingham-Castle in Northamptonshire, die das Elysée genommen hatten als Dickens es aufgab und mit denen, sowie mit Mr. Haldimand, er noch lange nachdem er Lausanne verlassen, sehr freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Auf seiner Fahrt zu Mr. Cerjat's Dîner stellte eine wunderliche Schwierigkeit sich ihm in den Weg. Er hatte für seine Frau und Kinder einen kuriosen kleinen Einspänner angeschafft, der so eingerichtet war, daß drei Personen seitwärts darin saßen, wodurch der Wind, der fortwährend in dem Thal auf- und abwehte, vermieden werden sollte, und er fand, daß diese Einrichtung eins der komischsten Resultate zur Folge hatte. »Der Wagen läßt sich nicht leicht wenden, und da man mit dem Gesicht seitwärts sitzt, bedarf es aller möglichen Evolutionen, um Einen der Breite nach vor die Thür des Hauses zu bringen, wohin man geht. Die Landhäuser (und dieses ganz besonders) sind hier denen an der Themse zwischen Richmond und Kingston sehr ähnlich, mit Anlagen rings herum. Bei Mr. Cerjat mußten wir uns, wie in dem Kinderräthsel, rings um das Haus fahren lassen, ohne das Haus zu berühren, und drei in einer Reihe wurden wir auf die beunruhigendste Weise zuerst den Leuten in der Küche vorgeführt, dann der Gouvernante, die sich in ihrem Schlafzimmer ankleidete, dann dem Salon, wo die Gesellschaft uns erwartete, dann dem Eßzimmer, wo man den Tisch deckte, und endlich der Eingangshalle, wo es uns gelang auszusteigen, nachdem wir die Fenster eines jeden Zimmers im Vorbeifahren geschabt hatten, während wir langsam hineinstarrten.«

Natürlich folgte ein Dîner bei ihm selbst; – und ein trauriger Vorfall, wovon er und seine Gäste nichts wußten, bezeichnete den Abend (15. Juli). »Während wir bei Tische saßen, ertrank eines der hübschesten Mädchen in Lausanne im See – in dem friedlichsten Wasser, das die steilen Berge wiederspiegelte und im Roth der sinkenden Sonne glühte. Sie badete an einem der für die Frauen bestimmten Orte, und scheint ihre Füße irgendwie in die Falten ihres Kleides verwickelt zu haben. Sie war eine gute Schwimmerin, wie viele Mädchen hier, und wurde plötzlich aus nur fünf Fuß Wasser fortgetrieben. Drei oder vier Freundinnen, die bei ihr waren, liefen mit Geschrei fort. Die Gouvernante unserer Kinder war gerade mit Dr. Verdeil (meinem Gefängnißarzt) und seiner Familie in einem Boot auf dem See. Sie fuhren unverzüglich dem Ufer zu; der Körper wurde schnell herausgezogen, und M. Verdeil mit drei oder vier anderen Doktoren bemühten sich mehrere Stunden, sie in's Leben zurückzurufen, aber sie seufzte nur einmal. So mußte man sie denn endlich steif und starr nach ihres Vaters Hause tragen. Sie war sein einziges Kind und erst siebzehn Jahre alt. Er ist seitdem halb todt gewesen, und ganz Lausanne war voll von der Geschichte. Ich ging gestern Abend zum See an die Stelle hinab, und ein Bootsmann führte mir die ganze Scene auf, wobei er sich schließlich selbst auf einen Steinhaufen niederlegte, um die Leiche darzustellen.«

Mit Dr. Verdeil, dem Gefängnißarzt und Vicepräsidenten des Gesundheitsamts, der ihm von Haldimand vorgestellt wurde, hatte er schon viel verkehrt und ich könnte Nichts erzählen, was für Dickens charakteristischer wäre, als seine Mittheilungen über diesen und andere ähnliche Gegenstände, an denen er während der ersten Wochen seines Aufenthalts in Lausanne ein lebhaftes Interesse nahm.

»Als man vor einigen Jahren eine Reform des Gefängnißwesens in Lausanne vornahm, wendete man, wie von dem Einklang republikanischer Empfindungen getrieben, seine Aufmerksamkeit nach Amerika und führte das System von Philadelphia ein, dessen Vortrefflichkeit man als ausgemacht ansah. Schreckliche Zufälle, neue Phasen geistiger Krankheiten und entsetzlicher Wahnsinn unter den Gefangenen waren sehr bald die Folge und stiegen zu einer so beunruhigenden Höhe, daß Verdeil in seiner öffentlichen Stellung gegen das System zu berichten anfing und seine Berichte und Bemühungen dagegen fortsetzte, bis er eine Partei bildete, die entschlossen war, es nicht zu beizubehalten und seine Abschaffung veranlaßte – ausgenommen in Fällen, wo die Gefangenschaft im Ganzen nicht länger dauert als zehn Monate. Es ist merkwürdig, daß in seinen Bemerkungen über die verschiedenen Fälle ganz dieselben Wirkungen erwähnt werden, die ich selbst in Philadelphia beobachtete, ja sogar bis auf die von mir gegebene Beschreibung des Mannes, der dreizehn Jahre dort gewesen war, und seine Hände so viel zupfte, wenn er sprach. Er hat, wie er sagt, ›die Amerikanischen Noten‹ erst ganz kürzlich gelesen; aber die angedeutete vollständige Coincidenz hat ihm einen so großen Eindruck gemacht, daß er beabsichtigt, einige Auszüge aus seinen eigenen Bemerkungen, Seite bei Seite mit diesen Stellen aus meinen in französischer Uebersetzung, wieder zu veröffentlichen. Ich durchwanderte neulich das Gefängniß mit ihm. Es ist für ein continentales Gefängniß wunderbar gut angelegt und in vollkommener Ordnung. Einige der Verurtheilungen sind jedoch schrecklich. Ich sah einen Mann, der wegen Mord unter mildernden Umständen auf dreißig Jahre hingeschickt war. Die ganze Zeit nach dem schweigenden geselligen System! Die Gefangenen weben und flechten Stroh und machen Schuhe, kleine Drechslerwaaren und Zimmerarbeit und kleine gewöhnliche Holzuhren. Aber die Verurtheilungen sind zu lang für dies einförmige und hoffnungslose Leben, und obgleich sie gut genährt und verpflegt werden, brechen sie doch gewöhnlich nach zwei oder drei Jahren vollständig zusammen. Eine Täuschung scheint unter drei Vierteln der Gefangenen nach einer gewissen Zeit der Haft allgemein zu werden. In dem Glauben, daß man ihrer Speise etwas Zerstörendes beimischt, pour les guérir du crime (sagt Verdeil), weigern sie sich zu essen.«

Am tiefsten wurde übrigens Dickens' Theilnahme durch die Anstalt für Blinde erregt, deren Präsident und großer Wohlthäter Mr. Haldimand war, und ganz besonders waren es zwei Fälle, deren Einzelnheiten noch jetzt mit demselben Interesse gelesen werden mögen, als zu der Zeit, wo die Briefe meines Freundes geschrieben wurden, und in Bezug auf welche seine Bemerkungen noch immer überraschende Gedanken erwecken. Der erste war der eines achtzehnjährigen jungen Mannes, taubstumm geboren und durch einen Unfall erblindet, als er etwa fünf Jahre alt war. Der Direktor der Anstalt ist ein junger Deutscher, von großen Fähigkeiten und ungewöhnlich einnehmendem Aeußeren. Er erklärte den wissenschaftlichen Körperschaften von Genf vor einem Jahre (als dieser junge Mann in der Anstalt erzogen wurde) die Möglichkeit, ihn sprechen zu lehren – in andern Worten, mit seiner Zunge auf seinen Zähnen und seinem Gaumen zu spielen wie auf einem Instrument, und gewisse Verrichtungen mit besondern, ihm in der Fingersprache deutlich gemachten Worten, zu verbinden. Sie kamen einstimmig zu dem Schluß, daß dies vollständig unmöglich sei. Der Deutsche ging an die Arbeit, und der junge Mann spricht jetzt ganz klar und deutlich, natürlich ohne jede Modulation, aber mit verhältnißmäßig geringer Unsicherheit, indem er die Worte laut ausspricht, wie sie, so zu sagen, auf seine Finger geklopft werden, und dabei die lebhafteste und wunderbarste Freude bezeigt. Bei den Taubstummen, die durch das Auge lernen, ist dies wie Du weißt gewöhnlich, aber bei einem tauben, stummen und blinden Individuum ist ein solches Resultat noch nie erzielt worden. Er ist ein äußerst lebhafter, intelligenter und gutmüthiger Mensch, ein vortrefflicher Zimmermann, ein ausgezeichneter Drechsler und läuft mit einer Sicherheit und einem Vertrauen in dem Gebäude umher, welches die bloß blinden Zöglinge nie erlangen. Er hat viele Gedanken und eine instinktive Furcht vor dem Tode. Er weiß von Gott, wie von einem irgendwo thronenden Gedanken, und sagte einmal auf Antrieb seiner Natur (des Teufels natürlich) eine Lüge. Er saß beim Essen und der Direktor fragte ihn, ob er etwas zu trinken gehabt habe, worauf er sofort erwiederte: ›Nein!‹ um noch etwas mehr zu bekommen, obgleich man ihm vorher das seinige gereicht hatte. Es wurde ihm erklärt, dies sei unrecht, und man könne ihm dergleichen nicht hingehen lassen, und man werde ihn dafür in ein Zimmer einsperren – was auch geschah. Bald nachher träumte ihm, er werde durch ein fremdes Thier in die Schulter gebissen. Da dies ihm einen großen Eindruck hinterließ, sagte er dem Direktor, er habe in der Nacht wieder eine Lüge gesagt. Zum Beweise dafür erzählte er seinen Traum und fügte hinzu: ›Es muß ja eine Lüge sein, weil kein fremdes Thier hier ist und ich nie gebissen bin.‹ Als man ihm bemerkte, diese Art von Lüge sei harmlos und heiße ein Traum, fragte er, ob todte Leute je träumten, während sie in der Erde lägen. Er ist einer der merkwürdigsten und interessantesten Gegenstände des Studiums, die man sich denken kann.«

Der zweite Fall war an demselben Tage vorgekommen, an welchem Dickens die Anstalt besuchte. »Als ich dort war (8. Juli), war Morgens ein Mädchen von zehn Jahren angelangt, taub und stumm und blind geboren und so unvollkommen unterrichtet, daß sie noch nicht einmal die geringste Controle über die Verrichtung der gewöhnlichen natürlichen Functionen besitzt . . . Und dennoch lacht sie zuweilen (guter Gott! stelle Dir vor worüber!) und ist furchtbar sensitiv von Kopf zu Fuß, und auf's Höchste beängstigt einige Stunden vor dem Ausbruch eines Gewitters. Mr. Haldimand hat lange versucht, ihre Eltern zu bewegen, sie in die Anstalt zu schicken. Endlich haben sie eingewilligt, und als ich sie sah, versuchten einige der blinden Mädchen, sich mit ihr zu befreunden und sie leise umherzuführen. Sie war, wegen der Nothwendigkeit ihre Kleider oft zu wechseln, in weiter nichts als in ein loses Gewand gekleidet, war aber in einem Bade gewesen und hatte sich die Nägel schneiden lassen (die vorher sehr lang und schmutzig gewesen waren), und sah gar nicht schlecht aus – ganz im Gegentheil; ihr kleiner Mund war auffallend gut und hübsch, aber ihr Kopf natürlich niedrig und unentwickelt. Ich wurde als auf etwas sehr Eigenthümliches darauf aufmerksam gemacht, daß sie, sowie man sie sich selbst überläßt, oder (was für sie dasselbe ist) sie nicht anrührt, sich sofort niederkauert, mit an die Ohren hinaufgezogenen Händen, ganz genau in der Haltung eines Kindes vor seiner Geburt; und so bleibt sie. Dies schien mir ein so seltsames Zusammentreffen mit dem vollständigen Mangel an Entwicklung ihres moralischen Wesens, daß es einen großen Eindruck auf mich machte, und indem ich wieder und wieder darüber nachgrübelte, fing ich an zu denken, daß dies gewiß auch das Verfahren der Wilden ist, und daß ich es sehr oft in Reisebeschreibungen geschildert gesehen habe. Da ich keine von diesen bei mir hatte, nahm ich Robinson Crusoe zur Hand und ich finde, daß Defoe da, wo er die Wilden beschreibt, die auf die Insel kamen, nachdem Will Atkins angefangen sich zu bessern und unter dem ernsten Spanier für die gemeinsame Vertheidigung thätig war, bemerkt: ›ihre Haltung bestand gewöhnlich darin, daß sie auf der Erde saßen, die Kniee an den Mund hinaufgezogen und den Kopf zwischen beiden Händen auf die Kniee herabgeneigt‹ – ganz dieselbe Haltung.« In seinem Briefe aus der folgenden Woche berichtete er weiter: »Ich bin noch nicht wieder in der Blinden-Anstalt gewesen; aber wie ich höre, verbessert das Gesicht des taubstummen und blinden Kindes sich augenscheinlich; und sie bezeigt große Freude bei der ersten Bemühung des Direktors, sich mit einer Beschäftigung ihrer Zeit in Verbindung zu bringen. Er gibt ihr täglich zwei glatte runde Steine, die sie zwischen beiden Händen hin- und herrollt. Sie scheint zu denken, daß dies zu etwas führen soll, erkennt deutlich die Hand, welche ihr die Steine gibt, als eine freundliche und schützende, und sitzt Stunden lang ganz geschäftig da.«

Gegen einen Theil seiner geistvollen Vermuthung erhob ich Einwände und schrieb das, was er für die Aeußerung eines unentwickelten oder embryonischen Zustandes hielt, welcher auch die Abwesenheit der empfindenden und moralischen Natur erklärte, bei ihr, als einer Wilden, einem bloßen Verlangen nach Wärme zu. Hierauf erwiederte er am 25. Juli: »Ich glaube nicht, daß Grund zu der Annahme vorhanden ist, daß die Haltung der Wilden aus einem Verlangen nach Wärme hervorgeht, weil alle nackten Wilden heiße Klimate bewohnen; und ihre instinktive Haltung würde, wenn sie auf Hitze oder Kälte Bezug hätte, vermuthlich die möglichst kühle sein, wie ihre Lust am Wasser und am Schwimmen beweist. Ich glaube nicht, daß es eine noch so niedrig entwickelte, kalte Klimate bewohnende Race von Wilden gibt, die nicht Thiere tödten und deren Felle tragen. Das Mädchen bessert sich im Gesicht ganz entschieden und, wenn man das Wort auf sie anwenden kann, auch in ihren Manieren. Durch die Tastsprache ist noch keine Verbindung mit ihr hergestellt worden; aber dafür ist die Zeit noch nicht lang genug.« In einem späteren Briefe (24. August) erzählt er mir: »Das taubstumme und blinde Mädchen hat sich entschieden gebessert, und für diese kurze Zeit sehr verbessert. Eine Verbindung mit ihr ist noch nicht hergestellt, aber das läßt sich auch nicht erwarten. Man hat ihr jene seltsame kauernde Haltung abgewöhnt, sie nett angezogen und Vergnügen an Geselligkeit in ihr erweckt. Sie lacht häufig und klatscht auch in die Hände und springt, was ihr, Gott weiß wie, innere Befriedigung gewährt. Ich habe nie in meinem Leben etwas in seiner Art Ergreifenderes gesehen, als da man sie neulich in die Mitte einer Gruppe blinder Kinder stellte, die zu Klavierbegleitung im Chore sangen, und ihre Hand mit dem Instrument in Zusammenhang setzte und hielt. Ein Schauer durchdrang ihr ganzes Wesen, ihr Athem wurde schneller, ihr Gesicht röthete sich – und ich kann es mit nichts Anderm vergleichen, als mit der Wiederbelebung eines beinahe todten Menschen. Es war wahrhaft erschütternd zu sehen, wie die Empfindung der Musik die in ihr verschlossene Seele erregte und aufscheuchte.« Derselbe Brief sprach auch wieder von dem Jüngling: »Der männliche Zögling ist wohl und so vergnügt als möglich. Er raucht sehr gern. Ich habe Anordnungen getroffen, daß er während unseres Aufenthalts hier mit Cigarren versorgt wird. So besteht denn zwischen ihm und mir eine erstaunliche Sympathie. Ich weiß nicht ob er denkt, daß ich die Cigarren wachsen lasse, oder sie mache, oder sie durch einen Wink hervorbringe, oder was. Aber es gibt ihm eine Vorstellung, als ob die Welt im Allgemeinen mir gehöre.« . . . Ehe sein gütiger Freund Lausanne verließ, hatte man den armen Menschen gelehrt zu sagen: › Monsieur Dickens m'a donné les cigares‹ und beim Abschiede drückte er seine Dankbarkeit aus, indem er diese Worte eine halbe Stunde lang unaufhörlich wiederholte.

Gewiß verdiente Niemand mehr als Dickens die ausdauernde Dankbarkeit aller Derer, welche die Natur oder die Welt rauh oder unfreundlich behandelt hatte. Nicht Denjenigen allein, die durch Armuth oder durch die von derselben unzertrennlichen Versuchungen unglücklich geworden, sondern auch Denen, welche durch natürliche Mängel oder Gebrechen ihren Mitmenschen gegenüber in Nachtheil gesetzt waren, widmete er seine erste Rücksicht, half ihnen persönlich wo er konnte, sympathisirte und trauerte mit ihnen unter allen Umständen, und bemühte sich vor Allem um die Entdeckung der Linderung oder Heilung, welche Philosophie oder Wissenschaft im Stande sein möchten, auf ihre Lage anzuwenden. Dies Verlangen war so lebhaft bei ihm, daß man es eigentlich eine der Leidenschaften seines Lebens nennen sollte, die bis zu seiner letzten Stunde erkennbar blieb.

Nur ein paar auch an sich nicht müßige Wochen waren in Rosemont über ihm dahin gegangen, als er einen raschen Versuch zum Anfang seiner wirklichen Arbeit machte, wovon er in der That nur durch das Ausbleiben einer, schon vor seiner Abreise aus London abgeschickten, Kiste so lange abgehalten war, welche nicht nur seine Schreibmaterialien enthielt, sondern auch gewisse originelle kleine Bronzefiguren, die schon damals auf seinem Schreibpult standen, und für den leichten Fluß seines Schreibens ebenso nothwendig waren, als blaue Dinte und Gänsefedern. »Ich bin« (schrieb er am 28. Juni) nicht müßig gewesen seit ich hier bin, obgleich mir, wie Du weißt, die große Kiste zuerst fehlte. Ich hatte für Lord John Russell ein gut Theil über die Lumpenschulen zu schreiben. Ich machte mich an die Arbeit und habe das gethan. Ein gut Theil für Miß Coutts, in Bezug auf ihre wohlthätigen Pläne. Ich machte mich an die Arbeit und habe das gethan. Die Hälfte des Neuen Testaments für die Kinder zu schreiben, oder ungefähr so viel. Es war dies ein Auszug der Erzählung der vier Evangelien, in einfacher Sprache, für den Gebrauch seiner Kinder. Kurz nach seinem Tode wurde auf das Vorhandensein eines solchen Manuskripts hingewiesen und der Wunsch ausgesprochen, dasselbe möge veröffentlicht werden; aber nichts würde bei ihm selbst größeren Anstoß haben erregen können, als ein solcher Vorschlag. Das kleine Stück war von eigenthümlich privater Natur, für seine Kinder und ausschließlich und streng nur für ihren Gebrauch geschrieben. Ich machte mich an die Arbeit und habe das gethan. Hierauf entledigte ich mich des größeren Theils der Correspondenz, zu der ich mich vorschnell verpflichtet hatte, und dann . . .

fing ich Dombey an!

Ich verrichtete diese That gestern, – schrieb nicht mehr als das erste Blatt – aber da ist es, und es ist ein Sprung mitten in die Geschichte hinein . . . Außer allem Diesen habe ich mich wirklich mit großem Eifer an das Französische gemacht, wobei mir das Italienische sehr hilft; und bin zwei Arten geistiger Zufälle in Bezug auf das Weihnachtsbuch unterworfen: einem, der plötzlichsten und wildesten Begeisterung; einem andern, einsamer und sorgsamer Erwägung . . . Beiläufig gesagt, als ich die große Kiste auspackte, bekam ich ein Buch zu fassen und sagte: Nun, die Stelle auf der mein Daumen gerade zu liegen kommt, soll zu meiner Arbeit in Beziehung gesetzt werden. Es war Tristram Shandy und die mir bezeichneten Worte waren: ›Was für ein Werk mag es wohl werden! Wir wollen damit anfangen!‹«

Derselbe Brief benachrichtigte mich, daß er für sein Weihnachtsbuch noch stark zu der »Schlachtfeld-Idee« hinneige, aber noch keinen Fortschritt damit gemacht habe, da er zunächst neugierig sei, zu hören, was ich von der Lebensfähigkeit dieser Idee denke. Mein einziger Einwand war gegen das gleichzeitige Unternehmen zweier Werke gerichtet, dessen volle Gefahr er noch nicht erkannte. Aber vorläufig wurde die Weihnachtsphantasie bei Seite gelegt und, außer in gelegentlichen Anspielungen, nicht wieder aufgenommen vor Ende August, als die ersten beiden Hefte von Dombey fertig waren. Die Zwischenzeit brachte frische interessante Beschreibungen seines neuen Lebens in seiner neuen Heimath; und da ich gezeigt habe, was für ein angenehmer geselliger Kreis, »wunderbar freundschaftlich und gastfrei« So schilderte er ihn. »Ich glaube nicht,« fügt er hinzu, »wir hätten bessere Gesellschaft finden können. Es ist allerdings ein kleiner Kreis, aber ganz groß genug. Die Watsons gewinnen sehr bei näherer Bekanntschaft. Alle sind wohlunterrichtet und wir sind alle so gesellig und freundschaftlich wie möglich, und sehr heiter. Wir spielen zuweilen Whist, mit großer Würde und großem Ernst, die nur durch gelegentliche Scherze des Unnachahmlichen unterbrochen werden.« bis zuletzt, sich schon in Lausanne um ihn gebildet hatte, und wie voll hörens- und wissenswürdiger Dinge er solche Anstalten, wie das Gefängniß und die Blindenschule, fand, werden dem Bilde anziehende Züge hinzugefügt werden, wenn ich seinen während dieser Eröffnung Dombey's geschriebenen Briefen einige fernere Bemerkungen über den allgemeinen Fortschritt seiner Arbeit, sowie über Dasjenige entnehme, was ihn damals besonders interessirte und erheiterte, und über die Eindrücke, welche Land und Leute auf ihn hervorbrachten. In allen diesen Mittheilungen wird sein Charakter sich scharf abzeichnen.

 

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