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XI.
Stehende Büß- und Geissel-Brüderschaften nach dem 13ten Jahrhundert.

Außer den großen, vorübergehenden Geisselfahrten fand man in verschiedenen Ländern Europa's auch stehende sogenannte Brüderschaften oder Sodalitäten Sodalitates, Scholae, Confraternitates, Fratriae, Fratuleae., in welchen die Geisselbuße sehr üblich war. Sie trieben weit mehr heimlich; oder doch bei verschlossenen Thüren, als öffentlich ihr Wesen und wurden von den Regierungen mit besonderer Wachsamkeit beobachtet und mit Strenge verfolgt, besonders da man sie sehr häufig mit andern staatsgefährlichen Gesellschaften verwechselte. Viele erschienen auch öffentlich in bestimmten Kirchen und hielten feierliche Prozessionen. Italien wies die meisten solcher Brüderschaften auf, und das Vorbild dazu, was die Form betrifft, ward von den politischen Vereinen, die während des Kampfes der zwei großen Parteien so gewöhnlich waren, hergenommen Die bekanntesten hießen: Compagnie della Scopa, de' Battutti, Flagellanti Scopatori, Disciplinati.. In ihnen setzten die unterdrückten größern Geisselfahrten sich fort. Schon im Jahre 1260 findet man eine Geisselbrüderschaft zu Piacenza, in dem Oratorium des heil. Petrus, in Venedig die Gesellschaft der Liebe, und (1261) die des heil. Evangelisten Johannes eben so in Genua; selbst in Rom entstand eine solche. Mantua besaß eine Sodalität des Todes und Bologna der heil. Maria des Lebens. Der heil. Raimo ward als ihr Stifter betrachtet. Man bezeigte ihnen große Ehren und rühmte ihnen wunderbare Dinge nach.

Von den bereits beschriebenen Bianchi's bildeten sich während und nach der Auflösung (gegen 1399) des Hauptzuges, eine Menge von Buß-Compagnien, die stets in weißen Kleidern Kirchen und geweihte Stätten besuchten, Götterdienste erstatteten und sodann sich unter mehr oder minder bekannten Förmlichkeiten geisselten. Sie trugen an ihrem Gewande eine Kaputze, die sie über das Gesicht zogen, oder Mützen, womit sie dasselbe bedeckten; für die Augen waren zwei Löcher und ein großes auch in den Rücken geschnitten, um ohne Aufhalt die Streiche empfangen zu können. Die Behörden der Städte, wo die Battuti ihr Wesen trieben, sahen die Sache allmählig mit andern Augen an, als zuvor; es mischte sich gar viel Materielles, Politisches in dieselbe, so daß man auf Beschränkung ihrer Wirksamkeit dachte. Sie mußten mit unbedecktem Gesichte ihre Uebungen vornehmen, um der Polizei gleich kenntlich zu sein; später untersagte man förmlich die Errichtung jeder Buß-Compagnie ohne ausdrückliche Einwilligung der Magistrate.

Von den bereits bestehenden erhielten sich jedoch noch manche bis in's 16. Jahrhundert hinein und selbst die Reformation rottete sie nicht ganz aus. Pasquino hatte oft viel mit ihnen zu thun. Natürlich waren sie zu den Zeiten Alexanders VI. und Leo's X. lächerlich und unpraktisch geworden; auch hatten sich in ihre Regeln und Uebungen so vielerlei Unordnungen eingeschlichen, welche die geistreichen Satyriker jener Zeit, zumal Marcellus Palingenius, Baptista Mantuanus, Curio Sekundus und Andere mit blutiger Satyre zu schildern wußten, daß Bischöfe und Conzilien ihnen Reform auferlegten. Die Geisselbrüderschaften fanden namentlich an den Prälaten aus dem Jesuitenorden kräftige Anwälte und unter allen zeichnete sich der Kardinal Karl Borromäus, Erzbischof von Mailand, durch seinen Eifer für sie und ihre Herstellung in gereinigter Form aus. Doch darüber ein Mehreres in dem Kapitel von den Jesuiten und ihren Verdiensten um den Flagellantismus.


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