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Die freundlichen Odschibwä und ihre Jagdgründe

Der südliche Teil des heutigen Staates Minnesota ist durch mehrere ansehnliche Flüsse durchzogen, die, dem Quellengebiete der Coteau du Grand Bois entspringend, ihren Lauf durch zahlreiche, gesellig auftretende Seen nehmen, um dem »Vater der Gewässer«, wie die Rothäute in ihrer bilderreichen Sprache den Mississippi (Missi-Sipi = Gesamtfluß) nennen, zuzuströmen.

Auf einem dieser Nebenflüsse, den die Trapper, die den Mut und das Glück hatten, in dieses entlegene Seengebiet vorzudringen, allgemein den Black-River nannten, zog eines Morgens ein von drei Männern besetztes Kanot stromauf.

In den beiden Riemenleuten, die auf den Mittelsitzen die Doppelruder in gleichmäßigem Takt durch das Wasser führten, erkennen wir Tommy Hawking und Young Ironfist. Ein dritter, hochaufgeschossener, noch junger Mann, mit einnehmenden, doch schon etwas verlebten Gesichtszügen saß am Steuer. Es war der Lange Ben, jener dritte Wildsteller, von dem der Mühlenbesitzer, Harry Bourton am Road-River, an jenem Abend, als Young Ironfist die Falschspieler so prompt vor die Tür setzte, wiederholt gesprochen hatte.

Es war den Bemühungen des unternehmenden Jagdscheininhabers also doch gelungen, diese drei Männer zu einem gemeinsamen Jagdzuge in das damals noch wenig bekannte obere Mississippigebiet zusammen zu bringen, wofür er ihnen ein gutes, verhältnismäßig großes Boot und die volle Ausrüstung, nebst allerlei händlerischem Tand zur Verfügung stellte.

»Ben – steuert doch mal etwas nach links – zwei Armlängen über Backbord,« unterbrach Tommy Hawking das Schweigen der Männer, als er wieder einmal einen langen, forschenden Blick über die Achsel vorausgeworfen und bei dieser Gelegenheit einen hellblinkenden, in der Strömung daherschwimmenden Gegenstand erblickt hatte.

Ein kräftiger Zug an der Steuerleine und das Kanot wendete sich mit seinem Bug etwas tiefer in die Strömung.

Wenige Sekunden später streifte der treibende Gegenstand an der Bordwand entlang und mit einem raschen Griff hatte Tommy Hawking ihn aufgenommen.

»Da haben wir's!« rief er. »Nun wird nicht mehr lange auf sich warten lassen, was früher oder später sicher eintreten mußte.«

Er hielt den Pfeil einer Rothaut in der Hand, den der Lange Ben neugierig und mit merklicher Erregung betrachtete, während Young Ironfist gelassen den Blick auf dem Funde ruhen ließ.

» Yes! Dieser Pfeil erlaubt allerdings den Schluß, daß die Idylle unserer Fahrt nun bald ihr Ende haben wird. Übrigens scheint die Waffe zu bestätigen, was ich befürchtete – wir werden es hier, am Ende der Welt, mit richtigen Wilden zu tun haben.«

»Wollen es abwarten. Nach meiner Erfahrung ist mit den Rothäuten, die noch mit dem pfeilgespickten Köcher durch die Wälder laufen, besser auszukommen, als mit solchen, die schon mehrfach mit Weißen in Berührung gekommen oder gar in Handelsbeziehungen getreten sind.«

»Insofern bei ihnen neben der Wildheit zum Glück immer auch noch viele natürliche Einfalt zu finden ist – das wollt Ihr damit doch sagen?«

»Genau das. Die Natürlichkeit und die Einfalt sind Eigenschaften, die dem weißen Manne, so er sie nur maßvoll und klug auszunutzen versteht, oftmals schon sehr zu statten kamen. Von den Rothäuten, die bereits das Schießholz besitzen, kann man das im allgemeinen längst nicht mehr sagen.«

»Na, wollen hoffen, daß uns die roten Gentlemen das Leben nicht allzusauer machen,« sagte Ben mit etwas spöttischem Anflug. »Was ist Eure Meinung, Young Ironfist?«

»Daß auf Schwierigkeiten stoßen, das sehr leicht möglich. Wenn kommen, dann weiße Männer stets sehr klug und weise handeln. Mögen Schwierigkeiten groß sein oder klein, es kommen einzig und allein darauf an, sie zu überwinden.«

»Brav gesprochen! Wollen, was kommt oder kommen mag, mit Mut und kaltem Blut ins Auge sehen. Mögen also die Schwierigkeiten sich einstellen und je früher desto besser. – Wollen vorwärts machen!«

Mit erneuter Kraft legten sich die beiden Riemenleute in die Ruder, während der Lange Ben nach wie vor das Fahrwasser bestmöglichst auszunutzen suchte und die Ufer jetzt mit erhöhter Aufmerksamkeit betrachtete.

Bislang hatte die Landschaft zu beiden Seiten des Flusses so ziemlich denselben Charakter.

Rechts und links unübersehbare Prärien, ab und zu von kleinen Hügeln und Schluchten durchschnitten.

Die Abhänge waren dann wohl da und dort mit Baumgruppen besiedelt, im großen ganzen aber bot sich dem Auge nichts, als eine unermeßliche Wüste von Gras und Kräutern.

Bald aber änderte sich das Bild.

Die Hügel zu beiden Seiten wurden steiler und schienen immer mehr in die Höhe zu wachsen. Allmählich zeigte sich an den Hängen auch mehr Baumwuchs, der mit dem Vordringen des Kanots dichter wurde.

Mit einem Male machte der Fluß eine scharfe Biegung, die Hügel traten beiderseits etwas zurück und kurz darauf waren die Reisenden in einen bis an die Flußufer herantretenden dichten Wald eingetreten.

Wie eine grüne Laube wölbte sich das dem Wasser zugeneigte Geäste über den Fluß und verbreitete über demselben ein nach und nach immer mehr zunehmendes zauberisches Halbdunkel.

Zwischen den mächtigen Waldriesen ragten jetzt auch dichtes Unterholz und mächtige Farne auf; eine Menge Schlingpflanzen kletterten bis in das höchste Geäst der Bäume, von wo sie oftmals bis auf die Oberfläche des Wassers überhingen.

Schattengleich zogen die Jäger hier ihres Weges.

Der Fluß war mittlerweile auch erheblich schmäler, die Strömung in seiner Mitte dafür bedeutend stärker geworden.

Um einigermaßen gut vom Flecke zu kommen, war es nötig, das ruhigere Uferwasser als Fahrbahn zu benutzen und stellenweise vorteilhafter die Riemen gleiten zu lassen, dafür aber das Kanot an dem überragenden Geäste und Wurzelwerk mittels des Boothakens stromauf zu ziehen.

Als Tommy Hawking, der sich zu diesem Zwecke an den Bug des Bootes gestellt hatte, mit dem Haken eben wieder vorn nach einem vorstehenden Ast greifen wollte, tauchte hinter einem dicken Baumstamm eine greulich bemalte Rothaut in voller kriegerischer Bewaffnung auf, die dem Trapper drohend eine Lanze entgegenhielt und ihn in einer Weise anrief, die unverkennbar den Befehl zum Anhalten bedeuten sollte.

» By Jove,« schrie Tommy Hawking in seiner Überraschung halb ärgerlich, halb lachend: »Das macht Ihr gut! Wer gibt Euch das Recht, uns hier den Weg zu wehren?«

Der Wilde, der diesen Einwand selbstverständlich nicht verstand, die Bedeutung der Worte aber doch erraten mochte, trat mit erhobener Waffe einige Schritte näher. Zugleich raschelte es im Gebüsch und wohl ein weiteres Dutzend Rothäute erschien an der Seite des Mannes.

Dies war so schnell vor sich gegangen, daß der Lange Ben, der sich hinten am Heck just mit der Steuerleine beschäftigte, erst jetzt auf den Vorgang aufmerksam wurde. Als er, aufblickend, die Rothäute mit ihren drohenden Gebärden ersah, ließ er alles, was er in den Händen hatte, fallen und langte blitzschnell nach der Büchse, die er auf die Wilden anschlug. Doch ebenso schnell fiel ihm Young Ironfist in den Arm und gebot ihm dringend, nicht zu feuern.

»Fort – vom Ufer weg – hinaus in den Fluß!« schrie mittlerweile Tommy, setzte den Boothaken auf den Grund und stieß das Kanot mit einem gewaltigen Ruck hinaus in die Strömung.

Die Rothäute ließen das ruhig geschehen.

Im nächsten Augenblick saß Tommy auf seiner Ruderbank, die Riemen in den Händen. Mit einigen weit ausgreifenden, mächtigen Ruderschlägen lag das Kanot am jenseitigen Ufer.

Hier angekommen, wartete ihrer aber erst recht die größte Überraschung.

So weit das Auge das Gewässer überblicken konnte, flußauf und flußab, überall zwischen dem Ufergebüsch standen und hockten wohl an hundert Rothäute, ja selbst im Geäste der überhängenden Bäume hingen eine Menge der halbnackten rotbraunen Gestalten.

» Damned,« rief Tommy, »da waren wir trotz des Pfeilfundes wieder einmal mit Blindheit geschlagen. Diese Schlingels hatten uns längst ausgespürt, ließen uns hinterlistig hinein in diese Flußenge und da haben wir nun die Bescherung.«

»Young Ironfist sich längst sagen, daß, wo Pfeil finden, auch die Träger der Köcher nicht weit zu suchen sind. Für ihn ist das keine Überraschung.«

»Was nun beginnen? Seht, flußauf, da steht Mann an Mann; haben die die Absicht, uns nicht durchzulassen, und wir wollten es dennoch versuchen, die würden uns die Leiber mit Pfeilen bespicken. Und von einem Zurückweichen kann ebensowenig die Rede sein; flußab hocken die Unholde in den Bäumen, wie die Sperlinge auf den Zweigen.«

»Ich schlage vor, wir steigen ans Ufer und versuchen es mit dem Friedenszweige,« rief Ben; »Hilft das nicht, verschanzen wir uns hinter den Bäumen. Werden die Halunken aber ungemütlich, halten wir sie mit unseren guten Büchsen ganz sicher einige Zeit hindurch in achtungsvoller Entfernung.«

Hochaufgerichtet stand Young Ironfist in der Mitte des Kanot, die Blicke auf die Spitze des gegenüberliegenden Hügels gerichtet.

Dort standen einige Rothäute, unzweifelhaft die Häuptlinge des Stammes, kenntlich an ihrem reicheren kriegerischen Schmucke und an den bunten Federhüten. Ihre bemalten Leiber und Gesichter glänzten in der Sonne und die Federn flatterten lustig in dem ziemlich lebhaften Winde.

Diese Männer waren in einer lebhaften Unterhaltung begriffen, die offenbar den Vorgängen unten am Flusse galt, den sie von ihrem Standpunkte aus recht gut teilweise zu überblicken vermochten.

Inzwischen schienen aber auch sie die Wahrnehmung gemacht zu haben, daß sie von den Weißen unten am Flusse bemerkt worden waren und beobachtet wurden, denn plötzlich traten mehrere dieser Indianer noch etwas mehr vor, daß sie noch besser gesehen werden konnten und entrollten ihre Mäntel, die sie an einem Riemen an der Seite trugen. Sie erhoben diese Bekleidungsstücke mit den Händen über ihre Köpfe und legten sie dann vor sich auf den Boden nieder.

»Nun alles gut!« rief Young Ironfist. »Das nicht mißzuverstehen, das Friedenszeichen, das Einladung zur Unterhandlung.«

Schnell zog er sein Jagdwams aus, erhob es mit beiden Händen über sein Haupt, schwenkte es einigemal hin und her, und legte es ebenfalls vor sich auf den Boden des Bootes nieder.

Diese Antwort war oben auf dem Hügel sofort verstanden worden, denn kaum eine halbe Minute später trennten sich mehrere der Krieger von den übrigen, kamen herab ans Ufer und luden die weißen Männer ein, ans Land zu kommen.

»Wenn das nur keine Falle ist! Man traue diesen verschlagenen, hinterlistigen Spitzbuben,« meinte der Lange Ben.

»Das keine Spitzbuben,« entgegnete Young Ironfist verweisend. »Das auch keine Falle, das ehrliche Meinung! Diese Inschen neugierig wie die Kinder; sie zu wissen wünschen, aus welchem Grunde die Bleichgesichter ihre Jagdgründe aufsuchen.«

Auch Tommy Hawking war noch nicht recht schlüssig. Als Young Ironfist aber seine Ansicht nochmals energisch verfocht und darauf verwies, daß ihnen bei der erdrückenden Überzahl der Rothäute füglich gar nichts anderes übrig bliebe, als sich dem Willen zu fügen, daß eine Verhandlung aber immer noch weit aussichtsreicher sei, als sich mit den Waffen in der Hand einen Weg zu bahnen, war Tommy entschlossen, mit Young Ironfist der Einladung Folge zu leisten, während der Lange Ben, der immer unleidlicher wurde und weidlich auf die »roten Teufel« schimpfte, im Boot verbleiben sollte.

»Nehmen noch schnell einige Geschenke; das können unter Umständen viel wert sein,« erinnerte Young Ironfist, und Tommy entnahm einer am Heck verstauten Kiste eine Handvoll Perlen, mehrere Messingknöpfe, einige Messer und sonstigen Tand, das alles er in einen Brotbeutel steckte, den er sich über die Schulter hing.

So ausgerüstet, die Büchse unter dem Arm, ließen sich die beiden Wildsteller über den Fluß setzen, worauf sie ans Ufer stiegen.

Dort warteten ihrer mehrere vornehme Krieger, hochgewachsene sehnige Gestalten, welche die weißen Männer und deren Flinten mit unverhohlener Neugierde betrachteten.

Ihrer warteten mehrere vornehme Krieger, welche die weißen Männer mit unverhohlener Neugierde betrachteten.

Young Ironfist, der sich von Anfang an mit aller Kaltblütigkeit in das Unvermeidliche gefunden hatte, trat ohne Zögern vor den ältesten der Krieger und sagte, daß es ihm und seinen Freunden eine große Freude bereite, die fremden Krieger, die ihnen so unverhofft in den Weg getreten wären, kennen zu lernen. Er gab zugleich der Hoffnung Ausdruck, daß die Besprechung, zu der sie geladen seien, zu einem beiderseits befriedigenden Resultat führen werde.

Die Rothäute waren sichtlich überrascht, sich in einer Sprache angeredet zu hören, deren Idiom zwar nicht dasjenige der ihren war, wovon sie aber jedes Wort sehr wohl verstehen konnten.

Der älteste der Krieger erwiderte, daß es auch ihm zur Freude und Genugtuung gereiche, zu vernehmen, daß die Bleichgesichter nicht in feindlicher Absicht auf den Gewässern des Waldes in dieses Land gezogen kämen, und daß er sie bitte, ihm zu folgen, um mit den Häuptlingen des Stammes, die ihrer warteten, eine Unterredung zu pflegen.

Als Young Ironfist erklärte, sehr gerne hierzu bereit zu sein, stieg man auf einem schmalen Wildpfade die steile Anhöhe empor, gefolgt von einem langen Zuge roter Leute, die sich mittlerweile, von allen Seiten herbeiströmend, an der Uferstelle eingefunden hatten.

Als man den höchsten Punkt des Hügels erreichte, erkannte Tommy zu seinem Erstaunen, daß sie sich am Rande einer fast unübersehbaren, von nur wenigem Wald bestandenen Ebene befanden, daß sie also keineswegs, wie er und seine Freunde geglaubt hatten, in eine gebirgige Gegend eingetreten waren. Sie befanden sich allerdings in einer höher liegenden Region, aber auf einer Hochebene, in die mit der Zeit der Fluß sein tiefliegendes Bett gegraben und so die steil abfallenden Hügelhänge, die sogenannten Bluffs, gebildet hatte.

Jetzt überraschte ihn auch nicht, eine große Anzahl Mustangs zu erblicken, die unter der Aufsicht einiger Rothäute in unmittelbarer Nähe auf der Ebene weideten und Zeugnis dafür ablegten, daß sie es mit einem Reitervolk zu tun hatten.

Man war aus dem Walde in die Ebene hinausgetreten, und hier unter dem Geäste einer vereinzelten Ulme saßen die Häuptlinge im Halbkreise, den Ankömmlingen zugewendet, so regungslos, daß man sie für Bildsäulen hätte halten können.

Young Ironfist und Tommy Hawking schritten, gefolgt von den ältesten der sie geleitenden Krieger, ohne Zaudern auf die Gruppe zu und setzten sich zu den Wilden in das Gras, so daß der Kreis ein vollständiger wurde.

Der ganze lange Zug der übrigen Krieger scharte sich außerhalb dieses Kreises in dichten Gruppen zusammen und harrte hier schweigend der Dinge, die da kommen sollten.

Als Ruhe eingetreten war, hob ein mit einem riesigen Federschmuck ausgezeichneter Häuptling, offenbar der vornehmste unter den versammelten Kriegern, unmerklich das Haupt und sprach: »Die Bleichgesichter werden nicht wenig überrascht gewesen sein, die Krieger der Odschibwä still und lautlos, gleich den Schatten der Nacht, an den Ufern des Flusses plötzlich auftauchen zu sehen.«

»Der Häuptling des großen Volkes der Odschibwä irrt,« entgegnete Young Ironfist. »Die weißen Männer wußten schon vor mehreren Stunden, daß sich in Kürze rote Krieger in ihren Weg stellen würden.«

Die Häuptlinge sahen erstaunt auf den jungen Mann, der unerschrocken dastand und in seinem neuen Jagdanzuge, einen breitkrempigen Hut aus dem von langen braunen Haaren umwallten Kopfe, einen sehr vorteilhaften Eindruck machte.

»Gleichwohl,« fuhr Young Ironfist zu sprechen fort, »zollen die weißen Männer der Art, wie sie überrascht wurden, große Bewunderung. Die Odschibwä haben damit einen glänzenden Beweis abgelegt, daß sie die Wälder lautlos wie die Pantherkatzen zu durchschleichen wissen.«

»Wie ist es möglich, daß die Bleichgesichter das Erscheinen der roten Krieger zum voraus wissen konnten? Besitzen die weißen Männer Augen, die über die Berge wegzusehen vermögen? Oder haben sie etwa ein Gehör, das auf die größte Entfernung das leise Geräusch eines zertretenen Zweiges vernimmt?«

»Weder das eine noch das andere. Wenn schon die Odschibwä die Ufer des Flusses in einer Weise beschlichen haben, daß dies verborgen bleiben mußte, so hat doch einer der Ihren, vielleicht ein junger Krieger, eine Unvorsichtigkeit begangen. Seinem Köcher ist ein Pfeil entfallen und er kam auf dem Wasser daher geschwommen.«

Diese Aufklärung schien dem Häuptling wenig zu gefallen, aber die höfliche Einschränkung, daß der Unvorsichtige jedenfalls ein junger Krieger gewesen sei, machte sie annehmbarer.

Der Häuptling sah eine kurze Weile ernst und sinnend vor sich hin und sagte dann: »Die Odschibwä, welche die weißen Männer vor sich sehen, befinden sich auf dem Kriegspfade. Es konnte den roten Kriegern unter diesen Umständen nicht gleichgültig sein, wer sich ihren Dörfern ohne ihr Wissen nähert. Sie waren, als sie durch ihre Späher die Kenntnis von der Ankunft der Bleichgesichter erhielten, vielmehr gezwungen, die weißen Männer am Flusse heimlich zu beobachten und sie so zu umstellen, daß sie weder vor- noch rückwärts konnten, weil die Odschibwä erfahren mußten, ob die Fremdlinge in friedlicher oder feindlicher Absicht das Wasser heraufgefahren kamen.«

»Die weißen Männer sind selbstverständlich nur in friedliebender Absicht hierher gekommen. Wenn sie durch den aufgefundenen Pfeil die Kenntnis von der Anwesenheit der roten Krieger hatten und eine feindliche Absicht gegen diese gehegt hätten, dann wären sie in ihrem Kanu sicherlich nicht ohne alle Vorsicht und sorglos ihres Weges weiter gezogen. Die weißen Männer waren ganz im Gegenteil von vornherein von der Absicht geleitet, den roten Kriegern, denen sie hier begegnen würden, die Freundschaft anzubieten.«

»Dies allein wird aber kaum der Grund gewesen sein, daß die Bleichgesichter ihren Wigwam verlassen haben, eine weite Reise in fremde und ferngelegene Jagdgründe anzutreten,« sagte der Häuptling.

»Das allerdings nicht. Die weite Reise der weißen Männer hat noch einen besonderen Zweck: sie lieben die Jagd, sie lieben es, die Wälder nach Wild zu durchstreifen.«

»Sind die Wälder im Lande der Bleichgesichter so dünn gesät, daß sie es nicht vermögen oder verschmähen, dieser Neigung in ihren heimatlichen Gefilden nachzugehen?«

»Wohl gibt es auch dort Wälder, aber sie liegen auf großen, unermeßlichen Ebenen und nicht wie hier an zahlreichen Flüssen und Seen; daher ist das Wild, das sie suchen, dort nur sehr spärlich vorhanden.«

»Dann scheint es ein besonderes Wild zu sein, dem die weißen Männer nachzustellen die Absicht haben.«

»Es ist der Biber, der in den Wäldern ungezählte junge Bäume fällt und der Otter, der in den Gewässern die wohlschmeckendsten Fische in großen Mengen wegfrißt; ein Wild also, das vielen Schaden verursacht, aber wenig Nutzen gewährt; Jagdtiere, denen die roten Krieger zu ihrem eigenen Schaden viel zu wenig nachstellen.«

»Die weißen Männer werden damit doch nicht sagen wollen, daß sie aus reiner Bruderliebe gekommen sind, die Jagdgründe der Odschibwä von diesen Schädlingen zu befreien?«

»Das gerade nicht. Aber die Odschibwä könnten sehr wohl damit zufrieden sein, wenn die weißen Männer ihnen eine Anzahl dieser sehr schädlichen Tiere wegfangen. Umgekehrt gestehen die weißen Männer gerne zu, auch in ihrem eigenen Interesse zu handeln. Sie besitzen nämlich noch sehr viele weiße Brüder, deren Squaws nach den Fellen dieser Tiere ein großes Begehren haben. Wenn mit Beginn der kalten Jahreszeit das Laub von den Bäumen fällt, das Eis sich zu bilden und der Schnee über die Erde zu breiten beginnt, dann lieben die Squaws der weißen Männer es sehr, ihren frierenden Hals und ihre frierenden Hände damit zu bedecken.«

Der Häuptling hatte aufmerksam zugehört und schien sich den Fall sehr reiflich zu überlegen.

Nach langem Besinnen entgegnete er: »Die Bleichgesichter irren, wenn sie glauben, daß die Odschibwä die Nützlichkeit des Otter- und Biberfelles nicht zu schätzen wissen. Sollte die Freundschaft, die die weißen Männer suchen und wünschen, zu stande kommen und sie sich früher oder später in den Dörfern der Odschibwä einfinden, werden sie nicht nur sehen, daß die Squaw des roten Mannes, wenn sie friert, ebenfalls sehr lebhaft nach den wärmespendenden Fellen dieser Tiere begehrt, sondern daß überdies auch die Krieger mit dem Fell des Otters sich sehr vorteilhaft zu schmücken wissen. Die weißen Männer mögen übrigens recht haben, wenn sie vermuten, daß die Odschibwä diesen Tieren verhältnismäßig wenig nachstellen. Doch das kommt davon, weil die Jagdgründe dieses Volkes sehr groß sind, weil der Überfluß an solchen Tieren in den Flüssen und Seen der Wälder ein sehr reicher ist.«

»Wenn die Odschibwä so glücklich sind, eines solchen Überflusses sich rühmen zu können, so kann das die Hoffnung der weißen Männer nur bestärken, daß die roten Krieger nichts dagegen einwenden werden, wenn die weißen Jäger eine Anzahl dieser Tiere wegfangen.«

»Die Odschibwä gewähren gern von ihrem Überfluß, weil sie mit dem, was über ihre Bedürfnisse hinausgeht, ja doch nichts anzufangen wissen. Vorausgesetzt, daß die weißen Männer wirklich die Wahrheit gesprochen haben und die Absicht hegen, freundschaftliche Beziehungen zu pflegen, mögen sie sich getrost in die Wälder begeben und ihr Glück versuchen. Zweierlei aber müssen die Odschibwä zur Bedingung machen.«

»Die weißen Männer sind hoch erfreut zu vernehmen, daß die Odschibwä den geäußerten Wünschen gegenüber sich willfährig zeigen. Mögen sie die Bedingungen, die sie erfüllt zu sehen wünschen, nennen; die weißen Jäger werden, soweit es in ihrer Möglichkeit liegt, den Wünschen der Odschibwä sehr gerne gerecht zu werden suchen.«

»Die Bleichgesichter werden, wenn sie sich in ihrem Kanu den Fluß hinauf begeben, nach und nach sechs Seen zählen, die alle hintereinander liegen und durch größere und kleinere Flußläufe untereinander in Verbindung stehen. An diesen Seen und Flüssen mögen die weißen Jäger der Jagd obliegen. Aber sie sollen nicht weiter nach Sonnenuntergang vordringen, nicht den dahinter liegenden siebenten See aufsuchen, weil sie dort auf die Dörfer roter Krieger stoßen würden, die die Odschibwä keineswegs zu ihren Freunden zählen.«

»Es ist selbstverständlich, daß die weißen Männer diesen Wunsch der Odschibwä gewissenhaft berücksichtigen werden.«

»Die Bleichgesichter werden gut daran tun. Sie sollen diese Zusage stets vor Augen halten. Sollten sie dieselbe jemals vergessen, würden die Odschibwä genötigt sein, sie in mehr oder weniger unangenehmer Weise daran zu erinnern. Die Krieger vom Stamme der Odschibwä können niemals die Freunde von Männern sein, die mit ihren Feinden schöne Worte wechseln.«

»Die Odschibwä werden zu einer solchen Erinnerung sicherlich niemals Veranlassung haben. Die Bleichgesichter sind gewohnt, an einem einmal gegebenen Worte unverbrüchlich festzuhalten.«

»Die Odschibwä hoffen zuversichtlich, daß sie ihr Entgegenkommen nicht an Unwürdige verschwendet haben. Zur Bekräftigung des gegenseitigen Übereinkommens werden die Bleichgesichter mit den Odschibwä die Friedenspfeife rauchen. Die weißen Männer leisten damit das Gelöbnis, mit keinem anderen Stamme der roten Nachbarvölker in ein gleiches Freundschaftsverhältnis zu treten, sofern sie nicht des Einverständnisses der Odschibwä sicher sind. Die Bleichgesichter werden überhaupt nichts unternehmen, was geeignet sein könnte, eine schädigende Wirkung auf die Odschibwä auszuüben.«

Tommy Hawking, welcher der Sprache der Rothäute immerhin so weit mächtig war, um den Gang der Verhandlung im großen Zuge verfolgen zu können, erklärte sich über Befragen damit einverstanden, worauf Young Ironfist dem Häuptling versicherte, daß es ihm und seinen Freunden eine große Freude sein würde, dieser Ehre teilhaftig zu werden und daß sie das Gelöbnis treuer Freundschaft unverbrüchlich zu halten gewillt seien.

Ein allgemeines Gemurmel der Befriedigung ging nach dieser Erklärung durch die Reihen der versammelten Rothäute.

Der Häuptling aber schickte sich zu einer weiteren Rede an und sagte: »Die Bleichgesichter werden es gewiß nicht unbillig finden, wenn die Odschibwä ferner den Wunsch aussprechen, für das erteilte Zugeständnis von den weißen Männern eine angemessene Entschädigung zu empfangen. Da die roten Krieger nicht wissen können, was die Fremdlinge in ihrem Kanu mit sich führen, werden sie die Art dieser Entschädigung sehr gern in das Ermessen ihrer neugewonnenen weißen Freunde stellen.«

Das war weniger ritterlich, aber deutlich gesprochen.

Und nun kam Tommy Hawking mit dem Inhalt seines Brotbeutels an die Reihe, in die Unterhandlung einzugreifen.

Der Wildsteller suchte in seinem Gedächtnisse den im Laufe seines Trapperdaseins erworbenen indianischen Wörterschatz zusammen und radebrechte frisch daraus los, daß es ihm und seinen Freunden eine große Freude gewähre, den roten Brüdern eine Aufmerksamkeit zu erweisen, und daß sie sich vorbehielten, früher oder später, je nachdem sie dazu im stande seien, diesen kleinen Gaben noch eine Anzahl größerer Geschenke folgen zu lassen. Die Odschibwä würden begreifen und einsehen, daß die weißen Männer in ihrem kleinen Kanu große Schätze nicht mit sich zu führen vermöchten; dies aber würde anders werden, sobald sie ihren im fernen Osten weilenden Brüdern die ersten Biber- und Otterfelle überbracht und dann in einem viel größeren Kanu wiederkehren würden.

Tommy öffnete seinen Brotbeutel und entnahm demselben mehrere vortrefflich gearbeitete Jagdmesser, die er mit einigen höflichen Worten an die Häuptlinge verteilte. Nach und nach entstiegen dem schier unerschöpflichen Beutel noch eine Anzahl Tücher und bunte Bänder, eine große Menge glitzernder Perlen, Metallringe und Messingknöpfe, die er dem Häuptling zur Verfügung stellte mit der Bitte, diese Geschenke nach Belieben an die übrigen Stammesgenossen zu verteilen.

Darob großer Jubel unter allen Kriegern, die sich neugierig wie die Kinder herzudrängten, die Schätze in Augenschein zu nehmen, wobei durch das Ungestüm der roten Männer die beiden Weißen fast gar erdrückt wurden. Sie bekamen erst wieder Luft, als der Häuptling energisch gebot, den Kreis der Ältesten wieder frei zu geben.

Alsbald trat auf den Wink des Häuptlings der Pfeifenträger vor, das von ehrwürdigem Alter zeugende Friedensinstrument in den Händen. Es war aus rötlichem Stein recht zierlich geschnitzt, das lange Rohr mit bunten Tuchstreifen umwunden, von denen malerisch einige bunt gefärbte Haarbüschel niederhingen.

Der Häuptling gebot, den Inhalt der Pfeife zu entzünden, worauf sie von dem Pfeifenträger mit feierlicher Geste gegen die Sonne und die vier Himmelsrichtungen erhoben wurde.

Der Häuptling ließ sich dann, ohne sich von seinem Sitze zu rühren, die Spitze des Rohres in den Mund stecken, tat einige Züge, was sich dann durch die ganze Reihe der im Kreise sitzenden Krieger wiederholte, bis zuletzt auch die beiden Weißen daran kamen.

Als die feierliche Zeremonie beendet war, erhob sich der Häuptling und sagte: »Die Fremdlinge haben mit dem Weißen Falken, dem Häuptlinge der Odschibwä und den vornehmsten Kriegern dieses Stammes die geheiligte Pfeife geraucht. Die weißen Männer sehen damit ihren Wunsch erfüllt. Sie mögen jetzt nach ihrem Belieben an den Gewässern dieser Jagdgründe dem Otter und dem Biber nachstellen, werden aber den gestellten Bedingungen entsprechen und den sechsten gegen Sonnenuntergang gelegenen See nicht überschreiten. Die drei Bleichgesichter wissen, daß sie nunmehr die Freunde der Odschibwä geworden sind und sollen fortan an deren Feuer gerne gesehen sein.«

Der Häuptling hockte sich wieder in das Gras nieder, dafür aber nahm auf einen Wink seines Genossen Tommy Hawking noch einmal das Wort. Er erwiderte: »Der Weiße Falke und die vornehmsten Krieger der Odschibwä haben den Fremdlingen durch die Annahme des Freundschaftsbündnisses eine große Ehre widerfahren lassen. Ich und meine weißen Brüder sind einfache Jäger, aber die Odschibwä sollen und werden erfahren, daß sie ihre Freundschaft an keine Unwürdigen verschwendet haben. Wir werden das Entgegenkommen, das uns bewiesen wurde, stets sehr zu schätzen wissen, die gestellten Bedingungen getreulich erfüllen und das Gelöbnis der Freundschaft für alle Zeiten hoch in Ehren halten.«

Diese Entgegnung schien im ganzen weiten Kreise den besten Eindruck zu machen.

Man erhob sich und sagte sich nun auch noch inoffiziell die eine und andere Höflichkeit, wobei der Weiße Falke bald auf die Flinten der weißen Männer zu sprechen kam, für die er ein großes Interesse an den Tag zu legen schien. Er ließ sich die Konstruktion der doppelläufigen Präzisionsstutzen genauestens erklären. Als dann Tommy nicht ohne Absicht einige Probeschüsse zum besten gab, erstaunten die roten Krieger über die Treffsicherheit, die der Jäger dabei entwickelte.

Erst spät trennte man sich. Die beiden Weißen stiegen hinunter an den Fluß zu ihrem Kanu, während die Odschibwä ihre Mustangs anzupflocken und die Decken und Mäntel aufzurollen begannen, um an Ort und Stelle zu nächtigen.


Als die drei Wildsteller am anderen Morgen aus ihren Schlafsäcken krochen und Tommy früh schon auf den Hügel hinauf stieg, um sich von den Odschibwä zu verabschieden, da machte er die unerwartete Entdeckung, daß diese längst schon ausgeflogen waren. Weit und breit war keine Rothaut zu erblicken.

Unter allerlei Vermutungen, was die neugewonnenen Freunde zu einem so unerwartet schnellen Aufbruch veranlaßt haben könnte, stieg er wieder zum Flusse hinab, um mit den Kameraden die Vorbereitungen zur Fortsetzung der Reise zu treffen.

Nach mehrstündiger guter Fahrt gelangten sie zu ihrer wenig angenehmen Überraschung an eine Stromschnelle, ein Hindernis, das unmöglich im Boote genommen werden konnte.

Tommy und Young Ironfist begaben sich ans Land, eine Strecke weit flußauf zu gehen, und entdeckten bald, daß sie nicht nur ein bedeutendes Gefälle des Gewässers, sondern weiter oben sogar einen Wasserfall vor sich hatten, der in einer Höhe von fast hundert Fuß über mehrere Felsterrassen donnernd in die Tiefe stürzte.

Da das Boot auf alle Fälle eine mehr oder weniger große Strecke getragen werden mußte, kehrten die beiden Wildsteller schon auf halbem Wege wieder um, die Ladung des Fahrzeuges ans Ufer zu schaffen.

Diese war in Erwartung derartiger Schwierigkeiten bereits so in tragbare Bündel und Päcke verstaut, daß das Kanu binnen kurzer Zeit geleert werden konnte.

Tommy und Young Ironfist stapften schwerbeladen durch den Wald.

Tommy und Young Ironfist beluden sich damit die Schultern und stapften mit schweren Schritten durch dick und dünn stromauf, entlang dem Ufer, ohne Weg und Steg, bei der Üppigkeit der Vegetation eine recht beschwerliche Wanderung.

Beim Wasserfall angekommen, traten die beiderseitigen Hügelwände indessen so dicht und steil abfallend an den Fluß heran, daß die beiden Männer gezwungen waren, seitlich rückwärts die Höhe zu erklimmen, in der Absicht, um die Flußenge einen Bogen zu schlagen.

Oben angelangt, sahen sie sich auch hier auf einer von sanften Erdwellen durchzogenen Hochebene, die dem Flusse zu ziemlich dicht bewaldet war.

Sie ließen sich das Geräusch des Wasserfalles zur Richtschnur dienen, wanderten dementsprechend in westlicher Richtung weiter und standen mit einem Male am Ufer eines reizvollen, smaragdgrünen Sees, der sich weit hinein ins Land erstreckte und ringsum von einem dichten Gewirr hochstämmiger Lärchen und Wassereschen umstanden war.

Hier und dort gewahrten sie malerisch gelegene größere und kleinere Buchten, das Buschholz oftmals ganz dicht ans Ufer gerückt oder die Urwaldriesen von üppigen Schlingpflanzen so dicht überwuchert, daß sie den Charakter der Stämme gar nicht mehr erkennen ließen.

»Ein prächtiges Wasser,« rief Tommy aus, »und ringsum eine richtige ursprüngliche Wildnis! Seht nur die Menge Wasservögel, die sich harmlos und munter auf dem See umhertreiben! Das ist kein schlechtes Zeichen. Ich wette hundert gegen eins, daß dieses Ufer der Fuß eines Weißen noch niemals betreten hat.«

»Das gut,« meinte Young Ironfist, »das für Jagd sehr gut, wenn noch kein Bleichgesicht hierher kommen. Das Wasser haben sicher auch Zuflüsse; dort finden, was suchen, dort überall Biber und Otter wohnen.«

»Ob das zutrifft, werden wir bald genug heraus haben. Vor allem aber muß das Kanu zur Stelle sein.«

Sie warfen die Lasten, die sie auf den Schultern trugen, ab und wanderten zurück, um mit dem Langen Ben das Boot herbeizuholen.

Das war nun der schwierigste Teil der Arbeit, denn war das Fahrzeug auch leicht genug, um von drei kräftigen Männern auf den Schultern getragen zu werden, so bot der Wald doch so viele Hindernisse, die aus dem Wege geräumt oder umgangen werden mußten, daß der ganze Rest des Tages verging, ehe die Männer befriedigt auf ihr Werk blicken konnten.

Am anderen Morgen unternahmen sie schon mit Sonnenaufgang die erste kleine Forschungsreise über den See, die über alles Erwarten günstige Aussichten ergab.

Sie hatten alsbald entdeckt, daß das ausgedehnte Gewässer von mehreren großen und kleineren Zuflüssen gespeist wurde, und daß an deren Uferstrecken alle Anzeichen für ein günstiges Jagdterrain vorhanden waren. Mehrere frische Otterstiege und eine Reihe Biberdörfer wurden vorgefunden, während der junge Baumwuchs zu beiden Seiten der Bäche und Flüßchen deutlich verriet, daß hier die scharfen Zähne der Dickschwänze ausnehmend zahlreich gehaust hatten.

Nun war es den Männern ihre erste Aufgabe, eine schützende Hütte zu erbauen, wozu in den zahlreichen Buchten mehrere günstig und versteckt liegende Plätzchen einluden.

Als sie indessen des zahlreich auf dem See umherschwimmenden Holzes ansichtig geworden waren, wurden sie durch Tommy auf einen ganz anderen Gedanken gebracht.

»Seht nur, wie der Sturm stellenweise an den Ufern gehaust hat. Die gesundesten Stämme sind wie Strohhalme geknickt und in das Wasser hinausgeweht. Ich bin der Ansicht, wir sollten uns das zu nutze machen.«

»Wie denkt Ihr Euch das? Was schlagt Ihr vor?«

»Je nun, das Niederlegen und Zusammenschleppen des nötigen Holzes ist kein Kinderspiel, vielmehr eine harte Arbeit. Das aber bliebe uns nicht erspart, wenn wir unsere Hütte in einer der geschützten Buchten errichten; in einen Windbruch, wo das Holz allerdings schon bereit läge, werden wir uns doch nicht hineinsetzen.«

»Das sind die Stellen, wo im Frühling und Herbst die Windsbraut am liebsten sich fängt, wo bei einem Unwetter das Holz am ehesten wieder niederbricht.«

»Eben darum. Ferner bin ich ein Mann der Vorsicht. Trotz aller Friedenspfeifen – man traue den Roten! Liegt unsere Hütte fest am Lande, sind wir niemals unseres Lebens völlig sicher; da kann sich bei Nacht und Nebel, wer will, bis auf Armeslänge heranschleichen. Darum schlage ich vor, das schwimmende Holz zusammenzufischen, ein starkes Floß zu erbauen und darauf unsere Hütte zu errichten.«

Das leuchtete den beiden anderen ein und schien besonders Young Ironfist zu gefallen.

»Das gut, das sehr gut,« sagte er. »Sparen Arbeit, und wenn Floß mit Ruder versehen, dann können beliebig den ganzen See befahren.«

»Natürlich werden wir das. Ich setze nur den einen Fall, daß es eines Tages wünschenswert wäre, die Jagd von einem Ende des Sees an das andere zu verlegen. Einen halben oder einen ganzen Tag Ruderarbeit, und wir haben auch unsere Behausung je nach Belieben zur Stelle.«

»Können sie auch, wenn es sein muß, vom Ufer weg und hinaus auf den See verlegen.«

»Selbstverständlich können wir das. Sollten unsere Taue nicht reichen, an Bast fehlt es hier nicht, wir vermögen uns eine entsprechend lange Leine zu flechten. Sollte der Anker, den wir mit uns führen, für besondere Fälle nicht ausreichen, läßt er sich beschweren oder auf irgend eine Weise ein anderer zusammenzimmern.«

Der Vorschlag wurde allseitig als gut befunden, und frohgemut ging man an die Arbeit.

Noch am selben Abend war die nötige Anzahl treibender Baumstämme zusammengeholt. Sie wurden vom überflüssigen Astwerk befreit und untereinander durch starkes Schlingholz und hölzerne Nägel zu einem festen, acht Meter langen und ebenso breiten Floß verbunden.

Am anderen Tage ging es an den Oberbau und nach nochmals vierundzwanzig Stunden hatte sich eine fünf Meter lange und vier Meter breite, aus rohem, nur oberflächlich behauenem Balkenwerk gefügte Hütte auf dem Floße erhoben. Um den Wirkungen der Feuchtigkeit vorzubeugen, hatte die Hütte noch einen erhöhten Innenboden erhalten, und in diesem Raume richteten sich die Männer nun häuslich ein.

»Nun kann es mit der Wildstellerei losgehen,« sagte Tommy freudig gestimmt zu Young Ironfist. »Wir werden im Laufe der nächsten Tage die Fallen in Stand setzen, und dann geht es hinaus in die Reviere.«

»Das Young Ironfist sehr willkommen. Er haben schon sehr steife Glieder von der langen Fahrt im Kanu; er freuen sich ungemein auf die Jagd in den Wäldern.«

»Die uns, wie ich hoffe, einen reichen Ertrag liefern sollen. Erfüllt sich diese Hoffnung, dann wird Euch bald die Genugtuung werden, Euren Lieblingsgedanken auszuführen.«

»Young Ironfist wird ihn ausführen; er nur jetzt fürchten, daß es ihm vielleicht wird sehr schwer werden.«

»Woher dieser plötzliche Gesinnungswandel?«

Young Ironfist ließ einen langen Blick über den smaragdgrünen See gleiten, dann über das farbensatte Grün der Urwaldriesen, die in diesem Augenblicke von der scheidenden Sonne mit einer Fülle von rotgoldenen, blauen und violetten Tönen überhaucht wurden. Hoch hob sich des jungen Mannes Brust. Man sah es ihm an, daß die Naturpracht dieser unberührten Wildnis, der Duft des Waldes, die kräftige, erfrischende Abendluft ihn mit Entzücken erfüllte. Mit einem leisen Seufzer sagte er: »Wenn Young Ironfist die Bäume des Waldes vor sich sieht, wenn sein Ohr ihr stilles Rauschen vernimmt, wenn sein Fuß wieder pfadlos durch ihre dunklen Schatten zieht, dann er sich vielleicht fragen, ob es nicht weiser ist, ein einfacher Sohn der Wälder zu bleiben, statt sie mit dem Häuserwald seiner weißen Brüder zu vertauschen.«

Etwas betroffen sah Tommy auf.

»Was Ihr sagt, kann ich Euch sehr wohl nachempfinden. Es zeugt für eine gesunde und natürlich empfindende Seele. Aber Ihr neigt bei allem doch etwas zur Grüblernatur, und da will mir scheinen, solange Ihr den Osten nicht von Angesicht zu Angesicht kennen gelernt habt, wird er Euch stets als ein unstetes, wirres Traumbild vorschweben, das, je nach Eurer Stimmung, störend in Euer Seelenleben eingreift. Und das Traumhafte, es ziemt sich nicht für ernsthafte Männer; sie sollen die Dinge nehmen, wie sie sind, und ihnen stets auf den Grund sehen. Es kann Euch nach meiner Ansicht gar nicht schaden, auf Eurer früheren Absicht zu verharren, den Osten kennen zu lernen. Findet Ihr dort nicht, was Ihr sucht, will Euch das Tun und Treiben Eurer weißen Brüder nicht zusagen, so hindert Euch ja nichts, Euren Fuß wieder nach dem jungfräulichen wilden Westen zu lenken.«


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