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XVII.
Die Geisselung als freiwillige und auferlegte Disciplin in den Mönchsklöstern. – Die Karmeliter und Karmeliterinnen, mit besonderer Beziehung auf Katharina v. Cardona und die heil. Theresia und deren Reform.

Von den Sekten, Gesellschaften, Brüderschaften, Sodalitäten und Quasi-Sodalitäten der öffentlichen und heimlichen Flagellanten mit und ohne religiösen Zwecke, so wie von den in Folge grobpfäffischen Betruges entstandenen Choses célèbres einiger in der Geschichte berüchtigten Flagellomanen in älterer und neuerer Zeit, wenden wir uns zu einer andern Hauptpartie des von uns behandelten Gegenstandes, nämlich zum Flagellantismus als Klosterdisciplin in den verschiedenen Mönchsorden der christlichen Welt.

Helyot, der gründliche Verfasser des großen Werkes über die Mönchsorden, hat diese Materie in tiefem Ernste, Walch, nach Helyot und nach französischen Mustern zugleich, halb ernst- halb scherzweise beleuchtet; seiner Arbeit fehlt es nicht an Gründlichkeit, wohl aber an Ordnung, Geist, Geschmack und Takt. Alles ist unter einander geworfen; um witzig zu sein, ist der Styl zu trocken, und für eine rein gelehrte Arbeit ist zu viel des Französisch-Frivolen eingestreut. Nichts destoweniger hat auch dieses Werk wesentliche Verdienste. Oberflächlich ist die von Thiers gegebene Uebersicht von Beispielen, welche er Boileaus Angaben und Gründen gegenüber stellt. Boileau selbst liefert nur eine kleine Zahl bestimmter Thatsachen und auch diese nach seiner gewöhnlichen diffusen Weise. Vollständiger ist Gretser in seiner Apologie für die Disciplinen; mit unsäglicher Mühe schleppte er allerwärts den für seinen zärtlich gehegten Liebling, die freiwillige Geisselung, passenden Stoff zusammen. Wir beschränken uns hier darauf, die wesentlichsten Thatsachen, Vorschriften und Gebräuche, welche auf die Disciplin in den bekanntesten Mönchs- und Frauenklöstern Bezug haben, nach den verschiedenen Orten und Perioden den Lesern mitzutheilen. Auch in dieser Parthie, bei welcher wir stets der historischen Treue uns befleißigen, werden sie des Ergötzlichen und Heiterplastischen genug treffen, was natürlich die Sache an und für sich selbst schon mitbringt.

Im Orient findet man außer den Mönchen auf dem Nitrischen Gebirge, von denen ein Schwarm die schöne Philosophin Hypatia so grausam einst getödtet, wenig Beispiele von Disciplin durch förmliche Geisselung, wiewohl die Bußübungen und Fleisches-Abtödtungen im Ganzen sehr streng waren. Desto mehr kam sie im Occident mit dem eilften Jahrhundert in Aufnahme. Die religiösen Orden führten sie hintereinander bei sich ein.

Karmeliter.

Die ursprünglichen Regeln der Karmeliter gehörten zu den vernünftigsten, welche man in der Mönchswelt trifft. Von Geisselungen und andern andächtigen Qualen befand sich nichts oder nur weniges darin. Erst durch spätere Reformen, zumal jene, welche die heil. Theresia und ihr Gehülfe, Johann vom Kreuze, dem Orden gaben, und woraus die unbeschuhten oder Baarfüsser-Karmeliter und Karmeliterinnen entstanden sind, ward eine strenge Lebensart und namentlich die sehr häufige Geisselung, verbunden mit einer Menge anderer Geistes-Demüthigungen, eingeführt.

Jeden Montag, Mittwoch und Freitag nach der Komplet nahmen die Mönche, alle Ferien und Feiertage die Nonnen, die Disciplin und zwar mit Ruthen. Das Miserere ward dazwischen gebetet; gewöhnlich kam es bis zum Blutvergießen. Dieß war die ordentliche Buß-Andacht; für die außerordentliche mußte eine besondere Erlaubniß nachgesucht werden. Man liest Beispiele, die bis an Raserei gränzen, und da, wo die Leute es öffentlich trieben, wurden alle Zuschauer mit Entsetzen erfüllt. Viele geisselten sich selbst in der Nacht, andere zweimal täglich, noch Andere, besonders während der Fastenzeit, drei- und viermal. Wenn die Tage kamen, wo, nach bestehendem Statut, der Superior allen seinen Religiosen die Disciplin zu geben hatte, so war es für diese ein wahres Freudenfest. Sie fielen auf die Kniee und entblößten mit Demuth und Freude ihren Rücken der Geissel. Einer gewissen Schwester Maria vom heil. Sakramente schien die ordentliche Disciplin nicht ausreichend; sie wußte Rath, nahm einen Kesselhacken und schlug sich damit. Ein gewisser Pater Alexander ging im Andachtseifer so weit, daß, wenn er sich die Disciplin nicht geben konnte, er sich dieselbe von seinem Novitzen verabreichen ließ; und war auch dieß nicht immer möglich, so nahm er doch wenigstens die Stellung eines solchen an, der die Disciplin erhält und verrichtete somit die heilige Uebung im Geiste.

Im Kloster zu Pastrane sah man eine eigene Zelle, welche gleichsam als das Magazin all' solcher Instrumente von Pönitenz und Peinigung anzusehen war. Jeder Novitze hatte das Recht, sich darin dasjenige Stück auszusuchen, welches ihm für seine Andacht das passendste schien. Eine furchtbare Gattung von Mortification war das sogenannte Ecce homo. Der Anführer der Reihe ging nackend bis an den Gürtel, das Gesicht mit Asche bedeckt, mit einem schweren hölzernen Kreuze unter dem linken Arm, einer Dornenkrone auf dem Haupt und mit der Geissel in der Rechten, mehrmals in dem Refektorium auf und nieder, indem er sich peitschte und mit kläglich-jammernder Stimme einige eigens für den Anlaß verfaßte Gebete hersagte.

Die Nonne Catharina von Cardona behauptete jedoch nach der heil. Theresia, unter allen Karmeliterinnen den unbestrittensten Vorrang in rasender Schwärmerei. Sie trug, selbst zur Zeit wo sie noch am spanischen Hofe lebte, ein abscheuliches Cilicium, welches förmlich in das Fleisch einschnitt, und eiserne Ketten um den Leib; sie geisselte sich so oft sie konnte, mit Disciplinen von Ketten und Häkchen. Darauf faßte sie den Entschluß, in eine Einöde sich zu begeben. Sie verkleidete sich als Eremit, nahm eine gröbere Stimme an, um desto unerkannter zu bleiben, und führte fortan in größter Abgeschiedenheit ein Leben voll der schrecklichsten Kasteiungen und Fleischeskreuzigungen. Eine enge Höhle oder Grotte diente ihr zur Wohnung, die bloße Erde (in jeder Jahrszeit) zum Bette, ein großer Stein zum Kopfkissen, ihr grobes Kleid zur Decke. Mit allen möglichen Peitsch- und andern Marterwerkzeugen war sie reichlich versehen. Selbst unter ihrem Kleide trug sie noch ein Röckchen, welches aus einer Matte von spanischem Ginst und aus scharfem, spitzigem Haartuch verfertigt und welches mit eisernen, theils als Wollkämme, theils als Reibeisen aussehenden Platten besetzt war. Den Leib preßte sie sich mit Ketten, darin eine Menge scharfer Spitzen, angebracht worden. Oftmal geisselte sie sich zwei bis drei Stunden lang; in den Disciplinen waren Nadeln, Dornen, Rosenzweige und andere dergleichen Dinge eingeflochten.

Diese Flagellantin par excellence zermarterte sich nicht nur den ganzen lieben Tag hindurch, sondern selbst zur Nachtzeit vergönnte sie sich keine Ruhe noch Schonung. Sie schlief in einem Hemde, mit welchem angethan, sie gleich Guatimozin in voller Wahrheit sagen konnte, daß sie nicht auf Rosen ruhe. Zuletzt stieg ihr Wahnsinn zu solchem Grade, daß sie wie ein Schaaf auf der Erde herumkroch und das rohe Gras, gleich den Waldeseln, mit dem Munde auffraß, ohne sich der Hände zu bedienen.

Allein unsere Katharina hatte auch ein erhabenes Muster oder wenigstens einen ihr gleichkommenden, und theilweise an Genialität sie selbst übertreffenden Pendant an der berühmten heil. Theresia gehabt, einer der Hauptorakel des mystischen Mönchthums und einer der Kirchenmütter des Flagellantismus, um mich so auszudrücken. Der Verfasser dieses Werkes hat in seiner reifern Jugend einen Priester gekannt, welcher bei Erwähnung ihres Namens jederzeit Thränen vergoß und ihr und der heil. Agathe zu Ehren, in jedes Glas Wein, das er trank, eben so viel laues Wasser goß. Auf sein hierüber bezeigtes Befremden erklärte er ihm: die beiden Heiliginnen hätten es jederzeit so gemacht und ihren geistlichen Freunden zur Nachahmung empfohlen, wenn eine fleischliche Versuchung sie überfallen sollte. Der Verfasser leerte hierauf, unter Gelächter, ein volles Glas Eilfer und bemerkte, daß er selbst keine dergleichen Versuchungen fühle und somit den betreffenden Verehrern der beiden Heiligen die Wasser-Kur in eintretenden Fällen überlassen müsse.

Theresiens Charakter war schon in frühester Jugend äußerst schwärmerisch; sie besaß von Natur aus eine besonders feurige Einbildungskraft, welche in späteren Jahren, da man ihre Erziehung verwahrloste, durch das Einsaugen verkehrter Religionsbegriffe und der schlechten Moral jenes Jahrhunderts, noch gesteigert wurde. Hiezu kamen dann noch der geistliche Stolz und der den Spanierinnen eigene Hang zum Abentheuerlichen, eine hysterische Leibeskonstitution und eine melancholische Seelen-Stimmung. Was anfänglich Enthusiasmus gewesen, ward allmählig förmliche Tollheit.

Schon als Mädchen von 7 Jahren las sie gemeinschaftlich mit ihrem älteren Bruder am allerliebsten die Lebensbeschreibungen der Heiligen. Die Flagellationen, die übrigen Martern und die glorreichen Verdienste derselben erfüllten sie so sehr, daß sie den Entschluß faßten, in's Land der Mauren zu gehen, und daselbst, um Christi willen, sich geisseln, martern, schänden, tödten zu lassen. Beide Geschwister wurden jedoch mitten in der Ausführung überrascht und erhielten einstweilen, bis daß sie den Ungläubigen in die Hände zu fallen Gelegenheit finden würden, von verwandter christlicher Hand tüchtig die Ruthe. Allein dieses erste Abentheuer gefiel unserer kleinen frommen Freundin so sehr, daß sie zum mindesten auf des Vaters Gütern eine Art Eremitenleben führte, ganz nach dem Muster jener unerreichbaren Helden der Ascetik, der Anachoreten Syriens und Aegyptens.

In Theresiens zwölftem Lebensjahre lösten die Ritter- und Liebes-Romane die Heiligenbücher und Legenden ab. Diese etwas pikantere Kost behagte dem phantasievollen, liebeglühenden Mädchen so sehr, daß ihr Vater, ein sehr vorsichtiger und gut-katholischer Mann, Bangen trug, sie ferner in der Welt zu lassen und in einem Kloster sie in die Kost gab.

Hier fing sie auf einmal wieder für den Mysticismus Feuer und wiederholte Kränklichkeit, eine Folge überreizter Sinne, bestimmte sie zum Entschlusse, der gottlosen Welt zu entsagen und ganz dem Himmel sich zu weihen. Als Novitzin zeichnete sie sich vor allen andern Jungfrauen in der Begierde nach körperlicher Kasteiung aus; die Ruthe, die Geissel, das Cilicium warden ihre vertrautesten Freunde. Wo sie ging und stand erschien ihr der Heiland, in der Gestalt, wie er von den Juden gegeisselt wurde. Sie ließ sich einkleiden, geisselte Andere und ließ sich geisseln. In der Geisselung lag ihre Wonne, ihre Seeligkeit. Sie hätte ihr Leben darum gegeben, die ganze Welt zusammengeisseln und wiederum sich selbst von der ganzen Welt discipliniren lassen zu können. Sie gewann bald durch ihren wüthend-energischen Tugendeifer ein Ansehen über alle Karmeliter-Klöster beiderlei Geschlechts und die Mönche schämten sich, in Ausübung frommer Bußpflichten hinter jenen Nonnen zu stehen, denen Theresia voranleuchtete. So gaben denn auch sie sich härtere Gesetze und unsere Dame tritt als Reformatorin von lange dauerndem Einfluß und Gewicht im Karmeliter-Orden auf.

Theresia übte eine Art Diktatur aus, welche von denselben mit unbedingter Ehrfurcht und Ergebenheit anerkannt wurde. Nichts desto weniger gab es noch oft seltsame Excesse, da junge Männer in Nonnen- und Nonnen in Mönchstracht sich unter die Angehörigen des einen und andern Klosters schlichen.

Den armen Novitzen hatte ihre Reform einen harten Stand bereitet; alle Statuten, besonders die der Pönitenz, wurden bedeutend verschärft. Man strafte sie bei jeder Gelegenheit und um der kleinsten Versehen willen. Bisweilen wurden ihnen Papiere auf dem bloßen Rücken verbrannt. Sie mußten sich zu einem blinden Gehorsam gewöhnen. Von Zeit zu Zeit wurden sie ganz erbärmlich gegeisselt; der Novitzen-Meister stellte sich dann, als wolle er sie fortjagen; hierauf mußten sie um geschärfte Züchtigung bitten und abermals den Streichen sich aussetzen, unter Geberden und Bewegungen wie wilde Affen. Jede Art Lächerlichkeit ward an ihnen ausgeübt; sogar Knebelhölzer befestigte man ihnen über die Lippen, bis das Blut heraussprang; oder man band ihnen die Augen zu, und sie mußten wie die Hunde auf allen Vieren kriechen, um die Thüre zu suchen und den Ausgang zu finden. Erst, wenn sie die Augen gen Himmel aufschlagen wollten, durften sie um Erlaubniß bitten, wieder in den Rang der übrigen Menschen zu treten.

In den Konstitutionen der Karmeliter finden sich eine Menge Bestimmungen über die Art und Weise, wie sie die Disciplin zu empfangen hätten. Der Novitze, welcher, in diesem Falle sich befand, mußte niederknieen, Gürtel und Rock losmachen, sein Skapulier rückwärts über den Kopf werfen und sodann den Rücken entblößen. Abwechselnd strich man denselben mit Geisseln und mit Ruthen. Nach vollbrachtem Danke mußten sie den Saum des Skapuliers des Meister Züchtigers küssen und für die empfangene Strafe sich bedanken. In vielen Klöstern war ein eigenes Magazin mit Ruthen aufgehäuft.

Ein begeisterndes Beispiel besonders scharfer Geisselbuße gab der berüchtigte Pater Alexander. Er befahl einem gewissen Pater Seraphim, dem er einst Rechnungen für das Kloster auf dem bloßen Rücken angezündet, in Charenton sein Skapulier abzulegen und dafür ein anderes, kleineres, so wie seine Nachtmütze zu nehmen. Statt des Gürtels reichte er ihm einen Strick und befahl ihm, in diesem Aufzuge allen Handlungen und Uebungen des Klosters beizuwohnen. Als Pönitenz legte er ihm auf. sich einer Geisselung auf den empfindlichsten Theilen der Schulter zu unterziehen. Darin bestand fortan sein tägliches Brod Er mußte in das Oratorium sich begeben und daselbst demüthiglich um die heilige Labe bitten. Auf dem Fußboden des Altars bekam er einst eine Tracht Schläge, als Ouvertüre der flagellatorischen Oper; darauf kamen die Novitzen, deren jeder ihm drei Geisseihiebe versetzen und darauf in's Angesicht spucken mußte. Nach dem Pater Seraphim wurde auch sein Begleiter zu ähnlichem Empfange zugelassen. Bisweilen behandelte man sie, um sie zu demüthigen und ihren Geist niederzudrücken, wie kleine Kinder; man wickelte sie in Windeln, man strich ihnen Brei ein, legte sie über den Schoos und schillingte sie; dann führte man wieder heilige Komödien und Tragödien auf, in welchen das Laster sich erbrach und die Tugend wohlbehaglich sich zu Tische setzte.

Dieselben wunderlichen Dinge wurden auch mit den Nonnen vorgenommen. Es gab in ihrer reformirten Regel leichte, mittlere und schwere Sündenschuld und dieser entsprach auch die Pönitenz. Einige werden an besondern Orten, andere vor der ganzen Versammlung durch die Frau Superiorin oder eine von ihr Delegirte gegeisselt. Dieser, der erstere leichtere Fall tritt dann ein, wenn eine Nonne ohne Erlaubniß in die Küche, oder in das Backhaus geht, oder mit ihrem Kopfputze die edle Zeit verliert, welche ausschließlich der Andacht gewidmet sein sollte.

Strenger war man in Betreff des Sprachzimmers, dieses ersten Heiligthumes weiblich-heroischer Entsagung. Das geringste Versehen ward hier geahndet und keinerlei Entschuldigung angenommen. Mit Recht; denn die Erfahrung hatte deutlich genug gezeigt, welch' unübersehbare Folgen eine laxe Nachsicht in diesem Punkte herbeigeführt. Man ertheilte daher den guten Schwestern nur spärlich die Erlaubniß diesen Lieblingsort zu besuchen und um alle Extravaganzen zu vermeiden, ward dem betreffenden Individuum jedesmal eine ältere Nonne beigegeben, welche ihre Schritte und Handlungen beaufsichtigte. Verging sich nun ihre Schwester unglücklicherweise in Gesprächen über lauter weltliche Dinge, so ward sie, wenn es zum drittenmal vorgefallen, neun Tage lang in's Gefängniß gesteckt und jeden dritten Tag im Refektorium gegeisselt. Derselben Strafe blieb die Aufseherin unterworfen, wenn sie es versäumt hatte, der Priorin bei Zeiten die gehörige Anzeige von dem Vorgefallenen zu machen.

Die eigentlich schwere Schuld trat dann ein, wenn man ohne Erlaubniß im Sprachzimmer erschien, selbst ohne ein Wort darin zu sprechen. Drei Geisselungen vor den gesammten Schwestern und drei Tage Fasten bei Wasser und Brod sühnten solchen Frevel. Das Unerhörte aber war, wenn man in dem Saale nicht nur einfach sich einfand, sondern sogar sprach. Die Statuten beschließen hierüber Folgendes: Die Nonne, die dieses fürchterlichen Verbrechens sich schuldig gemacht hat, muß auf den Boden sich niederwerfen und demüthig um Vergebung flehen. Sodann entblößt sie ihre Schultern und empfängt die Geissel, so lange und so scharf, als die Priorin es für gut finden wird. In dieser Situation wartet sie völlig zerknirscht den Befehl ab, wieder aufzustehen; sie verfügt sich in die ihr angewiesene Zelle, verliert Sitz und Stimme im Kapitel und ist die niedrigste und letzte, bis die Genugthuung für ihr Verbrechen völlig erfolgt ist. Während der Mahlzeit hat sie sich, ganz nackt und nur mit einem Mäntelchen bedeckt, mitten in dem Refektorium auf die Erde zu legen und erhält zur Azung nichts als Wasser und Brod. Während der Horen wirft sie sich vor die Thüre des Chores nieder und die Schwestern schreiten über sie hin und treten sie mit Füßen.

In der Theresianischen Reform wurde sonderbarerweise nichts so stark bestraft, als das zu viele Arbeiten oder die Neugierde, selbst wenn sie auf heilige Dinge sich erstreckte, oder ein heiteres Lächeln. Mönch und Nonne bekamen hiefür alsbald die Disciplin oder mußten schimpfliche Geschäfte verrichten.

Die beschuhten und die graduirten Karmeliter genossen einige Erleichterungen und Vorrechte; aber das Studium war kein hinreichender Vorwand, um vom Besuche der Kirchenstunden und Andachtsübungen zu dispensiren. Die Säumigen bekamen drei Tage lang hintereinander die Ruthe. Auch wußte man tausend Spitzfindigkeiten herauszuklauben, um scheinbar mit einem Grunde Rechtens den geistlichen oder gelehrten Hochmuth aus dem sündigen Leibe herauszutreiben. Das Lesen verbotener Bücher, Faulheit beim Gottesdienste, allzufrühes Aufstehen in den Horen, Fallenlassen irgend einer Speise u. dgl. ward unverzüglich mit Geisselung bestraft, und da dieselbe in dem Karmeliterorden das tägliche Brod bildet, so wurden denn auch durch besondere Verfügung die Leibröcke und groben Hemden der Mönche mit einem hinlänglich weiten Schlitze versehen, damit sie ihre Schultern weit genug entblößen und der heiligen Disciplin in aller Demuth und Andacht hinlänglichen Spielraum verschaffen konnten.

Der Sündenschulden, welche durch Pönitenzen gesühnt werden mußten, gab es fünf Klassen oder Abstufungen: 1) die leichte, 2) die mittlere, 3) die schwere, 4) die schwerere, 5) die allerschwerste. Nach diesen Graden richteten sich natürlich die Strafen.

In die erste Klasse fielen die ganz geringen Vergehen, und die Strafe derselben bestand darin, daß die Betreffenden entweder dem Prior oder irgend einem Mitreligiosen Füße, oder Kutte oder Skapulier küssen, dieselben mochten so schmutzig sein als sie wollten.

In die zweite, Vergehen gegen die Chor-, Sang-, Tags-, Tisch- und Gesprächordnung. Die Fehlenden bekommen hiefür eine einfache Disciplin; sie wird geschärft, sobald er es unterläßt, sich selbst anzuzeigen.

Zu den schweren Uebertretungen gehörte die Nachlässigkeit in Nachahmung des Superiors bei den Ceremonien und beim Chorsingen; ferner Naschhaftigkeit in Auswahl der Speisen, der Bruch des Stillschweigens im Chor, Speisesaal oder Schlafzimmer, im Verschluß oder in der Zelle; das Schlafen oder Skapulier; das nächtliche Verlassen der Kammer oder unnützes Geräuschmachen darin; das Aderlassen ohne Erlaubniß des Priors; der Gebrauch von Messern, welche nicht die vorschriftmäßige Form haben. In diesem Fall hat man einen Ausweg, glimpflicher durchzukommen, nämlich, wenn man sich selber anklagt; es bleibt dann bei einigen Tagen Fasten mit Wasser und Brod und bei zwei Geisselungen in pleno; sonst aber kömmt ein Fasttag und eine Tracht Hiebe mehr dazu.

Als schwerere Sündenschuld wird angenommen: 1) wenn man in der Komplet ohne eine weiße Kappe erscheint; 2) wenn man am zweiten Tisch andere Speisen ißt, als am ersten; 3) wenn man ohne Erlaubniß der Obern außerhalb des Klosters speist; 4) wenn man im Refektorium sich mit weltlichen Personen zu Tische setzt; 5) wenn man nackend schläft; 6) wenn die nächtliche Visitation der Zellen der andern Brüder versäumt wird; 7) wenn man Buden in der Nähe des Klosters allein, statt in Gesellschaft besucht; 8) wenn man bei der allgemeinen Kommunion fehlt; 9) wenn man nicht sämmtlichen Patres den gehörigen Respekt bezeigt; 10) wenn man ohne Erlaubnis Jemanden auf die Bibliothek führt oder ihn daselbst allein läßt Eine ungemein praktische Bestimmung, für die der Verf. aus seinen Jugendjahren triftige Gründe anbringen könnte. Gibt es doch katholische Professoren, welche den Bücherdiebstahl in Schutz genommen und ihrer dießfallsigen Thaten in öffentlichen Vorlesungen sich gerühmt haben.; 11) wenn man mit Nonnen briefwechselt. In allen diesen Fällen wird dem Betretenen die Ruthenstrafe zuerkannt. Er muß hiezu im Refektorium vor dem Superior sich auskleiden, und nach vollzogener Strafe, auf der Erde sitzend, mit Wasser und Brod auf einem hölzernen Teller sich begnügen.

Unter die Sünden der allerschwersten Art gehören außer vielen andern Dingen, namentlich die, welche sich auf vertrauliche Verhältnisse mit hübschen Klosterfrauen beziehen. Die Gefängniß- und die Leibesstrafen steigern sich hier. Eines, das nicht genannt wird, das aber oft in dem Orden muß vorgekommen sein, wird auf den bloßen Verdacht hin und ohne Hoffnung irgend einer Milderung und Barmherzigkeit mit ewigem Gefängniß geahndet, und zwar lautet der furchtbare Beisatz: um daselbst erbärmlich gequält zu werden. Man weiß, was derselbe in der Mönchssprache zu bedeuten hat.

Bei der an Hauptverbrechern vollzogenen Tortur spielte die schärfste Geisselung eine Hauptrolle; oft setzte man noch den Gepeitschten, hungernd und dürstend und nackt ausgekleidet, der Kälte aus oder fesselte ihn an einen hölzernen Block an Hist. des ordres monast. – Walch pragm. Geschichte. I..


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