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Kaiser Akbars Stadt

Die Elefanten des Maharadja von Gwalior trugen uns zum Bahnhof. Der Stationsvorsteher hatte ein Essen bereitet, aber wir aßen nichts. Wir rieben den Staub aus den Augen und stiegen ins Bad; dann suchten wir Mund, Kehle und Magen auszuspülen. Wir tranken Limonaden, Gingerbier, Whisky und Soda; vier, acht, zehn große Gläser. Aber es war, als ob nicht ein Tropfen hinuntergelangte: alle Poren perlten in tausend großen klaren Tropfen die Flüssigkeiten aus. Fünfzig Zentigrad – –

Wir waren zu vier: ein Kapitän, ein Arzt, ich – und eine schöne Frau. Die Leute sagten, es sei ein Wahnsinn, um diese Zeit zu reisen in Indien. Ich aber möchte nie dort sein um eine andere Zeit; wir waren allein und sahen nichts von dem Pöbel der Fremden: so gehörte uns das Land –

Der Stationsvorsteher gab uns einen Abteil, und wir fuhren durch die Nacht. An jeder Station hielt der Zug, dann stiegen wir aus, liefen zum Brunnen, kühlten die Tücher, die um die Stirne und die Pulse lagen. Gossen Wasser hinauf und Eis-Eau de Cologne. Und wir tranken in langen Zügen. –

Der Zugführer sagte: »Hol's der Teufel, Sie sollten nicht trinken! – Fieber, Pest, Cholera – überall! – Etwas Schädlicheres gibt's nicht als dies gottverdammte Wasser!«

Ich sah ihn an: »Aber Sie trinken ja selbst!«

Da zuckte der lange Schotte die Achseln: »Hol's der Teufel! – Was will man machen?«

Fünfzig Zentigrad – –

* * *

Wir waren in Agra und fuhren in klapprigen Kaleschen durch die Mondnacht. Wir waren so müde, so zerschlagen in allen Knochen, von Dromedarritten, Eisenbahnen, Kutschen und den entsetzlichen Elefanten. Die Augen schlossen sich nicht, standen weit auf, hingen heraus aus den Höhlen –

Aber hinten wuchs aus der unendlichen Stille ein weißer, gewaltiger Traum, wuchs das Schönste, was es gibt auf der Erde, wuchs das, was alle Märchen in sich schließt: die Tadj-Mahal. Wir sprachen kein kleines Wort, starrten hin durch die Mondnacht – – drei Männer und eine schöne Frau.

Wir waren am Hotel und prügelten die verschlafenen Kulis wach. Wir tranken Limonaden, Gingerbier, Whisky und Soda – ich weiß nicht wieviel. Es war so heiß, daß keine Fliege sich rühren mochte an den weißen Wänden. Und der kleine Ghekko, dem sie gerade vor der Nase saßen, blinzelte nur und sperrte nicht einmal das Maul nach ihnen auf. Wir schliefen dann, unter den Moskitonetzen auf der Veranda. Aber der Kapitän ließ sich die Wanne unter den Punka rollen, warf ein paar Kissen ins Wasser, dazu große Eisstücke. Und die Kulis mußten den Fächer über ihm in Bewegung halten. So schlief er.

Im Fremdenbuche stand: »Wenn ich Herr wäre der Hölle und der von Agra – ich würde Agra verlassen, um zur Hölle zu gehen.« – Ich aber meine: »Wenn das Paradies mein wäre und Agra dazu – ich möchte Agra nicht missen um des Paradieses willen.«

* * *

»Agra« sagen die Engländer, »Agrarians« nennen sie die Leute, die da wohnen. Sie sind schrecklich, die Engländer: wie können Agrarier in einer Stadt leben, wo die Träume wohnen? O diese Engländer! Sie haben Zungen wie alte Reibeisen, sie zerkratzen alles, was schön klingt. »Leghorn« sagen sie statt Livorno, »Emelfei« statt Amalfi und »Tschemps-Eleises« statt Champs-Elysees. So sagen sie auch Agra; das ist gut und kurz für den englischen Kaufmann. Ich aber bin kein Engländer und kein Kaufmann; so sage ich: Akbarabad, das ist: Kaiser Akbars Stadt.

Diese Kaiser, die des Propheten grünem Banner Indien zu Füßen legten, waren seltsame Menschen. Titanen waren sie, wilde Giganten, standen mit zwei Füßen auf der tagesheißen Erde und rissen zugleich mit starken Händen alle Wunder der Nacht vom Himmel herab. Wie ein anderer sich ein neues Kleid machen läßt, so ließen sie Städte sich bauen mit hundert Palästen. Trugen sie, wie ein Gewand, für kurze Zeit; warfen sie dann weg – bauten neue.

* * *

»Salaam«, grüßte der alte Führer, tief sich neigend, beide Hände an der Stirne. »Die Sonne geht auf. Wohin fahren wir heute?«

»Wohin du willst«, sagte die schöne Frau.

Draußen, in der Öde, liegt Fatihpur-Sikri; das ist die Stadt, in der einst Kaiser Akbar, der Große, hauste. Unendliche Paläste erheben sich, Türme und Basteien; dazwischen herrliche Moscheen und gewaltige Säulenhallen. Verlassen, vergessen da draußen in der Wüste, menschenleer. Nur grüne Eidechsen und kleine graue Eichhörnchen in den Hallen und Palästen. Einer sagt: Es ist eine Dichtung in Stein. Und der andere: Gefrorene Musik. Der dritte aber: Ein Traum in Rot und Weiß. – Ich aber kann nichts sagen. Ich gehe schweigend durch diese Marmorwunder, still, ergriffen, jedes Wortes unfähig.

Der alte Moslem versteht mich. Seine Schuhe hat er an der Schwelle gelassen, auf nackten Sohlen läuft er still hinter mir her. Später, im Dak Bungalow, wird er alles erzählen.

Ich schreite hindurch zwischen der Münze und dem Schatzhause, komme zum Diwan-i-Am, der großen Gerichtshalle: hier stand des Herrschers über Asien Richterstuhl. Nirgends in der Welt gibt es einen herrlicheren und zugleich ernsteren Gerichtssaal – es sei denn in Schah Jahans Palast. Weiter zum Mahal-i-Kas, Akbars Palast.

Da ist der süße Khwabgah, der Pavillon der Träume; daneben der kleine Palast für des Kaisers türkische Frau. Der Diwan-i-Kas, die Audienzhalle, und der Panch Mahal, der Frauenpalast; das Bad des Kaisers und das der Suitana. Und daneben Sonahra Makau, der goldene Pavillon, der der indischen Gattin des Kaisers als Wohnstätte diente, ein süßes Juwel, das alle weichen Träume klingen macht. Das Schloß des Astrologen und weiter Yodh Bais' Palast, der älteste in Fatihpur Sikri. Dann der reine, edle Hawa Mahal, der Windpalast, und das schönste von allen: Radscha Birbals Haus, des indischen Freundes des Kaisers. Hathi Pol, das Elefantentor, Sangin Burj, die Bastion, und der mächtige Kuppelbau des Kabutar Khana. Die herrliche Karawan Serai; Hiran Minar, der prachtvolle Turm, und endlich die wunderbare Moschee mit ihren Mausoleen. –

In der Zeit, in der der Große Kurfürst zu Berlin in elender Baracke wohnte, schuf Akbars Genie diese Riesenstadt. Sechsunddreißig Jahre war sie die Herrin Asiens – – dann gab man sie den Geiern und den Bettlern.

Von hier aus herrschte Akbar, der Herr, Timurs Sproß, über das indische Reich, hier lebte er sein Leben durch sechsunddreißig Jahre. Als er starb, starb mit ihm die Stadt: so herrlich sie war, sie war nicht herrlich genug für Kaiser Khurram, seinen Enkel, den man auch Schah Jahan nennt, den »König der Welt«.

* * *

»Salaam«, grüßte der Alte. »Nach Sikandra? – – Die Wagen warten.« Da nickte die schöne Frau.

Kaiser Akbar, der tote, zog nach Sikandra, hinüber auf die andere Seite der Jumma. Da steht sein Steinsarg, tief unten in dem gewaltigen Palaste. So sind die Riesenverhältnisse dieser gewaltigen Großmoguln: Baber, Akbar, Jehangir, Schah Jehan, Aurangzeb – – wo andere nur wenige Fuß beanspruchen, den müden Leib in die Erde zu betten, gebrauchen sie, bedeckt von Gärten, Mauern, Hallen, von Palästen und Moscheen, den weiten Raum einer ganzen Stadt. Schufen riesige Prunkstädte, wo selbst die Mediceer nur kleine Paläste bauten.

– Kaiser Akbar der Große, des mächtigen Baber gewaltiger Enkel, schuf diese Totenstadt in der Wüste. Links und rechts vom Wege liegen viele Gräber; da schlafen Fürsten und Wesire und Feldherren und Heilige des Islam. Ich fahre vorbei am Mausoleum Miriams, der christlichen Gemahlin des Kaisers; aber ich mag nicht hineingehen: es dient als Waisenhaus heute, und fünf deutsche Lehrerinnen putzen da schmutzigen Hindukindern die Rotznäschen. Oh, wenn ich doch Morgan wäre! Ich würde den frommen Frauen das schönste und beste Haus der Welt bauen, aber von hier, von hier müßten sie fort, von dieser heiligen Stätte, wo Kaiser Akbars zermorschte Knochen ruhen.

Roter Sandstein und weißer Marmor. Ein gewaltiges Rechteck, von mächtigen Mauern umgeben, und auf der Mitte einer jeden Seite ein Eingangstor. Ein Tor? Bei diesem Kaiser wird das Tor zu einem großen Palaste, wie der Palast zur gigantischen Stadt wird. Drinnen ein herrlicher Garten, weite Rasenflächen, Wasserkünste, Bäume und Kioske. Große zahme Hulmanaffen kommen heran – –

In der Mitte des Herrschers Grabpalast. Ein riesiger Unterbau, in vier Stufenterrassen; Säulengalerien ringsumher und viele schlanke kleine Pavillons. Und darüber erhebt sich der rote Palast, in dem Akbar der Große schläft. Oben steht der herrliche Kenotaph; gerade darunter, in der Krypta, liegt das einfache wirkliche Grab. Es zeigt nur das eine Wort: Akbar.

* * *

»Salaam,« sagt der stille Graukopf, »I'timad-ud-Daulah?« – Über die lange Brücke der Jumma führt der Weg. Sie ist heilig, ein Nebenfluß der Ganga – so stehen fromme Hindu an ihrem Ufer und beten. Große Schildkröten träumen in der Sonne auf den sandigen Inseln, weit unten hebt sich der häßliche Kopf eines Kaimans.

Ein Mausoleum, wie das Kaiser. Akbars in Sikandra: sein Sohn, Kaiser Jehangir, baute es. Aber kein roter Sandstein hier, nur weißer Marmor. Vier mächtige Mauern, in ihrer Mitte die Eingangstore, an ihren Ecken vier blanke Türme. Und im herrlichen Parke der marmorne Grabpalast: hier schläft die Gattin Kaiser Jehangirs. Frische gelbe Rosen liegen an jedem Morgen auf ihrem Grabe –

* * *

»Und heute?« fragte ich.

»Zur Burg, Sahib«, sagte der Alte.

– Wir fahren durch die Stadt Agra. Kaiser Baber gründete sie, Akbars Großvater und der Urenkel Timurs von Vaters und des Dschingiskhan von der Mutter Seite: Kaiser Baber, der Eroberer Indiens. Er legte auch den Grundstein zu der Burg. Kaiser Akbar setzte sein Werk fort, aber weit wunderbarer noch als die Ahnen baute der vierte Kaiser, Schah Jahan.

Akbars Stil ist kräftig, selbstbewußt, wuchtig und stolz: roter Sandstein und weißer Marmor. So wie dieser Kaiser in seinem weiten Lande alle Kulturen gelten ließ und alle Bekenntnisse, wie er – neben den indischen und mohammedanischen – auch eine christliche Frau hatte, eine Parsifrau und eine buddhistische – wie er über Indien selbst herrschen wollte und nicht nur über seine islamitischen Untertanen, so verband er, durchaus bewußt, auch in seinem Stil indische mit sarazenischen Elementen. – Wie ganz anders wirkt daneben seines Enkels Stil, Kaiser Khurrams! In der ganzen Geschichte der bildenden Kunst ist niemals ein Stilwechsel so plötzlich eingetreten. Alles Indische schwindet im Handumdrehen: die Renaissance verbindet sich mit maurischer Kunst. Florenz hält seinen triumphierenden Einzug in Indien; »Pietra dura«, die wundervolle Plattenmosaik, die wir in San Lorenzo, der Kapelle der Mediceer bewundern, feiert höchste Triumphe und unerhörte Schönheitsorgien im Mogulreiche.

Und doch war Schah Jahan mehr Inder als Vater und Großvater: seine Mutter war eine Hindufrau. Aber der neue Kaiser war ein großer Künstler, und sein wunderbares Auge fand neue Formen und Wege.

Hinter dem »Rebengarten«, gleich neben Akbars mauro-indischem Schloß, beginnt Kaiser Khurrams traumschöner Palast. Der Marmor lebt, aus allen Wänden lachen die steinernen Blumen. Jaspis aus dem Pundschab, Rubin aus Birma, Türkis aus Tibet, Sternsaphire und Alexandrite aus Ceylon. Weißer Kristall aus Malwa, Onyx aus Persien, Amethyste aus China und grüner Jade, Granat von Bundelkund, rote Korallen aus Socotra. Chalcedon aus Syrien, Malachit aus Afghanistan, Perlen von Rameswaran. Lapislazuli von Dschaffna, Diamanten aus Punah, blanker Achat von Dschubbulpur – – – ganz Asien sandte seine Schätze, um das Haus des »Königs der Welt« zu schmücken.

Strahlend funkelt in der heißen Sonne der goldene Pavillon Mumtaz-i-Mahals, der vielgeliebten Favoritin des Kaisers. Daneben die Fürstenhalle, gleich allen andern maßlos in Reichtum und Pracht; mächtig und erhaben in dem groß gedachten Aufbau, vollendet dabei bis in das kleinste hinein. Dann die reine, edle Edelsteinmoschee und die süße Mina Masdjid, die kleine Privatmoschee des Kaisers. Dabei die weite Säulenhalle aus grünem Marmor und der Diwan-i-Am, die prächtige Audienzhalle in rotem Sandstein, in der der Kaiser rechtsprach.

Und die Perlmoschee mit ihren drei Kuppeln in leuchtendem weißen Marmor, edel und vornehm wie kaum ein anderes Kunstwerk in der Welt –

Der Spiegelpalast, fensterlos, tief dunkel. Da entzündet mein Moslem ein Licht: und die Wände strahlen in zehntausend Farben. Das Wasserspiel beginnt, von unten beleuchtete Kaskaden plätschern in die Bäder. Und kleine Spiegel, Spiegel überall – hier wurde die Wollust zur großen Kunst.

Nirgends, nirgends ein Mensch. Graue Eichhörnchen und grüne Eidechsen. Ich bin der Schah, ich allein, und ich herrsche zwischen dem stummen Marmor in meiner Träume Reich –

* * *

»Salaam«, sagt der Alte. »Zur Jama Masjid?« – Und wir fahren zu der großen Moschee.

* * *

– Und wieder sagt er: »Salaam. – Zur Kalan Masjid?« – Und wir fahren dahin.

* * *

Einmal fragt die schöne Frau: »Wohin heute, Alter? Haben wir alles gesehen?«

Er antwortet: »Ja, Herrin. – Bis auf – –«

Und sie winkt ihm: »Gut – fahren wir hin.«

Und wir fahren, endlich, zum herrlichsten, was es gibt auf Erden, fahren zur Tadj-Mahal – mitten in der Nacht, als der Vollmond über Agra hing.

Schön ist die Alhambra und schön der Alcazar von Sevilla. Schön, wunderbar schön ist Cordovas Moschee, sind die Paläste in Dschaipur und Amber, in Delhi, in Lahore und Ahmedabad. Aber was sind sie alle – was ist alles, was Asiens Pracht uns geschenkt, gegen die unendlichen Zauber der Totenstadt, in der der »König der Welt« ruht, Kaiser Schah Jahan, der größte Künstler des Ostens.

Was ist selbst Agras Herrlichkeit, was Fatihpur Sikri und Sikandra, was die ewige Burg gegen den weißen Traum, der dort hinten leuchtet, hoch heraus aus dem grünen Park, an den Ufern der breiten Jumma? Gegen dieses Schönste, was je Menschenhände schufen – –

Gegen die Tadj-Mahal – –?

Irgend jemand sagte – ich weiß nicht wer – daß das größte Kunstwerk nur aus dem tiefsten Schmerze herauswachsen könne. Vielleicht hat es auch niemand gesagt – vielleicht fühle ich es nur so. Aber das ist gewiß, daß es hier zutraf.

Kaiser Khurrams Sultana starb, die junge und schöne, heißgeliebte Mumtaz-i-Mahal, der »Stolz des Palastes«. Und der große Schmerz des »Königs der Welt« schuf zu ihrem Gedächtnis das herrliche Werk, in dem er nun ruht, an der Geliebten Seite.

Und wie bei dem ewig Erhabenen stets, dicht zur Seite, die wilde Narrenkappe grotesker Komik klingt, so auch hier. Die Tadj-Mahal, das schönste Bauwerk der Erde, schuf das gebrochene Herz des größten Herrschers und genialsten Künstlers von Asien und – mit ihm zugleich – ein verlaufener Abenteurer, Falschmünzer, Gauner, Betrüger und Dieb: Herr Austin von Bordeaux.

Ein Schwindler – gewiß! Und doch: ein Genie von höchstem Range. Ein Mann, dessen Namen gleich guten Klang hat neben dem Goethes und Beethovens, Michelangelos, Hoffmanns und Rembrandts. – Nie hatte ich diesen Namen gehört, der mir nun heilig ist wie der Mozarts und Byrons: Austin von Bordeaux.

Man weiß fast nichts über den abenteuernden Gascogner. Er war ein Goldschmied und Juwelier, war Holzschnitzer, Erzgießer und Bildhauer – wie Benvenuto Cellini; und er war gewiß aus demselben Holze geschnitzt. Er war, wie der Florentiner, den Goethe liebte, ein zielloser Lump, ein Landstreicher, der sich an allen Fürstenhöfen herumtrieb: glänzend empfangen, dann fortgejagt mit Schimpf und Schande. Ein Bramarbas war er, ein Kerl, dem dabei der Degen ebenso leicht aus der Scheide flog wie das Wort vom Munde. Ein Raufbold, ein Spieler und Säufer, ein Bursch, der sein eigener Herrgott war, und der den Mädchen nicht weniger eifrig nachstellte wie den Buben – gerade wie Benvenuto. Ein Mann, der dabei sein Handwerk verstand, der vielleicht manches prächtige Kunstwerk schuf in Europa – aber man kennt keines! – einer, der Geld in Scheffeln einnahm und es wieder hinauswarf zur selben Stunde. Der falsche Münzen prägte, falsche Steine verkaufte und Pferde stahl, der oft genug auch im Kerker saß – wie Benvenuto.

Ein Jammer nur, daß der Bordelaiser nicht Memoiren schrieb wie sein Seelenbruder aus Florenz! Zu heiß ward ihm endlich Europas Boden; von allen Fürstenhöfen war er weggejagt, und die hohen Bischöfe und geistlichen Herren waren ihm nicht minder gram wegen allerhand Geisterspuk und alchemistischem Unfug, den er trieb. Da pfiff er eines Tages ein freches Liedlein seines Landsmanns Cyrano, Herren von Bergerac, schnürte sein dünnes Bündel, bestieg ein Korsarenschiff zu Genua und segelte nach Indien. Schon vor ihm waren manche italienische und französische Künstler in das Reich der Moguln gezogen – – wer weiß, welche von allen den herrlichen Bauten wir ihnen verdanken? Nicht einmal ihre Namen sind uns bekannt.

Herr Austin aus Bordeaux war ein Mann der Welt, ritt in allen Sätteln und war bestechend liebenswürdig – wie Benvenuto. Er kam nach Akbarabad und brachte Kaiser Khurram, dem »König der Welt«, ein seltenes Geheimnis mit, das ihm alle Tore angelweit öffnen konnte: das war »Pietra dura«. Schah Jahan empfing ihn, und sein Genie erkannte sofort den großen Künstler: so ward der Franzose sein Baumeister. Er begann mit den Bauten auf der Burg; dann (1627) übertrug ihm der Kaiser den Bau der Totenstadt an der Jumma.

Tadj-Mahal, der Kronpalast. Das Wort ist von den Engländern geprägt worden, ist bequem und ist falsch wie das Wort Agra. Es sollte heißen: Tadj-bibi-ka-Roza, d. i.: das Grab der Kronendame –

Also ein Grab nur. Aber ein Grab in dem herrlichsten Palast, mitten in den schönsten, gewaltigsten Gärten. Ein Grabpalast, umgeben von himmelhohen Minarets, von Moscheen, Torburgen, Pilgerhäusern, Karawanserais, Säulenhallen und Pavillons – –

* * *

Ich war in der Tadj, früh am Morgen, wenn die Sonne hinausstieg aus den Fluten der Jumma, wenn die bunten Vögel sich badeten in den Wasserspielen der Gärten –

Ich war wieder da, wenn sie sank im Westen, und die tausend Nachtigallen in den Jasminbüschen schlugen. Und dann wieder, wenn sie hochstand am glühenden Mittag, wenn kein Atem rings aus der heißen Ruhe kroch – –

Ich war in der Tadj in der tiefen indischen Nacht. Wir schritten daher, langsam, träumend, weinend, über die heiligen Wege und die weißen Marmorstufen.

Drei Männer und eine schöne Frau –

Hinter ihr glitt ein Schatten, Ali Asaf, der alte Moslem. Er sprach kein Wort, wenn wir dort waren, sprach auch nicht, wenn wir heimfuhren. Sprechen – sprechen über die Tadj-Mahal!

Auch ich mag nicht sprechen davon, mag sie nicht »beschreiben«. Sie ist schöner als alles, was ich sagen könnte –

Der Franzose Austin von Bordeaux erbaute sie. Am Grabe seines Bauherrn standen wir, Schah Jahans und seiner Kaiserin, Mumtaz-i-Mahal. Moslim beten hier, Hindu, und Sikh, Buddhisten, Parsi und Jainas. Streuen Rosen und weiße Tempelblumen. Und der uralte Mullah hebt seine Stimme, und durch die mächtige Marmorkuppel klingt und schwingt des Propheten heiliger Ruf: »U-Allah-il-Allah!«

Und ich glaube – ich betete an diesem Grabe. Ich weiß nicht, zu welchem Gott –


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