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Tommy Hawking und der Halbwilde

Mehrere Jahre zuvor, ehe noch die geschilderten Vorgänge im Dorfe der Pe-ta-ha-vah-da sich abspielten, waren einige Abenteurer, spekulative Köpfe, auf ihren Zügen im nördlichen Mississippigebiete bis an den Road-River, einem Nebenfluß des größten nordamerikanischen Stromes, vorgedrungen.

Dort hatte ein fahrender Bergmann einige angeblich sehr ergiebige Kohlenflöze entdeckt und den Plan gefaßt, die schwarzen Diamanten flußabwärts bis hinab nach St. Louis für die am Mississippi liegenden Ansiedlungen nutzbar zu machen.

Aber die Sache kam seinerseits nicht zur Ausführung.

Als die Absicht bekannt geworden war, wurde ihm von einer Anzahl unternehmender Geldmänner das Leben so sauer gemacht, daß er diesen für eine verhältnismäßig geringe Summe alle seine Entdeckungsrechte abließ.

Die neuen Inhaber aber machten sich sofort an die Ausbeutung der Schätze, welche die Erde barg, und beschlossen, eine Stadt zu gründen.

Man begann die nächstliegenden Wälder zu fällen und mehrere Sägemühlen zu errichten, die das Baumaterial für die Gebäulichkeiten liefern sollten.

Tag und Nacht wurde nun gearbeitet und schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit waren eine stattliche Zahl Wohnungsgebäude, eine Kirche, ein Schulhaus und ein Gasthof an den Ufern des Flusses erstanden.

Marktschreierisch wurde nun die Gründung dem Mississippi entlang ausposaunt, die Ergiebigkeit der Bergwerke gerühmt und überall Agenten aufgestellt, welche die Aufgabe erhielten, der neubegründeten Stadt besonders Handwerker zuzuführen.

Die Sache hatte anfangs Zug, da man sich erbötig zeigte, die Leute unentgeltlich aufzunehmen.

Von allen Seiten strömten Familien herbei, in der Absicht, von dem Unternehmen den größtmöglichsten Nutzen zu ziehen; bald reichten die Gebäulichkeiten bei weitem nicht mehr aus; neue Straßen wurden angelegt.

Allgemach war das Unternehmen so weit gediehen, daß die Gründer glaubten, ihren Weizen blühen zu sehen, und nun änderten sie plötzlich die für die Ansiedlung bislang maßgebend gewesenen Bedingungen und forderten für die Plätze ganz ungeheuerliche Preise. Dies gab in der Zuwanderung die erste Stockung.

Als dann nach und nach nicht mehr verheimlicht werden konnte, daß das Kohlenlager der ursprünglichen Schätzung bei weitem nicht entsprach, die Ausbeute vielmehr nur zu bald ein Ende nehmen würde, trat am Platze selber der allgemeine Rückschlag ein.

Binnen Jahr und Tag waren die Mehrzahl der Angesiedelten wieder in alle Winde zerstoben, anderswo ihr Glück zu suchen. – Nun war Janville – so hatten die Gründer ihre Stadt benannt – ein wertloser Balken- und Bretterhaufen.

Noch flatterten da und dort an den rohen Wänden der verlassenen Gebäude ein einst weiß gewesener Leinwandfetzen, der in Riesenlettern kündete, welche Wünsche und Bedürfnisse man hier einst befriedigen konnte. Gut erhalten waren nur noch die Sägemühlen und das Gasthaus, über dessen Eingangstüre weithin sichtbar die Aufschrift »Nationalhotel« prangte. Der Besitzer, eine rührige und bewegliche Persönlichkeit, hatte den ganzen Schwindel mitgemacht und, als die Sache ein Ende nahm, die Verdrossenen ruhig ziehen lassen.

Für eine geringe Summe hatte er sich in den Besitz der Sägemühlen zu setzen gewußt, große Strecken Wald hinzu erworben und einen flotten Holzhandel flußabwärts ins Leben gerufen.

Dieser Mann war von großer Umsicht; das Unternehmen, die Geschäfte blühten.

Dies hatte mit der Zeit eine größere Anzahl Holzfäller an den Platz gefesselt, die ständige Gäste des »Hotels« wurden und dort. zum doppelten Nutzen des Besitzers, den größten Teil ihres Arbeitslohnes liegen ließen. Nicht selten sprachen daselbst auch Emigranten, Trapper und sonstige verwegene Gesellen vor, die entweder nach dem Westen oder zu irgend einem Zwecke in die nördlichen Wälder zogen.

Eines Abends war der höchst einfache Wirtschaftsraum des Hotels ziemlich stark besetzt mit Holzfällern und vorübergehend hier weilenden Schiffsleuten, die bei ihrem Glas Brandy eine lärmende Unterhaltung pflogen.

Einige wenig vertrauenerweckend aussehende Menschen hatten sich ihnen zugesellt, die im Laufe der Gespräche ein Spiel vorschlugen, wogegen sich die Arbeiter anfänglich sträubten, füglich aber doch einverstanden waren.

»Na, Tommy Hawking, freut mich, Euch endlich begrüßen zu können.«

Als die Karten von Hand zu Hand gingen, wurde es an diesen Tischen etwas stiller.

Der Wirt, der bislang vollauf zu tun hatte, die Wünsche dieser Gäste zu befriedigen, wendete sich jetzt einem einsam im hintersten Winkel nächst der Bar sitzenden Manne zu, der kurz vorher eingetreten war.

»Na, Tommy Hawking, freut mich. Euch endlich begrüßen zu können; habt diesmal lange auf Euch warten lassen.«

Der Wirt streckte mit diesen Worten dem Gaste die Hand hin, die der Mann mit seiner derben Faust erfaßte und kräftig schüttelte.

»War weit hinten im Revier und hörte erst vor wenigen Wochen, daß Ihr mich zu sprechen wünschet.«

» Yes, muß Euch sprechen, und wenn die Leute da hinten,« er zeigte mit dem Daumen über die Achsel nach den Spieltischen, »einigermaßen Ruhe halten, dann können wir gleich damit anfangen.«

»Ich bin begierig, zu hören, was Ihr auf dem Herzen habt. Seid ein unruhiger Geist. Habt gewiß wieder allerlei Pläne?«

»Pläne und Plänchen. Der Mensch muß die sauer erworbenen paar Groschen rollen lassen und sie mehren, solange er jung ist. Die Zeit kommt früh genug, daß man auf der lahmen Seite liegt.«

»Na, ich dächte, Ihr habt Euch nicht zu beklagen. Der Holzhandel geht gut und das Hotel mit dem Krämerladen nebenher, das sichert Euch auch keine schlechte Rente.«

»Ist alles recht und gut, doch bedenkt, das Holz geht auch einmal zu Ende. Noch zwei oder drei Jahre, ich wette, dann sind die schönsten Stämme weg; das übrige wird sich kaum mehr lohnen.«

»Es gibt der Wälder noch gerade genug und sie sind alle zu haben.«

» All right, dagegen ist nichts zu sagen. Aber ich fürchte, hier am Flusse kommt unversehens eine kapitalkräftige Konkurrenz, dann ist mein Geschäft von heute auf morgen im Stocken.«

»Davon verstehe ich als simpler Wildsteller natürlich nichts; das müßt Ihr besser wissen.«

»Weiß das nur zu gut; habe gerade genug schon der Neider.«

»Und was gedenkt Ihr Neues zu beginnen?«

»Will früher oder später hinab nach St. Louis. Betreibe das Geschäft hier natürlich noch so lange, als es irgendwie geht, will aber nebenher ein neues begründen.«

»Und dazu braucht Ihr mich?« – »Just Euch und mit der Zeit noch eine Anzahl anderer tüchtiger Wildsteller.«

»Schwerenot+… dann wäre es Euch richtig gelungen, von der Regierung einen Schein zu erwerben?«

»Mit großer Mühe und für teures Geld. Aber es ist gelungen. Seit zwei Monaten jagt Ihr, Tommy Hawking, unberechtigt auf dem nach dem neuen Gesetz und allen rechtens jagdherrlich mir zugeschriebenen Grund und Boden.«

»Der und jener hole das neue Gesetz! Will man uns ehrliche Wildsteller vollends ganz zu Grunde richten?«

»Davon ist nicht entfernt die Rede. Gesetz und Recht aber muß sein. Die neue Ordnung der Dinge kommt vor allem Euch selbst zu gute.«

»Das verstehe wer kann! Wir waren bislang unabhängige freie Jäger und jetzt, jetzt will man uns mit einem Male das Handwerk, das schlecht genug den Mann ernährt, legen?«

»Nicht legen, sondern nur in geordnete Verhältnisse bringen. War es bisher nicht ein Mißstand, daß jeder beliebige Landstreicher die Jagd Euch streitig machen konnte? Wer der Stärkere und Überlegenere war, blieb der Herr am Platze.«

»Zum Henker, sollte es nur einer versucht haben, mir das Revier streitig zu machen; möchte es keinem raten!«

»Daher die vielen Streitfälle, zuletzt Mord und Totschlag.«

»Möchte mir jeden Eindringling schönstens verbitten, nicht weil ich ihm den Erwerb nicht gönnte, sondern weil das in der Regel ein Greenhorn ist und mir die Jagd in kürzester Zeit zu Grunde richtete.«

»Das ist genau, was die Regierung verhüten will. Nicht jeder soll berechtigt sein, fürderhin nach Pelztieren zu jagen. Es soll alles beim alten bleiben, nur sollen die Wildsteller gewissermaßen Jagdherren erhalten, die kraft ihres Privilegs um vieles besser im stande sind, dem Waldläufer den schmutzigen Wettbewerb vom Leibe fern zu halten.«

»Von nun an die Preise zu bestimmen, den armen Trapper noch mehr auszubeuten!«

»Mit nichten – die sich vielmehr zu Kompanien zusammentun werden, um die Preise der Pelze für alle Teilhabende auf einer nutzenbringenden Höhe zu erhalten. Oder, sagt selbst, wäret Ihr bislang nicht schon oftmals genötigt, Eure Ware zu Schleuderpreisen wegzugeben?«

»War leider oft genug schon der Fall, weil man nicht immer weite Reisen machen konnte, weil oft die Verbindungen fehlten.«

»Die wird fortan Euer Jagdherr suchen, und ich, ich werde sie finden. Tommy Hawking, laßt Euch sagen, wir wollen das Geschäft gemeinsam machen. Ihr sollt gewissermaßen stiller Teilhaber an dem Jagdschein werden, das heißt, Ihr schafft die Pelze, ich sorge für den vorteilhaftesten Verkauf. Nur müßt Ihr Euch für die erste Zeit mit einem verhältnismäßig kleinen Nutzen begnügen; das große Geld kommt erst später. Wir fangen klein an, da trägt das Geschäft nicht vom ersten Jahre an hohe Renten. Aber was nicht ist, das kann und wird werden. Seht Euch den reichen, vermögenden Astor, den Dutchman an! Er war ein armer Schlucker, ein schlichter Kürschnergeselle. Heute sind ihm sämtliche Kompanien des Nordens untertan. Seine Arbeit, seine Energie hat sich gelohnt. Sein Vermögen zählt bereits nach Millionen. Hat er sich den Handel im Norden zu eigen gemacht, mache ich das genau so im Süden. Das Pelzgeschäft ist in St. Louis schon recht munter im Gange, aber es fehlt noch der rechte, weitsichtige, unternehmende Mann, um es noch mehr in die Höhe zu bringen.«

»Der Plan ist nicht schlecht und Ihr seid ein guter Kaufmann, das habt Ihr bereits bewiesen.«

»Darum schlagt ein, wahrlich, Ihr sollt es nicht bereuen!«

»Was kann und soll aber ich, ein einziger Mann, bei Euern weitreichenden, hochfliegenden Ideen Euch nützen? Die Nordwestkompanie zählt, soviel man hört, weit über tausend der besten Trapper.«

»Wir fangen, wie gesagt, klein an. Wir richten zunächst ein Boot, im kommenden Jahr derer zwei oder drei, im folgenden vielleicht ein ganzes Dutzend, je nach Vermögen; das wird sich finden. Vorläufig handelt es sich also nur darum, das Unternehmen einzuleiten.«

»Aber auch dieses eine Boot will besetzt sein, soll die Jagd in ergiebigem Maße betrieben werden. Woher wollt Ihr die Leute jetzt, kurz vor der Saison, so schnell nehmen?«

»Dafür habe ich bereits gesorgt. Ihr kennt Ben, den langen Ben – – wenn er die Taschen voll hat, zwar ein liederliches Tuch, aber ein tüchtiger Waldläufer.«

»Kenne den Mann nicht näher. Hörte nur gelegentlich, er litte am roten Koller.«

»Allerdings. Kommt ihm eine Rothaut unbequem in die Quere, steigt ihm die Galle bis zum Halse.«

»Muß früher einmal unangenehme Dinge mit den Roten erlebt haben.«

»Möglich, ja sogar wahrscheinlich. Doch ist der Mann jetzt hinaus über die Flegeljahre. Wenn Ihr ihn fest am Zügel haltet – Ihr versteht mich? – ich bin überzeugt, daß Ihr mit ihm recht gut zuwege kommen werdet.«

»Und als Dritter?«

»Dafür habe ich einen Mann, von dem ich mir, wenn wir ihn nur erst recht am Bändel haben, sehr viel verspreche. Ihr sollt ihn heute noch kennen lernen. Ein noch junger Mensch, fast sechs Fuß hoch, hat Sehnen wie von Stahl, zwar ein Bleichgesicht, aber eine richtige Rothaut.«

»Also ein Halbblut? Halte nicht viel davon.«

»Nein, ein richtiges reines Bleichgesicht, von einem Weißen namens Henry Smith, dessen Skalp schon so gut wie verfallen war, in irgend einem Indianerdorfe aufgelesen. Kamen selbander hier angereist.«

An den Spieltischen rief man nach einem neuen Trunk.

Der Wirt stand auf und bediente seine Gäste.

Das Interesse des Wildstellers, der den Mitteilungen des Hotelinhabers anfänglich einige Zurückhaltung entgegengesetzt hatte, war nach und nach ein regeres geworden.

Als dieser mit einer Flasche Genever wieder an den Tisch trat und zwei Gläser voll gegossen hatte, kam der Jäger selbst auf die Angelegenheit zurück und fragte: »Wie war das mit dem Halbwilden?«

»Eine eigenartige Geschichte, wie sie nicht jeden Tag vorkommt. Als nämlich jener Weiße, Henry Smith, der in dem Indianerdorfe seine Haut lassen sollte, unter den Roten jenes Bleichgesicht entdeckt hatte, zog er es in begreiflicher Absicht an sich und schwatzte ihm von den Herrlichkeiten des Ostens so viel vor, daß der junge Mensch Feuer und Flamme wurde. Sie entflohen zusammen und kamen nach vielen Mühsalen und Abenteuern hier angetrabt. Henry Smith suchte in Janville nach seinem Onkel, einem Mann, der hier ansässig und an den Gruben beteiligt war. Der war aber längst über alle Berge und nun gab es natürlich lange Gesichter. Keinen Knopf im Besitze, lagen sie mir auf der Tasche. Das ertrug ich wohl eine Weile, endlich aber, als ich sah, daß die beiden ohne jede Neigung zur Arbeit nur blindlings in den Tag hinein lebten, erklärte ich, das Borgen hätte ein Ende. Was tut der Weiße? Er verschwindet bei Nacht und Nebel und läßt mir zum Danke den Wilden zurück. Der hatte das, was der andere ihm vorgeschwatzt hatte, natürlich alles für bare Münze genommen und sich ihm wirklich angefreundet. Die Treulosigkeit wirkte auf den wilden Mann wie ein Donnerschlag, sie warf ihn aus allen Himmeln. Zuerst begann er wie wahnsinnig zu rasen. Er wollte hinter Henry Smith her; der aber hatte seine Flucht sehr schlau ins Werk gesetzt und war nicht mehr aufzufinden.«

»Also durchgebrannt. Hatte den anderen schnöder Weise in der Tinte sitzen gelassen. War zum mindesten nicht brüderlich. Und der Wilde?«

»Der schien sich nun zwar nach und nach in sein Schicksal zu finden, aber wir merkten bald, das war nur äußerlich; der Mann war erfüllt von gerechtem Zorn und grollte dem anderen nach wie vor. Hätte er ihn erwischt, er konnte sich gratulieren. Endlich hatte ich den jungen Mann aber doch so weit, ihm begreiflich zu machen, daß er nichts besaß, als seinen Riesenappetit, und daß man im Lande der Bleichgesichter niemand zumuten könne, ihm den ohne jede Gegenleistung Tag für Tag zu befriedigen. Ich machte ihm den Vorschlag, sich den Rastern zuzugesellen, und die nahmen ihn mit in den Wald. Aber das gab kein Stück. Der Mann, das erwies sich bald, sah nur mit Verachtung herab auf die Arbeit. Statt die Axt zu schwingen, spürte er dem Wilde nach oder saß tagelang regungslos auf der Spitze eines Hügels, den starren Blick in die weite Ferne gerichtet. Die Rasters hatten anfangs daran ihren Spaß, machten dann und wann, wenn er zu gar nichts zu bringen war, aber doch Ernst; indessen das führte zu Zank und Streit, und gegen die Bärenpranken des Wilden vermochte niemand aufzukommen. Was blieb mir übrig? Ich nahm ihn wieder aus dem Walde, und da man längst heraus hatte, daß er ein vortrefflicher Reiter und Pferdekenner war, brachte ich ihn auf einer Farm unter, weiter flußab, bei einem Manne, der sich mit Vorliebe der Pferdezucht widmete. Hier aber dasselbe Spiel. Der Wildling saß bestenfalls tagelang auf dem Rücken der Pferde, brachte den Gäulen allerlei unnütze Kunststücke bei, machte aus dem Gestüt einen Zirkus; die Arbeit dagegen blieb liegen. Oder er verbrachte ganze Tage und Wochen bei dem benachbarten Missionar, ließ sich von diesem stundenlang aus der Bibel vorlesen und englische Brocken lehren. Als des Farmers Langmut eines Tages ebenfalls zu Ende ging und er dem Wilden allen Ernstes begreiflich machen wollte, daß er seine Pflichten ganz anders zu verstehen habe, da machte Young Ironfist – so hatten die Raster den jungen Menschen seiner Eisenfäuste wegen getauft – kurzen Prozeß und hatte den Mann halb tot geprügelt.«

»Ein Naturkind, wie es im Buche steht, das in seinem Dorfe hätte verbleiben müssen. Kam dann wieder zu Euch gelaufen?«

»Tauchte eines Tages wieder hier auf und setzte sich vor meine Fleischtöpfe, als ob sich dies ganz von selbst verstünde.«

Der Trapper lachte hellauf und sagte: »Und dieses Rauhbein wollt Ihr mir aufbinden? Wer sagt Euch, daß der Wilde für die Jagd tüchtig ist?«

»Ist es ohne allen Zweifel! Gab ihm, als er bereits wieder wochenlang herumgelungert war, eines Tages mehrere Fallen und erklärte ihm deren Zweck; gab ihm eine Flinte und schickte ihn flußauf an die Nebenflüsse. Ist ja dort oben, wie Ihr wißt, ein nur wenig ergiebiges Revier, aber ich versichere Euch, er brachte jeden Tag seine Felle. Ist ein Jäger, dessen Erfolge ganz erstaunlich sind, dem sich die Biber und Otter förmlich in die Fallen drängen.«

»Nun, dann seid Ihr jetzt wohl bezahlt? Und wenn die Sache so liegt, dann allerdings ließe sich über den Mann reden. Bin begierig, ihn kennen zu lernen.«

Mittlerweile war es an den Spieltischen recht laut geworden, so daß Harry Bourton, der Wirt, sich genötigt sah, die Unterhaltung mit dem Wildsteller zu unterbrechen.

Eine Meinungsverschiedenheit hatte sich dort ergeben und ein ziemlich heftiger Wortwechsel sich daraus entwickelt.

Zwar suchten einzelne der Männer die erhitzten Gemüter zu besänftigen, auch der Wirt war herbeigelaufen und tat sein Bestes.

Doch umsonst, die Geister platzten immer heftiger aufeinander.

Plötzlich fielen die Worte: »Falschspieler!« »Diebsgesellen!« »Betrüger!«

Ein baumlanger Mensch mit einer roten Schmarre im Gesicht erhob sich, der denjenigen niederzuschlagen drohte, der soeben diese Ehrentitel ausgeteilt hatte.

Mehrere andere wild aussehende Gesellen, alle zugereiste fremde Menschen, scharten sich um den Langen und nahmen eine nicht minder drohende Haltung ein.

Die Raster, die sich offenbar in ihrem guten Rechte wußten, ließen sich dadurch aber nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Im Gegenteil, ein vierschrötiger Mann mit blondem Backenbart erhob sich und erklärte, für das, was er gesagt habe, sofort den Beweis zu erbringen.

Als dieser Mann die Unvorsichtigkeit beging, einige unter dem Tisch liegende Karten aufzulesen, die, wie er behauptete, nicht ohne Absicht fallen gelassen worden waren, stürzte sich der Lange mit geballten Fäusten auf ihn und im Handumdrehen war es zu einer regelrechten Rauferei gekommen.

Wenige Augenblicke zuvor schon war im Eingange des Raumes eine noch jugendliche, aber hohe und kräftige Gestalt sichtbar geworden, die den Vorgang mitangesehen hatte.

Auch der Trapper war im letzten Augenblick noch herbeigelaufen, in der Absicht, Frieden zu stiften, aber zu spät; die Hiebe fielen bereits hageldicht; die Keilerei war in vollem Gange.

Die Raster, die den ersten Angriff zwar tapfer abwehrten, waren, da sie zwischen den Tischen und der Wand gesessen und ihre Plätze nicht mehr hatten verlassen können, trotz ihrer Überzahl im Nachteil. Die Landstreicher, in ihren Bewegungen völlig ungehindert, nützten dies weidlich aus, erfaßten die Stühle und schlugen mit diesen über die Tische hinweg unbarmherzig darauf los. Allmählich aber schafften sich die Rasters Luft. Sie warfen die Tische, die ihnen bisher so hinderlich gewesen waren, einfach um und gingen nun ihrerseits zum Angriff über.

Eine fürchterliche Balgerei entstand, wobei kaum mehr zu unterscheiden war, wer die Oberhand behielt.

In diesem kritischen Augenblicke krachte in dem wildwogenden Menschenknäuel ein Schuß.

Nun vermochte der Wirt sich nicht mehr zu halten. »Young Ironfist, hierher! Fest zugefaßt!« rief er und stürzte sich dann auf den Langen.

Dieser Mann war aber trotz seiner Hagerkeit ungemein sehnig und stark; er schüttelte den Wirt mit einem kräftigen Ruck einfach von sich ab.

Mittlerweile war der vom Hotelinhaber herbeigerufene junge Mann an der Türe mit wenigen Sätzen herbeigeeilt. Stürmisch drang er auf den wildesten der Landstreicher ein, parierte geschickt dessen Hieb von unten herauf mit den Armen, fuhr blitzschnell empor, erfaßte den Mann um die Mitte und warf ihn an die Wand, daß es krachte.

Im nächsten Augenblick teilte ein zweiter dieser Gesellen dasselbe Schicksal.

Die Raster machten sich nun flink über die beiden zu Boden geworfenen Menschen her, erfaßten sie am Kragen und beförderten sie vor die Türe.

Ein dritter, von mehreren Rastern zuvor halb tot geprügelt, nahm im Handumdrehen denselben Weg.

Inzwischen hatte der Lange ein Jagdmesser hervorgezogen und stürzte sich wutbrüllend auf den jungen Mann, der soeben so kräftig zugelangt hatte.

Dieser erwartete den Angreifer kaltblütig, packte ihn mit einem blitzschnellen Griff am Arm und drückte diesen derart, daß der Mann mit einem Schmerzensschrei die Waffe fallen ließ.

Ehe der Lange recht zur Besinnung kam, hatte sein Gegner ihm die Arme an den Leib gedrückt, dann auch ihn um die Mitte gefaßt, trotz allen Sträubens wie ein Kind zur Türe getragen und mit einem kräftigen Fußtritt ins Freie befördert.

» By Jove, das heiße ich einfache und glatte Arbeit machen,« sagte der Trapper, der ganz verblüfft dagestanden hatte und den jungen Mann bewundernd anstarrte.

Tommy Hawking hatte ebenfalls zugreifen wollen, war aber bei der schnellen Aufräumearbeit des jungen Hünen gar nicht dazu gekommen.

»Ja, schnell gehen und gut gehen,« erwiderte der angeredete junge Mann in gebrochenem Englisch, der kein anderer war als der ehemalige junge Krieger der Pe-ta-ha-vah-da, Beutelratte.

»Menschenkind, wo habt Ihr das gelernt? Wahrlich, wer einen solchen Griff sein eigen nennt, der hat keine Ursache, sich vor einem halben Dutzend solch hergelaufener Lumpen zu bangen.«

»Starke Faust sehr gut, starke Faust sehr nötig. Raster es sagen, hinausgeworfene Menschen seien sehr schlecht, seien Diebe, seien Betrüger!«

»Ja, hergelaufenes Gesindel, ohne alles Gewissen, das die ehrliche Arbeit scheut und aus den Taschen der Nebenmenschen lebt. Die Raster hätten sich mit dieser Sorte Menschen auf das Spiel gar nicht einlassen sollen; tragen das Merkmal des Gauners an der Stirne. Aber kommt+… wie heißt Ihr eigentlich, wenn man fragen darf+… man sagte mir, man nenne Euch schlechtweg Young Ironfist?«

»Ja, Raster, wenn nach mir rufen, dann rufen Young Ironfist. Young Ironfist früher einen anderen Namen führen, aber diesen Namen nicht mehr hören wollen.«

»Na, dann also+… Ihr habt eine tüchtige Arbeit geleistet und nun wird Euch ein Trunk von diesem Genever gut tun.«

Der Trapper lud den jungen Mann höflich ein an seinen Tisch zu treten, nahm ein frisches Glas von der Bar und schenkte die Gläser voll.

»Auf Euer Wohlsein! – Stimmt, was mir Master Bourton kurz zuvor sagte, wird zur Wirklichkeit, was er beabsichtigt, werden wir wohl noch in nähere Bekanntschaft treten.«

Die beiden leerten die Gläser, worauf sich Young Ironfist ohne alle Umstände an der Seite des Wildstellers niederließ.

Bald war zwischen den beiden ein Gespräch im Gange, das dem Jäger das Bild, welches der Wirt von dem Halbwilden entworfen hatte, vollauf bestätigte.

Young Ironfist gab unumwunden zu, daß er sich in die neuen Verhältnisse bislang nicht habe finden können, daß ihm die Bleichgesichter, die er bisher hatte kennen lernen, mit wenigen Ausnahmen nicht gefallen wollten.

»Was habt Ihr an ihnen auszusetzen?« fragte lachend der Wildsteller. »Das Blaßgesicht, das Euch aus Eurem Dorfe entführte, hat wahrscheinlich etwas hochgespannte Vorstellungen in Euch erweckt, die nun der nackten Wirklichkeit gegenüber nur schwer bestehen können.«

»Was habt Ihr an den Bleichgesichtern auszusetzen?«

» Yes, das ist sehr richtig, zugleich aber auch sehr traurig.«

»Je nun, wir dürfen nicht erwarten, daß immer und überall vollendete Menschen auf dieser Erde umher wandeln. Im Gegenteil, es ist nur gutzuheißen, wenn über der Wirklichkeit noch bessere Vorstellungen schweben, sich Ideale erheben, damit das Erdenkind zu ihnen emporblicken, sich an ihnen erbauen, erheben und erfrischen kann.«

»Das allerdings gut. Aber die Blaßgesichter sich wenig daran erfrischen; sie stets daneben blicken.«

»Wieso das? Ihr wollt damit doch nicht sagen, daß die Weißen nicht immer das Gute, sondern wider besseres Wissen meist das Schlechte tun?«

»Das gerade nicht sagen. Aber die Bleichgesichter für andere immer sehr viele gute Lehren bereit haben, aber sie selber die guten Lehren nur wenig befolgen.«

»Zum Henker, Eure Beobachtungsgabe ist nicht schlecht. Was Ihr da behauptet, läßt sich, gemeinhin genommen, leider so ohne weiteres nicht bestreiten.«

»Die Bleichgesichter besitzen eine gespaltene Zunge. Sie sprechen von Liebe, die sie zu empfangen wünschen, die sie versprechen jedem wiederzugeben. Das Bleichgesicht liebt in Wahrheit aber nur sich selbst; was es andere Menschen fühlen läßt, ist nicht Liebe, es ist sehr oft Eigennutz.«

»Auch das muß man leider für viele Fälle zugeben, zumal für die weißen Menschen, mit denen Ihr bisher in Berührung gekommen seid. Aber Ihr müßt gerecht sein und bedenken, daß wir hier in der Wildnis leben, wo der Mann sein Dasein den rauhen Verhältnissen auf mehr oder minder herbe oder gewalttätige Weise abtrotzen muß. Wir haben hier noch kein Gesetz und keine Ordnung. Hier ist notgedrungen jeder sich selbst der Nächste und da greift er oftmals kräftiger und selbstsüchtiger zu, als es vielleicht nötig ist.«

»Dann wäre es wahr, daß die Bleichgesichter im fernen Osten bester sind, daß sie sich alle lieben untereinander?«

»Das wäre allerdings eine etwas kühne Behauptung, weil die Bleichgesichter nicht als ein einziges großes Volk anzusehen sind, sondern wie die Rothäute in verschiedene Stämme zerfallen und die liegen sich oft genug in den Haaren. Jedenfalls aber ist das Leben im Osten in geordnete und gesetzlich geregelte Bahnen geleitet.«

Young Ironfist sah den Wildsteller eine Weile forschend an und blickte dann stumm und gedankenvoll vor sich nieder. Der Trapper ließ ihn eine Zeitlang gewähren, fragte dann aber: »Gefällt Euch das auch nicht? Warum schüttelt Ihr so bedächtig den Kopf?«

»Wozu brauchen die Bleichgesichter noch besondere Gesetze,« so fragte Young Ironfist, »da sie doch ein Buch besitzen, in dem geschrieben steht, wie sie einander lieben und wie sie ihren Großen Geist verehren sollen? Wie kommt es, daß sie die Dinge nicht befolgen, die sie für richtig halten und in jenem Buche so eifrig lesen?«

»Je nun, die Mehrheit, die lebt wohl auch getreu dem Wortlaut jenes Buches. Aber es gibt Menschen, die ohne Kindermuhme nicht auf den Wegen bleiben, die sie wandeln sollen. Sie werden, wenn sie sich verfehlen, dann kraft des Gesetzes zwangsweise auf den rechten Weg zurückgeführt.«

»Dann sind also doch auch im fernen Osten viele der Bleichgesichter nicht besser, als sie hier in den Wäldern umherlaufen. Das ist tief zu beklagen. Die toten Leute besitzen kein Buch wie die Blaßgesichter. Aber man gehe hin in die Dörfer und man wird sehen, die Kinder eines Stammes streiten sich nicht, weichen auch nicht ab von dem geraden Wege; sie lieben sich untereinander.«

»Nun ja, der rote Mann ist ein Naturkind; sein Leben fließt einfach und glatt dahin; er hat es in dieser Beziehung viel leichter. Das Leben der Blaßgesichter dagegen ist ein weitaus komplizierteres. Auf den Wegen, die es wandelt, gibt es gar viele Ecken und Unebenheiten, an denen man sich leicht stößt, zumeist hinsichtlich des Besitzstandes; dann sieht es wohl oftmals so aus, als ob sich die Weißen untereinander nicht vertragen. Aber das sind nur Meinungsverschiedenheiten; sie müssen eben, um die Wahrheit und das gute Recht zu Tage zu bringen, ausgefochten werden.«

»Der rote Mann hat auch seinen Besitzstand; auch er wird sich seine Jagdgründe von einem fremden Stamm nicht beschneiden lassen. Aber er unterscheidet sich vorteilhaft von dem Blaßgesichte, denn er will nicht mehr besitzen, als er zu seinem Leben nötig hat. Der weiße Mann begnügt sich damit nicht; er bewertet seinen Besitzstand nach Geld; sein Streben ist, davon so viel wie möglich sein eigen zu nennen.«

»Das muß man zugeben und das liegt in dem ganzen Wesen der Kultur. Der Weiße sucht seinen Besitz möglichst zu vergrößern, den Inhalt seiner Geldtasche zu bereichern, um aus dem Sumpfe der Unwissenheit und Armut herauszusteigen, um entweder Ansehen oder Einfluß zu gewinnen oder um sich größere Lebensgenüsse zu gestatten. Indem er zu den Höhen des Lebens emporsteigt, weitet sich sein Blick; er kann so sehr viel Gutes schaffen und durch sein Vorbild viele seiner Brüder zu sich emporziehen.«

»Er tut es also um ein Häuptling zu werben? Er kann damit aber doch nur erreichen, die anderen Bleichgesichter, die nach demselben seufzen, sich untertan zu machen.«

»Je nun. Hochgestellte und Dienende hat es von jeher gegeben und wird es geben, solange die Welt steht. Mit dem Standesunterschiede aber ist noch gar nichts gesagt. Er schließt nicht aus, daß die Tiefergestellten oftmals viel glücklicher und zufriedener sind, als diejenigen, die über ihnen stehen, wenn nur alle die Menschen, die führend an der Spitze des gemeinsamen Lebens einhermarschieren, nicht hart und unmenschlich, sondern eines warmen Herzens, hilfreich, gut und weise sind. Übrigens haben ja auch die Roten ihre Häuptlinge, denen die übrigen Krieger folgen müssen.«

»Weil sie die Erwählten, weil sie die Weisesten und Tapfersten des Volkes sind. Niemals aber wird ein Häuptling der roten Männer einen eigenen Besitz erstreben und diesen zu vergrößern suchen, um Ansehen und Einfluß zu gewinnen; niemals wird er aus seinem Ansehen auf Kosten eines anderen des Stammes Nutzen ziehen. Man gehe in die Dörfer der roten Krieger und man wird sehen, daß der Besitz des einzelnen kaum vorhanden ist, also niemals der eine Ursache hat, den andern zu beneiden. Young Ironfist ist der Ansicht, daß die vielen Unebenheiten, die das Blaßgesicht beschreiten muß, dem roten Krieger glücklicherweise erspart sind. Wohl aber wird das Ansehen des roten Kriegers durch den Ruhm bestimmt, den er sich erworben hat. In der Ratsversammlung schwindet aber auch dieser; hier sind alle gleich, hier hat jeder Krieger einen Sitz und eine Stimme.«

»Das kann man einen Zustand nennen, der bei den Weißen im Osten vor langer Zeit ebenfalls vorhanden war, aber längst überwunden ist. Und daß die Bleichgesichter diesen Standpunkt verlassen haben, das war wohlgetan, sonst wären sie nicht schon längst die Herren der Welt.«

»Was haben sie davon? Würden sie alle gleich sein, nicht durch Reichtum sich unterscheiden, keiner ein Vorrecht besitzen, sondern nur nach den Worten leben, die in ihrem großen Buche stehen, sie würden viel weniger Streitigkeiten haben; sie würden alle, die großen Häuptlinge und die kleinen Krieger, noch viel mehr glücklicher und zufriedener sein.«

»Das ist Geschmacksache, das ist die Anschauung eines Naturkindes.«

»Young Ironfist ist ein Blaßgesicht, aber er kann sich mit dem Leben seiner weißen Brüder nicht einverstanden erklären.«

»Weil Ihr eben trotz Eurer weißen Abstammung dennoch ein Naturkind seid. Wäre Euch Gelegenheit geboten, Euch im Osten etwas umzutun, würdet Ihr die Lebensgüter kennen und schätzen lernen, von denen Ihr heute keine blasse Ahnung habt. Es würde Euch im Anfang allerdings manches recht sonderbar vorkommen, zuletzt aber sicherlich ganz gut gefallen. Eure Augen würden nach und nach ganz anders sehen lernen.«

»Young Ironfist hat längst vor, die Probe zu machen, und er wird sie ausführen. Er will wissen und mit seinen eigenen Augen sehen, ob seine weißen Brüder im fernen Osten wirklich besser sind.«

»Das ist eine an sich ganz löbliche Ansicht, hat aber, damit ich das nur gleich sage, zweierlei Voraussetzungen, wobei gleich wieder das Geld, das Euch so wenig gefällt, eine erste Rolle spielt: erstlich bestimmte Mittel zum Reisen und dann das Vermögen, sich unter den Weißen den Unterhalt zu verschaffen.«

»Dazu gehört also Geld und immer wieder Geld. Young Ironfist haben aber kein Geld.«

»Wenn Ihr kein Geld habt und von Eurer Absicht nicht lassen wollt, dann bliebe Euch nichts anderes übrig, als welches zu erwerben.«

»Young Ironfist könnte welches erwerben, er weiß das. Er fürchtet nur, wenn er welches erworben hat, daß ihm die eigennützigen Blaßgesichter dieses Geld wieder abnehmen werden, so daß aus der Reise nach dem Osten doch nichts werden würde.«

»Ihr seid ein Unverbesserlicher! Haltet Ihr es denn für ganz ausgeschlossen, daß es auch hier in der Wildnis ehrliche und rechtschaffene Menschen gibt?«

»Young Ironfist hat bis jetzt nur ein Bleichgesicht kennen gelernt, das wirklich uneigennützig ist. Das war der Mann mit dem langen schwarzen Rock und dem großen Buche, der Young Ironfist mit dem Großen Geiste der Bleichgesichter bekannt gemacht hat. Er sprechen nur von Liebe, er sprechen gar nichts vom Gelde. Young Ironfist lieben und verehren diesen Mann; er wird ihm so bald als möglich einen Besuch machen und ihn um seinen Rat fragen.«

»Tut das! Inzwischen hoffe ich, daß unsere Bekanntschaft sich fortsetzt und daß auch ich Euch mit einem Rate dienen kann, der Euch einleuchtet und genehm ist.«

Young Ironfist sah dem Wildsteller forschend in das Auge.

Tommy Hawking war ohne Zweifel ein nicht gewöhnlicher Mensch. Er hatte offenbar schon bessere Tage gesehen. Gutmütigkeit, Ehrlichkeit und Intelligenz leuchtete aus seinem wettergebräunten, edel geschnittenen Angesicht.

Der Blick des Halbwilden senkte sich allmählich. Etwas verwirrt sah er vor sich hin und fragte dann den Wildsteller um den Namen, den dieser mit gutmütigem Lächeln nannte.

»Tommy Hawking gefallen Young Ironfist sehr,« sagte über eine Weile etwas zögernd die einstige Rothaut. »Aus seinen Augen lesen nichts von Treulosigkeit oder Eigennutz. Young Ironfist sich aber schon sehr oft und über seinen besten weißen Freund, der ihn zum Blaßgesicht gemacht hat, sehr bitter täuschen. Er wollen abwarten, um Tommy Hawking noch näher kennen lernen. Vielleicht später dann auf seinen Rat hören. Tommy Hawking diese Vorsicht dem jungen Blaßgesicht, das von großem Mißtrauen erfüllt ist, nicht übel nehmen.«

Sprach's, grüßte kurz und erhob sich.

»Da geht er hin,« meinte der Wirt mit einem schlauen Lächeln um die Lippen, als Young Ironfist die Türe hinter sich zugezogen hatte, »stolz, mißtrauisch und unbeugsam, den Kopf voller Mucken. Ich wette,« wendete er sich an den Wildsteller, »nun steigt er wieder auf die Spitze eines Hügels und läßt sich einsam auf einem Felsen nieder. Dort könnt Ihr ihn stundenlang bewegungslos sitzen und in die blauen Lüfte starren sehen.«

»Bei aller Eigenart aber dennoch ein prächtiger Mensch, aus dem noch etwas Rechtes werden könnte,« entgegnete der Wildsteller. »Ich sollte denken,« fügte er mit einem beredten Seitenblick auf den Wirt hinzu, »daß Ihr dieses Naturkind für Eure Absichten und Pläne so gut wie in der Tasche habt.«

»Und Euch dazu, so hoffe ich,« versetzte Master Bourton, die Gläser voll schenkend. »Ich war mir von vornherein sicher, daß Euch dieser junge Mensch gefallen wird, daß sich's mit dem im Walde hausen läßt.«

»Warum nicht? Zumal wenn er wirklich, wie Ihr gesagt, eine feine Spürnase und obendrein ein guter Jäger ist.«


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