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Wie ich in Ratnapura Edelsteine fand

Ich sagte: »Meine Herren Konsuln! Sie haben mich zu Mustapha Kaffur hingeschickt oder zu Mohammed Bachir, oder wie der Kerl hieß. Ich habe mit beiden Händen in Opalen und Saphiren, Rubinen und Smaragden herumgewühlt. Ich habe drei Stunden lang um die schönsten Steine gehandelt. Gekauft habe ich natürlich nichts, weil ich zufällig keine tausend Pfund bei mir hatte.«

Ich schwieg. Ich erwartete, daß die Herren Konsuln sagen sollten: »Dürfen wir Ihnen vielleicht tausend Pfund leihen?« – Wozu sind denn Konsuln sonst eigentlich da?

Aber die Herren taten, als verständen sie mich nicht.

Da versuchte ich es auf eine andere Weise. Bis dahin hatten sie in mir irgendeinen Großindustriellen aus dem Kohlenbezirk vermutet – nun ließ ich aber die Maske fallen.

Ich sagte: »Meine Herren Konsuln! – Ich bin ein deutscher Dichter!«

Wie schlicht und einfach – – und doch wie ergreifend!

Aber die Herren Konsuln in Kolombo waren gar nicht ergriffen. Sie schwiegen wieder.

»Ja, meine Herren,« fuhr ich fort, »verstehen Sie denn gar nicht? Sie sind doch alle drei große Kaufleute! Oder aber sind Sie durch ihre nebenamtliche Tätigkeit schon derartig vor den Kopf geschlagen, daß Sie den Zusammenhang nicht begreifen können? – Ich bin – – ein deutscher Dichter!«

»Ganz recht,« antwortete der Kaiserlich Deutsche, – – »Sie haben also keia Geld?!«

»Natürlich nicht!« sagte ich bescheiden.

»Und möchten trotzdem gern einen schönen Rubin haben?« fragte der Kaiserlich und Königlich österreichisch-ungarische.

»Nein,« sagte ich, »keinen Rubin. – Einen Sternsaphir.«

»Was wollen Sie denn damit tun?« fragte der Republikanisch Brasilianische. Der hatte einen wundervollen Sternsaphir am Finger.

Ich fauchte ihn an: »Was ich damit tun will? Meinen Sie, deutsche Dichter könnten nicht ebensogut Sternsaphirringe haben wie andere Menschen? – Ich muß eben einen haben! Und wenn Ihre Kunstbegeisterung nicht so weit reicht, daß Sie die ernste Verpflichtung in sich fühlen, mir die lumpigen Pfundnoten zu borgen, die so ein Stein kostet, wenn Sie weiter die Pflichten Ihren Völkern, Kaisern, Königen und Präsidenten gegenüber – denn alle die drei Länder, die Sie vertreten, haben doch große Dankespflichten gegen mich – so lax vertreten, daß Sie sich nicht selig schätzen, mir Ceylons schönste Steine zu Füßen zu legen – – nun so denken Sie eben nach, wie Sie mir auf andere Weise meinen Stein verschaffen!«

Die drei Brüder Freudentag machten furchtbar ernste Gesichter. Sie sagten nicht nein, dazu waren sie doch zu anständig. Aber es fiel ihnen auch nichts ein, wie sie mir helfen sollten, ob sie auch noch so lange nachdachten.

»Geben Sie mir ein O. T.«, sagte ich. Sie gaben mir ein 0. T., und ich trank. Das ist ein schreckliches Getränk, das die Menschen in Ceylon trinken; es ist eine Art Spiritusextrakt aus Paprika, Cayenne- und gewöhnlichem Pfeffer. Ich habe aber herausgefunden, daß deutsche Dichter darnach ausgezeichnete Gedanken haben können.

Ich hatte gleich einen und sagte: »Meine Herren Konsuln! Andere Leute finden doch Sternsaphire in Ceylon – – ich will auch einen finden!«

Das schien den konsularischen Gebrüdern einzuleuchten.

»Hm!« sagte der Kaiserlich Deutsche.

»Hö!« machte der Kaiserlich und Königlich Österreichisch-ungarische.

»Hm! Hö!« gluckste der Republikanisch Brasilianische.

Dann riefen sie den Herrn Ernst Zahm aus Idar. Der war ein Sachverständiger, und sie trugen ihm den Fall vor. Der Herr aus der Achatschleiferstadt an der Nahe nickte bedächtig. Dann nahm er ein Telegrammformular und schrieb darauf das schöne Wort: »Mehemfatohinaböchlumscharsig«.

Ich las es und starrte ihn an. Aber dieser Herr blieb ganz ruhig und sagte: »Es ist ganz einfach. Es heißt auf deutsch: ›Benachrichtigen Sie den Mudeliar von Ratnapura, daß übermorgen Seine Königliche Hoheit Prinz Hanns XI. von Nibelungen dort eintreffen wird. In seinem Gefolge sind die Vertreter Deutschlands, Österreich-Ungarns und Brasiliens, dazu einige andere prominente Persönlichkeiten aus Kolombo. Seine Hoheit beabsichtigen, die Edelsteingruben zu besichtigen; ich lasse den Mudeliar ersuchen, alles zum Empfang sorgfältig vorzubereiten.‹ – Das Telegramm geht an unsern Vertreter in Ratnapura; das Haus Freudentag hat eben den vervollkommnetsten Depeschencode der Welt!«

Ich schnappte nach Luft. »Wie heißt das Wort? Mehem – – –«

Die drei Konsuln lachten vergnügt. »Ganz einfach! Mehemfatohinaböchlumscharsig!«

Ich nickte; die Leute stiegen reichlich in meiner Achtung, obwohl sie mir die tausend Pfund nicht gegeben hatten. »Mehemfatohinaböchlumscharsig! Es ist ungeheuer einfach! – Aber, meine Herren – – seit wann bin ich denn Königliche Hoheit?«

Der Kaiserlich Deutsche lächelte verbindlich: »Oh, bitte, Dichterfürsten sind uns wie Königliche Hoheiten! Und sehen Sie, die eingeborenen Häuptlinge verstehen so wenig von deutscher Kunst – – um einen würdigen Empfang zu bereiten, müssen wir da schon zu einer frommen Lüge greifen.«

* * *

Am übernächsten Morgen, an einem heiligen Sonntage, trommelte ein niederträchtiger Heide in aller Herrgottsfrühe an meine Türe. Ich müsse aufstehen, meinte er. Ich schrie ihn an, daß es noch vollkommen dunkel sei, und daß kein anständiger Christ jetzt aufstehen könne. Das machte aber gar keinen Eindruck auf den Singhalesenboy; er blieb dabei: es sei fünf Uhr, und ich müsse eben aufstehen.

Als ich hinunterkam, saßen die drei Herren Konsuln beim Tee; der Mann aus Idar war auch schon da, und dann noch ein Mensch, der Herr Säbel, und ein anderer, der Herr Trauer hieß. Die waren auch Konsuln, vom Norddeutschen Lloyd, glaube ich, oder von sonst einer internationalen Großmacht. Sie sagten alle »Hoheit« zu mir, und ich war sehr zufrieden damit. Es war mir so, als hätte ich etwas wiederbekommen, das ich lange verloren hatte. Ich war äußerst huldvoll und gütig –

Draußen ständen zwei große Gaggenauwagen; Hoheit stiegen ein mit ihrem diplomatischen Gefolge. Hinaus in die Dunkelheit.

Einmal quiekte etwas.

»Was ist das?« fragte Hoheit.

»Ein Schweinchen!« lächelte verbindlich der Kaiserlich Deutsche. »Wir haben eben ein kleines Schweinchen überfahren.«

»Zwei kleine Schweinchen!« verbesserte der Kaiserlich und Königlich Österreichisch-ungarische.

»Es ist nämlich zu gleicher Zeit eine Jagdpartie zu Ehren Ew. Hoheit!« erklärte der Republikanisch Brasilianische.

Er hatte vollkommen recht. Als wir gegen 11 Uhr in Ratnapura ankamen, war der Rekord: eine Zebukuh, eine gewöhnliche Kuh, zwei Wasserbüffel und eine dicke Schlange. Dazu vierzehn Schweine, einige dreißig Pariahunde, zwei Gänse und ungezählte Hühner. Leider hatten wir keine einzige Ziege und auch keine Krähe erwischt – – diese Tiere sind zu schlau.

In Ratnapura erschien der Ratamahatmea und der Mudeliar, hinter ihnen drängte sich die ganze Bevölkerung. Ich gab den beiden Fürsten – – ich weiß nicht recht, ob sie das waren oder nur Grafen oder gar Herzöge – – huldvoll die Hand und sagte: »Morrrjen!« Ich benahm mich überhaupt genau so, wie sich eben Hoheiten benehmen. Die beiden singhalesischen Notabeln führten mich durch die Stadt und schritten zu meinen Seiten, hinter mir gingen die Diplomaten. Rund herum wimmelte das Volk, es klatschte sich mit den flachen Händen auf die nackten Bäuche: das ist in diesem Lande das Zeichen begeisterter Huldigung beim Empfange von Fürstlichkeiten. Das Geräusch tat meinen Ohren ungemein wohl; so schritt ich in angenehmer Erwartung durch die Gassen. Ich sah einen Mauren, der Rubine schnitt und einen anderen, der Mondsteine schliff – na, das war eigentlich alles. Ich sagte, es wäre sehr nett, und es hätte mich sehr gefreut – und wo ich nun meine Edelsteine finden könnte? – Aber die Herren Konsuln meinten, ich solle erst frühstücken.

Im Rathause war derweil das Festmahl gerichtet. Wir bekamen allerhand sehr komische Sachen, doch die Konsuln sagten, daß es Nationalgerichte seien, und deshalb fand ich sie natürlich sehr gut. Ich aß Krokodilernes au gratin, Elefantenhufragout in Palmenburgunder, Wasserbüffelmaulsalat und Schweinemilchkäse. Zum Schluß kam Eidechsenschwanzsuppe. Dann fing es furchtbar an zu regnen – da bekam ich Lust, ein Bad zu nehmen. Ich zog mich rasch aus und lief mit dem Herrn Säbel – – es stellte sich heraus, daß er Republikanisch San-Marinischer Konsul war – über die Gasse zum Flusse hinunter. Der war sehr heiß und furchtbar schmutzig. Dann kamen der Mudeliar und der Ratamahatmea und all die Konsuln angelaufen und die ganze Bevölkerung von Ratnapura. Alle schrien furchtbar und wollten uns retten, weil uns die Krokodile fressen würden. Aber diese Tiere sind sehr vernünftig, sie haben augenscheinlich einen großen Respekt vor Hoheiten und ließen sich gar nicht sehen.

Wir zogen uns also an und warteten, bis die Sonne wieder schien. Dann stiegen wir auf die Reitelefanten und ritten zu der Grube. Die war so etwa vier Quadratmeter groß und mit gelbem Wasser gefüllt. Drum herum lagen Teppiche und darauf standen Sessel – hier nahmen wir Platz. Hinter uns standen die Schwarzen und hielten Sonnenschirme. Dann stiegen zwei nackte Kerle in die Grube, nahmen flache Körbe und taten Schlamm darauf. Und sie schüttelten die Körbe im Wasser hin und her.

Ich mußte das wieder sehr interessant finden und sagte ein paarmal zu dem Ratamahatmea: »Bumefu karimku!« Das heißt auf deutsch: »Außerordentlich lehrreich!«

Ab und zu legten die Kerle ein paar kleine Steinchen abseits, das waren dann die Edelsteine. Der Herr Zahm aus Idar machte dann, ein furchtbar weises Gesicht und erklärte, das sei ein Ghrysoberill und das ein Topas und das ein Spinell und das ein roter Saphir und das ein Alexandrit. Sie sahen aber alle ganz egal aus. Trotzdem nickte ich und sagte: »Sehr interessant!«

Endlich fragte ich den Kaiserlich Deutschen, wie es denn nun mit meinen Steinen sei?

Er sagte, ich möchte nur suchen. Ich ließ mir also auch so einen Korb mit Dreck geben und wühlte darin herum. Natürlich wurde ich von oben bis unten schmutzig – doch das nahm ich ruhig mit in den Kauf. Ich fand auch so ein paar harte Steine, aber sie schienen mir nichts Rechtes zu sein; so war ich schlau genug und nahm rasch noch einige von denen, die der braune Kerl ausgesucht hatte. Ich ließ alles von dem Sachverständigen aus Idar abschätzen, und der Mann erklärte, daß ich ganz außerordentlich glücklich gewesen sei und zwei herrliche Sternsaphire, drei prachtvolle Rubine und dazu noch einen Haufen sehr wertvoller anderer Steine gefunden habe. – Ich solle nur alles gleich hierlassen zum Schleifen.

Das tat ich denn auch. Dann stieg ich mit meinem Gefolge wieder in die Autos. Vorher gab ich allen den Leuten, die bei der Edelsteinsucherei beschäftigt waren, fürstliche Trinkgelder – über zehn Mark habe ich ausgegeben. Außerdem bekamen der Ratamahatmea und der Mudeliar Photos mit eigenhändiger Unterschrift. – Noblesse oblige!

* * *

Drei Tage darauf brachte mir ein Kerl die geschliffenen Steine aus Ratnapura. Die Rechnung betrug siebenundsechzig Rupien und fünfzig Cent. Die Steine waren alle so klein geworden wie Stecknadelköpfe, und es waren lauter Mondsteine. Bei Wertheim bezahlt man dafür 47 Pfennig fürs Hundert.


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