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XXX.
Die Flagellation als Mißbrauch der Herrengewalt im Sklaverei- und Leibeigenschafts-Verhältniß.

Wenn das Prügeln, Peitschen und Geisseln bei der Erziehung und beim Unterrichte und als Mittel häuslicher Zucht gegen die Frauen großen, moralischen und physischen Schaden zufügt, so wird die menschliche Würde noch mehr verletzt und mißhandelt durch die groben Mißbräuche, welche, bei gesitteten, und halb gesitteten, wie bei barbarischen Völkern, in Folge ihrer Anwendung auf Disciplinarfälle von den Herren gegen Diener, Leibeigene und Sklaven u. s. w. getrieben werden.

Bei den Alten schon geschah es in reichlichem Maaße und nicht stets waren es Vergehen, sondern Leidenschaften und Kaprizen, welche dergleichen Excesse veranlaßten.

Der ebenfalls mehrfach angeführte Plutarch läßt sich bei mehr als einem Anlaß darüber ausführlicher vernehmen. Besonders humane Ansichten stellt er in seiner Abhandlung über den Zorn, hinsichtlich dieser unglücklichen Menschenklasse, auf. »Entwischt uns nicht auch – äußert er sich unter Anderem – gar zu oft die Gelegenheit, einen Bedienten seiner Vergehungen wegen zu bestrafen, wenn derselbe, durch unsere Drohungen geschreckt, davonläuft? Wie also die Ammen zu den Kindern sagen: schrei nicht, du sollst es haben; so können wir auch ganz füglich zum Zorne sagen: Uebereile dich nicht, laß das Schreien und Toben; desto eher und besser wird das geschehen, was du verlangst. Wenn ein Vater sieht, daß sein Kind mit einem Messer etwas spalten oder schneiden will, so nimmt er das Messer und thut es selbst. So muß man auch dem Zorne das Recht (sein Hausgesinde) zu bestrafen, nehmen und dann wird man selbst eine weit sicherere Art, ohne Schaden und Gefahr den Schuldigen strafen, nicht aber statt dessen sich selbst, wie im Zorn gar oft zu geschehen pflegt.« »Auch ich hatte mich – fährt er etwas weiter unten fort – durch allerlei Reden zum Zorn gegen meine Sklaven aufhetzen lassen, weil ich glaubte, daß Erlassung der Strafe bei ihnen nur Verschlimmerung bewirke. Doch sah ich endlich noch ein, daß es immer besser sei, jene durch Nachsicht schlimmer zu machen, als sich selbst durch Erbitterung und Zorn um Anderer Besserung willen, ganz zu verkehren. Sodann bemerkte ich auch, daß viele wegen Erlassung der Strafe sich schämten, böse zu sein, und daß die Verzeihung früher, als die Strafe einen Anfang der Besserung erzeugte, ja, daß sie auf den bloßen Wink bereitwilliger gehorchten, als andere durch Schläge und Geisselhiebe. Daraus schloß ich nun, daß die Vernunft weit geschickter zum Regieren sei, als der Zorn. Denn es ist nicht wahr, was jener Dichter sagt: wo Furcht ist, da ist auch Schaam Stasinus, Zeitgenosse Homers. (Stobaei Serm.); sondern umgekehrt, die zur Besserung führende Furcht entsteht nur in denen, die sich schämen. Aber grausame und unablässige Prügel erwecken nicht sowohl Reue über böse Handlungen, als vielmehr Vorsichtigkeit, daß sie verborgen bleiben. Drittens ließ ich mir immer den Gedanken gegenwärtig sein, daß derjenige, der uns im Bogenschießen unterrichtete, uns gar nicht verbot zu schießen, wohl aber fehlzuschießen; und daß also das Strafen gar nicht untersagt werde, wenn man lernt, daß dieses zur rechten Zeit, mit Mäßigung und auf eine nützliche und anständige Weise geschehen müsse. Ich suche meinen Zorn dadurch zu bezähmen, daß ich dem Strafwürdigen die Rechtfertigung nicht versage, sondern ihm Gehör gebe. Die Zeit, die darüber verstreicht, verursacht einen Aufenthalt und Verzug, wodurch die Leidenschaft entkräftet wird, und indessen findet die Ueberlegung eine schickliche und dem Vergehen angemessene Strafe. Ueberdieß bleibt dem Bestraften, wenn er ohne Zorn und nach geschehener Ueberführung gezüchtiget wird, kein Vorwand mehr übrig, sich der Vollziehung zu widersetzen; ja man vermeidet auf solche Weise auch das, was dabei das schändlichste ist, nämlich: daß der Sklave auf seiner Seite mehr das Recht, als der Herr, zu haben scheint.«

»Auf die eingelaufene Nachricht von Alexanders Tode rieth Phokion den Athenäern, derselben ja nicht sogleich Glauben beizumessen, noch in ihren Bewegungen allzu voreilig zu sein. Ihr Männer von Athen – sprach er – wenn Alexander heute todt ist, so wird er gewiß auch morgen und übermorgen todt sein. Auf gleiche Weise, dünkt mich, muß auch derjenige, welcher im Zorne zum Strafen schreiten möchte, zu sich selbst sagen: »wenn der Mensch heute das verbrochen hat, so wird er es auch morgen und übermorgen verbrochen haben.« Es ist ja kein Unglück, wenn dasselbe später bestraft wird; wohl aber, wenn er nach übereilter Züchtigung auf immer für unschuldig betrachtet wird. Dieser Fall trägt sich sehr oft zu. Welcher von uns würde wohl so grausam sein, einen Diener deßhalb zu strafen und zu geisseln, weil er vor fünf oder zehn Tagen ein Essen anbrennen lassen, einen Tisch umgeworfen hat, oder in Vollziehung eines Befehles saumselig gewesen ist? Und doch sind es gewöhnlich nur solche Dinge, bei denen wir, wenn sie geschehen und noch neu sind, am meisten aufgebracht werden. Denn die Vergehungen pflegen uns im Zorne, gleich den Körpern im Nebel, immer größer vorzukommen.«

»Aus dieser Ursache muß man alsbald Betrachtungen von der Art anstellen und erst dann, wenn, nach gänzlicher Besiegung der Leidenschaft, die ruhige und kalte Ueberlegung die Sache strafbar findet, zur Züchtigung schreiten, diese aber dann ja nicht unterlassen und aufgeben, wie man etwa aus Mangel an Appetit das Essen unterläßt. Denn nichts verleitet uns mehr, mitten im Zorne zu strafen, als wenn man, nachdem der Zorn sich gelegt, aus bloßer Nachlässigkeit das Strafen versäumt, und es so macht, wie die trägen Ruderer, welche bei gutem Wetter im Hafen liegen und nachher mit Lebensgefahr im Sturme unter Segel gehen. Wenn man erst der Vernunft den Vorwurf machen kann, daß sie im Strafen zu schläfrig und nachlässig sei, so geschieht es leicht, daß man sich vom Zorne, wie von einem heftigen Sturmwind, schnell dahin reißen läßt. Naturgemäß nimmt man Speise zu sich, wenn man Hunger hat, aber Strafe vollzieht man, ohne Hunger oder Durst darnach zu verspüren. Man muß bei Züchtigungen den Zorn nicht zum Konfekte machen wollen, sondern nöthigenfalls dieselben mit Zuziehung der Vernunft vornehmen, wenn man von der Begierde darnach am weitesten entfernt ist. Aristoteles erzählt zwar, daß es zu seiner Zeit in Etrurien Sitte gewesen, die Sklaven unter Flötenspiel zu geisseln; aber wir dürfen nie zum Vergnügen oder gleichsam aus Appetit zum Genusse uns mit der Strafe sättigen, daran Freude haben, und dann, nach der Vollziehung, es wieder bereuen. Jenes ist viehisch, dieses weibisch. Man muß das Strafamt ohne Freude und ohne Betrübniß bei völlig kalter Ueberlegung ausüben, so daß man dem Zorn gar keine Ursachen zu klagen übrig läßt.«

In einer späteren Stelle kömmt Plutarch noch einmal auf die Geisselung der Hausgenossen, der Gattin, der Sklaven und der Freunde, zurück; er meint, wer hiebei dem thierischen Triebe sich hingebe, komme zuletzt auch dahin, mit Schenkwirth, Matrosen und trunkenen Maulthiertreibern sich herumzuprügeln. So wollte einst Jemand einen Eseltreiber schlagen; da aber dieser rief: »Ich bin Bürger von Athen!« sagte er zum Esel: »So bist doch du kein Bürger von Athen!« und schlug unbarmherzig auf das arme Thier los. Und wiederum: ein Mensch, der nicht trinkt, wenn kein Schnee da ist, kein auf dem Markte gekauftes Brod ißt etc., der mit Schlägen und Geschrei und Toben die beim Mahle aufwartenden Diener antreibt, bis der Schweiß ihnen herunter trieft, als wenn sie Pflaster auf gefährliche Wunde zu holen hätten, ein solcher Mensch ist selber der Sklave einer erbärmlichen Lebensart etc. Endlich: die Ruthe des Bacchus ist schon hinreichend, um den Trunkenen zu züchtigen, wenn nicht etwa der Zorn hinzukömmt und die sorgenstillende und zu Tänzen ermunternde Kraft des Weines in Raserei und Grausamkeit verwandelt.

Während des Mittelalters und noch in neuerer Zeit hatten die Leibeigenen nicht viel vor den Sklaven voraus, ja in manchen Ländern wurden sie noch thierischer, als diese behandelt. Selbst Könige, nicht nur gewöhnliche vornehme Herren, trugen oft Geisseln mit herum, um alsbald die Frevler zu züchtigen, die sich in etwas vergessen hatten. Fast alle Chroniken wimmeln von solchen Dingen und man könnte einen eigenen Band damit füllen Boileau und Lanjuinais theilen mehrere erbauliche Exempel mit..

In neueren Zeiten milderte die Religion und die fortgeschrittene Bildung nur wenig in diesem Kapitel. Man entsetzt sich über die vielen Abscheulichkeiten, welche namentlich die Geschichte der nordischen, (der slavischen, esthischen, lettischen, wendischen u. a.) Völker aufdeckt.

Die meisten finden sich unstreitig in der russischen. Fast jeder Band Karamsins enthält neue Varianten, welche Olearius nicht gekannt; die Regierung Johanns des Schrecklichen übertrifft jedoch alle früheren Perioden. Die Prügel mit der Plette, mit Peitschen, Geissein und Ruthen gehörten zur Lebenswürze jenes Tyrannen; Frauen und Jungfrauen wurden in Nowogrod, in Moskau u. s. w. schaarenweise nackt ausgezogen und theils gemartert und getödtet, theils gehauen und geschändet. Es brauchte oft nur eines schiefen Blickes, einer übersehenen Ehrenbezeigung und die vornehmsten Herren und Damen bekamen Prügel auf offener Straße, entweder von dem Großfürsten selbst oder von seinen Opritschen-Trabanten. Ueberhaupt zeigte sich hier wie nirgends, das thierisch-grausame Element in seiner innigen Verbindung mit dem sinnlich wollüstigen bei Anwendung körperlicher Strafen. Johann dem Schrecklichen galt kein Unterschied des Ranges, des Geschlechtes und des Alters. Oft ließ er noch die unschuldigen Töchter der Hingerichteten grausam geisseln und auf die Folter spannen; oft hatte er eine ausschweifende Freude daran, selbst Priestern und Mönchen auf diese Weise mitzuspielen. Die Knute natürlich blieb stets die Lieblingsgattung von Strafen. Ihre Beschaffenheit ist so allgemein bekannt, daß die Beschreibung fast überflüssig wird Vergl. Olearius: Moskow. und Persian. Reisebeschreibung..

Noch unter den Regierungen Annas und Elisabeths trugen die russischen Strafen einen äußerst barbarischen Charakter. Allgemeinen Unwillen und großes Mitleid erweckte in Europa die unwürdige Behandlung der schönen und geistvollen Kanzlerin Bestustew, welche, längere Zeit mit ihrem Gemahl in Staatssachen großen Einfluß übte, durch einen Staatsstreich und eine Hofintrigue jedoch plötzlich gestürzt wurde. Gleich einer gemeinen Verbrecherin wurde die unglückliche Frau auf den öffentlichen Markt geführt; der Henker entkleidete sie bis auf die Hüfte, fühlte aber, wie die Mehrzahl des Publikums, tiefes Erbarmen beim Anblick der außerordentlichen Reize, die er verstümmeln sollte. Ueber einen starken Pfahl, der sich in der Mitte des Platzes befand, wurde jetzt die Dame gelegt oder gezogen, so daß ihre Arme in zwei oben am Pfahle befindliche Oeffnungen paßten. Die Hände wurden zusammengefesselt und vermittelst einer Kette an einen eisernen Ring geschlossen. Die zarten Füße wurden auf der andern Seite des Pfahles befestigt, was in der Absicht geschieht, um den Leidenden die Bewegungen zu erschweren und ihren Rücken unbedingt der Willkühr der Streiche preiszugeben. Der Henker zitterte, als er sein Amt verüben sollte; die Kanzlerin selbst konnte nur mit Mühe in die gehörige Situation gebracht werden. Endlich trat der Henker, mit dem Werkzeuge in der Rechten, einige Schritte zurück und der üppigste Rücken von milchweißer Farbe war binnen wenig Minuten auf das furchtbarste zerfleischt. Alle Zuschauer, obgleich an dergleichen Dinge gewöhnt, empfanden jeden Streich mit. Nachdem dieß geschehen, schlitzte man der Dame noch Nasen und Ohren auf und brachte sie sofort nach Sibirien. Es war nicht nur Rachsucht, sondern auch Eifersucht, was die Kaiserin zu diesem grausamen Verfahren bestimmte; man hatte der Kanzlerin Reize über die ihrigen erhoben; das konnte sie nimmermehr verzeihen von Binder Kriegelstein: Description des mœurs etc. de la Russie. 2 Bde. Pol. – Richter und Geißler: Strafen der Russen. 4. mit Kupfern..

Ging es nun den vornehmen Leuten so, wie wurden nicht erst die niedrigen,die Dienstboten und Leibeigenen behandelt. Man entblößte, wenn einige Regelmäßigkeit statt fand, die unglücklichen Weiber und Mädchen, welche Anlaß zum Zorne oder vielleicht zur Eifersucht gegeben, bis an den Gürtel, und ein paar andere Diener oder auch ein paar Bauern, die zu dem Geschäfte beordert waren, hielten die Füße des Schlachtopfers, während ein Dritter die Ruthe auf ihrem Rücken spielen ließ. Gewöhnlich stand die Frau des Hauses dabei und spornte den Eifer der Peitschenden an, unter grausam wollüstigem Behagen an den Schmerzen der Jammernden, und ungerührt durch des Mannes oder der Tochter Flehen um Gnade. Bisweilen fand auch das Umgekehrte statt. Sehr oft nahm man sich diese Mühe nicht, sondern die nächste beste Kammerfrau oder ein Bedienter mußte die Armen ergreifen und auf einer Bank oder auf dem Schoose auf den entblößten Unterleib stäupen, oder der Herr, die Gebieterin, die Tochter oder der Sohn vollzogen die Züchtigung selbst. Es war nichts Ungewöhnliches, selbst ledige junge Frauenzimmer zu sehen, die ihren Leibeigenen männlichen Geschlechtes in ihrer Gegenwart, wie Kindern die Ruthe geben ließen. Nicht selten nahm man Executionen während festlicher Mahlzeiten, im Vorzimmer, gleichsam zur Belustigung der Gäste vor; die Frauenzimmer lachten und scherzten bei dem Geschrei oder gingen wohl selbst unter die Thüre, um zuzusehen. Oder, wenn auch Jemand durch den plötzlichen Jammer eines Gestäupten überrascht, nach der Ursache fragte, hieß es: »Es ist weiter nichts; ich lasse bloß einen Leibeigenen oder eine Dirne peitschen!« Auf dem Lande geschah die Sache noch stärker und Niemanden fiel dieß auf. Die Leibeigenen wurden wie das Vieh gekauft, verkauft und behandelt. Nach den geheimen Nachrichten über Rußland wurden, wenn anders die Farben nicht zu stark aufgetragen sind, selbst Söhne gezwungen, ihre Väter auf einem Bunde Stroh mit Ruthen zu prügeln.

Die Hofdamen selbst waren von der Ruthe nicht befreit; für Schwatzhaftigkeit, Untreue, verliebte Abentheuer u. dgl. war diese Art Züchtigung festgestellt. Als Katharina die schöne Gräfin Bruce bei einem Stelldichein mit einem ihrer Günstlinge ertappte, ließ sie beiden zugleich im Schlafzimmer der Schönen und auf deren eigenem Bette einen Schilling verabreichen, sodann jedoch stattete sie dieselben reichlich aus.

Ein sehr hübsches Frauenzimmer, welches in Moritz von Sachsen sich verliebte, bekam auf höheren Befehl von der Oberhofmeisterin recht tüchtig die Ruthe; dasselbe widerfuhr in späterer Zeit einem Fräulein von Rang, welches an ihren Geliebten, einen französischen Legationssekretär, ein Staatsgeheimniß verrathen hatte. Es war dieß jedoch eine besonders milde Strafe, angediehen aus Rücksicht für ihre Jugend, da sie eigentlich nach Sibirien wandern sollte Nach Mittheilungen eines ausgezeichneten Diplomaten..

Unter Paul I. wurde die Frau des reichen Gastwirths Remuth, welche die Sitte nicht beobachtet, bei des Kaisers Vorüberfahrt aus dem Wagen zu steigen und den Gruß knieend zu vollziehen, in ein Zuchthaus gebracht und drei Tage hinter einander mit Ruthen gestäupt.

Unter Katharina II. ward übrigens alles milder und menschlicher, wenigstens in der lezten Periode ihrer Regierung; doch fehlte es an einer Menge von Gräueln nicht; besonders zeichnete eine Fürstin sich aus, deren Name jetzt wohl bekannt ist, aber auch von uns aus Rücksichten für die Familie nicht genannt werden soll. Diese ließ, so oft Zorn oder sinnliche Grausamkeit sie anwandelte, bald weibliche, bald männliche Bedienten nackt ausziehen und jedes Individuum von einem des andern Geschlechtes geisseln; die Kammerfrauen gaben den Bedienten, die Bedienten den Kammerfräuleins oder Frauen die Ruthe. Die Megäre stand dabei und trieb sie an, die Männer ließ sie am liebsten auf die empfindlichen Theile des Körpers schlagen. Bisweilen mußten die Weiber und Mädchen ihre Brüste auf eine kalte Marmorplatte legen und dann hieb sie mit den Ruthen darauf los, bis sie welk niedersanken und die Unglücklichen einer Ohnmacht nahe waren. Einen Perruquemacher, den sie von Zeit zu Zeit schrecklich mißhandelte, hielt sie über 10 Jahre lang in einer Art Käfig verborgen, damit er nicht verrathe, daß sie falsche Haare trage.

Dieses Ungeheuer war Mitglied eines Klubbs, an welchem viele angesehene Damen von St. Petersburg Theil nahmen, worin schändliche Schriften und Lieder verlesen, sodann sämmtliche Mitglieder abwechselnd von einander gegeisselt wurden; am Ende standen sie alle in adamitischer Tracht da; die Lichter wurden ausgelöscht und Orgien der gräulichsten Art vollendeten das Ganze Dergleichen fiel jedoch auch in neuesten Zeiten noch zu Basel in pietistischen Klubbs vor, wo man nackte Bälle hielt, sich geisselte u. s. w. Für große Summen nur wurde die Untersuchung abgekauft.Katharina hatte die Manie des Geisselns ihrer Untergebenen und Günstlinge in hohem Grade; sie selbst duldete bisweilen die Hetzpeitsche des Fürsten Potemkin. Es war dieß eine der Schwächen der sonst in jeder Beziehung vortrefflichen Fürstin, welcher Rußland so viel verdankt.

Die Schläge waren lange den Russen so natürlich, daß viele später nicht begreifen konnten, daß man ohne Schläge leben könne. Besonders traf man diesen sonderbaren, aus dem Zustande und den Begriffen der langen Sklaverei hervorgegangenen, Zug bei den Weibern, wie Jedermann bekannt ist Vgl. den niedlichen Aufsatz: Das Schlagen dessen, was man liebt, in H. Zschokke's Erheiterungen.. Wir verweisen auf die in dem vorigen Kapitel mitgetheilte Anekdote.

Kaiser Alexander I., der überhaupt das Loos der Leibeigenschaft milderte, wo er sie nicht aufheben konnte, schaffte eine Menge grober Mißbräuche, zumal des Peitschens ohne Unterschied, ab.

Die Starosten und Edelleute in Polen blieben nicht hinter den Russen zurück; die Geschichte der Leibeigenschaft in diesem Lande ist ein fast wörtlicher Abdruck der russischen, und selbst aus berühmten Patriotenfamilien der neuesten Zeit sind noch seltsame Dinge dieser Art an's Tageslicht gekommen. Zwar ist die Hauszucht durch bestimmte Gesetze jetzt mehr geregelt; aber diese reichen nicht überall gegen die Willkühr aus Vgl. ein schlagendes Beispiel in dem VIII. Heft der Geschichte der geheimen Verbindungen, wo ein patriotisches junges Frauenzimmer die Hauptrolle spielt. Zwischen trockenen und feuchten Ruthen wird, nach der betreffenden Species facti zu schließen, eine Unterscheidung gemacht..

In Lief- und Esthland, Mecklenburg u. s. w. huldigten die Herren der Leibeigenen dem gleichen Geschmack. Merkel Geschichte der Leibeigenschaft in Mecklenburg u. s. w. theilt eine große Zahl empörender Thatsachen mit. Besonders liebten es die jungen und alten Barone, junge Mädchen, die in ihre Absichten nicht eingingen, ihren Zorn durch körperliche Züchtigungen fühlen zu lassen. Dieselben wurden nach so und so viel paar Ruthen berechnet. Aber auch erwachsene Männer wurden häufig wie Knaben behandelt; Individuen beiderlei Geschlechts bisweilen zu Krüppeln gehauen Eine sehr schöne Leibeigene erhielt einst nach Merkel über 10 Paar Ruthen..

Die Ritter und Junker in Deutschland wußten ebenfalls in der mittleren und in der neueren Zeit noch, bis zu Joseph II. und der Revolution, vom Auge des Gesetzes unerreicht, roher Willkühr in obiger Beziehung zu fröhnen. Die begründeten Rittergeschichten, nicht nur die Romane liefern ein unerschöpfliches Material für den Geschichtschreiber des Flagellantismus. In Jammergewölben, Burgverließen und unterirdischen Gefängnissen verhallten die Klagen der Gemißhandelten. Das weibliche Geschlecht hatte dabei stets einen unbeneidenswerthen Vorzug. Veit Weber Sagen der Vorzeit., Spieß Biographieen der Wahnsinnigen und Selbstmörder.), Cramer Hans Stürzebecher u. dgl., Meißner Skizzen., Salzmann Karl von Karlsberg oder das menschliche Elend., Eckartshausen Die beleidigten Rechte der Menschheit. u. A. haben mehr als ein schauderhaftes Gemälde davon entworfen, welches, wenn es auch nicht immer auf bestimmte Thatsachen und Personen bezogen werden kann, den Gräuel doch in seinen Hauptzügen wahrhaft schildert.

Die Edelleute der neueren Zeit fanden besonders an den Stockprügeln großes Gefallen; die Mädchen ließen sie abwechselnd mit Ruthen und mit Farrenschwänzen peitschen.

In der bei weitem gräßlichsten Gestalt erscheint jedoch die Peitsch- und Geisselungswuth in der Geschichte des Negerhandels und der europäischen Kolonien in fremden Welttheilen. Die älteren Perioden sind von Bartolomeo de las Casas Oeuvres complétes aus dem Span. übersetzt in 2 gr. 8. Bänden., vom Abbé Reynal Histoire des dècouverts et des établiss. des Européens dans les Deux Indes. und von Zimmermann Taschenbuch der Reisen. mit glühenden Farben beschrieben.

Die Negersklaven setzten einen hohen Werth darauf, durch die entehrende Sklavengeissel ihre Haut nicht geschändet zu wissen. Sie suchten deßhalb, wenn zum erstenmal der Fall eintrat, durch Fürsprachen sich der Strafe zu entziehen. Bisweilen trieb das Geschämigkeitsgefühl sie bis zum schauervollen Selbstmord oder zu verzweifelnder Selbsthülfe gegen den grausam unerbittlichen Herrn.

Mit Unrecht – sagt Zimmermann in seinem schätzbaren Werke 1. Jahrgang.) – beschuldigt man die Neger der Gefühllosigkeit gegen die Eltern. » Schlage mich, nur beschimpfe meine Mutter nicht!« war längst in Afrika ein geltender Spruch und dem Mungo Park zufolge ist es die größte Beleidigung für den Sohn, wenn man von seiner Mutter schlecht spricht.

Die Weißen stehen, wenn man die herzerschütternden Berichte von der Art und Weise des Sklavenraubes, der Sklavenbehandlung während der Ueberfahrt und nach dem Verkaufe liest, entsetzlich schlecht da, und man muß sich schämen, ein Europäer und ein Christ zu heißen Gleich in der ersten Periode der europäischen Entdeckungen kam in Westindien auch das Sprüchwort auf: » wir werden bald so schlecht werden, wie die Christen.« Oder, bei steigender Unsicherheit des Eigenthums und bei vorgefallenen Diebstählen: » Sicher ist hier ein Christ gewesen.« Zimmermann II.. Die Flagellation erschöpfte sich dabei in Variationen der gräßlichsten Art gegen Väter und Mütter, Söhne und Töchter, Gatten und Gattinnen, die man von einander trennte. Peitschen- und Ruthenhiebe bilden das Vale, den Willkomm und die Aufmunterung. Mit Peitschen- und Ruthenhieben zwang man zur Arbeit, zur Heiterkeit, zum Tanze; sie bestraften die Trägheit und das Vergehen.

Dieses Schauspiel wiederholte sich durch alle Kolonieen der Europäer in den fremden Welttheilen; am blutigsten beinahe in Westindien. Ganze Bände könnte man darüber füllen; wir begnügen uns mit ein paar Beispielen; das menschliche Gemüth wendet sich mit Eckel und Abscheu von diesen Raffinerieen der civilisirten Grausamkeit oder grausamen Civilisation hinweg.

Die Bomba's oder Aufseher in den Plantagen vollzogen, allen vom Mutterlande her erschienenen Gesetzen zum Trotze, was die Willkühr ihrer Herren oder Frauen ihnen gebot. Bald war es die Rohheit, bald die Wollust, so die Strafen diktirten. Mit den Peitschenhieben wechselten oft Torturen mannigfacher Art ab. Brandmarken, Ohrenabschneiden, Nasen- und Augenausreißen, Kniekehle zerschmettern, Lebendigbraten, Rädern u.d.gl. gehörte zu den beliebten Exercitien; die Peitsche, die geliebte Peitsche, eröffnete immer die Tragödien. Sehr anständige Negerinnen, was namentlich General Totten Hamm und Andere erzählen, wurden auf Befehl von Gouverneuren und Sklaveneigenthümern, während diese mit ihren Gästen zu Tische saßen, gepeitscht. Vergeblich bat man für sie; der Gerichtsvogt nahm sie an den nächsten freien Ort, ließ sie von hinten sich gänzlich entblößen und hauete sie mit einer großen Fuhrmannspeitsche so heftig, daß bei jedem Hiebe das Fleisch aufsprang. Die armen Geschöpfe ertrugen die Marter, bei der die Schaam noch mehr, als der Körper litt, mit seltener Geduld und bedankten sich nach geschehener Execution noch gutmüthig bei dem Büttel.

Der Kapitän Scott sah einen Neger, welcher bei Verrichtung eines Auftrages sich verspätet hatte, an einem Krahne an beiden Armen aufgehangen, mit schweren Gewichten an beiden Füßen. In dieser Stellung peitschte man ihn mit dornichtem Ebenholzstrauche so grausam durch, daß er noch am folgenden Tage über dem ganzen Leibe geschwollen dalag, und sich von einem andern Neger die Stacheln aus dem Fleische mußte ziehen lassen.

Der Engländer Coox – fährt Zimmermann fort – sah eine andere Prozedur dieser Art. Der Deliquent (oftmals nur ein Neger, der sich im Aufstehen verspätete) wird an eine Leiter gebunden; die Beine an den Seiten der Leiter, die Arme über dem Kopfe. In dieser Stellung zerriß ihm der Bomba vor dem Hause des Oberaufsehers der Plantage, durch 150 Streiche mit der großen Peitsche den Rücken und die Schenkel auf das schrecklichste und wusch sodann die Wunden, um den Schmerz zu erhöhen, mit Pfeffer und Salzwasser. Hiernach wird der Unglückliche zur Feldarbeit geschickt. Es sind Aussagen von mehreren Geistlichen und Offiziren vorhanden, wodurch bestätigt wird, daß die meisten Sklaven, welche sie in Westindien sahen, als unauslöschliche Spuren harter Bestrafung, tiefe Furchen auf ihren Rücken trugen.

Clappeson, Davison, Rees, Fitzmaurice u. A. bezeugen, daß man mehrere schwangere Negerfrauen unter den Geisselhieben abortiren sah, und daß viele männliche Sklaven an dem auf die entsetzliche Strafe folgenden Brande ihr Leben endigten.

Stadmann, welcher eine der schönsten und gebildetsten Mulattinen, die treffliche Johanna, der Geissei und der Sklaverei entzog, war Augenzeuge, wie ein Oberaufseher in Surinam, Ebbes genannt, eine sehr schöne Sambo-Sklavin, fast zu Tode peitschen ließ, weil sie sich nicht seinen Lüsten preisgeben wollte. Als der Engländer für die Unglückliche bat, ließ das Ungeheuer die Anzahl der Hiebe verdoppeln. Warum – fährt Zimmermann mit edler Wärme hiebei auf – schlug er den Barbaren selber nicht nieder?

Es ist – merkt er hiebei an – für das Studium des Menschen, besonders in psychologischer Hinsicht, höchst merkwürdig, daß vorzüglich das schöne Geschlecht sich durch Grausamkeit dieser Art auszeichnet. Viele derselben machen es sich zu einem Geschäft, bei dem Geisseln der Sklaven beiderlei Geschlechtes gegenwärtig zu sein ja selbst die Ochsenpeitsche zu führen, oder auch den Bomba eigenhändig zu peitschen, wenn er nicht hart genug zuhaut. Die Hausneger sind wahre Märtyrer der weißen Frauenzimmer.

Der Lieutenant Davison sah ein Dienstmädchen, dem ihre Dame wegen einer geringen Unachtsamkeit die Nasenflügel mit einem Messer aufgeschlitzt hatte; eine andere wurde auf Befehl ihrer auf sie eifersichtigen Frau so hart gegeisselt, daß sie am zweiten Tage ihren Geist aufgab. Andere wurden, mit dem Kopf und den Füßen zusammengebunden, geprügelt oder wohl gar auf den Kopf geschlagen; eine Negerin steckte ein solch' weibliches Ungeheuer den mit Hacken zerfleischten Kopf in die Oeffnung eines Abtritts und mißhandelte sie noch in dieser Situation. Bisweilen zerhieb man den Sklavinnen erst die Glieder, bis sie bluteten und träufelte dann siedendes Siegellack in die Wunden. Nicht selten geschah es auch, daß man Neger in Ketten aufhing, da wo die Sonne am meisten zu glühen pflegte, nachdem man sie blutig gepeitscht und mit Honig bestrichen hatte. In dieser Situation wurden sie lebendig und allmählig von den Raubvögeln aufgefressen. Als ein menschlich gesinnter Augenzeuge eines solchen gräßlichen Schauspiels es der geeigneten Behörde anzeigte, entschuldigte man sich mit der Legalität und Nothwendigkeit des Verfahrens. Als ein bekehrungseifriger Priester einst einem Neger die Höllenstrafen schilderte, welche alle diejenigen träfen, welche nicht den Vorschriften der Kirche gehorchten, schüttelte derselbe ungläubig den Kopf und sagte: »Nein, mein Vater, dergleichen Strafen sind nicht für die Neger, sondern für die Weisen, welche ihre schwarzen Brüder hienieden so furchtbar mißhandeln!«

Der Tag der Rache brach aber, wenigstens theilweise, für diese Unglücklichen an. Jedermann sind die Scenen von St. Domingo noch in frischem Andenken. Die aufgestandenen Neger brachten die Sache mit Wucher ein, und was die Häupter der ersten Periode vergessen hatten, holte Dessalines mit entsetzlicher Genauigkeit ein Raynal: Historie des établissements etc. des Européens dans les deux Indes. 10 Bde. Barskett und Placide-Justin Histoire de l'Isle d'Hayti. Lebensgeschichten von Toussaint Louverture und J. J. Dessalines (anonym)..

Was von Westindien gesagt worden, gilt auch für andere Kolonien, namentlich Brasilien. Die Portugiesen, Holländer und die Franzosen gehörten zu den ärgsten Menschenquälern in dieser Beziehung, und noch aus neuester Zeit sind durch Reisebeschreiber, namentlich von den ersteren, empörende Thatsachen erzählt worden Vergl. besonders die Reisebeschreibungen von Spix und Martius und des Prinzen von Neuwied.. Ueberall bildet die Peitsche, die Geissel, die Ruthe, der Bambus die Hauptkurzweil der Europäerinnen oder der Kreolinen. Am menschlichsten benahmen sich noch, was freilich noch wenig sagen will, aber doch Vergleichungsweise gesprochen, die Spanier auf ihrem südamerikanischen Festlande. In der einen oder andern Provinz wurden die vom Mutterlande gegebenen, schützenden Sklavengesetzbücher angewendet. In der Hauptsache jedoch blieb alles blos auf dem Papier; man entschuldigte sich, wo Uebertretungen statt fanden, mit der Nothwendigkeit.

Die Engländer blieben nicht hinter den Portugiesen, Holländern und Franzosen zurück; in manchen Punkten übertrafen sie dieselben noch. Erst spät, in dem zweiten und dritten Decennium des 19. Jahrhunderts gelang es der Stimme der Natur, der Menschlichkeit und der Civilisation, in dem Gesetzgebungssaal der angeblich freiesten Nation sich geltend zu machen. Mehr als eine Motion ward gegen die harte Behandlung der Sklaven, namentlich aber gegen das Peitschen derselben, eingebracht. Theilweise siegten die Anhänger Wilberforce's, und Ermäßigungen, namentlich in Bezug auf das weibliche Geschlecht, traten ein. Aber es fehlte bei dem egoistisch-barbarischen Widerstande der Pflanzer noch viel von der Theorie bis zum Vollzuge. Die Verhandlungen des Parlaments lieferten Abscheulichkeiten noch in Menge, bei denen die Flagellation stets in Vorderreihe stand. Der Prozeß der Farbigen, welcher während die Restauration vor der Kammer und das Forum der öffentlichen Meinung gebracht wurde, enthüllte eine gute Zahl von ähnlichen, die noch täglich in den französischen Kolonieen und bei dem Menschenhandel an der afrikanischen Küste vorfielen.

Viele Urtheile von Mulattinnen und Negerinnen, welche außer der Brandmarkung durch Staupbesen und Peitsche oft gegen alle Gesetze mißhandelt worden, und überdieß die Grausamkeiten, welche Privatpersonen an ihren Sklaven und Sklavinnen verübten, erregten allgemeinen Unwillen; am meisten der Vorfall mit einer gebildeten und liebenswürdigen Negerin, der Marie Clary, welche, nachdem es offenkundig geworden war, daß man sie fälschlich angeklagt und nachdem die Verläumderin selbst ihre Angaben zurückgenommen hatte, gleichwohl auf öffentlichem Markte die Peitsche erhielt, gebrandmarkt und in ewige Gefangenschaft gebracht wurde, worin sie (es geschah letzteres im civilisirten Frankreich) starb Morenas: Précis historique de la traite des Noirs..


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