Henry Fielding
Die Geschichte des Tom Jones / Theil VI
Henry Fielding

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8 Drittes Kapitel.

Die Ankunft Westerns nebst Einigem über die väterliche Gewalt.

Mad. Miller hatte nicht lange das Zimmer verlassen als Herr Western eintrat, doch nicht ohne einen Wortwechsel zwischen ihm und den Chaisenträgern. Diese Leute, die ihre Last in den »Säulen des Hercules« eingenommen hatten, nicht hofften, für die Zukunft einen guten Kunden an dem Squire zu haben, auch durch seine Freigebigkeit ermuthiget wurden (denn er gab ihnen aus eigenem Antriebe vier Groschen über den bedungenen Lohn), verlangten keck noch weitere acht Groschen, was den Squire so aufbrachte, daß er sie nicht blos mit derben Flüchen regalirte, sondern auch seinen Aerger nicht vergessen konnte, als er schon in das Zimmer getreten war, und betheuerte, alle Londoner wären wie der Hof und dächten an nichts, als den Landedelleuten das Geld aus der Tasche zu nehmen. »Gott verdamm' mich,« sagte er, »wenn ich nicht im ärgsten Regen lieber zu Fuße gehe als wieder in einen solchen Kasten steige. Sie haben mich in zehn Minuten mehr zusammen gerüttelt, als mich mein Pferd auf einer langen Fuchshetze rüttelt.«

Nachdem sich sein Zorn darüber endlich ein wenig gelegt hatte, fuhr er gleich heftig über einen andern Gegenstand fort. »Schöne Geschichten gehen vor,« sagte er. »Die Hunde sind von der Fährte und als wir glaubten, wir hätten es mit einem Fuchse zu thun, so ist es ein Dachs.«

»Lassen Sie, lieber Nachbar,« entgegnete Allworthy, »die Metaphern weg und reden Sie, wo möglich, deutlicher.«

»Ja, ich will es Ihnen deutlich sagen,« fuhr der Squire 9 fort, »wir alle sind durch den Sohn einer Hure eines Bastards von Jemanden, ich weiß nicht von wem, geärgert worden und nun kommt ein verdammter Sohn einer Hure eines Lords, der auch ein Bastard sein kann, meinetwegen, denn mit meiner Bewilligung bekommt er von mir keine Tochter. Sie haben die Nation arm gemacht, mich sollen sie nicht arm machen. Mein Land soll nicht nach Hannover hinübergeschickt werden.«

»Sie überraschen mich, werther Freund,« entgegnete Allworthy.

»Zum Teufel auch! Ich bin auch überrascht,« unterbrach ihn der Squire. »Ich ging vorigen Abend zu der Schwester Western, weil sie mich bestellt hatte und da kam ich unter einen ganzen Schwarm von Weibern. Da war die Cousine Bellaston und Lady Betty und Lady Katharine und Lady ich weiß nicht; hol' mich der Teufel, wenn man mich noch einmal unter ein solches Rudel Weibsbilder bringt. Lieber will ich mich von meinen eigenen Hunden hetzen lassen wie ein gewisser Acton; er wurde, wie das Historienbuch sagt, in einen Hasen verwandelt, sein eigener Hund fing und fraß ihn. Kein Mensch ist so gehetzt worden wie ich dort; lief ich dahin, so hatte mich die Eine, prallte ich zurück, so packte mich eine Andere. »O, gewiß eine der größten Verbindungen in England,« sagte die eine Cousine (und er versuchte sie nachzuahmen). »Wirklich ein sehr vortheilhafter Antrag,« sagte eine andere (»denn Sie müssen wissen, daß sie alle meine Cousinen sind, ob ich gleich vorher nicht die Hälfte von ihnen gesehen und gekannt habe«). »Ganz gewiß,« setzte die dickar . . . Lady Bellaston hinzu, »Vetter, Sie müssen nicht bei Troste sein, wenn Sie einen solchen Antrag abweisen wollen.«

»Ach, ich sehe es nun ein,« sprach Allworthy, »es hat Jemand dem Fräulein Western Anträge gemacht, die von 10 den Damen der Familie gebilliget werden, die Ihnen aber nicht zusagen.«

»Mir zusagen!« rief Western, »wie, zum Teufel! sollen sie mir zusagen? Ich sage Ihnen, es ist ein Lord und mit den Lords, das wissen Sie, mag ich nun einmal nichts zu thun haben. Ich habe schon einmal einen vortheilhaften Verkauf ausgeschlagen, zu dem mich Einer veranlassen wollte, blos weil ich die Lords nicht leiden kann; und ich soll Einem meine Tochter zur Frau geben? Und haben Sie nicht mein Wort und bin ich einmal auf die Hinterbeine getreten, wenn ich etwas versprochen hatte?«

»Was den Punkt betrifft,« sagte Allworthy, »so entbinde ich Sie jedes Versprechens. Ein Vertrag kann keine bindende Kraft zwischen Parteien haben, welche keine Berechtigung haben, ihn abzuschließen, eben so wenig später die Macht erlangen, ihn auszuführen.«

»Ich sage Ihnen, ich habe die Macht und ich will ihn ausführen. Kommen Sie sogleich mit mir in das Gericht; dort will ich mir die Erlaubniß zur Verheirathung meiner Tochter holen; dann gehen wir zu meiner Schwester und nehmen ihr das Mädchen mit Gewalt weg. Sie soll ihn nehmen oder ich sperre sie ein bei Wasser und Brod so lange sie lebt.«

»Herr Western,« entgegnete Allworthy, »wollen Sie meine Ansichten über die Sache anhören?«

»Gewiß will ich das.«

»Ich darf behaupten,« fuhr Allworthy fort, »ohne Ihnen oder dem jungen Mädchen eine Schmeichelei zu machen, daß ich die Verbindung, sobald von ihr die Rede war, von Herzen gern gesehen habe. Eine Verbindung zwischen zwei Familien, die so nahe Nachbarn sind, zwischen denen immer ein freundschaftliches gutes Vernehmen bestanden hat, hielt ich für höchst wünschenswerth, und was 11 das Mädchen betrifft, so gab mir nicht blos die allgemeine Meinung über sie, sondern auch meine eigene Beobachtung die Versicherung, daß sie ein unschätzbares Juwel für einen guten Mann sein würde. Ich will von ihren persönlichen Eigenschaften nichts sagen, die gewiß bewundernswerth sind; ihre Herzensgüte, ihr Mitgefühl, ihre Züchtigkeit sind zu bekannt als daß ich sie zu rühmen brauche; eine Eigenschaft aber besitzt sie, welche in hohem Grade auch das Eigenthum der besten Frau war, die nun unter den ersten Engeln weilt, eine Eigenschaft, die nicht glänzt und deshalb meist übersehen wird, die so wenig bemerkt wird, daß ich nicht einmal ein Wort kenne, um sie zu bezeichnen. Ich muß mich negativer Ausdrücke bedienen. Niemals vernahm ich aus ihrem Munde eine spitzige, schnippische Antwort; sie macht keinen Anspruch auf Witz, noch weniger auf jenes Vielwissen, das Resultat fleißigen Studirens und mannichfacher Erfahrung, eine Affectation, die bei jungen Damen albern und lächerlich ist. Sie sprach keine dictatorischen Ansichten, keine entscheidenden Urtheile, keine tiefsinnigen Betrachtungen aus. So oft ich sie in Gesellschaft mit Männern gesehen habe, hörte sie aufmerksam zu mit der Bescheidenheit eines Lernenden, nicht mit der Voreiligkeit eines Belehrenden. Sie werden mir verzeihen, aber ich ersuchte sie einmal, blos um sie zu prüfen, um ihre Ansicht über einen Punkt, der streitig war zwischen den Herren Thwackum und Square. Sie antwortete sehr bescheiden: »Sie werden mir verzeihen, guter Herr Allworthy, aber Sie halten mich gewiß nicht im Ernst für fähig, über einen Punkt zu entscheiden, über den zwei solche Männer sich nicht vereinigen können.« Thwackum und Square, von denen jeder einen für sich günstigen Ausspruch erwartete, unterstützten mein Gesuch. Da wiederholte sie eben so ruhig: »ich muß nochmals und ernstlich um Entschuldigung bitten, 12 denn ich mag keinen von den beiden Herren dadurch beleidigen, daß ich mich für seinen Ausspruch entscheide.« So bewies sie immer die höchste Achtung vor dem männlichen Verstande, eine Eigenschaft, welche ein Weib durchaus besitzen muß, wenn sie eine gute Frau sein soll. Ich setze nur hinzu, daß diese Achtung keine erheuchelte sein kann, da sie allem Anscheine nach ganz frei von Affectation ist.«

Blifil seufzte hier tief, worauf Western, dessen Augen sich bei dem Lobe Sophiens mit Thränen gefüllt hatten, schluchzend einfiel: »nun werden Sie nur nicht kleinmüthig, Sie sollen sie haben, Gott verdamm' mich, Sie sollen sie haben und wäre sie noch zwanzigmal besser.«

»Erinnern Sie sich an Ihr Versprechen,« bemerkte Allworthy, »mich nicht zu unterbrechen.«

»Ich sage kein Wort weiter.«

»Ich habe, werther Freund,« fuhr Allworthy fort, »so lange über die Vorzüge Ihrer Tochter gesprochen, theils weil ich ihren Charakter wirklich liebe, theils damit man nicht glaube, das Vermögen (und in dieser Hinsicht ist die Heirath allerdings für meinen Neffen sehr vortheilhaft) sei der Hauptgrund gewesen, um dessentwillen ich so bereitwillig in den Antrag eingegangen. Ich wünsche von Herzen, ein solches Juwel in meine Familie aufzunehmen, aber wenn ich auch manches Gute wünsche, so mag ich es doch nicht stehlen oder durch irgend eine gewaltthätige oder ungerechte Handlung in meinen Besitz bringen. Ein Mädchen aber zu einer Heirath gegen ihren Willen und ihre Neigung zu zwingen, ist eine so ungerechte und bedrückende Handlung, daß ich wohl wünschte, die Gesetze unseres Landes könnten dagegen in Anwendung gebracht werden. Indessen ein gutes Gewissen ist auch in dem schlecht geordneten Staate nicht ohne Gesetz und wird die Gesetze, welche die Gesetzgeber übersehen haben, sich selbst geben. Der 13 besprochene Fall gehört sicherlich hierher, denn ist es nicht grausam und gottlos, ein Mädchen gegen ihren Willen in einen Stand zu zwingen, in welchem sie wegen ihres Verhaltens dem höchsten Gerichtshofe verantwortlich und der Gefahr ausgesetzt ist, ihre Seele zu verderben? Es ist keine leichte Aufgabe, die Pflichten der Ehe auf angemessene Weise zu erfüllen; sollen wir diese Bürde einem Mädchen auflegen während wir ihr zugleich alle die Beihilfe nehmen, die sie in den Stand setzen kann, sie zu ertragen? Sollen wir ihr das Herz entreißen und ihr doch Pflichten auferlegen, denen kaum ein ganzes Herz gewachsen ist? Ich muß mich hier vollkommen deutlich aussprechen; meiner Meinung nach tragen die Eltern, welche so handeln, einen Theil der Schuld, die ihre Kinder später auf sich laden und müssen deshalb vor einem gerechten Richter erwarten, auch einen Theil der Strafe zu erhalten. Kann aber Jemand den Gedanken ertragen, zu dem Verderben der Seele seines Kindes mitgewirkt zu haben?

»Aus diesen Gründen, mein werther Nachbar, und da ich sehe, daß mein Neffe die Zuneigung der jungen Dame leider nicht besitzt, muß ich alle weiteren Gedanken an die Ehre aufgeben, die Sie ihm erweisen wollten und wofür ich Ihnen stets dankbar bleiben werde.«

»Nun,« fiel Western ein, dem der Schaum vor die Lippen trat, sobald sie geöffnet wurden, »Sie müssen zugeben, daß ich Sie habe ausreden lassen, und nun erwarte ich, daß Sie mich auch anhören. Wenn ich nicht auf jedes Wort antworte, will ich die Sache aufgeben. Erstlich beantworten Sie mir eine Frage: ist sie nicht mein Kind? ist sie nicht mein Kind? darauf antworten Sie mir. Man sagt zwar, man könne niemals gewiß wissen, wer der Vater eines Kindes sei, aber ich habe gewiß den besten Anspruch darauf, ihr Vater zu sein, da ich sie erzogen habe. Sie 14 werden also zugeben, daß ich ihr Vater bin; kann ich nicht über sie verfügen, wenn sie mein Kind ist? Ich frage Sie, kann ich nicht über sie verfügen, wenn sie mein Kind ist? Und was verlange ich von ihr? Soll sie etwas für mich thun? mir etwas geben? Im Gegentheil, ich wünsche, sie soll die Hälfte meines Vermögens jetzt nehmen und die andere, wenn ich sterbe. Und warum Alles? Will ich sie nicht dadurch glücklich machen? Wenn ich selber wieder heirathen wollte, hätte sie Ursache zu heulen; habe ich mich aber nicht erboten, eine gerichtliche Verfügung wegen meines Gutes zu machen, daß ich nicht heirathen könnte, wenn ich es auch wollte? Was zum Teufel kann ich mehr thun? Ich sie unglücklich machen! Herr Allworthy, nehmen Sie mir's nicht übel, aber ich wundere mich sehr, Sie so reden zu hören und, nehmen Sie es, wie Sie wollen, ich hätte Ihnen mehr Verstand zugetraut.«

Allworthy strafte diese Bemerkung nur mit einem Lächeln, in das er, auch wenn er es gewollt, keine Beimischung von Bosheit oder Verachtung legen konnte. Sein Lächeln über eine Albernheit war von der Art, wie die Engel vielleicht über die Thorheiten der Menschen lächeln.

Blifil wünschte nun auch einige wenige Worte zu sagen und er begann: »ich werde nie meine Einwilligung dazu geben, irgendwie Gewalt gegen die junge Dame zu brauchen. Mein Gewissen erlaubt mir nicht, gegen irgend Jemanden Gewalt anzuwenden, wie viel weniger gegen eine Dame, die immer meine aufrichtigste Liebe besitzen wird, wie grausam sie auch gegen mich sein mag. Kann ich nicht hoffen, durch solche Ausdauer endlich die Zuneigung zu gewinnen, bei der ich in Zukunft vielleicht keinen Nebenbuhler habe? Dem Lord zieht mich Herr Western vor und Sie werden nicht läugnen, Herr Oheim, daß ein Vater in solchen Dingen wenigstens eine negative Stimme hat. Ich 15 habe Fräulein Sophie selbst dies mehr als einmal aussprechen und erklären hören, daß sie die Kinder nicht entschuldigen könnte, welche sich gegen den Willen ihrer Eltern verheiratheten. Obgleich ferner andere Damen der Familie die Bewerbung des Lords zu begünstigen scheinen, so sehe ich doch nicht, daß das Fräulein selbst sie unterstützt. Ich weiß nur zu wohl, daß sie es nicht thut; ich habe die Ueberzeugung, daß vielmehr der schlechteste Mensch noch immer den ersten Platz in ihrem Herzen einnimmt.«

»Ja, ja, so ist's,« bestätigte Western.

»Sie wird aber gewiß,« fuhr Blifil fort, »wenn sie von dem Morde hört, den er begangen hat, auch wenn es ihm nicht das Leben kosten sollte . . .«

»Was ist das?« fragte Western. »Einen Mord hat er begangen und man kann hoffen, ihn baumeln zu sehen? La! la! la!« Und er fing an zu singen und in dem Zimmer umherzuspringen.

»Kind,« fiel Allworthy ein, »Deine unglückliche Liebe geht mir ungemein nahe. Ich bedauere Dich von Herzen und möchte gern alles thun, um Dich an das Ziel zu bringen.«

»Mehr wünsche ich nicht,« entgegnete Blifil, »ich bin überzeugt, daß mein werther Onkel eine bessere Meinung von mir hat und mich nicht für fähig hält, mehr anzunehmen.«

»Nun,« sprach Allworthy weiter, »Du hast meine Erlaubniß, ihr zu schreiben und sie zu besuchen, wenn sie es erlaubt; nur an Zwang denke nicht. Man sperre sie nicht ein und thue ihr auch sonst nicht Gewalt an.«

»Gut! gut!« entgegnete Western, »nichts der Art soll geschehen, wir wollen noch einige Zeit versuchen, wie weit wir durch Güte kommen. Und wenn jener Mensch gehenkt werden sollte – trallara – trallara! In meinem Leben hat 16 mir nichts mehr Spaß gemacht. Lieber Allworthy, kommen Sie mit mir zum Essen nach den »Säulen des Hercules«; ich habe Schöpsenbraten, Schweinebraten und ein Huhn mit Eiersauce bestellt. Außer uns ist Niemand da, wir müßten denn den Wirth mit einladen. Den Pfarrer Supple habe ich nach Basingstoke geschickt, weil ich meine Schnupftabacksdose dort im Wirthshause habe liegen lassen und sie doch nicht einbüßen mag, denn sie ist mir lieb; ich habe sie zwanzig Jahre geführt. Der Wirth, kann ich Ihnen sagen, ist ein drolliger Kerl; er wird Ihnen gefallen.«

Herr Allworthy nahm endlich die Einladung an und bald darauf ging der Squire, singend und hüpfend, weil er hoffte, bald das tragische Ende des armen Jones mit anzusehen. Nachdem er sich entfernt hatte, nahm Allworthy das vorige Thema sehr ernst von neuem auf und sagte zu seinem Neffen: »ich wünsche von Herzen, daß Du eine Liebe besiegen mögest, die Dich sicherlich nicht zum Ziele führt. Es ist gewiß ein Irrthum, wenn man glaubt, die Abneigung eines weiblichen Herzens könne durch Ausdauer beseitiget werden. Gleichgültigkeit mag allerdings bisweilen dadurch entfernt werden, ein Liebhaber aber, der durch Ausdauer siegt, triumphirt meist nur über Launenhaftigkeit, Vorsicht, Affectation oder auch über einen überhohen Grad von Leichtfertigkeit, welche Frauenzimmer, die nicht gerade sehr warmblütig sind, antreibt, ihrer Eitelkeit dadurch zu fröhnen, daß sie die Zeit der Bewerbung, des Courmachens verlängern, selbst wenn ihnen der Bewerber recht wohl gefällt, und sich vornehmen (wenn sie sich überhaupt etwas vornehmen), ihm zuletzt Abbitte dafür zu thun. Eine bestimmte Abneigung aber, wie sie, fürchte ich, Sophie gegen Dich hat, wächst vielmehr mit der Zeit, als daß sie durch dieselbe zu beseitigen wäre. Außerdem habe ich eine andere Befürchtung, die Du mir zu gute halten mußt. Ich fürchte 17 nämlich, daß Deine Liebe zu dem schönen jungen Mädchen zu sehr ihrer schönen Person gilt und eigentlich den Namen Liebe nicht verdient, auf die allein das eheliche Glück gegründet werden kann. Ein schönes Mädchen zu bewundern, sie mit Wohlgefallen zu betrachten und ihren Besitz zu wünschen ohne Rücksicht auf die Gefühle, die sie gegen uns hegt, ist, fürchte ich, nur zu natürlich, aber Liebe kann meiner Ansicht nach nur aus Liebe hervorgehen; wenigstens bin ich überzeugt, daß es nicht in der menschlichen Natur liegt, Jemanden zu lieben, der, wie wir wissen, uns haßt. Prüfe also ernstlich Dein Herz, mein Sohn, und wenn es sich ergiebt, daß Du nur den geringsten Argwohn dieser Art findest, so wird Dich gewiß Deine Tugend und Religion veranlassen, eine so tadelnswerthe Leidenschaft aus Deinem Herzen zu verbannen.«

Der Leser wird Blifils Antwort leicht errathen; sollte es ihm schwer fallen, so haben wir jetzt keine Zeit, ihm behülflich zu sein, da unsere Geschichte nun zu wichtigern Dingen eilt und wir nicht länger fern von Sophien bleiben können.


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