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XIII.
Fernere Spuren von Geißler-Gesellschaften und Buß-Sodalitäten in Deutschland. – Die Historie vom Pater Achnazius zu Düren.

Die Jesuiten wußten in Deutschland das Geissein fortwährend in Ehren zu erhalten. Sie gaben mit ihren Sodalitäten dem Volke ein erhebendes Beispiel. Vor allem aber war dieß in Bayern der Fall. Bayern war das klassische Land ihrer Phantasieen. Die Passionsspiele, die Klöster, die Schulen, die geheimen Klubbs – alles bildete eine innere Einheit in Bezug auf jenen Punkt und man fand gar keinen Anstoß daran. Die Scherze der Lutheraner kamen diesen nicht selten übel zu stehen. In neuester Zeit versuchte man die Sache wieder aufzuwärmen; aber der gesunde Sinn der entschiedenen Mehrzahl widerstreitet den gleich unanständigen, als lächerlichen Lappalien, und die geheimen Jesuiten und Jesuitinnen müssen sich auf verschlossene Kapellen, Zellen und Kammern beschränken, wo Niemand sie an der Bearbeitung des sündigen Fleisches stören wird.

Außer Bayern waren namentlich die Länder der rheinischen Churfürsten und Westphalen Sitze der jesuitischen Sodalitäten und anderer, theils öffentlicher, theils geheimer Klubbs, worin allerlei gegen Religion und Sittlichkeit, unter dem Scheine der Andacht, getrieben wurde. Das Wenigste davon kam an's Tageslicht, doch reicht schon das Bekanntgewordene hin, um einen Maßstab von dem zu geben, was in dem Dunkel der Nacht des Aberglaubens sich spielte. Vor allem machte ein Ereigniß, das von der Zeit der französischen Revolution bis in die ersten Jahre der Regierung Napoleons in der Umgegend von Aachen und Düren sich begab, ungemeines Aufsehen und es entspann sich ein öffentlich verhandelter Prozeß der skandalösesten Art, von welchem wir, im Interesse der Sittlichkeit und Schicklichkeit kaum die gröbsten Umrisse zu geben vermögend sind.

Ein Kapuziner in dem Kloster zu Düren, Namens P. Achazius, übte durch seine Predigten und Beichtsermonen einen außerordentlichen Einfluß auf die Gemüther des Volkes. So faunisch seine Manieren, so häßlich seine Gesichtszüge waren, so überzeugend war der Ruf von seiner Beredsamkeit und exemplarischen Frömmigkeit. Die mystische Sprache, welche er gebrauchte, machte namentlich die Frauenzimmer ihm geneigt und verschiedene ältere und jüngere Damen wählten ihn zum Direktor ihrer geistlichen Uebungen, woran man in jenen Gegenden seit langer Zeit gewöhnt war. Am meisten schmeichelte er sich bei Wittwen und Jungfrauen von reiferem Alter ein.

Eine dieser letzten hatte ihn einige Zeit als Beichtvater gebraucht; da verfiel er auf die Idee, sich die Zeit auf geistliche und weltliche Weise zugleich mit ihr zu verkürzen. Er brachte ihr bei: der Mensch, an und für sich betrachtet, sei unfähig, die Begierden des Herzens völlig zu zähmen; allein der Geist könne tugendhaft bleiben, während der Körper, nach gewöhnlichen Begriffen, sündige; der Geist gehöre Gott, der Körper der Welt; doch repräsentire letzterer selbst wieder in seinen zwei Abtheilungen beide. Gott spreche von dem Körper den obern, die Welt den untern Theil an. Jedem müsse das Seine werden. Die Seele sei daher rein zu bewahren, den Körper müsse man fortsündigen lassen.

Da die Jungfrau noch stattliche Reize genug besaß, um den Appetit des Paters zu wecken, so schlug er ihr eine Andacht vor, in die sie alsbald einging. Nach vollbrachter Beicht mußte sie vor Achazius niederknieen und demüthig Verzeihung für ihre Sünden erflehen, darauf sich bis an die Nieren entblößen. Der Pater nahm nun eine große Ruthe und hieb sie damit; endlich befriedigte er seine thierische Lust an ihr. Sie mußte beim Fortgehen versprechen, auch andere Frauenzimmer ihrer Bekanntschaft zu gewinnen. Dieß geschah in der That; mit einigen Freundinnen von vorgerücktem Alter ward der Anfang gemacht und dadurch der Weg auch zu Jüngern, meist verheiratheten, gebahnt. Ebenso wußte man eine Anzahl anderer Geistlichen mit in die Sache zu ziehen. Allmählig bildete sich ein förmlicher adamitischer Flagellantenklubb, worin alles Gräuliche getrieben ward, was niederzuschreiben, wir erröthen würden.

Gewöhnlich spielte die Geisselung eine Hauptrolle; Achazius ließ einen ganzen Ergel mit Essig und Salz gefüllt, herbeischaffen, in welchen die »geweihten Ruthen« gesteckt wurden. Damit wüthete er, wenn die geistlichen Exercitien vorüber, ganz entsetzlich herum. Darauf und nach den Akten der Brutalität hielt man leckere Tafel.

Die Sache kam erst nach einigen Jahren an's Licht, in Folge der Geständnisse, welche eine aus ihrem Kloster entführte junge Nonne, nach ihrer Verheirathung mit einem französischen Offizier zu machen sich gedrungen fühlte. Eine Untersuchung ward angestellt, die sehr lange dauerte, die eine große Zahl von Individuen, selbst aus angesehenen Ständen, mit verwickelte und dicke Stöße von Akten aufhäufte. Es befanden sich unter ihnen höchst liebenswürdige und vor dem Eintritt in die Sodalität sittlich reine Frauen. Eine derselben, welche noch vor kurzer Zeit gelebt hat und die Gattin eines Papierfabrikanten gewesen sein soll, gestand in den Verhören und an Bekannte, welche über ihren seltsamen Geschmack an einem so häßlichen Menschen, wie Achazius, Erstaunen ausdrückten; derselbe hätte sie ganz bezaubert, so daß sie mit unendlicher Neigung ihm zugethan worden und willenlos, wie ein Kind, zu allem sich hergegeben habe; mit den geweihten Ruthen habe er sie so sehr geschlagen, daß sie bisweilen gezwungen gewesen sei, unter irgend einem andern Vorwande über drei Wochen lang das Bette zu hüten. Die übrigen Dinge, welche die Dame angab, sind nicht mittheilbar, doch machten sie selbst der Phantasie der Autors der Justine Ehre.

Dieser Einzelnheiten gab es so viele, und der geistliche Stand war durch Achazius und seine Theilnehmer so stark komprommittirt, daß Napoleon aus politischen Gründen dem Generalprokurator befahl, den ganzen Prozeß niederzuschlagen. Achazius ward in einem Kloster enge eingesperrt, was seine ganze Strafe blieb. Die Akten kamen später an den königlichen Gerichtshof in Lüttich, sind aber in Folge von Bestechungen einzelner Familien, welche die Denkmale ihrer Schmach zu vertilgen wünschten, ziemlich geplündert worden, so daß die stärksten species facti nicht mehr existiren. Dagegen machte der plattdeutsche Volkswitz in allerlei Karrikaturen, Flugblättern und Bildern sich Luft, bis es der Geistlichkeit gelang, den größten Theil davon einzusammeln. Nach E. Münch's Aletheia VIII. u. IX. auf mündliche Mittheilungen des betreffenden Generalprokurators und seiner Substituten erzählt; doch haben wir auch von andern Zeitgenossen, die an Ort und Stelle gewohnt, die Sache bestätigen hören. Die Schriften darüber konnten wir nicht auftreiben.

Die Sagen, von Erneuerung solcher Dinge in mehreren Städten des Niederrheins und Belgiens, wo die neuen Jesuiten wiederum mächtigen Einfluß gewonnen, wollen wir, als nicht mehr denn Sagen, gelten lassen, da die juristischen Beweise fehlen.


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