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XII.
Geissel-Sodalitaten in Deutschland und in den Niederlanden, während und nach der Reformation. – Die Disciplina gynopygica des Franciskanermönchs Bruder Cornelius Adriaensen zu Brügge in Flandern.

Nach den heimlichen Sekten in Thüringen und außer einzelnen Ueberresten der Begharden, Begutten und Wamiten findet man wenig mehr von geordneten Flagellanten-Verbindungen in Deutschland, und auch von eigentlichen Sodalitäten nur dunkle Spuren. Die Jesuiten erst bemächtigten sich wieder des hiefür noch vorhandenen Hanges in überspannten Gemüthern; das Uebrige gehört der Mönchswelt an, in deren Innerem, wie wir später im Zusammenhange darthun werden, die Disciplin eine Hauptrolle spielt. Der Ernst der Zeit, welcher durch die Reformation erzeugt worden, ließ solche Dinge nicht aufkommen, und wo sich einzelne Liebhabereien zeigten, wurden sie schnell durch die bittere Polemik der Schulgelehrten oder durch den öffentlichen Volksspott verscheucht. In Luthers Schriften, wie in denen seiner Freunde, sind viele einzelne Stellen über den Wahnsinn der Flagellanten enthalten und sie gaben nachmals streitsüchtigen Jesuiten mehr als einen bequemen Anlaß zu Boxereien mit den Prädikanten, welche natürlich die Sache nicht nur von der ernsten Seite beleuchteten und dafür den frommen Vätern die Galle in das Herz und das Blut in's Gesicht jagten. Auch diesen edlen Versuchen werden wir später unser Augenmerk schenken. Inzwischen theilen wir eine merkwürdige Geschichte aus den Niederlanden mit, welche beweist, wie sehr auch noch damals Schwärmerei, Mönchsbetrug und Lüsternheit die Lehren von der Buße, Abtödtung, Fleischeszüchtigung und kirchlicher Disciplin mißbraucht haben. Es ist dieß die im Auszuge wohl bekannte, jedoch in ihrer aktenmäßigen Vollständigkeit, wegen Unkenntniß der flämischen Sprache und wegen Seltenheit der Exemplare, weniger zugängliche Historie von Bruder Cornelius Adriaensen. Wir liefern sie größtentheils nach dem Originale, sowohl der naiven Ehrlichkeit willen, mit der sie erzählt ist, als um jeden Vorwurf der Ausmahlung in's Schöne zu vermeiden. Dieser Handel, der keine Ahndung weder von geistlichen, noch weltlichen Gesetzen fand, enthält ein psychologisch wichtiges Gemälde von der raffinirten Sinnlichkeit und Verführungskunst der ultrarömischen Pfafferei und zugleich von der leichtgläubigen Bigotterie der Flamänder, welche allein es erklären kann, wie jene schönen Provinzen ein gedoppeltes, kirchlich politisches Joch den Anstrengungen und Früchten einer kampferrungenen Freiheit vorzogen.

Da die ganze Geschichte, von der wir sprechen, aus den öffentlichen Verhören gezogen und mit den cynischen Predigten des Franziskaners von ausgezeichneten und frommen Schriftstellern herausgegeben worden, auch in den Niederlanden fast Jedermann bekannt ist, so haben wir wenigen Anstand genommen, sie unverstümmelt hier zu geben, wenn gleich oft den ursprünglichen Bearbeiter, ihm selbst vielleicht unbewußt, ein Pinsel, wie der von Mahler Müller oder W. Heinse, bei seinem Gemähide geleitet zu haben scheint. Vgl. Historie van B. Cornelis Adriaensen van Dordrecht, Minne broeder binnen die Stadt van Brugghe enz. Amsterd. 1596. Ph. v. Marnix, H. de St. Aldegonde: Roomsche Byenkorf. E. v. Meeteren: Vaterländische Historien I. Bd. Gottfried's Chronik. Gavin & Emilliane: Passe partout de l'Eglise Romaine. Brandt: Hist. van de Nederl. Reformatie. Bayle: Dict. hist. et critiq. III. E. Münch: Aletheia VIII. IX. (woselbst ein Theil der Historie im Original abgedruckt zu finden ist.)

Cornelius Adriaensen geboren zu Dordrecht in Südholland, war, nachdem er seine Studien vollendet, in den Franziskaner-Orden getreten, kam ungefähr gegen das Jahr 1548 nach Brügge in das dortige Kloster dieser Regel. Er wußte viele theologische Kenntnisse und eine Beredsamkeit zu entwickeln, die sich sehr den Begriffen des gemeinen Volkes anschmiegte, und bisweilen auch wieder mit glänzenden Farben prunkte, wo es galt, sich Anhänger zu erwerben. Seine Predigten in flämischer Sprache hatten einen ungewöhnlichen Zustrom von Seite der katholisch gebliebenen Bevölkerung; denn, wie aus der Geschichte bekannt ist, war ein ziemlich bedeutender Theil damals dem Protestantismus hold, und entweder heimlich oder öffentlich übergetreten, und die Brügger theilten sich in die geusisch-kalvinistisch-orangistische und in die päpstlich-katholische Partei. Als einer der begeistertsten Sachwalter der letztern, machte sich Br. Cornelis bei jeder Gelegenheit geltend und fast alle seine Kanzelvorträge hatten einen polemischen Anstrich. Daneben aber wußte er mit besonderer Kunst durch allerlei mystische Reizmittel auf die leichtempfängliche Phantasie der Frauen einzuwirken, welche zu Brügge von jeher durch Frömmigkeit eben so sehr, wie durch ihre Schönheit sich ausgezeichnet hatten. Cornelis war dem Gefühl für Schönheit nicht fremd und er hatte sein Auge mit Wohlgefallen auf die vielen andächtigen Besucherinnen seines Beichtstuhls und seiner Predigten geworfen. Um nun ihnen und sich zu genügen, wie ein Zeitgenosse sich ausdrückt, beschloß er die Errichtung eines ganz eigenthümlichen andächtigen Ordens unter ihnen, dessen Zwecke und Beschaffenheit aus nachstehender Erzählung hervorgeht. Aber wir lassen jetzt die Historie mit all ihren ungeordneten aber aufrichtigen Details statt unser reden. Gegen das Jahr 1553 befand sich unter den Frauenspersonen, welche tagtäglich in die Sermonen des Br. Cornelis liefen, eine tugendhafte und sehr geachtete Wittwe, welche von Zeit zu Zeit ihre Tochter, die jung und schön und liebenswürdig von Wesen und Manieren war, mit sich nahm. Eine Anzahl junger Frauenzimmer, welche mit ihr Bekanntschaft geschlossen, unterhielten sie viel über Br. Cornelis und suchten sie, wie noch einige andere Mädchen zu ihrer Religion herüber zu bringen, nach der gewöhnlichen Neigung der Menschen hiezu.

Diese junge, schöne Tochter hieß Calleken Peter's mit Namen und zählte damals 16–17 Jahre. Nachdem sie einige Zeit mit jenen andächtigen und christlich gesinnten Mädchen Verkehr gepflogen, und ihre Mutter erkannt, wie sehr sie durch dieselben an Beredsamkeit über göttliche und kirchliche Dinge zugenommen, überließ sie dieselbe ihrer Gesellschaft, so oft und so lange sie wollte.

Calleken hörte darin sehr viel von Obedienz, Unterthänigkeit und Gehorsamkeit, sodann von heimlicher Disciplin und Pönitenz sprechen. Zuletzt begann sie zu fragen: was doch an all diesen Dingen wäre? Die Andächtigen belehrten sie über alles, ausgenommen die heimliche Disciplin; denn, sagten sie, mit dieser kann auch niemand sonst bekannt machen, als Pater Cornelis selbst, welcher es sicherlich gern thun wird, sobald ihr nur bei ihm beichten geht. Man rieth ihr demnach an, sich selbst zu ihm zu begeben und die nöthige Kenntniß von der fraglichen Materie sich zu erwerben.

Cornelis ward davon benachrichtigt, daß diese junge Tochter ebenfalls einer beständigen mägdlichen Reinigkeit sich zu befleißen und unter seine heimliche Obedienz zu treten wünsche. Er setzte ihr einen Tag fest, wo sie zu kommen hätte. Sie traf bei ihm noch zwei andere junge Mädchen von großer Schönheit, welche ebenfalls zur Unterweisung in die Disciplin gingen, und inzwischen bei Br. Cornelis ihre Beichte verrichteten. Diese heißen Aelken van den B. und Betken Pr.

Der Mönch fragte sie nach der ersten Begrüßung: ob sie wirklich in allem Ernste daran denke, ihre jungfräuliche Reinheit und Sauberkeit zu bewahren und zu dem Ende unter seine Obedienz, Unterthänigkeit und Gehorsamkeit sich verdemüthigen wolle? Calleken antwortete: Ja, ehrwürdiger Herr, das will ich. Darauf begann er ihr den jungfräulichen Stand noch viel höher anzupreisen und hervorzuheben, dagegen den ehelichen noch viel stärker herunter zu setzen und zu verkleinern, als er in seinen Predigten thun durfte. Und nachdem er ihr lange und vielfach zugerathen hatte, in diesem Stande zu verbleiben, ersuchte er sie vorerst (jedoch ganz mit Einwilligung ihrer Mutter) einen bestimmten Tag in jeder Woche ihn zu besuchen, um die nöthigen Unterweisungen in der heiligen Obedienz zu empfangen. Calleken verhieß, nach bestem Vermögen diesem Auftrage nachzukommen. Ihre Mutter ebenfalls stimmte freudig ein.

Bei dem nächsten Wiedersehen redete Cornelis das Mädchen also an: »Wohlan, mein Kind, nun müßt ihr mir gehorsam alle eure eiteln Gedanken und Begierden zu erkennen geben und nichts verschweigen, auf daß ich euch sowohl von ihnen, als von den täglichen Sünden absolviren und euere mägdliche Reinigkeit unbefleckt und sauber erhalten kann.« Calleken gelobte nach seinem Willen zu thun.

Nach sechs bis sieben Wochen Probezeit und Unterweisung nahm sie der Mönch feierlich zu seinem Beichtkinde an; sie mußte, die Hand auf die Brust gelegt, einen Eid schwören, daß sie ihr Lebenlang keinem andern Priester beichten wolle. Als dieß geschehen, bedeutete ihr Cornelis, daß sie nun in seine Disciplinkammer gleich andern Mädchen kommen und sich zur Pönitenz vorbereiten könne. Diese Kammer hatte er in dem Hause auf dem Steinhauersdyk bei einer Wittwe, Frau Pr., bei welcher die oben aufgeführte Jungfrau Betken, nebst einigen andern Mädchen wohnte, um die Kochkunst zu lernen. Die Frau Pr. besaß einen guten Verstand, ein angenehmes Aeußere und leitete ihr Institut sehr geschickt.

Als Calleken zum erstenmal in die Kammer trat, befahl ihr C. bei ihrem Gelübde des Gehorsams, ihm alle Anfechtungen und Versuchungen, welche der menschlichen Natur so eigen, zu beichten, und namentlich die unkeuschen Träume, Gedanken und Begierden, welche der jungfräulichen Reinigkeit so sehr zusetzten, ungescheut ihm mitzutheilen, indem er nur auf diese Weise Mittel finden könne, letztere zu beschützen. Weil aber Calleken nicht frei und aufrichtig genug zu sein schien, und es Cornelis schien, als wisse sie selbst nicht viel davon, so sagte er zu ihr: »Ba, ich bin überzeugt, daß euch alle die Unkeuschheiten und Unreinigkeiten, welche zwischen verheiratheten, fleischlichen Weltmenschen vorzufallen pflegen, bekannt sind; denn die Welt liegt im Argen und ist dergestalt verdorben, daß junge Mädchen von 8 bis 9 Jahren recht gut wissen, auf welche Weise sie in die Welt gekommen sind. Ba! ein Mädchen von 16 bis 17 Jahren, wie ihr, sollte nichts von fleischlichen Versuchungen, Begierden, Quälungen zu sagen haben. Ba! ihr hättet in der Welt bleiben sollen, ihr wäret bald Mutter von 3 bis 4 Kindern.«

Calleken stand mit glühender Schaamröthe nach diesen Worten vor Cornelis und schlug die Augen nieder, unfähig, eine Antwort herauszubringen, denn ihre Mutter hatte bisher auf das sorgfältigste vor allen eiteln, leichtfertigen und unehrbaren Aeußerungen und Handlungen sie bewahrt. Der Mönch fuhr fort: »O ba! darauf achte ich nicht. Die angeborne, verdorbene und gebrechliche Natur muß euch in dem Alter, in welchem ihr euch befindet den Befund dieser Dinge lehren; es ist unmöglich, daß ihr nicht bisweilen fleischliche Anfechtungen und Kämpfe zu bestehen habet. Wenn ihr sie nun aber aus Verschämtheit mir verschweiget, so kann ich euch auch durchaus nicht absolviren. Meine Seligkeit hängt daran; darum bereitet euch auf das nächstemal besser vor.« Hiemit entließ er die Jungfrau wieder und beschied sie auf einen bestimmten andern Tag, was sie in Gottes Namen zusagte.

Bei ihrem dritten Besuche wiederholte Cornelis sein früheres Spiel mit Calleken; diese bemerkte ihm: Ehrwürdiger Vater, ich bitte täglich unsern Herr Gott in meinem Gebete mit inbrünstigem und innigem Herzen, daß er mich um seiner Gnade willen von allen Versuchungen, Beklemmungen und Anfechtungen des bösen Feindes und des Fleisches bewahren wolle. Cornelis lobte solches, meinte aber: sie müsse den Herrn förmlich um Versuchungen, Beklemmungen und Anfechtungen bitten; ein Zustand, in welchem dieselben ausblieben, sei keine Heiligkeit zu nennen; dergleichen zu haben sei Ehre; man müsse die innerlich brennende Hitze hervorrufen in einer so ungleichen Natur, wie Mann und Weib, um alsdann wie ein Block zu widerstehen. Was für ein Verdienst bleibe wohl bei einer Sache, von der man kein Gefühl habe? Sie, die Jungfrau, habe auch Fleisch und Blut wie andere Menschen; sie möge sich sehr vor Heuchelei und geistlichem Stolze hüten. Er erneuerte hierauf sein Gebot, ihm alle unzüchtigen Gedanken und alle wollüstigen Träume frei heraus zu beichten, um mit der heil. Disciplin gesäubert und gereinigt werden zu können.

Calleken empfand immer tiefere Schaam über das, was sie vernahm; Cornelis aber forderte sie auf, das Beispiel der übrigen Mädchen, die unter seiner Disciplin stünden, nachzuahmen und fragte sie feierlich: ob es ihr voller und ungeheuchelter Ernst sei, ihm ihr Seelenheil anzuvertrauen? Sie bejahte dieß kräftig. Nun wohlan, fuhr er fort, wenn ihr mir euer Seelenheil anvertraut, so könnt ihr mir mit noch minderer Gefahr euern irdischen, vergänglichen Körper anvertrauen; denn wenn ich eure Seele selig machen soll, so muß ich vor allem Anderen eueren Körper rein, sauber und fähig machen zu allen Tugenden, Andachten und Penitenzen. Ist es nicht also, mein Kind? Sie: ja, es ist so, ehrwürdiger Herr Pater! Er: Nun wohlan, so ist von Nöthen, daß ihr mir bei der heil. Obedienz unterthänig sein sollt auf die Weise, wie ich es euch gebieten werde.

Hiemit setzte sich Cornelis auf den Tritt des Bettes, das in seiner Kammer stand, etwa zwei Schritte weit weg von Calleken und befahl ihr, daß sie, um jene der heil. Disciplin und Pönitenz so hinderliche Verschämtheit besser zu überwinden, ihren Leib entblöße und sich völlig auskleide. Calleken antwortete erschrocken: O würdiger Pater, wie sollte ich das zu thun im Stande sein? wahrlich ich müßte mich zu Tode schämen! Cornelis: Seht mein Kind, das muß so sein; unser Beider Seligkeit hängt daran. Ueberwindet eure Schaam! Calleken: Ehrwürdiger Pater, lieber will ich euch alle meine Anfechtungen und fleischlichen Gedanken ganz frei mittheilen, als das thun, was ihr verlangt. Lieber will ich sterben. Ich bitte euch demüthigst, erlaßt es mir!

Cornelis drang ungestüm in sie, sich zu fügen und setzte ihr auseinander, wie es unmöglich sei, jemals eine vollkommene Andächtige zu werden, ohne solche Selbstdemüthigung. Sie sei das erste Mittel zu bequemem Empfange der heiligen und heimlichen Disciplin. Er forderte also schlechtwegs denselben Gehorsam, welchen alle übrigen Zuchttöchter ihm leisteten, und er fragte sie empfindlich, ob sie besser sein wolle als diese? Seufzend fügte sie sich in ihr Geschick. Sie zog ihr Ober- und Unterkleid aus; als sie aber im Begriffe war, auch das Mieder auszuschnüren, fielen ihr die hellen Thränen aus den Augen. Cornelis sprach ihr Muth zu, und gebot ihr, fromm und klug gegen die Schaam und Heuchelei zu streiten und einen Sieg zu gewinnen, der glorreicher als alle Triumphe und Freuden der Welt sei. Als sie nun endlich entkleidet war bis auf das Hemd, und dieses ebenfalls ausziehen sollte übernahm die Verschämtheit sie so sehr, daß die glühende Röthe in tödtliche Bleiche sich verwandelte. Cornelis, dieß gewahrend, sprang ihr mit einigen Spezereien und Kräutern bei, die er nebst wohlriechenden Essenzen und andern Aromen in einem nahe stehenden Schrein verwahrt hielt. Als das Mädchen wieder aus ihrer Ohnmacht erwacht war, entließ er sie mit der Bemerkung, daß es für dießmal genug sei. Er versprach ihr für den nächsten Besuch Gesellschaft von andern Mädchen, welche mit gutem Beispiel ihr vorangehen würden. Calleken ihrerseits verhieß wieder zu kommen und gelobte tiefe Verschwiegenheit über alles Vorgefallene.

Als sie das nächstemal wieder in die Disciplin-Kammer erschien, traf sie wirklich die zwei früher genannten schönen Jungfrauen (Aelken und Betken) darin. Auf das erste Geheiß des Paters zogen diese ihre Kleider aus und stellten sich ganz nackt vor ihn hin. Calleken war ungemein betroffen über diese seltsame Frömmigkeit; Cornelis aber rühmte das Glorreiche eines solchen Sieges über die so höchst schädliche Verschämtheit, welche alle Fortschritte in Tugend und Andacht hemme; er deutete auf die Nothwendigkeit hin, die innere Heuchelei zu überwinden. Aber es hatte auch dießmal damit sein Verbleiben. Er übte die Jungfrau, wie alle übrigen, mehrere Monate lang im Entkleiden ein. Sein Grundsatz war: sie müßten freiwillig ihre Schaam aufgeben und selbst die Disciplin begehren.

Mittlerweile wurde Calleken von den ältern Mädchen der Sodalität fleißig bearbeitet; diese fragten sie über alles aus und meinten, als sie noch nichts Bestimmtes mitzutheilen wußte: wenn sie die Disciplin noch nicht erhalten, so habe sie solche wohl noch nicht verdient. Ob sie jedoch glaube, eine reinere Magd zu sein, als alle übrigen? Sie unterwiesen demnach das arme Kind so lange im blinden Gehorsam gegen Vater Cornelis, bis sie versprach, künftig sich ihm in Allem zu fügen.

Der Mönch hatte durch seine unaufhörlichen Reden über fleischliche Anfechtungen und weltliche, unreine Träume, über natürliche, fleischliche Begierden und Neigungen einen solchen Sturm in ihre Seele geworfen, daß ihr fast täglich die Sachen, vor denen sie sich hüten und wegen welchen sie gebüßt werden sollte, gerade recht in den Sinn kamen; nun hatte sie erst etwas, was sie beichten sollte und sie fühlte dazu einen Gewissensdrang. Cornelis, sehr erfreut über solche Sinnesänderung, verkündigte ihr nun ihre Befähigung, die heimliche Disciplin zu empfangen, und befahl ihr, einen Besen zu kaufen, Ruthen davon zu machen und das nächstemal eine derselben mitzubringen. Sie that es gehorsamlich und nun war sie eine komplette Andächtige, wie jener es wünschte. Ehe wir aber die Erzählung von den weitern Vorgängen fortsetzen, ist es nöthig zu vernehmen, wie Br. Cornelis verheirathete Frauen und Wittwen in seinen Buß-Orden brachte.

Mehrere Ehefrauen waren durch die öffentlichen Sermonen des Bruders über die weltlichen Begierden und ihre Folgen ungemein bestürzt und betrübt geworden. Sie fühlten Skrupel und Beschwernisse im Herzen und erholten sich Raths bei demselben. Cornelis unterwies sie freundlich und belehrte sie über die Mittel, durch welche es ihnen möglich gemacht werden könnte, im häuslichen Stande fortzuleben und doch ihr Seelenheil sich zu sichern. Es sei vor allem nöthig, den sinnlichen Neigungen und Begierden bei Ausübung des ehelichen Werkes zu widerstehen; dieß halte freilich schwer, doch könne Rath dafür gefunden werden. Das Werk selbst sei von Gott angeordnet; allein die verdorbene, verstümmelte Natur habe es verunreinigt und befleckt; darum sei von nöthen, es also zu gebrauchen, als gebrauche man es nicht, und in der Ehe also zu leben, als lebe man nicht. Freilich war nun dieß den guten Weibern eine unmögliche und übermenschliche Sache; sie kamen täglich mit weinenden Augen und klopfenden Herzen, dem Pater ihre Noth zu klagen. Er schickte darum sich an, ihnen die gehörige Medizin zu verschreiben. Denen, die weder jung, noch besonders schön waren, rieth er an, recht fleißig ihre Anfechtungen ihrem bisherigen Seelsorger zu beichten, um von ihm die Absolution zu gewinnen, zu denen aber, welche er in seinen Orden wünschte, sagte er: in Anbetracht, daß sie solchen innerlichen Sünden und Gebrechen ihres fleischlich gesinnten Körpers nicht widerstehen könnten, müsse derselbe mit einer äußerlichen Strafe und Pönitenz gekasteit werden. Die frommen Seelen gelobten alles zu thun, was er ihnen auferlegen werde. Er stellte ihnen demnach eine Regel, wornach sie alle Monate bei ihm zur Beichte erscheinen, und alle unkeuschen Gedanken, Begierden und Handlungen, die sie in Ausübung ihrer ehelichen Pflicht oder sonst sich zu Schulden kommen ließen, frei und genau zu offenbaren; je platter, freier, gröber und vollständiger sie es thäten, desto besser für sie. Auch hierin fügten sich die Frauen. Und nun nahm er ihnen, wie den Mädchen, einen feierlichen Eid der Verschwiegenheit über die zu erleidende Buße und die vor der Welt geheim zu haltende Anstalt ab. Er erklärte ihnen: solche Dinge, wie die gebeichteten, müßten äußerlich bestraft werden, mittelst »geheimer Disciplin und sekreter Pönitenz« (an Synonymen und sequipedalen Worten ist Bruder Cornelis immer unerschöpflich); die fleischlich gesinnten Weltmenschen verstünden und begriffen aber nicht, was des Geistes sei, und würden sich, wenn sie die Sache erführen, ärgern, auch an Verunglimpfungen und Verdächtigungen es nicht fehlen lassen. Darum sei das tiefste Stillschweigen gegen Jedermann, zu Hause, in der Beicht, und wo immer sonst, im Interesse des Ordens selbst erforderlich. Wenn nun all' dieß geschehen, bestellte Cornelis seine Kandidatinnen in das Haus der Näherin Calle de Najeghe, welche sein Vertrauen besaß. Ihr Haus stand nahe dem Kloster in der Eselstraße und ein geheimer Ausgang führte durch einen kleinen Weingarten in dasselbe. Hier hatte er seit dem Tode der Frau Pr. seine Zuchtwerkstätte aufgeschlagen.

So bald die Frauen das erstemal zu Calle de Najeghe kamen, gab diese ihnen eine Ruthe, mit dem Bedeuten, sie in die Disciplinkammer zu tragen, das nächstemal aber selbst einen Besen zu kaufen, Ruthen davon zu machen und jedesmal eine mit zu bringen. Cornelis, in der Kammer angekommen, pflegte zu seinem Beichtkinde sodann mit feierlicher Miene zu sagen: »Wohlan, meine Tochter, um diese heilige Disciplin und geheime Pönitenz bequem zu empfangen, müßt ihr euern Körper entblößen. Darum befehl ich euch, die Kleider auszuziehen.« Die armen Frauen thaten es, und wenn sie dastanden, wie er es wünschte, mußten sie ihm die Ruthe selbst darreichen, und demüthiglich ihn bitten, ihren sündigen Körper züchtigen zu wollen, was er denn auch that, jedoch ganz langsam mit blos einer Anzahl kleiner Schläge, die nicht sehr wehe thaten. Dabei führte er allerlei Texte aus alten Büchern an, wo vom Geisseln die Rede ist und worin gesagt wird: daß Gott die Demuth derjenigen, die sich selbst entblößen würden, lieber habe, als die Schmerzen vieler harten Schläge.

Im Winter, wenn es zu kalt war, sich ganz auszuziehen, mußten die Disciplinkinder auf ein großes Polster sich niederlegen; Pater Cornelis hob ihnen die Kleider auf Natibus veste omnino denudatis verbera dabat inhonesta, drückt E. v. Meteren in der lateinischen Ausgabe seines Geschichtwerkes – femora et nates nudas, inhonestis vibicibus rorantes verberabat virgis betuliis aut vimineis – Boileau in der Histor. Flagellantium sich aus. Ein Weiteres steht weder in den Quellen noch in der Historie angemerkt, was zur Ehrenrettung des Cornelis beigefügt werden muß. Der französische Uebersetzer Boileau's hat – wie Bayle schon dargethan – die Stellen entweder absichtlich oder aus Nachläßigkeit verstümmelt, so daß sie einen ganz andern Sinn erhalten. So komisch eine derartige Controverse scheint, so ist sie doch für eine wichtige historische Person, wie Bruder Cornelis, und für den Prozeß nicht ohne Bedeutung. Man kann auch einen Faun verläumden. und stäupte sie in dieser Situation. Dasselbe that er auch bisweilen denjenigen verheiratheten Frauen, welche nicht lange von Hause wegbleiben konnten, oder Wittwen, die lange unter seiner Disciplin gestanden. Ja, er gestattete auch diesen letztern bisweilen, die Disciplin von Calle de Najeghe, seiner Vertrauten, zu empfangen.

Die Wittwen hatte nämlich Cornelis ebenfalls in seinen Orden, ohngefähr auf dieselbe Weise, wie die Frauen, gebracht und in seinen Predigten und Privatunterweisungen die großen Hindernisse auseinander gesetzt, welche sich in ihrem Stande der Bewahrung innerer Reinigkeit entgegensetzten. Weil die Erinnerung an die genossenen Wollüste sie überall und jederzeit verfolge, hätten sie mit mehr Anfechtungen zu ringen, als die Jungfrauen, so des Werkes noch nicht genossen. Aber in demselben Grade sei auch ihr Verdienst größer, als bei den Mädchen und bei den Frauen, wenn sie solche Anfechtungen zu besiegen verstünden. Die heimliche Pönitenz diene als treffliches Mittel zur Säuberung u. s. w. Kurz, er nahm ihnen das gleiche Gelübde ab, stellte sie, wenn sie alle Bedingungen eingegangen, in seine Devotarischap und kasteiete sie, nachdem er sie zur Auskleidung beredet, gleich den übrigen, mit den von ihnen selbst verfertigten Bußwerkzeugen. So weit die Historie, in der wir eher gemildert als ausgemalt und blos allzuhäufige Wiederholungen und weitschweifige Phrasen bisweilen zusammen gezogen haben. Das naive Flämische ist jedoch häufig ganz unübersetzbar.

Die gynopygische Sekte der schönen Damen von Brügge (wie selbst ernsthafte niederländische Schriftsteller sie genannt haben) währete bis in das zehnte Jahr hinein, ohne daß Jemand, selbst nur von den nächsten Verwandten der Betheiligten, eine Ahnung davon erhielt, oder eine von seinen Klientinnen einen Verdacht über die Unzuläßigkeit oder Indezenz des Vorgenommenen schöpfte. Sie bauten felsenfest auf des Paters Frömmigkeit und waren in ihrem Innern beruhigt und glücklich. Endlich brachte ein ganz eigener Zufall Licht in die Sache und machte, nachdem anfänglich das Geheimniß bloß Wenigen kund geworden war, einen öffentlichen Handel daraus, welcher mitten unter den politischen und kriegerischen Scenen jener Zeit eine sehr heitere, Freund und Feind zugleich belustigende und ärgernde darbot.

Doch, die Chronik möge auch bei der fernern Entwickelung des seltsamen Prozesses unsere Führerin bleiben, welcher selbst P. Bayle großes Vergnügen machte, und von ihm durch eine »curiosa in gaudia alterius indagatio« mit vieler Nachsicht gegen die wunderlichen Buß-Apostel und unter allerlei scharfsinnigen Anmerkungen erklärt wurde. Noch ausführlicher und spöttischer glossirt auch Philipp von Marnix, der tugendstrenge und gottesfürchtige Mann, Vertheidiger von Antwerpen, Uebersetzer der Bibel und der Psalmen und Gatte dreier sehr solider Frauen, in seinem Bienenkorbe die lustige Geschichte. »Wie sollten die Ketzer gegen die Ohrenbeichte noch etwas einwenden können? hieße das nicht eben so viel, als ob sie unserer Mutter, der heiligen Kirche, beide Augen zum Kopfe heraus kratzen wollten? denn diese Ohrenbeichte ist ihr ohne Zweifel ein Paar Augen werth, das eine, um in alle Heimlichkeiten sämmtlicher Könige und Fürsten in der Welt hinein zu gucken, wodurch sie zu ruhigem Besitze der Herrschaft über so viele Länder gelangt ist, das andere, um in den tiefsten Busen junger Frauenzimmer zu sehen, ihre Heimlichkeiten zu erspähen und ihnen solche Bußen aufzuerlegen, wodurch ihre beängstigten Gewissen getröstet und ihre Herzen bestens erleichtert werden können. Ach! wie oft haben nicht die Herren Pfaffen den betrübten, unfruchtbaren Weiberchen in der Beichte guten Rath ertheilt, der sie zu fröhlichen Kinder-Müttern gemacht hat, und durch den sie zu ihren Beicht-Vätern von einer so inbrünstigen Liebe entzündet worden, als wären diese ihre eigenen Männer gewesen. Hält sich doch noch bis auf den jetzigen Tag zu Brügge ein Graubruder, Namens Cornelis der Geißler, auf, welcher mittelst dieser heiligen Ohrenbeicht einen großen Haufen von Frauenzimmern ihren Leib dergestalt ertödten lernte, daß sie, um ihrer auferlegten Pönitenz Genüge zu leisten und die Absolution für ihre Sünden zu gewinnen, völlig mutternackt und auf den Knieen zu ihrem Beichtvater hinrutschten, und daß er, wenn er wahrnahm, ihr Fleisch sei noch nicht ganz abgestorben, mit der Ruthe, welche er in der Hand hielt, ihnen den Hintern so lange zerhieb, bis sie vollkommen Buße geleistet hatten. Deßhalb wird er auch noch zur Stunde Bruder Cornelis der Geißler genannt. Seht doch, wenn die Ohrenbeicht abgestellt gewesen wäre, wie hätte er die guten Weibleins zu solcher Andacht vermocht, wie die andern Mönchsorden dem Beispiel des heiligen Dominikus gefolgt haben? Wie sollte unsere liebe Mutter, die heilige Kirche, die schöne liebliche Gemeinschaft der Weiber, welche Pabst Clemens befohlen, zuwege bringen können, wenn nicht die Ohrenbeicht Gelegenheit dazu verschaffte. Aus diesem Grunde hatte Rektarius, Bischof von Konstantinopel großes Unrecht, daß er A. 195, der Beichte aufhob, bloß deßhalb, weil ein Diakonus einer Frau unter dem Rocke zur Beichte gesessen. Bei allen Heiligen, er muß ein Lutheraner oder Hugenot gewesen sein, weil er seiner lieben Mutter, der Kirche Satzungen, für nichts geachtet. Jetzt geht es gewiß anders zu. Was würde er erst gethan haben, wenn er Bruder Cornelis, den Geißler, und andere dergleichen Gäste gesehen? wahrlich, er hätte die Beichte mit all' dem andern Plunder unter den Galgen gejagt etc. etc.« – Offenbar geht Marnix in seinen Beschuldigungen gegen Cornelis im Parteihasse etwas zu weit; denn etwas anderes, als die unanständige Entblößung und Büßung konnte bei der Untersuchung nicht ermittelt, oder doch nicht bewiesen werden.

Im Jahr 1558 hielten die älteren oder jene Mädchen und Wittwen, welche zuerst sich in den Zuchtorden begeben hatten, einen Freudentag nach ihrer Gewohnheit, Sie versammelten sich bei Jungfrau Pr. Jede von ihnen brachte etwas Gutes zu essen und eine Kanne guten Weines mit. Pater Cornelis fehlte nicht; man sang fröhliche Liedleins und Refereynen. Der Franziskaner ließ es sich so lange schmecken, bis er eine ungewöhnliche Lustigkeit verspürte, Jungfrau Pr. bei der Hand nahm, um eine Tour mit ihr zu tanzen. Fränzchen Vougenaers, die besonders schön singen konnte, spielte singend einen Wälschen (Galliaerde); Cornelis zeigte sich als sehr geschickten Tänzer und als er zu Ende war, küßte er die Jungfrau; diese dachte nichts arges dabei, und vermuthlich der Glossa Decreti causa XI. q. z. can. 14. si Clericus amplectitur mulierum, interpretabitur, quod causa benedicendi eam hoc faciat, – sich erinnernd, sah sie ihn mit freundlichen Augen an. Die Scene erregte jedoch, als eine der Anwesenden, Janneken M., sie den übrigen jungem Zuchttöchtern mittheilte, viel Aergerniß, besonders bei Calleken P., welche gerade über die flämische Brücke kam, um ihre in der Nähe des Klosters wohnenden Baasen, Betken Pr. und Aelken van der B., zu besuchen. Sie theilte denselben gleich nach der ersten Begrüßung ihre Betrübniß über das Geschehene und ihre Skrupel mit. Aelken wollte die Sache zum Besten auslegen und fragte: was denn so großes an der Sache sei; man könne hier blos ein Zeichen von Fröhlichkeit und Offenherzigkeit entdecken. Allein Calleken bemerkte: ich bin darüber nicht so leicht beruhigt; man steht doch mutternackt vor ihm und er ist auch ein Mensch; wie können wir wissen, ob ihm nicht etwas Menschliches begegnet? Aelken wurde durch diese Worte sehr überrascht und erwiederte: »Wie mögt ihr doch solch' unziemliche Redensarten über unseren ehrwürdigen Vater euch aus dem Munde entschlüpfen lassen; über ihn, der so edel und heilig denkt?« Calleken: »Aber wir müssen doch zugeben, daß er auch ein Mensch von Fleisch und Blut ist.« Aelken: »Ein Engel ist er in Menschen-Gestalt, der nicht sündigen kann; allein wir können das nicht so ganz begreifen und verstehen.« Calleken: »Ich behaupte nicht gerade, daß er sündigt, aber gesetzt der Fall, daß ihn bei diesem Nacktauskleiden eine menschliche Schwäche ergreifen sollte, wie wolltet ihr euch benehmen, um nicht mit zu sündigen?« Aelken: »Ich würde es in Demuth geschehen lassen, und sollten auch sieben Kinder daraus werden; denn ich bin überzeugt, unser Herr Gott würde mir solches nicht zur Sünde rechnen um des heiligen Mannes willen, indem dieser die Handlung ohne eigentlich fleischliches Gelüsten vollbrächte.« Calleken: »Nein, was meine Person betrifft, bin ich der Sache nicht so sicher, noch reicht meine Verpflichtung zum Gehorsam so weit.« Hiemit schieden die beiden Jungfrauen.

Als Betken Pr. nach Hause gekommen, erzählte sie der Jungfrau Pr. die ganze Unterredung. Dieselbe ward dadurch sehr betroffen und verfügte sich alsbald zu Bruder Cornelis und erzählte ihm alles. Der Mönch bezeigte ungewöhnliche Verwunderung, Verlegenheit und Entrüstung. Bald darauf erschien Calleken bei ihm und er forderte sie rasch auf, ihm zu sagen, was sie von ihm denke? Sie erwiederte: »Ehrwürdiger Pater, ich habe gar keine schlimme Meinung von euch.« Cornelis: »Ich will euch bei dem mir zugeschwornen Gehorsam noch einmal ermahnt haben, mir frei und frank eure Ansichten von mir zu eröffnen.« Vergebens wehrte sich das Mädchen; er hielt ihr unter bittern Vorwürfen ihren Undank und ihren gottlosen Skrupel vor. Calleken, durch seine Festigkeit aus der Fassung gebracht, erklärte sich durchaus von der Nützlichkeit und Nothwendigkeit der heiligen Disciplin überzeugt und stellte das Geschehene als einen vorübergehenden Leichtsinn hin, der ihr leid thue und den sie sich nimmer wolle zu Schulden kommen lassen. Cornelis: »Ba, so bekennt denn, daß ihr mit Unrecht und fälschlich meine Ehre angetastet habt.« Calleken fiel alsbald auf die Kniee und bat ihn um Vergebung für solche Missethat. Er: »Oh ich kann euch nicht vergeben, ehe und bevor ihr nicht die »Hand auf die Brust bei Gott und allen Heiligen mir geschworen, daß ihr mir euere innersten Gedanken bekennen wollt über mein Discipliniren, womit ich die heimlichen Sünden kasteie, säubere und reinige.« – Calleken, die ihrer Sache noch nicht ganz gewiß war und ihre Skrupel nicht gleich mit Gründen belegen konnte, that, was er wünschte, und beschwur, daß sie alles, was er vornehme, für heilig, gut und tugendlich hielte. – Nachdem Cornelis das Mädchen von ihrer Missethat absolvirt, jedoch mit beschämtem und wehmütigem Herzen hatte heimgehen lassen, wandelte ihn nichts desto weniger die Furcht an, daß es durch die Art und Weise, wie er sich benommen, verleitet werden möchte, die Geheimnisse der Disciplin zu offenbaren. Er sann dann auf eine schalkhafte, praktische und listige Erfindung. Er ersuchte die Frau Pr., Calleken zu vermögen, daß sie bei ihm ein Mittagmahl einnehme. Als dieß geschehen, brachte er einen alten Mönch aus seinem Kloster, Namens Bruder Peter, Spanier von Geburt, mit. Zuvor sprach er Calleken in einer Kammer allein, bat sie, ihm beizustehen, daß er wieder aus der Unruhe komme, in welche sie ihn wegen ihrer Aeußerung über das Tanzen und Küssen versetzt. Sie sollte in Gegenwart des alten Bruders, so oft auf die heilige Disciplin und geheime Pönitenz die Rede falle, bekennen, daß sie nichts davon wisse. Denn, bemerkte er, wenn ihr das Gegentheil thätet, so könnte man glauben, ihr hättet die Disciplin wegen Hurerei oder anderer schlechten Dinge willen verdient. Calleken gelobte, seinem Rathe zu folgen. Man setzte sich zu Tische und als das Mahl vorüber war, hieß Cornelis Tinte, Feder und Papier bringen, mit der Aufforderung an Bruder Peter, wohl aufzupassen auf das, was er hören werde. Er fragte nun, zu Calleken sich wendend: »Wohl, Tochter, habt ihr je etwas an mir bemerkt, was euch Aergerniß gegeben?« Sie: »Nein, ehrwürdiger Pater!« Er: »Habt ihr je etwas anderes von einer heimlichen Disciplin vernommen, womit ich Sünden bestrafe, als das, was sich auf Fasten und Gebete nach abgelegter Beichte bezieht?« Sie: »Nein, ehrwürdiger Herr!« Nach diesem reichte Cornelis der Jungfrau ein überschriebenes Papier hin, welches eine Erklärung in diesem Sinne enthielt und sie mußte es unterschreiben, oder vielmehr, da sie nicht schreiben konnte, mit ihrem Handzeichen es bekräftigen. Bruder Peter aber stellte seinerseits ein Zeugniß aus, daß er als Ohrenzeuge solches Bekenntniß aus Callekens Munde vernommen. Damit glaubte der Mönch jetzt hinreichend sich gesichert zu haben. Aber er betrog sich. Nach wenigen Tagen kam er in Callekens Haus, um ihre Mutter zu begrüßen und zugleich zu lauschen, ob das Mädchen nicht etwa das eine und das andere, die Disciplin betreffend, ihrer Mutter geklagt hätte. Er bemerkte nichts, sondern fand bei ihr vielmehr einen sehr freundlichen Empfang. Beim Weggehen sagte er deßhalb zu jener: Frau, vermahnt doch ja recht fleißig euere Tochter, um ihres Seelenheils willen, auf den Wegen fortzuwandeln, auf denen sie jetzt sich befindet; denn ich erkenne, daß sie mit viel himmlischen Gnaden begabt und euer Leib nicht würdig ist, ein solches Kind getragen zu haben.

Calleken blieb von da an wohl noch zwei Jahre unter Adriaensens Obedienz und ihr Wandel war sittlich und tugendhaft in jeder Beziehung. Da wandelten sie plötzlich die alten Skrupel wieder an und sie wagte es den Pater zu fragen: warum denn eigentlich gerade diese heimliche Disciplin zur Seeligkeit so nothwendig sei, und warum man, da so viele andere Menschen auf Erden die Seeligkeit ebenfalls suchten, diese nicht auch auf solche Weise disciplinire? Cornelis erwiederte: man könne die heilige Disciplin vor der Welt nicht offenbaren, der Skandale und Aergernisse willen, die daraus hervorgehen könnten. Der Unverstand der fleischlich gesinnten Weltmenschen würde nimmer mehr das Tugendliche und Heilige daran begreifen, sondern es vielmehr nach Gecken Weise verspotten und verlachen; es sei dieß derselbe Fall mit allen heiligen Mysterien, wie man ja täglich sehe; es sei zweckwidrig, Rosen und Perlen unter die Schweine zu werfen. Calleken bemerkte höchst fein darauf: sie sehe dieß wohl ein, hege aber die Meinung, daß alles Skandalisiren, Aergern, Mißverstehen, Spotten, Höhnen und Lachen der Weltmenschen nicht in Anschlag zu bringen sei gegen die Wichtigkeit des Berufes, so viele Menschen, welche die Seeligkeit suchten, seelig zu machen; man sollte gerade dahin wirken, daß jene nicht auch mit diesen Kindern des Fleisches zu Grunde gingen. Cornelis: Gott ist allmächtig: er prädestinirt oft manche Menschen durch andere Mittel zur Seeligkeit. Auf jeden Fall kann aber die heimliche Disciplin nicht vor der Welt bekannt gemacht werden. Calleken: Ehrwürdiger Vater, ich bitte euch von Herzens Grund, nehmt es mir nicht übel und schmäht mich nicht, wenn ich euch ferner mit Fragen belästige. Cornelis: Fragt nur immer zu, mein Kind, auf daß ich euch über alles beruhigen kann. Calleken: Wenn es denn möglich ist, daß die Menschen auch durch andere Mittel in den Himmel kommen können, als durch die heimliche Disciplin, so ist dieselbe demnach nicht so absolut nothwendig zur Seeligkeit, wie ich bis zu dieser Stunde geglaubt habe? Auf dieß hin ward der Graubruder ungemein verlegen, er sah die Jungfrau mit Befremden an, unschlüssig, ob er ihr gram werden sollte oder nicht. Endlich fand er das Wort wieder: Ba, das ist eine Frage! das heiß ich wunderlich gefragt! Es scheint, daß euch mehr darum zu thun sei, Streit mit mir anzufangen, als Rath zu erholen. Doch, ich sehe, ich muß euch mit Gleichnissen zu Hülfe kommen. Ich nehme an: die Stadt Rom sei das Himmelreich; eine große Menge Volkes möchte gern die Reise dorthin machen; eine beträchtliche Abtheilung davon schlägt den Weg dahin ein durch eine furchtbare Wüste, wo ihnen tausend Gefahren von wilden Bestien her drohen; eine andere Abtheilung aber schlägt lieber einen eigenen, wiederum selbst gefährlichen, Pfad ein, um jenen Gefahren zu entgehen, indem Straßenräuber und Banditen auf sie lauern; eine andere, um diesen Gefahren auszuweichen, zieht den Durchgang über ein sehr hohes Gebirge vor, und auch hier zeigen sich Gefahren anderer Art. Sie setzen sich nämlich der Möglichkeit aus, herunter in den Abgrund zu fallen oder den Hals zu brechen, oder im Schnee zu versinken; eine vierte Gesellschaft wählt den Weg zur See, ringt mit Stürmen, erleidet Schiffbruch, kann im Meer ertrinken, oder aus Hunger verschmachten. Zuletzt kommen gleichwohl alle nach Rom, wiewohl nicht ohne gegenseitige große Verwunderung über die ausgestandenen Drangsale der Einen und Andern. Nun gibt es aber noch einen kleinen Haufen, welcher einen heimlichen verborgenen Weg gewußt hat, und ohne irgend ein Mühesal und Gefahr in Rom angekommen ist. Welchen Weg von allen diesen würdet ihr am liebsten wohl eingeschlagen haben, meine Tochter? Calleken antwortete: natürlich den zuletzt angedeuteten, gefahr- und mühesallosen. Aha! rief Cornelis aus, findet ihr jetzt die Anwendung meines Gleichnisses? »Ja Herr Pater!« Nun, schloß Cornelis seine seltsame Homilie, ich dachte wohl, daß ich euch den Kopf würde zurechtstellen können. Mit diesem Gespräch endigte die Visite.

Allein das spitzfindige, verständige Mädchen war nichts weniger, als zurechtgestellt über ihren Zweifel, die Disciplin betreffend. Sie suchte sich zu Hause bessere Aufschlüsse und Beweise dafür zu verschaffen, daß der verborgene Weg, welchen Cornelis beschrieben und den nur eine kleine Anzahl Volkes wandele, auch wirklich der sicherste sei; darum schlug sie in der Bibel, in den Evangelien, in den Episteln von Paulus und von andern Aposteln nach, fand aber überall nichts für ihren Gegenstand.

Als sie nun den Graubruder wieder besuchte, ersuchte sie ihn fest und förmlich, ihr aus der heiligen Schrift die Nothwendigkeit heimlicher Züchtigung für die Befähigung zur Seeligkeit zu erhärten. Cornelis schwieg lange; endlich warf er ihr ein grimmiges Gesicht zu und fuhr sie barsch an: Heilige Schrift, heilige Schrift! ba, ich merke wohl, daß ihr mit Erasmianern gesprochen habt, davon diese Stadt Brügge, Gott bessere es! wimmelt. Hütet euch davor, sonst könnt' es euch gehen, wie der Betken Maes, welche auch vom Karren gefallen. Ich habe euch schon oft vor dieser Betken Maes gewarnt; sie wird euch auch noch zum Abfall bringen, wie es ihr selbst von Seite der Erasmianer widerfahren ist.

Calleken antwortete: Ehrwürdiger Vater; ich komme von keinen Erasmianern her, mit welchen ich gesprochen; ich möchte für mich selbst gerne wissen und darum euch befragen, ob denn dieses nackte Ausziehen und dieses heimliche Geisseln so unumgänglich nothwendig zur Seeligkeit sei, wie ich mir selbst bis jetzt bedünken ließ; und da ihr mir selbst gesagt habt, daß noch andere Wege zum Seelenheil offen stehen, so hätt' ich beinahe Lust, den einen oder andern derselben einzuschlagen. Der Pater wurde über diese kluge Bemerkung ungemein verwirrt; endlich sagte er: O ba, ich höre jetzt recht gut, daß die Sache vorher abgemacht worden. Ich muß mich bei Zeiten vorsehen. Da ihr aber nach der heiligen Schrift euch erkundigt, so frage ich euch, ob nicht im 31. Psalm geschrieben steht: Viele Geisseln sind für die Sünder da; und steht nicht im heiligen Evangelium: Wessen Knecht des Herrn Willen weiß und doch nicht thut, der soll viel Schläge erhalten. Calleken: Ehrwürdiger Pater, ich habe euch oft das heilige Evangelium erklären hören, aber ich erinnere mich nicht, daß ihr je etwas von heimlicher Disciplin und sekreter Pönitenz, als darin enthalten, gesagt hättet. Cornelis: O ba, wenn ich auf meiner Kanzel stehe, so predige ich nicht für euch, sondern für die Weltmenschen, welche blos den leiblichen Werken der Natur folgen und dem Fleische, der Unzucht und Wollust nachjagen, welche aber dafür im Fegfeuer mit einer Menge von Schlägen, Qualen und Peinen bestraft und auf solche Weise gesäubert und gereinigt werden; ihr aber werdet noch in diesem Leben für die natürlichen fleischlichen Anfechtungen, woran ihr leidet, mittelst der heiligen heimlichen Disciplin, also gesäubert und gereinigt, daß euere Jungfrauschaft innerlich erhalten bleibt, während auch der äußere Körper sündigt. Ich gebe euch darum den Rath, mein Kind, alle die Sermonen, die ich vor den Weltmenschen halte, zu dem einen Ohre hinein und zu dem andern heraus zu lassen; quält euch ja nicht mit Besorgnissen, sondern hängt sie an den Ring der Kirchenthüre, sobald ihr den Teufel verlaßt.

Mit solcher Sophisterei glaubte Cornelis der Jungfrau wieder für einige Zeit den Mund verschloßen und all ihre Zweifel an die Göttlichkeit, Heiligkeit, Tugendhaftigkeit, und Nothwendigkeit der heimlichen Disciplin besiegt zu haben; deßhalb forderte er sie auch zu standhafter Treue an den heiligen Orden auf. Calleken antwortete ihm, als er zu Ende: Wohl, ehrwürdiger Herr Pater, ich will Gott den Herrn inbrünstig bitten, daß, wenn ich auf dem rechten Weg zur Seeligkeit mich befinde, er mich darauf bewahren und geleiten wolle. Cornelis: O, mein Kind, das ist noch alles viel zu zweifelhaft gesprochen; ihr müßt standhaft und unbeweglich in dem von euch gewählten jungfräulichen Stande euch behaupten und alle Skrupel aus dem Sinne schlagen. Sie versprach ihr bestes, verbarg aber keineswegs, wie sehr sie darüber in's Klare kommen möchte, ob die Disciplin auch anderwärts, denn hier, als nothwendig zum Seelenheil vorgenommen würde.

Der Pater erklärte hierauf, beim nächsten Besuch aus alten lateinischen Büchern beweisen zu wollen, daß dieß schon früher und von andern Andächtigen in der That geschehen sei.

Er hielt Wort, und als die Jungfrau von Neuem bei ihm erschien, las er ihr Stellen aus der Summa Magistri Thomae Subdenani Salisberiensis de Pönitentia vor; die eine führte die Ueberschrift: Gebannte sollen nicht ohne Disciplin losgesprochen werden können. In derselben war unter Anderem bestimmt: die Schläge sollen nicht übertrieben werden, sondern in einer Anzahl Geisselstreiche bestehen, in der Art ausgetheilt, wie die Schulmeister ihre Zöglinge bestrafen. Gott habe lieber die Demuth der nackt sich Entkleidenden, als die Härte der Schläge (derselbe Text, den Cornelis beim Austheilen der Disciplin herzumurmeln pflegte). Fänden sich jedoch vornehme Personen oder Frauenzimmer vor, die gebannt seien und die Lossprache wünschten, so solle man dieselben nicht auf das ganz bloße Fleisch schlagen, sondern ihnen das Hemd oder ein anderes sehr dünnes Kleidungsstück lassen und darüber sie geisseln. Eine andere Stelle schreibt die Manier vor, wie Priester und Nonnen sich zu discipliniren hätten; eine dritte, wie nächtliche Saamen-Entleerungen in Folge unkeuscher Träume von Seiten der geistlichen Herren gebüßt werden müßten Man erinnere sich hiebei an den darauf bezüglichen Vers in der Frühmette, welcher in den katholischen Kirchen, wo Stifter, Kollegien u. s. w. sind und die Horen in Gemeinschaft abgehalten werden, noch heut zu Tage gebetet wird:

Mentemque nostram comprime
Ne polluantur corpora
Per noctium phantasmata etc.

Der Verfasser hat Geistliche gekannt, welche, wenn sie ihren nächtlichen Rausch ausgeschlafen haben, sich in der Kirche selbst darüber fast zu Tode lachten, wenn die Reihe an jenen Vers kam. Einige von ihnen hatten wachend so gut gesorgt, daß die Träume nicht mehr schaden konnten.
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Auf diese überaus leichtfertige, einem jungen Mädchen von ehrbaren Sitten gegenüber geführte Beweisführung kehrten, gerade weil sie hinkend und unzureichend, ja sogar unpassend und mehr gegen den Disciplinator als für ihn war, die Skrupel erst wieder recht in Callekens Seele ein. Sie forderte schlechtwegs Beweise aus der heiligen Schrift, und zwar bestimmt und schlagend für das heimliche Geisseln, und erklärte, daß sie durchaus ohne dieselben nicht länger mehr an das Gute der von ihr und ihrer Schwester bisher gebrauchten Disciplin glauben könne.

Cornelis, in die gräulichste Verlegenheit gebracht, kam jetzt wieder auf seine Lieblingsmaterie von Verführung durch Betken Maes, die »große Erasmianerin«, zurück, er affektirte tiefe Besorgnisse über die Möglichkeit, daß Calleken vom wahren Glauben abfallen könne, und um sie für die genährten Versuchungen zu bestrafen und zugleich in der Obedienz zu erproben, befahl er ihr, bei dem geschwornen Gelübde, jetzt gleich auf der Stelle sich vor ihm zu entkleiden und die Pönitenz zu empfangen. Er hatte vermuthlich vor, dießmal von der gewöhnlichen Weise abzugehen und sie recht derb für ihren Eigensinn zu züchtigen, oder das Interesse an ihr hatte sich durch den hartnäckigen Widerstand nur noch mehr gesteigert.

Allein Calleken war weit entfernt, ihm Gehorsam zu leisten, und blieb auf ihrer Erklärung: nur durch Beweise aus der Bibel zum alten Glauben an die Nothwendigkeit der Disciplin zurückgebracht werden zu können.

Als der Graurock dieß hörte, stellte er sich ganz entsetzt; er machte ein Kreuz mit allen fünf Fingern, und schrie: Ba, Jesus, Calleken! Gott behüte uns! Gott segne uns! Calleken, mein! was führt doch ihr für eine Sprache? »»Ja, ehrwürdiger Herr! was ist denn so schlimmes daran?«« – »Ba, heilige Maria Mutter Gottes, beschirme uns! Ba, Calleken, wo ist doch eure Obedienz, eure Unterthänigkeit, eure Demuth? Gott, was soll daraus werden? Calleken, redet doch! warum redet ihr nicht?« Endlich nahm sie das Wort wieder, erklärte, daß sie auf Gottes Gnade hoffe und mit dieser ein ehrbarlich, tugendsames, gottesfürchtiges Leben zu führen gedenke. Cornelis warf ihr Verhärtung und Verstocktheit vor; er beklagte sie daß der böse Satanas sie an der Kehle gefaßt habe; er verbot ihr jeden Umgang mit den übrigen Disciplin-Kindern, so wie jede Berathung mit jemand anderm über die Sache, als mit dem heil. Geist. Er bat sie darum bei dem Tode, den Gott gestorben sei; endlich gab er ihr drei Wochen Zeit zum Nachdenken und zur Bekehrung. Die Jungfrau kehrte mit dem festen Vorsatz nach Hause, nirgendswo anders mehr, als in der heil. Schrift Trost und Rath zu suchen.

Nachdem die drei Wochen verstrichen, verfügte sich Calleken in's Franziskaner-Kloster, traf aber gerade den Pater nicht zu Hause. Da fiel es ihr ein, den Guardian selbst zu sprechen und über ihre Bedenklichkeiten um Rath zu fragen. Er erkannte sie sogleich für eine der Beichtöchter des Bruders Cornelius, auch wußte er, daß sie durch einen Eid verbunden sei, niemand anderem, als diesem, zu beichten; daher lehnte er ihre Bitte, ihre Beicht hören zu wollen, anfänglich ab, bis sie erklärte: er möge die Sache nicht als eine Beicht, sondern als eine Berathung ansehen; auf solche Weise sei sie im Stande, ihren Eid zu halten, und zugleich ihr Gewissen zu erleichtern.

Schüchtern fragte ihn nun Calleken, ob er schon von einer heimlichen Disciplin und sekreten Pönitenz etwas gehört habe, welcher Frauenspersonen für ihre innerlichen Sünden und sinnlichen Anfechtungen, Begierden und Gedanken unterworfen werden könnten. Der Guardian bejahete es. Sie fragte weiter: ob er glaube, daß dieselbe zur Seligkeit nothwendig seien? Auch dieß gab der Guardian auf den Fall da zu, daß die Disciplin zu nichts anderem mißbraucht würde. Nun stellte sie an ihn die dritte Frage: ob er Kenntniß von der Art und Weise habe, wie Bruder Cornelis disciplinire.

Jener: nicht so ganz, als ich wohl wünsche. Nun theilte Calleken ihm den Eid mit, den sie dem Pater geschworen, die Geheimnisse der Disciplin niemanden, weder im Vertrauen noch in der Beichte, zu offenbaren, und wünschte die Ansicht zu kennen, welche er von solchen Dingen wohl hege.

Der Guardian gerieth in Verlegenheit, meinte, es sei eine mißliche Sache über derlei gegen fremde Personen sich zu erklären; er befürchtete eine, etwa von Seite der Neuerer, dem Kloster gestellte Falle. Das Mädchen aber rief Gott den Herrn zum Zeugen an, daß sie bei dieser Berathung nichts Anderes suche, als ihr Seelenheil; dabei fielen ihr die Thränen aus den Augen, und sie gestand ihm ihre fürchterlichen Gewissensscrupel, auf eine so rührende Weise, daß der Guardian endlich erweicht wurde, sie tröstete und ihr zu verstehen gab: er wisse wohl mehr von Br. Cornelis Thun und Treiben, als er bis jetzt sich das Ansehen gegeben; allein der große Skandal und alle die bösen Gerüchte und schädliche Folgen, welche daraus für das Kloster hervorgehen würden, stimmten zur Vorsicht und Zurückhaltung; nichtsdestoweniger erschüttere ihr Betragen sein Gewissen, und er fühle sich gezwungen, der Wahrheit die Ehre zu geben, und ihr zu erklären: Br. Cornelis gehöre zu jenen Menschen, von denen Christus gesagt habe: Weh denen, die einen von diesen Kleinsten ärgern; es wäre ihm besser, daß ihm ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.

»Laßt's euch – schloß der Guardian – damit genug sein, meine Tochter; ihr wißt nun, was ihr künftig von der Sache zu halten, und wie ihr euch selbst zu benehmen habt!« Calleken dankte mit großer Ehrerbietung und verließ das Kloster mit dem festen Vorsatze, ihr Lebtag nicht wieder mit P. Cornelis zu sprechen.

Als dieser die drei Wochen verstrichen und Calleken nicht wieder zu ihm kommen sah, witterte er Unrath; er ließ sie demnach durch eine der älteren Disciplin-Töchter zu sich entbieten. Allein sie ließ ihm höflich danken für die Sorgfalt, die er noch fortwährend für sie trage; doch habe sie sich vorgenommen, künftig sich selbst in guter Ordnung zu erhalten, und sich selbst zu »kasteyen, abzustrafen, zu discipliniren und zu pönitenziren« (dieß war die stereotype Phrase des Graubruders); hierauf setzte sie ihn auch in Kenntniß von ihrem Besuche im Kloster, von ihrer veränderten Ansicht hinsichtlich der heimlichen Disciplin, und von ihrer festen Zuversicht, ohne dieselbe mit Gottes Gnade wohl selig zu werden.

Dessen ungeachtet fuhr Cornelis mit seinen Zudringlichkeiten so lange fort, bis sie sich zu einem letzten Gange entschloß, um ihre Protestation gegen alle fernere Theilnahme an der Buß-Sodalität zu vervollständigen. Der Faun empfing sie mit einem verstellten Entsetzen vor ihr, wie vor einem bösen Geiste, und beschwur sie, um alles in der Welt ihrer ketzerischen Starrsinnigkeit zu entsagen; endlich that er sie in den Bann und übergab sie feierlich dem Teufel.

Die Jungfrau hatte bis jetzt ruhig geschwiegen; endlich erhob sie sich mit dem ganzen Stolz und Muthe der mißhandelten Unschuld, und sprach zu ihm: »Weh' euch, ihr fleischlich gesinnter Mensch, der ihr mit all' diesem Nacktauskleiden und Discipliniren nichts gesucht habt, als eure unkeuschen Augen und eure niederträchtigen Begierden zu befriedigen, zum großen Aergerniß und Skandal von so vielen unschuldigen Mädchen! Weh' euch! es wäre besser, daß euch ein Mühlstein an den Hals gehänget und ihr in die Tiefe des Meeres versenkt würdet!«

Cornelis, abwechselnd niedergedonnert und wüthend gemacht, schrie ihr auf diese Anrede zu: das soll nichts helfen! Ich besitze von euch ein Handzeichen, dieser Brief soll euch als Lügnerin zu Schanden machen! Calleken aber erwiederte nochmals unerschrocken: »Weh' euch, ihr ausgefeimter Schalk und Heuchler mit eurem Brief und Handzeichen. Nun stellt es sich erst recht heraus, daß ihr einer derjenigen seid, welche Christus geschildert: vor den Menschen stehen sie gerechtfertigt, aber innerlich voll Betrug, Arglist und Unkeuschheit; übertünchte Gräber, aussen glänzend, inwendig aber voll Moder und Todtengeruch. Auch von Euch hat Paulus recht prophezeiht: in den letzten Tagen wird es Menschen geben, welche einen Schein von geistlichem Leben haben, aber nichts denn hoffärtige, aufgeblasene Lästerer, Friedensstörer, Verräther, Ankläger, ohne Gottesfurcht, Liebhaber der Wollust, der Unkeuschheit und der Begehrlichkeit sind, welche in die Häuser dringen und die Frauen, die mit Sünden beladen sind, gefänglich halten, welche allzeit lehren, aber selbst nimmermehr zur Kenntniß der Wahrheit kommen; Menschen, welche im Verstände verwirrt und im Glauben verworfen sind. Allein ihre Zahl soll fortan nicht mehr zunehmen, denn das Heil wird allen Menschen offenbar werden!«

Kaum ließ Cornelis sie diesen für ihn so schimpflichen Sermon beendigen; er faßte sie beim Arm, schob sie zur Thüre hinaus und schrie wie besessen: »Weg von hier, ihr Paulianerin! ich sehe nun, daß ihr eine Paulianerin geworden seid, wie Betken Maes; weg! weg! ich übergebe euch dem Teufel!«

Hiemit schloß er die Thüre zu. Calleken aber ging ruhig nach Hause, lebte still und gottesfürchtig, und begab sich etwas später in den Ehestand.

Allein, ob sie gleich aus Rücksicht für den Guardian und das Franziskaner-Kloster, so wie für die eigene Ehre und Ruhe, das Geheimniß der Bußanstalt des Graubruders für sich selbst bewahrte, so wurde doch im Jahr 1563 dasselbe durch Betken Maes, deren Geschichte nun auch folgen soll, aller Welt offenbar. Auch Calleken ward vor den Magistrat geladen, um durch ihr Zeugniß die Aussagen jener Person und ehemaligen Buß-Schwester zu bestätigen. Sie entschuldigte sich anfänglich, als man eidlich sie zum Bekenntniß der Wahrheit aufforderte mit dem Handzeichen, welches Br. Cornelis von ihr in Händen habe; allein der Magistrat achtete nicht darauf, sondern drang, nachdem sie die Geschichte jenes Handzeichens auf eine für Jedermann überzeugende Weise mitgetheilt, bei dem den Gesetzen schuldigen Gehorsam, in sie, alles, was sie von der heimlichen Disciplin wisse, zu bekennen. Sie wurde anbei auch gefragt, ob ihr Ehemann Kenntniß davon habe, weßhalb sie vor die Behörde gerufen worden sei. Calleken bejahete es, und erklärte, vor ihrer Verheurathung dem Bräutigam den ganzen Verlauf der Sache erzählt und denselben völlig über ihre Schuldlosigkeit daran beruhigt zu haben.

Das Ungewitter, welches Br. Cornelis schon früher gedroht, von Calleken aber großmüthig zurückgehalten worden war, brach durch eine andere Veranlassung aus, welche der Mönch muthwillig selbst herbeiführte. Eine seiner Sodalinnen, die mehr erwähnte Betken Maes, war allmählig zu Jahren gekommen, und hatte sich aus innerm Berufe und persönlicher Gutmüthigkeit ganz der Krankenpflege gewidmet. Reiche und Arme wurden von ihr ohne Unterschied bedient, und Jedermann, der in den Fall kam, suchte sie zu haben. Ihre große Tugend und Frömmigkeit, ihre edle Gestalt, ihre freundlichen Manieren und angenehme Unterhaltung minderten die Leiden der Kranken; besonders aber erquickte sie dieselben durch ihre Kenntnisse und Gespräche von göttlichen Dingen, worein sie gerne sich einließ. Um diese Zeit machte sie die Bekanntschaft eines Augustiner-Mönchs, Bruder Michel mit Namen, welchen eine ihrer Patientinnen ihr anempfohlen; da derselbe ihr besser zusagte, als Bruder Cornelis, gegen den auch sie seit Längerem Verdacht geschöpft, so wurde die Empfindlichkeit ihres alten Beicht- und Zuchtvaters sehr gereizt. Er fing nach seiner Weise an, sie als Paulistin und Erasmianerin zu verrufen, und warnte alle seine Disciplinkinder eifrig vor jedem Verkehr mit ihr. Er befürchtete durch sie die Zerstörung seiner so schön begründeten und noch immer fröhlich blühenden Anstalt. Betken schwieg zur Zeit über dies Benehmen und seufzte blos im Stillen.

Nun begab es sich aber, daß eine Frau auf das Sterbebette kam, und in der Abergläubigkeit, von der sie befangen war, ihre Wärterin Betken eine Mönchskaputze, die sie verborgen hielt, herbeiholen ließ, um darin ihre letzten Seufzer auszustoßen. Betken forschte nach dem Grunde dieses seltsamen Begehrens, und erfuhr, daß die Kaputze ein kostbares Geschenk des Bruder Cornelis sei, welcher der Frau weiß gemacht, daß sie, wenn sie dieselbe in ihrer Todesstunde anlege, Lossprache aller Sünden und das Fegfeuer sich erspart habe. Die verständige und bibelfeste Jungfrau suchte ihr diese Thorheit auszureden, aber es half nichts; vielmehr ereiferte sich die Kranke, welche sie durch allerlei Vernunft- und Schriftgründe eines Bessern zu überzeugen gesucht, sehr über ihren Mangel an Rechtgläubigkeit. Zu allem Unglück genas sie, statt zu sterben, und kaum konnte sie das Haus verlassen, als sie nichts Eiligeres zu thun hatte, als in das Franziskaner-Kloster zu laufen, und ihrem alten Gewissensrath den Gräuel zu erzählen, der sich mit Betken Maes begeben.

Der Pater gerieth in ungemeine Wuth über den Vorfall, und suchte sein Rachegefühl auf jede Weise zu befriedigen. Er trachtete in allen Privathäusern, wo er Zutritt hatte, Betken als Ketzerin hinzustellen, welche sicherlich noch auf den Scheiterhaufen kommen werde; er donnerte in dem Beichtstuhl, auf der Kanzel, kurz allenthalben gegen das arme Geschöpf, welche vom wahren katholischen Glauben abgefallen und daher im Bann sei. Der Bruder Michael selbst gerieth in große Verdrießlichkeiten, da Cornelis bei dem Provinzial über dessen Umtriebe bei seinen eidverpflichteten Beichtkindern sich beschwerte, so daß derselbe, um nicht mit den Franziskanern, und namentlich mit dem heftigen Manne, den Alles in Brügge fürchtete, in Fehde zu gerathen, sogar den Bann über den schuldlosen Mönch aussprach. In dem Kloster der Karmeliterinnen hatte Cornelis eine Nichte, die er, so wie die übrigen Nonnen, häufig besuchte.

Auch bei diesen verläumdete er Betken Maes, welche sonst immer die freundlichste Aufnahme hier gefunden; man verschloß ihr die Pforte! deßgleichen wies man sie in allen Häusern ab, wo sie sonst wohl gelitten war, und man wollte sie selbst zur Krankenwarte nirgends mehr gebrauchen. Die furchtbaren Worte: »Ketzerin, Abfall vom Glauben, Bann, Scheiterhaufen« u. dgl. scheuchten Alles von ihr zurück. Der Pöbel auf den Straßen verspottete und verfolgte sie.

In dieser Noth beschloß Betken sich selbst zu helfen; sie ging zu den Augustinern und begehrte eine Unterredung mit dem Provinzial, der sonst ein vernünftiger und billig denkender Mann war. Diesem beichtete sie den wahren Grund von des Graubruders Hasse gegen sie, und enthüllte die Geheimnisse seiner feinen Bußanstalt. Er entschloß sich, den Vermittler zu machen, und stellte Cornelis die Gefahren vor, denen er sich aussetzte, wenn er mit Betken nicht seinen Frieden schließe. Als Bedingung desselben ward förmlicher Widerruf des über sie Gesagten auf der Kanzel, im Karmeliterkloster und in den Privathäusern festgesetzt. Mit Mühe und Widerstreben ging der Pater sie ein; aber auf der Kanzel that er den Widerruf auf solch' versteckte Weise, daß fast Niemand verstand, was er sagen wollte. Er schob alle Schuld auf die einfältigen Mittheilungen eines alten Weibes, welchem er so leichtgläubig sein Ohr geliehen. In den Privathäusern blieb es beim Alten, und auch den Karmeliterinnen, bei welchen er erst alles widerrief, wußte er die Nonnen auf ganz arglistige Weise zu mystifiziren. Er ließ überall durch dritte Personen aussprengen, er sei durch die Zudringlichkeiten angesehener Häuser, welche dem Erasmianismus zugethan seien, auf welche er jedoch aus Furcht, dem Kloster zu schaden, Rücksicht nehmen müßte, zum Widerrufe moralisch gleichsam gezwungen worden.

Schon hatten die Karmeliterinnen, unter heftigen Vorwürfen gegen Cornelis, die arme Betken wieder mit offenen Armen aufgenommen, als die letzte Mine von Neuem ihr Vertrauen auf sie schwächte, und die Pforte auf's neue der Bedrängten verschlossen ward. Betken sah sich völlig rechtslos, fürchtete förmlich das Haus zu verlassen, und durchwachte jede Nacht mit Todesschrecken, da sie einen Besuch der Diener der Inquisition oder einen Auflauf des rohen Pöbels gegen sie erwarten mußte. Endlich, als sie keinen andern Ausweg mehr sah, entschloß sie sich zum letzten Mittel mit Seufzen. Sie erzählte in mehreren Wohnungen die Betrügereien des Mönchs und die Einzelnheiten der Pönitenz-Anstalt. Anfänglich nahm man die Sache als ein Märchen und als hervorgegangen aus Rachsucht auf; allein sie verbreitete sich doch allmählig in der Stadt und kam auch dem Magistrate zu Ohren, welcher sowohl im Interesse der öffentlichen Moral, als aus persönlicher Abneigung gegen den verhaßten Mönch, eine Untersuchung beschloß, und zuerst Betken Maes zur genauen Angabe ihrer Geheimnisse vorforderte.

In dem Magistrate selbst hatte Cornelis einen Freund, welcher ihm eiligst Nachricht von dem Vorgefallenen gab, und ihn dringend ermahnte, wo möglich durch Versöhnung mit Betken den drohenden Sturm abzuwenden.

Der Pater lief zum Augustiner-Provinzial, welcher schon einmal den Vermittler gespielt; allein als man die Jungfrau zu einer Unterredung einlud und zur Verschweigung der Geheimnisse des Disciplin Ordens zu bereden suchte, erklärte sie: jetzt sei es zu spät; die Behörde bereits von der Hauptsache unterrichtet und sie außer Stande, wenn sie eidlich zu Geständnissen angehalten würde, solche zu verweigern. Die Karmeliterinnen überhäuften den Heuchler, welcher zweimal sie getäuscht und zur Hartherzigkeit gegen eine arme schuldlose Person getrieben, mit verdienten Vorwürfen. Immer mehr und mehr unterhielt sich das Publikum von der heimlichen Disciplin.

Aber auch jetzt noch wäre Cornelis zu retten und der Handel zu schlichten gewesen, wäre er nur mit einigem Glimpfe zu Werke gegangen. Allein, als bereits die Unterhandlung zur Niederschlagung der Untersuchung angeknüpft worden, wozu vielleicht Rücksichten auf die Ehre mancher Familien triftige Motive genug darboten, konnte es sein zorniges, gallsüchtiges Gemüth nicht bändigen. Er schimpfte auf öffentlicher Kanzel und wo sich Gelegenheit gab, wie ein Rasender auf seine Feinde, namentlich auf den Magistrat, stellte ihn als ketzerisch gesinnt, die gegen ihn ausgestreuten Gerüchte, so wie die Untersuchung selbst als ein Werk des Partheihasses gegen ihn, als Vertheidiger des wahren Glaubens und als eine freche Einmischung der weltlichen Gewalt in Kirchensachen hin, von denen sie nichts verstände und die sie nicht im Geringsten berührte; er drohte mit der heiligen Inquisition und dgl. mehr.

Nun ward die Untersuchung erst recht eine Ehrensache für die öffentliche Behörde. Alle Frauen, Wittwen und Mädchen, welche als Mitglieder der Disciplin-Sodalität angezeigt worden, mußten persönlich zum Verhöre erscheinen. Viele vornehme Damen und Fräuleins befanden sich mit darunter. Die Schaam in vielen Familien über die Entdeckung des langjährigen Unfugs war groß; Jedermann erkannte ihre Unschuld und den groben Pfaffenbetrug; aber nichtsdestoweniger blieb die Mackel des Lächerlichen an den Betroffenen hängen, besonders da viele auch jetzt noch nicht sich von der Täuschung überzeugten und fortwährend an Cornelis Tugend glaubten. Man überhäufte die armen Frauenzimmer mit groben Pasquillen; das Urtheil selbst fiel aus, wie man es in einer Stadt wie Brügge, und in damaliger Zeitlage, erwarten konnte.

Br. Cornelis, dem es zu gut kam, daß keine förmliche Angriffe auf die Ehre der Frauen bewiesen, und dem daher bloß eine unanständige Ausübung der Theorie von Beichtstuhl und Buße zur Last gelegt werden konnte, ward aus der Stadt und nach Ypern gewiesen, d. h. er vertauschte das eine Kloster mit dem andern. Von den frommen Töchtern seiner Zucht aber faßten viele einen solchen Eckel an dem römischen Glauben, daß sie insgeheim sammt ihren Familien zum Kalvinismus abfielen.

Cornelis blieb nur 3 Jahre zu Ypern; schon um das Jahr 1566, als er dachte, sein Handel in Brügge sei vergessen und verschmerzt, hatte er Stirne genug, ohne alle Ermächtigung von Seite seiner Obern, in der Stadt wieder zu erscheinen und sogar öffentlich aufzutreten. Er predigte fortan mit dem wüthendsten und unversöhnlichsten Hasse gegen die Wethouders, gegen die Geusen, gegen den Prinzen von Oranien und gegen die ganze Revolutions- und Reformations-Parthei. Er forderte Galgen, Rad und Scheiterhaufen für die Feinde des katholischen Glaubens und des Königs von Spanien, und war einer der gefürchtetsten Häuptlinge der orthodoxen Partei; indem er besonders auf das Kriegsvolk durch seine giftgeschwollenen populären Vorträge zu wirken suchte. Sonderbar genug erwarb er sich nach allem dem, was vorgefallen, noch einen ungewöhnlich zahlreichen Anhang. Die Disciplingeschichte wußte er als ketzerische Verstümmlung und Verläumdung auszumalen, durch welche die Protestanten und Rebellen einen treuen Wächter der Religion und Gottesfürchtigkeit von seinem Posten zu vertreiben gesucht. Sogar viele Damen glaubten ihm wieder und hielten ihn in allem Ernste für einen heiligen Mann Ph. v. Marnix im Byenkorf (Kapitel von der Ohrenbeichte) behauptet sogar: sie hätten ihn förmlich zurückersehnt und seine Pönitenz neuerdings auf sich genommen, was jedoch etwas unwahrscheinlich klingt.. Er ward sogar mit Heiligen verglichen und in Schriften der einfältigen Flamänder als der »Athanasius von Flandern« hingestellt.

Seine Gegner vergalten ihm den Skandal mit Wucher. Die heimliche Disciplin stand überall im Vordergrunde; auf die ersinnlichste Weise quälte man ihn damit; nicht nur in allen Straßen und Häusern wurden Pasquille ausgestreut, welche an den, mit dem schönen Geschlechte getriebenen Spuck erinnerten und den Eindruck des Lächerlichen und Lasciven wieder auffrischten, sondern selbst im Beichtstuhl und auf Kanzeln fand er solche Spottverse und Flugblätter. All' dieß vermehrte seine Wuth; er schlug bei seinen höchst unflätigen, von den gemeinsten Redensarten wimmelnden Predigten auf die Kanzel, daß sie donnerte und man jeden Augenblick erwartete, es würden Stücke davon den Leuten auf die Köpfe fliegen. Als die Waffen der Geusen siegreich wurden, sank sein Muth in etwas; beim Herannahen des Heeres von Breederoode machte man witzige Anspielungen auf die breede Roode, mit der er früher die Frauen gestäupt und mit der er nun auf etwas empfindlichere Weise durch jenen Anführer gezüchtigt werden sollte. Endlich, im Jahr 1581 bekam seine arme Seele Ruhe. Er starb mit dem Rufe großer Gelehrsamkeit und seine unermüdlichen Feinde sammelten alsbald seine Kanzelreden, und ließen sie, die »wunderliche Historie von der Frauengeisselung« u. s. w. voran, in verschiedenen Ausgaben drucken. Andere seiner Briefe, Missiven und Kolloquien sind in den niederländischen Kirchen- und Ketzer-Geschichten zerstreut zu finden. Ueber den literarischen Theil von Bruder Cornelis vergleiche die Werke von Foppens, Andreä, Swert, Rotermundt, Freitag, E. Münch, sowie die Biographies des célèbres Belges, u. s. w. Er blieb ein Held der Volkssage; mehrere niederländische Schriftsteller nahmen ihn kräftig in Schutz, und der Abbé de Feller, einer der berüchtigten Urheber des Brabänter Aufruhrs gegen Joseph II. ist hierunter nicht der letzte zu nennen. Die Akten selbst über die »Disciplina gynopygica,« wie der bekannte Cassander sie genannt hat, wurden von den Orthodoxen zu Brügge klugerweise vernichtet, nachdem der Protestantismus daselbst so ziemlich ausgerottet worden war.

Da diese, auf lauter authentischen Quellen beruhende Geschichte, die gleichwohl wie ein erotischer Roman erscheint, schlagender als irgend eine andere über die Mysterien des Flagellantismus, als pfäffischen Mißbrauch der ursprünglichen Büß-Doktrin, Licht verbreitet, so haben wir, aus den schon angeführten Gründen, ihr eine größere Ausführlichkeit eingeräumt. Auf jeden Fall gehört sie als wesentliches Aktenstück in die Abtheilung der heimlichen Geißler-Gesellschaften und der mystischen Bußsodalitäten. Der Fanatismus und der Aberglauben bildeten die erste Unterlage; die Sinnlichkeit kam später hinzu und vollendete das Werk.


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