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VII.
Erster Widerstand der geistlichen und weltlichen Macht gegen den Flagellantismus. – Erste Schriften gegen denselben. – Erneuerung der Geisselfahrten m Italien.

Der Papst und der Kaiser, durch eine Menge Unordnungen, welche die Sache mit sich brachte und durch die Störung aller gesellschaftlichen Verhältnisse, so wie durch die Uebertretung geistlicher und weltlicher Satzungen und durch den der Klerisei gebotenen Trotz und Hohn aus ihrer Unthätigkeit abgeschreckt, erließen hinter einander scharfe Verordnungen gegen öffentliche Geisselfahrten und Geisselungen. Unter Androhung des Kirchenbannes der weitesten Sentenz wurden dieselben eingestellt und den darnach Lechzenden die Weisung ertheilt, solches zu Hause in ihren Kammern vorzunehmen. Die weltlichen Behörden schritten an vielen Orten noch kräftiger, als die geistlichen, ein, bei denen, namentlich bei einigen flagellophilen Kardinälen, jene bisweilen Schutz fanden. Man dichtete ihnen, je hartnäckiger sie gegen ihre Auflösung ankämpften, immer schwerere Verbrechen und gröbere Ausschweifungen an, um sie in der Volksmeinung moralisch zu zernichten.

Dieses letztere gelang jedoch nicht so leicht, wie Kaiser und Papst es geglaubt. Der gemeine Haufen nahm sich ihrer gar zu gerne an, besonders da sie die Theorie des Ungehorsams gegen weltliche Obrigkeit, der man weniger, als Gott zu gehorchen hätte, mit vieler Fertigkeit auszulegen und zu verbreiten wußten. Auch bildeten sie eine Art Zufluchtsstätte für Verbrecher und liederliches Gesindel; der magische Name der Buße entschuldigte und sühnte alles. Zurückgedrängt in engere Kreise, beschäftigten sie nun auch die Phantasie mit mancherlei Dingen, die ihnen früher unbekannt geblieben und die sonderbarsten Verwirrungen des menschlichen Verstandes gingen aus dieser Anarchie der Geistesthätigkeit hervor.

Ein äußerst bequemes Mittel, den Pöbel für sich einzunehmen, gab ihnen vorzüglich der noch immer nicht gestillte Judenhaß in die Hände. An den Juden rächten sie oft und so gut sie konnten, ihre eigenen Verfolgungen und Mißhandlungen auf die schrecklichste Weise.

Diese letzteren wurden immer stärker und systematischer. Man fing in verschiedenen Ländern an, sie als Ketzer zu erkennen und förmlich auszurotten. In Polen ging es ihnen besonders aus dem Grunde schlimm, daß sie, im Unmuth über die Verkennung ihres Berufes von so manchen Seiten, den Weibern in ihrem Zuge sich in die Arme warfen. Das gegenseitige Entblößen, vulgo Geisseln, hatte das Blut immer heftiger in Wallung gebracht und die Unsittlichkeit ward zuletzt eine natürliche Folge der Unvernunft.

Frankreichs König, Philipp VI., war nach dem deutschen Kaiser einer der ersten Monarchen, welcher den Strom dämmte. Nach Paris und ins eigentliche gallikanische Gebiet waren die Flagellanten gar nicht eingelassen worden. Die Universität Paris erließ kräftige Dehortatorien gegen sie. Papst Clemens VI. unterstützte von Avignon aus, wie natürlich, die Bemühungen Beider.

Die Mandate des Papstes wurden an alle Souveräne, geistliche Behörden, Universitäten etc. etc., in verschiedenen Sprachen abgefaßt, gesendet. Zugleich setzten sich eine Reihe Schriftsteller gegen sie in Bewegung, deren Werke jedoch meist ungedruckt geblieben sind. Gerhard von Konsfeld, Heinrich von Hesford, Herrmann de Schildis, Aegidius de Foeno, Johann von Hagen waren die vorzüglichsten darunter.

Das große Jubiläum, welches noch während der Regierung des Papstes Clemens VI. begangen worden, unterbrach die Arbeiten der Flagellanten; eine Menge Bekenner, vor der Ahndung der Kirche scheu, sagte sich von der öffentlichen Buße los und flüchtete zu der von dem heiligen Stuhle selbst, statt dieser, eröffneten Anstalt. Nach und nach nahm die Sache fast gänzlich ein Ende und blos einzelne Schwärme von Bußrittern wurden nach dem Jahre 1359 noch erblickt.

Im Erzbisthum Köln spuckte es zwar zu verschiedenen Zeiten von Neuem und man versuchte die Wiederherstellung der Sekte daselbst; selbst viele Geistliche befanden sich darunter. Aber der Erzbischof und der Magistrat wehrten mit vereinigten Kräften ab. Die betreffenden Priester wurden mit dem Banne bedroht und mußten Buße leisten. Diese neue Sekte war durch die, gleich nach dem Jahre 1530 sich bildenden, heimlichen Geißlergesellschaften hervorgerufen worden. Die so eben beschriebenen Maaßregeln hatten ihren gewünschten Erfolg; der Norden von Europa ward von dem Unwesen befreit; aber desto schlimmer brach es wieder im Süden aus, in den Geißlersekten der sogenannten Weißen.


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